Nach der Wahl: Was bedeutet das für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik?
Die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik war im Wahlkampf kein wirklich bedeutsames Thema (und daran ändert auch das Scheingefecht am Rande um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nichts). Nach dieser Bundestagswahl am heutigen Sonntag sieht das alles nicht so viel erhellender aus: Klar ist bislang nur, dass die SPD sich überraschend schnell festgelegt hat, nicht wieder in eine Koalition mit der Union zu gehen. Was daraus folgt, ob es tatsächlich zu einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen kommt – das ist nach wie vor halbwegs unsicher.
Diese Unsicherheit gilt auch für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Zwar ist es nach dem aktuellen Stand am Wahlabend das Wahrscheinlichste, dass die Union weiterhin das Verteidigungsressort besetzen wird. Aber wie eine Koalition und damit auch der Koalitionsvertrag auf diesem Feld aussehen wird: Da traue ich mir bislang keine belastbare Aussage zu.
Dennoch dieser Sammelthread, wie schon bei der Bundestagswahl 2013: Mit den Einzelergebnissen von Sicherheitspolitikern (wenn sie denn dann vorliegen; voraussichtlich weitgehend erst am Montag), vielleicht sogar auch mit Aussagen zur künftigen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Ergänzungen gerne in den Kommentaren.
(Foto: SPD-Wahlplakat in Berlin, Prenzlauer Berg – und der Disclaimer: Es war fast unmöglich, überhaupt ein Wahlplakat zu finden, das auch nur indirekt die Sicherheits- und Verteidigungspolitik erwähnt. Was auch schon einiges über den Wahlkampf sagt.)
Meine Prognose in wenigen Worten:
Weiter so.
Mit dem nein der ‚SPD zur Fortsetzung der Großen Koalition, und so deutlich, daß es keine Hintertür mehr gibt, um nicht als Umfaller zu gelten, gibt es nur noch die Jamaika-Koalition oder erstmals eine Minderheitsregierung von Union und FDP mit Duldung von Grünen oder SPD.
Sicherheitspolitisch weiß niemand, wo die Grünen und die FDP genau stehen. Die Grünen sind jedenfalls nicht für eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Herr Lindner hat im Wahlkampf darüber nachgedacht, die Annektierung der Krim indirekt anzuerkennen. Und da die FDP stärker ist als die Grünen, würde das Außenministerium vermutlich an die FDP fallen.
Man weiß also nicht, ob FDP und Grüne hinter der Verteidigung des Baltikums durch die Nato und für die Deutschen Soldaten im Baltikum stehen oder dort weniger deutsche Präsens fordern werden?
Ich sehe die Gefahr, daß die Sicherheitspolitik in einer Jamaika-Koalition ein Rand-Thema wird, weil zu vermuten ist, daß CSU, FDP und Grüne sich um andere Themen beharken werden.
Da die FDP im Vorfeld das Finanzministerium gefordert hat, wird das Amt des Außenministers an die Grünen fallen. Ich freue mich auf das Gesicht von Herrn Erdogan, wenn es Cem Özdemir wird.
Zur FDP:
https://www.fdp.de/thema/sicherheitspolitik
Wir sind vor allem auch Transatlantiker, 3% BIP für internationale Sicherheit.
@Daniel: Hihi, der wird dann verhaftet / SCNR
Generell mal die Bitte: Jetzt aus den Wahlprogrammen zu zitieren, bringt nicht arg viel. Entscheidender wird ja sein, was in einem Koalitionsvertrag steht, wenn es ihn denn mal gibt.
Wenn ich das richtig sehe, muß die nächste Regierung zumindest über die Entwicklung eines Tornadonachfolgers entscheiden. Damit steht das Thema Fortsetzung der nuklearen Teilhabe auf der Tagesordnung. Das wird mit FDP und Grünen hoffentlich spannender als mit der SPD.
Es gibt in einer „Jamaika Koalition“ zwei Parteien die sich zu dem 2% Ziel der Nato bekennen. Aber vielleicht denken wir nochmal kurz zurück welche Partei sich wirklich für die Soldaten und die Bundeswehr eingesetzt hat und welche Parteien sich andauernd gegen eine Erhöhung des Wehretats und z.B. auch einer ganz realen Hilfe (z.B. „Schwere Waffen (PZH 2000, Marder etc) in Afghanistan als es wirklich heiß wurde – eingesetzt hat. Ich möchte mich dann im Sinne von Herrn Wiegold nicht so viel mehr zur Vergangenheit äussern. Der Wahlkampf ist eh vorbei. Falls es Jamaika gibt muss man eben die Grünen in der Frage der Bundeswehrausstattung und des Verteidigungsbudgets kleinkriegen oder es wird sich wenig ändern.
Es sieht so aus wie es eh bald wieder Wahlen gibt
Weil die Grünen können nicht mit der FDP
weil eine Partei wäre sonst hinter her nicht mehr Glaubwürdig
Gerne. Und ich denke hier erhöht sich die W’keit einer Minderheitsregierung. Warum? Mir CDU und FDP stehen zwei fest hinter den Verpflichtetungen gegenüber der NATO. Die Grünen hätten da womöglich eine bittere Pille zu schlucken.
Im Ministerium munkelt man, dass eine zweite Amtszeit von VdL nicht vorgesehen sei. Rs bestünde zwischen Ihr und der Truppe zu wenig Bindung…
Mal ganz abgesehen von meiner nicht unerheblichen Skepsis ob nun „Jamaika“ wirklich kommt und wie handlungsfähig dieses Konstrukt letzendlich wäre …
Der Wahlerfolg der AfD, bei aller nötigen Distanz zur Partei und unter Berücksichtigung des Faktes von 60% Protestvotum, ganz speziell hier im Osten hat teils sicherheitspolitische Gründe (Stichwort Innere Sicherheit) und ist teils einer wütenden Grundstimmung in weiten Teilen der Bevölkerung geschuldet in die nicht nur die Flüchtlingsfrage hineinspielt, sondern auch hochgradig regionale Themen (hier an der Grenze zu Polen v.a. die Grenzkriminalität im Zusammenspiel mit ausgedünnten Polizeistrukturen auf dem Land, aber auch Ärztemangel) und ganz besonders wirtschaftliche Fragen. Wenn ganze Landstriche das Gefühl haben wirtschaftlich abgehängt zu sein und von der Politik ignoriert zu werden, dann ist das potenter Nährboden für Wahlergebnisse wie das gestrige.
Der Zirkelschlag zu Fragen det Verteidigung ist auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennbar, aber die von mir angesprochene Grundstimmung läßt sich wunderbar mit einem (wütend hingeworfenen) Zitat umschreiben, das ich genau so erst vor zwei oder drei Wochen auf einem Dorffest gehört habe.
Kurz gesagt: Es gibt, speziell im Osten, das Gefühl, das Unsummen für „nicht-essentielle Dinge“ zum Fenster hinausgeworfen werden. Dazu zählt nicht nur (aberbauch) die Flüchtlingsfrage, sondern der gesamte Bereich außenpolitisches Engagement, Auslandseinsätze der Bundeswehr und auch das Thema Europa (wo sich viele hier als Melkkühe ausländischer Interessen empfinden). Mit so einer Stimmung ist außenpolitisches Engagement (auch der militärischen Art) schon schwierig, von einer signifikanten Erhöhung der Verteidigungsausgaben mal gar nicht zu reden.
So, damit ist die AfD mehr als ausreichend gewürdigt und es Bedarf nicht weiterer Versuche, diesen OT irgendwie auf die Verteidigungspolitik hin zu drehen.
Frau Merkels minus 8,5 % Sieg für die CDU wird innerparteilich dazu führen, dass man Sündenböcke sucht. Frau Merkel wird peinlich genau darauf achten, dass sie mit dem schlechtesten CDU-Ergebnis seit 1949 nichts zu tun habe.
Eine umstrittene Verteidigungsministerin mit zahlreichen Stümpereien kommt da sehr gelegen. Der Abgang von Frau von der Leyen könnte somit die wesentlichste positive sicherheitspolitische Auswirkung der Wahl sein.
Außen- und sicherheitspolitisch ist diese Wahl ansonsten ein Fiasko. Stabile Koalitionen, bei denen sich alle Regierungsparteien zu notwendigen SiPo-Entscheidungen bekennen (2 % Ziel, Bündnistreue, stringente interessenorientierte Außenpolitik etc.) sind nicht in Sicht.
Für dieses Themenfeld wäre eine starke einige Regierung nötig. Die ist nicht erkennbar.
Sicherheitspolitisch am besten wäre eine Neuauflage der (nicht mehr) großen Koalition unter neuem Personal. Das aktuelle Personal der GroKo wurde vom Wähler abgestraft, ein gesichtswahrender Neuanfang wäre nur mit neuen Spitzengesichtern möglich, streng nach dem Motto: Politiker sind wie Windeln, man sollte sie regelmäßig austauschen und zwar aus dem gleichen Grund… findet dieser Austausch nicht parteiintern statt, kommen neue Parteien auf mit nicht unbedingt besserem Ergebnis. (Wir brauchen dringend eine Begrenzung der Kanzlerschaft auf zwei Legislaturperioden.)
Bündnispolitisch ist die aktuelle Parteienlandschaft leider eine Katastrophe. AfD, Linkspartei und Grüne sind naiver Russophilie erlegen, die SPD ist gern mal wackelig und die CDU weiß nicht so recht, was sie wollen soll. Und die FDP will Putin die Krim schenken, tun wir das, werden die baltischen Staaten bald auch verschluckt. Mit Lindner hat leider wieder ein außenpolitisches Fliegengewicht die Bühne betreten.
Ein potentiell zukünftig grün geführtes Außenministerium wird wohl moralisch erhaben in vielen Ländern schlimmer vor die Wand klatschen, als seinerzeit Westerwelle. Eine grüne Verteidigungsminister_in bleibt uns hoffentlich erspart, oder kann sich jemand auf diesem Posten die Katrin oder den Anton vorstellen? Der Cem hat schon gesagt, dass er dafür nicht ginge.
Eine stabile transatlantische Brücke existiert nicht mal mehr auf Abgeordnetenebene, was sicherheitspolitisch fatal ist, denn ohne den amerikanischen Babysitter ist Europa im SiPo-Thema ein Eunuche (theoretisch wissen sie alles besser, praktisch fehlt die notwendige Ausrüstung). Mehrparteienregierungen neigen leider dazu, sich von organisierten Interessen aus dem Ausland auseinanderdividieren zu lassen. Eine 3-Parteien Koalition wäre unter diesem Gesichtspunkt weniger stabil als die bisherige Situation.
generell wird es natürluich nicht einfacher für die Außen und Verteidigungspolitik…
nach den bisherigen Aussagen scheint nur Jamaika eine Option zu sein… da sich die SPD komplett verweigert.
Von ihren allgemeinen Zielen und Ausrichtungen kann man mit Sicherheit Gemeinsamkeiten zwischen Union, FDP und Grünen finden… jedoch gibt es auch teilweise „rote Linien“ die eine Zusammenarbeit nicht einfach machen…
beim Thema Außen und Verteidigungpolitik kann man sich mit Sicherheit darauf einigen dass mehr Entwicklungshilfe und die Lösung von Flucht und Krisenursachen vor Ort wichtige Themen sind… und das hierfür mehr Geld nötig wird…
bei der Bundeswehr dürfte es auch konsens sein dass ein Ausbau der europäischen Zusammenarbeit Sinn macht… hier kann dies zu weiteren bilateralen Zusammenarbeiten/Projekten (D-NL, D-FR, D-NOR, D-CZ) und gemeinsamen Brigaden/Battaillonen/Verbänden führen… letztendlich wird auch mehr Geld für die Bundeswehr rausspringen… jedoch wird das 2% Ziel wohl schwierig werden… wobei sinnvoll/effektiv eingesetzte 1,5% ja auch schon ein Quantensprung wären ;-)
Putin und Russland/aber auch Erdogan wird man weiter skeptisch gegenüberstehen (Sanktionen) und eine gewisse Bedrohung warnehmen.
Fazit zu möglicher Jamaika Koaltion:
+mehr Europa/mehr Integration der europ. Streitkräfte
+mehr Geld für Entwicklungshilfe
+Bekämpfung von Armut/Perspektivlosigkeit/Fluchtursachen vor Ort (auch mit Hilfe der BW)
+mehr Geld für die Bundeswehr (Personal + Ausrüstung,wenn auch nicht extrem viel mehr)
+sinnvoller Einsatz der zusätzlichen Mittel (Struktur/Beschaffungsprozesse/weniger Eigenentwicklungen)
=> ich denke darauf könnten sich die 3 Parteien gut einigen… wenn die Steigerungen im Wehretat auch bei der Entwicklungshilfe stattfinden… und die Einsätze der BW auch größtenteils in Afrika o.ä. zu humanitären Missionen und Bekämpfung von Fluchtursachen stattfinden…
=> 3%BIP für internationale SIcherheit der FDP sind da schon realistisch… wobei dann 1,5% für den Wehretat sinnvoll sind.
@ Zum Heulen. 1+ – Vielen Dank für die Analyse der derzeitigen Situation. Ich teile Ihre Ansichten und Einschätzungen in weiten Teilen.
Aufgrund der jetzigen Lage (insbesondere auch der innerparteilich nicht „allzu“ starken Unterstützung von UvdL) sehe ich eine Erneuerung der Leitung des BMVg alsdringend notwendig an, um die angestoßenen Themen Personal, Ausrüstung und die europäische Integration der Verteidigung weiter voranzutreiben.
Sehr schön wäre es in diesem Zusammenhang nochmals über die Frage nachzudenken was die Bundeswehr in Zukunft alles können muss – nach Lektüre des WB / Folgedokumenet bin ich da immer noch nicht schlauer. Aber vielleicht mangelt es mir dabei an Vorstellungsvermögen in der Umsetzung dieser „Dachdokumente“.
Die „neuen Besen“ kehren dann hoffentlich „noch“ etwas besser.
Vor dem Hintergrund des aktuellen UNHRC-Berichtes, daß die Rußlandsanktionen bisher Rußland 55 Milliarden USD gekostet haben, die EU aber 100 Milliarden USD, wäre bei einer Regierungsbeteiligung der FDP durchaus ein Ende der Rußlandsanktionen denkbar.
@ T.W.
Mir ging es in keinster Weise um eine wie auch immer geartete „Würdigung“ der AfD. Ich ob des fassungslosen Kopfschüttelns gestern Abend schon ein richtiges Schleudertrauma. ;)
Was ich meinte ist folgendes: Wer eine ernstgemeinte und nachhaltige Verteidigungspolitik betreiben will, der wird nicht um das Bohren ganz dicker Bretter herumkommen. Wer das will, der muß raus in die Fläche, an den Bürger und er muß die überfällige Generaldebatte zum Thema Konzeption der Bundeswehr endlich anfassen. Alles andere ist auf Sand gebaut.
Verteidigungspolitik im 21. Jahrhundert heißt etwas anderes als die vor 1989. Jetzt sind nicht mehr wir Gastgeber für ausländische Truppenkontingente, jetzt sollen wir Truppensteller in anderen Ländern sein. Und dagegen regt sich Widerstand. Weder will eine nicht kleine Anzahl Deutscher in einen Konflikt mit Russland hineingezogen werden (siehe PEW Umfragen von 2014 und 2016, siehe Bertelsmann Umfrage von 2015) noch wollen viele die Bundeswehr als Hilfstruppe für außenpolitische Ziele anderer Staaten in alle Welt entsenden. Speziell ersteres haben sich sowohl der rechte als auch der linke Rand des politischen Spektrums zu eigen gemacht und fischen damit nach Unterstützern – eben weil das fehlende persönliche Bedrohungsempfinden hierzulande solche Art Ausgaben für nicht wenige als „irrelevant“ erscheinen läßt. Wenn die Mitte will, daß ihre Politik eine gesamtgesellschaftliche Basis hat, dann muß sie aus ihren Elfenbeintürmen in die Realität kommen und mit den Leuten reden … ansonsten bleiben Weißbuch und VPR nichts weiter als beschriebenes Papier für einen kleinen Personenkreis und der ganze Laden torkelt weiter in Richtung Abgrund.
@Martin Schröder
Sollte es zu Jamaika kommen, muß man sich tatsächlich um die Nukleare Teilhabe sorgen. Ich traue der CDU in ihrer derzeitigen Verfassung zu, im Zweifelsfall hier ein „Zuckerl“ an die Grünen zu vergeben. Ob für die FDP noch Westerwelles „atomwaffenfreies Deutschland“ von 2009 gilt, ist mir nicht bekannt.
Man darf getrost auf eine Koalitionsvereinbarung warten um herauszufinden, was in der Legilstaurperiode, mit Blick auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitk vorrangig im engeren Sinne, erwartet werden kann.
Das dauert natürlich noch ein paar Wochen und am Ende wird feststehen, wer das BMVg zukünftig verantworten wird.
Gespannt warte ich auf ein paar Aussagen in einer Koalitionsvereinbarung, wie es mit „Enhanced Forward Presence“ im Baltikum und Polen weitergehen wird. Das ist bündnisbezogene Landesverteidigung (Kollektive Verteidigung) konkret und aus meiner Sicht, bezogen auf Europa, konkreter als jede Ausbildungsmission
(Aus gegebenem Anlass der Hinweis, dass Links zu deutschen Verlagswebseiten hier aus bekannten Gründen nicht stattfinden. Ganz abgesehen davon, dass es ziemlich müßig ist, jetzt hier alle AfD-MdBs zu erwähnen, die mal (Berufs)Soldat waren – das heißt ja lange noch nicht, dass sie im Parlament auch für dieses Thema zuständig werden.)
/edit: Was in einer verlinkten (und deshalb hier gestrichenen) Geschichte der Süddeutschen Zeitung über den Münchner AfD-Abgeordneten Gerold Otten, verteidigungspolitischer Sprecher seiner Partei sowie Reserveoffizier steht, kann allerdings durchaus zitiert werden:
Zum Heulen | 25. September 2017 – 10:39
Faktencheck und Korrektur:
Es lohnt sich, tatsächlich mal in die Wahlprogramme, bzw. deren Kurzfassungen zu schauen. Ich habe das bezüglich verschiedener Themen vor dieser Wahl getan – dies Thema war eines davon.
@ csThor | 25. September 2017 – 11:54:
„Wer eine ernstgemeinte und nachhaltige Verteidigungspolitik betreiben will, der wird nicht um das Bohren ganz dicker Bretter herumkommen.“
Und genau das wird auch in der kommenden Legislaturperiode nicht passieren, weil der Leidensdruck (noch?) nicht groß genug ist. Es läuft doch schließlich alles.
Jetzt werden viele Aktive natürlich einwenden wollen, dass an ihrem Standort aber so gar nichts läuft, die Ausrüstung noch aus Papas Wehrdienstzeiten stammt und das Personalsoll schon seit Jahren nicht mehr erfüllt wird. Alles sicherlich richtig.
Aber die Truppe kollabiert eben nicht, sondern funktioniert auf einem sehr niedrigen Niveau weiter. Und das genügt der Politik völlig, denn hierzulande kommen Dinge eben nur auf’s Tableau, wenn es kracht. Stichwort „Rheintalbahn“.
Kurzum: Sicherheitspolitik wird m. E. auch im 19. Deutschen Bundestag nicht stattfinden, AfD hin oder her.
@ Anna Nym | 25. September 2017 – 13:37
Berechtigter Einwand, korrigiere daher:
„Und der FDP-Spitzenkandidat Lindner will Putin die Krim als „dauerhaftes Provisorium“ schenken, tun wir das, werden die baltischen Staaten bald auch verschluckt. Herr Lindner bewirbt sich mit dieser bodenlosen Dummheit für den Guido Westerwelle Orden für sicherheitspolitische Ahnungslosigkeit.
Das Ausland kommentiert diese außenpolitische Leichtgewichtigkeit so: „Wir sind sehr beunruhigt, dass manche Politiker wie jetzt FDP-Chef Christian Lindner immer wieder versuchen, die offensichtlichen Verletzungen des Völkerrechts zu ignorieren oder sogar zu rechtfertigen“, sagte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin der „Bild“-Zeitung.“
Soviel zum Faktencheck. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich übersehen habe, dass Spitzenkandidat Lindner mit seinen Einlassungen auch gegen sein Parteiprogramm verstoßen hat – oder ihm dieses im Rahmen FDP-hafter Beliebigkeit egal ist, Deutschland hat da Erfahrungen aus der Legislaturperiode 2009-2013.
Ob es sich lohnt, ein Parteiprogramm zu lesen, dass nicht einmal vom eigenen Spitzenkandidaten beachtet wird, kann man diskutieren.
„Vor dem Hintergrund des aktuellen UNHRC-Berichtes, daß die Rußlandsanktionen bisher Rußland 55 Milliarden USD gekostet haben, die EU aber 100 Milliarden USD, wäre bei einer Regierungsbeteiligung der FDP durchaus ein Ende der Rußlandsanktionen denkbar.“
Da die russische Wirtschaft selbst bei PPP-Ansatz um einiges kleiner ist als die EU, sind die 55 Milliarden für Russland wesentlich schmerzhafter als die 100 Milliraden für die EU, von den strategischen Problemen, die Sanktionen bewirken, ganz zu schweigen.
Es sollte also weniger über das Geld als vielmehr über das Ziel geredet werden.
@ Ulenspiegel | 26. September 2017 – 9:42
Richtiger Aspekt.
Für eine gute Sicherheitspolitik braucht man Strategen, keine Krämerseelen!!
Die dargestellte Sanktionsbelastung RUS – EU in vergleichender Bewertung hat nicht einmal Äpfel-Birnen-Qualität.
Der 145 Mio Vielvölkerstaat RUSSLAND, am Leben nur dank Öl/Gas, den strategischen Raketen-Truppen sowie Putins KGB-Entourage hat ökonomisch und finanziell dem 511 Mio-Wirtschaftsriesen-EU nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.
Zum Heulen | 25. September 2017 – 16:26
Ich habe mich auch gewundert. Hätte ich nicht gerade wichtigeres in meinem Leben zu tun, hätte ich mich möglicherweise mal hingesetzt und schriftlich dort nachgefragt –wenn es schon die Parteikollegen oder die Medien nicht tun (oder habe ich was verpasst? Möglich isses. Auch der Spruch von Lindner kam erst mit Verspätung bei mir an.)
Rußland mögen die Sanktionen wehtun, aber deshalb wird es nicht von der Krim abrücken, und die russische Bevölkerung hat mit den Jelzin-Jahren schon sehr viel schlechtere Zeiten erlebt und überstanden.
Man sieht es nicht und man kann es sich als Nichtbetroffener schlecht vorstellen, aber trotz größeren Bruttosozialproduktes führen die Rußlandsanktionen zu realen Schäden bei der deutschen Wirtschaft und der deutschen Bevölkerung. Hier in M-V ist der Milchwirtschaft sanktionsbedingt der russische Markt versperrt worden. Es gibt durch die Überproduktion in der EU keine anderen Absatzmärkte. Diesen Sommer mußte der letzte große Käse/Milchproduktehersteller auf Rügen seinen Betrieb einstellen. Mit dem Wegfall der Exporte ist die Milchviehhaltung geschrumpft, nachfolgend ist Nachfrage und Absatz der hiesigen Pflanzen- (aka Futter-)Betriebe ebenfalls gesunken. Nach mehreren Jahren Sanktionen und Umsatzeinbußen geht jetzt den ersten Bauernhöfen das Betriebskapital aus. Weitere werden in den nächsten Jahren folgen. Für ein Bundesland, das durch die Landwirtschaft geprägt ist (daneben noch etwas Tourismus, aussterbende Fischerei und regelmäßig in Pleite befindliche Werften, das wars dann volkswirtschaftlich in M-V), ist das eine katastrophale Entwicklung. Eine erneute Kosten-Nutzen-Abwägung der Sanktionsmaßnahmen durch die deutsche Politik wäre anzuraten. Sicherheitspolitik ja, aber nicht auf Kosten verbrannter Erde im eigenen Land.
Diese Wahl bedeutet für die VerPol, sollte es zu Jamaika kommen, nach der Rede des franz Präsidenten, dass die Chancen für:
◾ein gemeinsames Verteidigungsbudget und eine Einheit für Auslandseinsätze sowie eine Doktrin für deren Einsatz, und alles schon bis zum Jahr 2020,
◾die Öffnung der nationalen Armeen für Soldaten aus anderen EU-Staaten
relativ gut sind.
…..und UvdL könnte auch das Finanzministerium erben. Doch für eine Initiative wie dieser aus FR wäre sie wohl nicht die schlechteste Wahl.
Tradition, Neuausrichtung und InFü stehen ja eh auf dem Prüfstand.
Aus gegebenem Anlass: Sorry, Leute, aber eine Detaildebatte über die Russland-Sanktionen stoppe ich jetzt. Das hat mit dem Thema hier sehr, sehr am Rande zu tun.
Ich glaube das Wahlergebnis an sich ist für die nächste Zeit erst einmal der Todesstoß für irgendwelche Sicherheitspolitik die über das Thema Innere Sicherheit hinausgeht. Das schließt auch und ganz besonders die Frage nach steigenden Verteidigungsausgaben in nennenswerter Höhe und v.a. irgendwelcher Bundeswehr-Aktivitäten im Ausland ein. Die Politik wird in nächster Zeit bis mindestens mittelfristig mit sich selbst beschäftigt sein und der Wähler erwartet in erster Linie Antworten auf heimische Probleme.
1.) Das Wahlergebnis an sich war ein enormer Fingerzeig der Wählerschaft auf die reichlich vorhandenen heimischen Baustellen, die die Politik doch bitteschön primär beackern solle und sich nicht in Wolkenkuckucksheimen auf europäischer bzw sogar globaler Ebene verlieren solle. Sollte Frau Merkel ihr übliches „weiter so“ nun trotz allem durchziehen wollen, dann wird sie erstmals richtigen Gegenwind im eigenen Lager zu spüren bekommen, denn …
2.) Daraus – und aus den Machtverschiebungen zwischen den Lagern – entsteht ein enormer Druck innerhalb der Parteien. Die Vorgänge innerhalb der SPD und der CDU/CSU gestern sprechen da bände – beide „großen“ Parteien werden erst einmal mit eigener Standortbestimmung und Richtungsstreits zu tun haben, die meiner Meinung nach die gesamte kommende Legislaturperiode andauern werden. Grund dafür ist der in beiden Parteien überfällige Generationenwechsel … in der CDU (und CSU) sägen junge Konservative ja schon an den Stühlen von Merkel und Seehofer.
3.) Die immer mehr abschmelzende Wählerbindung wird weiterhin zögerliche Politik in besonders strittigen Themengebieten bedingen, weil keine Partei es sich leisten kann ihr Wählerpotential durch unpopuläre Entscheidungen zu vergraulen. Der Reiz als „Wohltäter“ daheim dazustehen wird stark sein, gleichzeitig wird die Beschäftigung mit Verteidigungsfragen abnehmen, denn bekanntlich kann man damit keine Wahlen gewinnen (nur unter Umständen verlieren).
4.) Das Zustandekommen von Jamaika ist alles andere als sicher, es ist momentan offen gesagt nicht mehr als eine mathematische Möglichkeit. Dazu sind die Ansichten in zu vielen Punkten zwischen den 4 Parteien zu oft gegensätzlich. Das heißt es besteht durchaus die Möglichkeit einer nötigen Neuwahl und deren Ergebnis möchte ich nicht mal spaßeshalber erraten. Und nein – eine Minderheitsregierung halte ich für unrealistisch.
Zu den Visionen Macrons …
… für mich nur wieder der selbe alte französische Wein verpackt in blumiger Rhetorik. Eine „gemeinsame Interventionsstreitmacht“ wo doch nur Frankreich eine entsprechende politische und strategische Kultur hat? Zu offensichtlich. Eurozonenbudget? Na da fragen Sie mal die FPD und den konservativen Flügel der Union (von dieser Partei noch weiter rechts mal ganz abgesehen) was die davon halten? Gar nix … Ergo – nichts neues in Paris. Die haben nur einen neuen Herold gefunden.
@csThor
Ggf wird der Leidensdruck der Bw u.U. der Vison FR schneller Realität gereichen als vermutet.
@Elahan
Das müssen Sie mir jetzt mal näher erklären. In Berlin besteht für zentrale Punkte aus Macrons Vision eine enorme Skepsis, mal ganz davon abgesehen daß niemand im politischen Berlin gern in Interventionen gegangen ist … und in Zukunft dürfte da (wie bereits angedeutet) noch weniger Bereitschaft vorhanden sein.
Ich erinnere gerne noch mal an das Thema dieses Threads: Nach der Wahl: Was bedeutet das für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik?
Das bedeutet eben nicht, dass jetzt hier der Ort für grundsätzliche Wahlanalysen und Debatten über das (innenpolitische) Verhalten der Parteien im Großen und Ganzen ist.
Ich erlaube mir deshalb, die Grundsatzdebattenkommentare hier nicht freizuschalten.
@T.W.
Da ich glaube, daß das Verhalten der Politik eben massivst durch die durch das Wahlergebnis eingetretenen geänderten Umstände nicht nur beeinflußt, sondern regelrecht bestimmt werden wird, entspreche ich Ihrem Wunsch und werde in diesem Thread nicht mehr posten.
[ Vielleicht bezeichnend: Ich rufe zur Konzentration auf die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik auf und bitte darum, die grundsätzliche Parteiendebatte hier nicht zu führen – da finde ich die Reaktion recht merkwürdig. Ich werde AG nicht für Parteiendebatten missbrauchen lassen. T.W.]
@csThor
„In Berlin besteht für zentrale Punkte aus Macrons Vision eine enorme Skepsis, mal ganz davon abgesehen daß niemand im politischen Berlin gern in Interventionen gegangen ist … und in Zukunft dürfte da (wie bereits angedeutet) noch weniger Bereitschaft vorhanden sein.“
Auch Frankreich ist unter seiner jetzigen Regierung nicht unbedingt auf militärische Abenteuer aus. Die Not in den Streitkräften Europas ist imens, wir geben Unsummen aus und sind uns nicht sicher, ob es zu Heimatverteidigung genügt.
Nur ein Bsp. Deutschland gibt Mrd für Drehflügler aus und ist nicht in der Lage Personal in Mali von A nach B zu fliegen (außer in Gao zu MedVac). Es fehlt uns an Standartisierung und Munition. Ich bin mir Sicher, dass man auch in einer Jamaika Koalition mit Frankreich klar definieren kann, wo für man Streitkräfte einsetzen möchte. Doch weg von Visionen alleine der Wille EU-Bürger in FR an die Waffen zu lassen wird uns genügend Druck geben. Ein weiter so geht nicht.