Das neue Anti-ISIS-Mandat – erst mal nur für sieben Monate

Im Rahmen der internationalen Anti-ISIS-Koalition richtet die Bundeswehr ihr Engagement vor allem im Irak neu aus. An die Stelle der bisherigen getrennten Mandate für die Ausbildung von Kurden im Nord-Irak und die Aufklärungsmissionen über Syrien und dem Irak soll ein gemeinsames neues Mandat treten, mit dem eine Ausbildung auch irakischer Streitkräfte im ganzen Land möglich wird.

Das neue Mandat will das – noch geschäftsführende – Bundeskabinett am kommenden Mittwoch beschließen und dann dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen. Auffällig ist dabei vor allem eines: im Gegensatz zur üblichen Praxis ist das neue Mandat auf sieben Monate befristet und soll Ende Oktober zur Verlängerung anstehen – oder auslaufen.

Insgesamt sollen bis zu 800 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden können; das ist zusammengerechnet weniger als die Obergrenze der beiden bisherigen Mandate. Die Verringerung kommt vor allem dadurch zu Stande, dass der bislang enthaltene Geleitschutz für den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition nicht mehr eingeplant wird. Neben der neu gefassten Ausbildungsmission im Irak sollen aber die Aufklärungsflüge der Tornados von Jordanien aus, die Luftbetankung von Kampfjets der Koalition und die AWACS-Überwachung der Region beibehalten werden.

Die Absicht, die deutsche Beteiligung am Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen umzustrukturieren, hatten Union und SPD bereits in ihrem Koalitionsvertrag erklärt:

Die Bundeswehrmission im Nordirak war erfolgreich, der IS ist dort weitgehend militärisch zurückgedrängt. Deshalb können wir das Ausbildungsmandat im Nordirak auslaufen lassen und beenden. Die Obergrenze des Anti-IS-Mandats zur Unterstützung und Entlastung unserer Verbündeten, insbesondere Frankreichs, kann deutlich abgesenkt werden. In einem weiteren Schritt wollen wir dieses Mandat zur umfassenden Stabilisierung und zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors insbesondere durch capacity building weiterentwickeln.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte bei einer Reise in den Irak im Februar im Hinblick auf das capacity building vor allem von Sanität und Logistik gesprochen; das tatsächliche Ausbildungsangebot dürfte aber darüber hinausgehen – konkret angesprochen wird die Counter-IED-Ausbildung, also der Umgang mit Sprengfallen.

Aus dem Mandatsentwurf:

Die internationalen Bemühungen zur Stabilisierung Iraks und zur Reform des irakischen Sicherheitssektors sind erforderlich, um einer unmittelbaren Gefahr für Deutschland, unsere Bündnispartner und die internationale Gemeinschaft entgegenzutreten. Die Vereinten Nationen, NATO und Europäische Union stärken ihr Engagement im Land. Aufgrund entsprechender Anfragen der internationalen Anti-IS-Koalition und der irakischen Regierung prüft die NATO derzeit eine Umwandlung und ggf. Intensivierung ihres bisherigen Engagements im Bereich Ausbildung und Beratung in Irak in eine Ausbildungsmission.  (…)
Militärische Beiträge bleiben wichtige Elemente dieses internationalen vernetzten Ansatzes. Diese Bemühungen richten sich an die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte, nicht hingegen an Einheiten und Verbände der sogenannten Volksmobilisierung („Popular Mobilization Forces“). Die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte müssen dazu befähigt werden, der gewandelten Bedrohung zu begegnen und damit die für eine erfolgreiche Stabilisierung erforderliche Sicherheit zu gewährleisten. Die bislang geleistete Unterstützung zum Aufbau der Grundfähigkeiten irakischer Streit- und Sicherheitskräfte wird beendet.
Stattdessen wird zukünftig die Ausbildung im Schwerpunkt mit mobilen Trainingsteams durchgeführt. Die Maßnahmen dienen der Stärkung von Strukturen und Fähigkeiten, insbesondere durch Ausbildung der Ausbilder („Capacity Building“ und „Train the Trainers“). Sie werden basierend auf dem Bedarf der regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte auf spezialisierte Fähigkeiten (z.B. medizinische Versorgung oder Counter-IED) zugeschnitten. Dies dient auch dazu, wirksame politische Kontrolle über die Sicherheitskräfte sicherzustellen. Damit leisten wir auch einen Beitrag dafür, die Grundlage für die Rückkehr von Binnenvertrieben und Flüchtlingen zu schaffen. (…)
Die Bundeswehrmission im Nordirak war erfolgreich, IS ist dort weitgehend militärisch zurückgedrängt. Die im internationalen Verbund mit unseren Partnern im internationalen Ausbildungszentrum in Erbil geleistete Basis-Ausbildung der Peschmerga zum erfolgreichen Kampf gegen den IS, verbunden mit Lieferungen von Ausrüstung und Material, hat wesentlich zum Erfolg gegen IS in Irak beigetragen. Deshalb können wir das bisherige Ausbildungsmandat im Nordirak auslaufen lassen und beenden.
Das erfolgreiche Engagement der internationalen Koalition im Kampf gegen IS erlaubt, die Obergrenze des Anti-IS-Mandats zur Unterstützung und Entlastung unserer Verbündeten deutlich auf 800 Soldatinnen und Soldaten abzusenken und auf den seegehenden Schutz für den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle im Mittelmeer künftig zu verzichten, der von Frankreich nicht mehr nachgefragt wird. Die verlässliche Unterstützung der Koalition und unserer Partner im Kampf gegen IS stellt dennoch weiterhin ein wichtiges Element des sicherheitspolitischen Engagements der Bundesregierung in der Region dar, um damit der unmittelbaren und direkten Gefahr für Deutschland, unsere Bündnispartner und die internationale Gemeinschaft weiterhin entgegenzutreten und die bisherigen Fortschritte im Kampf gegen IS nachhaltig zu sichern.
Deutschland unterstützt die internationale Koalition im Kampf gegen IS unmittelbar durch die Bereitstellung von Aufklärungsmitteln (Aufklärungsflugzeuge vom Typ RECCE TORNADO). Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass Aufklärung aus der Luft über dem Operationsgebiet des IS umso wichtiger wird, je verdeckter IS operiert. Der konkrete Bedarf in Quantität und Qualität wird kontinuierlich überprüft. Deutschland unterstützt ferner mit Tankflugzeugen zur Luft-zu-Luft- Betankung inklusive für Aufklärungsflüge sowie Personal in multinationalen Stäben und Hauptquartieren.
Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland an der Unterstützung der NATO für die internationale Anti-IS-Koalition durch Bereitstellung der Besatzungen von NATO- AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeugen. Der Einsatz der NATO-AWACS- Flugzeuge dient der Verdichtung des Lagebildes unter Weitergabe der dabei gewonnenen Erkenntnisse an die internationale Anti-IS-Koalition. Dies dient auch der Sicherheit der deutschen Aufklärungsflugzeuge Tornado sowie der Tankflugzeuge, die im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition eingesetzt werden. Zu den Aufgaben des AWACS-Einsatzes zählt auch weiterhin nicht die Übernahme einer Feuerleitfunktion. Das strategische und operative Kommando der NATO-AWACS-Flugzeuge verbleibt bei der NATO.

Die verkürzte Geltungsdauer des Mandats erklärt die Bundesregierung mit der kontinuierlichen Beobachtung der Lage im Irak – die Formulierung im Mandatstext lässt sich allerdings als Hinweis auf eine Reduzierung nach sieben Monaten ebenso lesen wie als Hinweis auf eine Ausweitung:

Perspektivisch wird sich der Bedarf an Unterstützung bei Maßnahmen zur Stabilisierung von IS befreiter Gebiete sowie an Fähigkeitsaufbau in Irak weiterentwickeln. Um dem angemessen Rechnung tragen zu können, soll das Mandat zunächst um sieben Monate verlängert werden.

Nachtrag: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist gerade im Irak und weist auf die geplante Ausweitung der Ausbildungsaktivitäten der Allianz hin:

At the request of the Iraqi government, NATO is planning to scale up its support with a new training mission in Iraq. “We will continue to train the trainers, and help the Iraqi Government to establish specialist military academies and schools,” he said.

(Foto: A Danish soldier observes Iraqi troops as they conduct mortar training at Camp Al Asad, Iraq, Feb. 21, 2018. This training is part of the overall Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve enhancing partner capacity mission which focuses on training and improving the capability of partnered forces fighting ISIS – U.S. Army photos by Spc. Zakia Gray)