Weihnachtsbesuch in Afghanistan: von der Leyen startet Debatte über Aufstockung (Update: O-Ton)
Bei ihrem inzwischen fünften Weihnachtsbesuch bei deutschen Soldaten in Afghanistan hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Debatte über eine mögliche Aufstockung des Bundeswehrengagements am Hindukusch angestoßen. Die Ministerin verwies darauf, dass vor allem Soldaten zur Sicherung der Ausbilder benötigt würden, die die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen und beraten:
Mir sagen die Soldatinnen und Soldaten, vor allen Dingen die Ausbilder: Wir haben genug Ausbilder. Wir könnten aber deutlich mehr machen, wenn wir bessere Schutzkomponenten hätten, mehr Schutzkräfte. Jetzt ist es so, dass Aufträge liegen bleiben.
Die Ministerin im O-Ton:
Nun kommt das nicht gar so überraschend, wie anscheinend mancher glaubt. Bereits im Oktober hatte es Hinweise darauf gegeben, dass das Verteidigungsministerium – nach einer Aufstockung der US-Truppen am Hindukusch – darüber nachdenkt, die Zahl der deutschen Soldaten zu erhöhen und dafür im nächsten Mandat über die bislang festgelegte Obergrenze von 980 Soldatinnen und Soldaten hinauszugehen.
Was damals aus dem Hause von der Leyens als Stellungnahme dazu zu hören war, war ja kein Dementi, sondern zunächst der Verweis auf die damals vorgelegte (und inzwischen beschlossene) Kurzzeit-Verlängerung des inhaltlich unveränderten Mandats um drei Monate:
Unabhängig davon gibt es im BMVg Überlegungen in verschiedene Richtungen, aber noch keine Entscheidung auf konkrete Zahlen.
In Bezug auf der von den USA geforderten generellen Erhöhung von Truppen für Resolute Support sieht sich Deutschland weiterhin nicht als erstes angesprochen, da wir bereits unsere Mandatsobergrenze letztes Jahr angehoben haben.
Wie schon mal angemerkt: Die Formulierung sieht sich Deutschland weiterhin nicht als erstes angesprochen heißt ja nicht, dass die Bundeswehr-Zahl nicht erhöht wird. Sondern sagt erst mal nur: Wir warten ab.
Konkret wurde die Verteidigungsministerin in Afghanistan dazu nicht; insbesondere nannte sie keine Zahlen: Darüber müsse im Parlament beraten werden.
Aber dass eine Ausweitung der Ausbildungstätigkeit, im NATO-Jargon der Resolute Support Mission als Train-Advise-Assist (Trainieren, beraten, unterstützen) bezeichnet, nicht an der Zahl der Ausbilder scheitert – das war schon länger absehbar. Also dürfte die Debatte, wenn sie denn ernsthaft beginnt, um die Zahl von Kampftruppen zur Force Protection gehen. Wenn wir mehr Kräfte bekommen, können wir mehr rausfahren, zitiert Reuters einen Bundeswehroffizier.
In Ihrem Statement vor Journalisten sagte von der Leyen auch einen umfangreicheren Bericht zur Evaluierung des Afghanistan-Einsatzes zu – eine Forderung, die aus dem Bundestag immer wieder erhoben wird. Allerdings: Woran es mangelt, ist ja nicht nur ein umfassenderer Bericht des Verteidigungsministeriums, sondern eine Bewertung des deutschen Engagements, einschließlich der diplomatischen Bemühungen und der wirtschaftlichen Unterstützung. Insofern ist die Zusage der Verteidigungsministerin alleine vermutlich noch nicht so ganz das, was das Parlament erwartet.
Das komplette Statement einschließlich der Fragen zum Nachhören:
Auf der BMVg-Webseite ein Bericht zu dem Besuch hier , Videos hier und hier.
(Foto: von der Leyen nach Afghanistan singt auf Weihnachtsmarkt in der Betreuungseinrichtung Oase in Masar-i-Scharif mit dem Chor von Bundeswehrsoldaten – Bundeswehr/Jane Schmidt)
Cleverness: Verpackt als Schutz, aka mehr GUARDIAN ANGEL, ob als 2. oder Letzter aufgefordert, es wird verstärkt werden.
Wer will die umfassende Sicherung der Ausb im TAA-Einsatz auch daran scheitern lassen, auch beim künftigen GroKo-neu-Juniorpartner nicht.
Für die Aufstockung der Truppen, der Kampftruppen für Force Protection, muss die Ministerin jetzt aber erstmal die SPD überzeugen. Denn eine Aufstockung oder Verlängerung für ein Jahr wird es nur mit einer neuen Regierung geben.
Komisch finde ich die Aussagen, wir hätten genug Ausbilder….. Man könnte sicher auch mehr Ausbilder schicken oder brauchen angesichts der hohen Verlust der afghanischen Armee. Aber dafür bräuchte man noch mehr Kampftruppen.
Interessant wird, wie sieht es mit der Abschiebung nach AFG aus, wenn die Sicherheitslage doch mehr Kampfkräfte erfordert und dürfen diese neuen Kampfkräfte nur die Ausbilder schützen oder auch die deutsche Botschaft oder Konsulate?
Ist da schon konkreter was bekannt? Stationär Force Protection kann so ziemlich jeder, sogar die Luftwaffe.
Aber Kampftruppen ziehen ja einen Rattenschwanz an notwenigen Fähigkeiten nach sich, wenn da etwas weiter gefasst Sicherheit produziert werden soll – Schutzkompanie…
@kpk: Guardian angel war ein nach innen (im Feldlager) gerichtetes Programm um green und blue Zwischenfälle zu vermeiden. Schutz ist hier, aus meiner Sicht, vielmehr als force protection, also Schutz der Ausbilder bei Bewegung und Ausbildung außerhalb der Feldlager zu verstehen.
@closius: Die Sicherheitslage, die zweifellos nicht die beste ist, mit dem Bedarf an mehr „Kampfkräften“ (Schutzkräfte wäre meiner Meinung nach der bessere Begriff) gleichzusetzten wäre zu einfach. Hier geht es vielmehr darum, dass Potential der zur Verfügung stehenden Ausbilder auch vollständig auszunutzen und nicht auf Grund der Nichtverfügbarkeit von „Schutzkräften“ als Ausbilder im Lager bleiben zu müssen.
Auf 80 Ausbilder kommen bummelig 800 Mann, die Dinge aus Gründen tun.
Nicht nur aufgrund der Vorweihnachtszeit halte ich es da ganz mit Jona Lewie „I will stop the cavalry.“
So langsam wird es albern, wenn man sich anschaut, was allein dieses teutsche Heer bereits jetzt für Klimmzüge absolvieren muss, um auf den Hochzeiten eFP, VJTF, RS und Mali gleichzeitig zu tanzen. Wann hören diese Traumtänzereien endlich auf? „Wer alles defendieren will defendieret gar nichts“ – daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wozu mehr Schutzkräfte und mehr Ausbildung?
Gen. Stahl hat es in seinem Interview gegenüber jung&naiv treffend beschrieben. Tagsüber geht der Afghane als Bauer und nachts als Taliban. Ließe sich ergänzen, und am nächsten Tag als ANA-Soldat….
Um sich bei den Amis lieb Kind zu machen? Wofür und wozu? Die schaffen es noch in ihrer Großspurigkeit in Afghanistan den IS 2.0 aus der Taufe zu heben.
Da sollte man zusehen, das man nicht mit dabei ist, die geplante Truppenverstärkung wird wirkungslos verpuffen..
Da existieren in erster Linie gesellschaftspolitische Probleme, die man militärisch nicht lösen kann und wird.
@Hans Dampf
Stimmt, nur defendieren wir gar nichts, sonst wäre selbst EinsFüKdo zu Überzeugungsarbeit gegenüber IBuK dergestalt befähigt, weniger sei mehr, bei klarer Schwerpunktsetzung.
Wir beteiligen uns auf dem gesamtpolitischen Markt der Gesichtswahrung in NY und Brüssel.
Klauspeterkaikowsky | 19. Dezember 2017 – 14:58
Wir beteiligen uns auf dem gesamtpolitischen Markt der Gesichtswahrung in „NY“ und Brüssel.
Da stmme ich voll zu, frage mich nur, welches Gesicht… und wie würde es im umgekehrten Fall aussehen…
Auszug aus s.u.
In his speech, Mr. Gabriel, a Social Democrat, reminded Germans that in the future, they would have to get used to taking risks, including risking failure, if the European project was to remain a force in the world.
Germans remain largely ambivalent to any use of force on the international stage. The survey for the Körber Foundation showed a majority, 52 percent, felt Germany should show restraint on the international stage.
https://www.nytimes.com/2017/12/05/world/europe/germany-trump-sigmar-gabriel.html?rref=collection%2Ftimestopic%2FGermany&action=click&contentCollection=world®ion=stream&module=stream_unit&version=latest&contentPlacement=10&pgtype=collection
[Der hier reinkopierte Text sprengt definitiv die Grenzen des Zitatrechts. Also gekürzt. T.W.]
Und kein Wort zur aktuell (politisch) angespannten Lage in Balkh – Stichwort Absetzung des Gouverneur Atta Noor. Also alles im Lot in AFG, hmmm….
@section 31
Selbstverständlich kein Wort zu regionalem Kleinkram.
Sie ist Verteidigungsminister eines der Haupttruppensteller, ihr Thema ist das große Ganze, in diesem Fall die Verstärkungen.
Was ggf hinter verschlossenen Türen gebrieft wurde, ist was anderes.
@Klauspeterkaikowsky
Ich schätze Sie eigentlich für Ihre kompetenten Beiträge, aber hier unterliegen Sie einer Fehleinschätzung. Ein offener Konflikt zwischen dem Präsidenten und dem mächtigsten Mann in Nord AFG ist mitnichten Kleinkram. Dies wird Auswirkungen haben, besonders im deutschen Verantwortungsbereich. Ich denke Herr Wiegold wird wissen welchen Zündstoff dies bietet. Einfach mal die englischsprachigen üblichen Medien prüfen, in der deutschen Presse herrscht ja mal wieder das Schweigen im Walde.
@“closius.
„Komisch finde ich die Aussagen, wir hätten genug Ausbilder…..“
Das ist mir neu, zumindest was das Inland betrifft. Im Moment geht der Heldnklau durchs Land.
Was die Lw betrifft, ja sie können rein theoretisch Force Protection, praktisch sind auch diese mit Mali am Anschlag.
Man könnte sicher auch mehr Ausbilder schicken oder brauchen angesichts der hohen Verlust der afghanischen Armee. Aber dafür bräuchte man noch mehr Kampftruppen
der Ruf nach mehr Ausbildern/ Sicherungs- oder auch Schutzkräften ist ja schön und gut.
Nur woher sollen die kommen?
Man vergisst vielleicht, das durch die Trendwende Personal im Heer gerade ca. 1000 FA zusätzlich eingestellt wurden (ca das 2- fache zusätzlich) Diese müssen ausgebildet werden und zwar nicht von selbst frischen Fw. Gleiches Bild bei den OA. hier sind die Anforderungen an das Ausbilderpersonal sogar noch höher. (HFw in Ausnahme OFw, Schießausbilder/Schießlehrer usw)
Dies führt zu einer Entwicklung, die allgemein als“Heldenklau“ bezeichnet wird.
Zusätzlich mit den von einem Vorkommentator angesprochenen Einsatz- oder Einsatzgleichen Verpflichtungen hat man eine extrem hohe Belastung. Nicht zu vergessen, die Trendwende Personal wurde ausgerufen weil gerade eh zu wenig da ist. Mit Masse Fw -HFw.
Man kann sicherlich pro Zug mit 3 statt der 7 oder 8 geforderten Feldwebeldienstgrade arbeiten und einen erfahrenen Mannschafter zum stlv GrpFhr ernennen. Der kann das schon. Dünn wird es nur, wenn der OSG der originäre GrpFhr ist oder der UfzFA ( im Praktikum und ohne Führerlehrgang ) und pro Zug bei vollem Mannschafterstand ein Offz/HFw und nur 1 GrpFhr da ist.
Es ist alles möglich, man kommt auch mit allem klar weil es halt funktionieren muss. Die Qualität der Ausbildung ist dann allerdings weit von dem entfernt was man sich als Standard gesetzt hat. Der Ausgleich durch mehr Ausbildungszeit oder eine gute AdA für die Unterführer/OSG fällt durch die SAZV auch weg.
Dies ist allerdings nur mein Blickwinkel aus der Infanterie.
Was ist das Ziel der geplanten Erhöhung der Ausbilder? Was soll damit bei den afghanischen Sicherheitskräften bewirkt werden? Dies gilt es zu fragen! Wenn diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann , ist jeder Ausbilder im Heimatland für die Zukunft weitaus sinnvoller investiert, als am Hindukusch. Nach meiner dreimaligen Erfahrung als Ausbilder der ANA wollen die Kameraden dort viele Dinge völlig anders lösen, als wir es vorschlagen bzw. tun würden. Es ist ihr Land, nur sie können die dortigen Probleme lösen, dazu müssen sie aber auch wollen. Immer wieder Ausbilder hinzuschicken, die Zahl zu erhöhen und weiterzumachen wie bisher kann nicht zielführend sein.