Tod eines Offizieranwärters: Erstes Obduktionsergebnis & neue Einzelheiten

Nach dem Tod eines Offizieranwärters in Munster, der nach einem Marsch am 19. Juli zusammengebrochen war, gibt es ein erstes Obduktionsergebnis: Todesursache war letztlich eine Blutvergiftung (Sepsis), was allerdings die Frage offen lässt, was die Ursache für den Zusammenbruch und diese Blutvergiftung war. Darüber hinaus wurden am (heutigen) Donnerstag weitere Einzelheiten der Vorgänge im Juli bekannt – unter anderem, dass die Offizieranwärter köperlich stärker beansprucht wurden als bisher bekannt. Dabei ging es anscheinend auch um Strafmaßnahmen.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lüneburg teilte (bislang leider ausschließlich der dpa) mit, bei der Obduktion des gestorbenen Soldaten habe sich ergeben, dass die Todesursache ein Multiorganversagen im Sinne eines generalisierten entzündlichen Geschehens – eine Sepsis gewesen sei.  Allerdings müssten nun weitere rechtsmedizinische Untersuchungen klären, wie es dazu gekommen sei. Nach einem Bundeswehr-internen Bericht vom 9. August waren sowohl bei dem verstorbenen Offizieranwärter als auch bei drei weiteren, die ärztlich behandelt werden mussten, eine Kernkörpertemperatur von mehr als 40 Grad Celsius festgestellt worden.

In einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Markus Grübel an die Obleute des Verteidigungsausschusses, das Augen geradeaus! vorliegt und über das zuerst die Rheinische Post berichtet hatte, war das Übungsprogramm für die Offizieranwärter am 19. Juli umfassender als bislang öffentlich bekannt.

Aus Grübels Brief an die Abgeordneten:

Herr Staatssekretär Hoofe hatte Sie bereits in der mündlichen Unterrichtung am
29. Juli 2017 informiert, dass neben der im Dienstplan angesetzten praktischen Ausbildung im Gelände mit dem anschließend vorgesehenen Eingewöhnungsmarsch (Marsch B) zuvor ein weiterer Marsch durchgeführt wurde. Dieser Hin- und Rückmarsch (Marsch A1 und A2) vom Ausbildungsort in die Kaserne und zurück war im Dienstplan nicht vorgesehen. Beide Märsche (A1 und A2) wurden von einem überwiegenden Teil des Ausbildungszuges (Marsch A1: 29 von 43 OA, Marsch A2: 26 von 43 OA) sowie einigen Ausbildern absolviert, um fehlende Ausrüstungsgegenstände in der Kaserne zu ergänzen. Die betroffenen OA legten dabei eine Strecke von insgesamt ca. sechseinhalb Kilometern, streckenweise im Laufschritt zurück. Einige der OA mussten in einer Marschpause beim Rückmarsch zum Ausbildungsort ergänzend Liegestütze absolvieren. (…)
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass der verstorbene OA lediglich die ersten rund drei Kilometer (Marsch A1) zurücklegte und ca. 150 m vor Erreichen des Unterkunftsgebäudes zusammenbrach. Er wurde erstversorgt, mit einem Fahrzeug in den ca. eine Fahrminute entfernten Sanitätsbereich der Kaserne verbracht und anschließend in das Krankenhaus nach Soltau verlegt.
Drei weitere OA mussten im Rahmen des Eingewöhnungsmarsches (Marsch B) notfallmedizinisch behandelt werden. Die beiden OA fielen am Ende des Eingewöhnungsmarsches (Marsch B), kurz vor Erreichen der Kaserne aus und mussten in der Folge stationär behandelt werden. Sie konnten inzwischen aus der stationären Behandlung entlassen werden. (..)
Ein OA zeigte sich unmittelbar vor Erreichen des Marschziels (Marsch B) benommen sowie nicht mehr ansprechbar und brach anschließend zusammen. Er wurde notärztlich behandelt und wegen der Verschlechterung seines Zustandes per Rettungshubschrauber in das Bundeswehrkrankenhaus nach Hamburg verlegt. (…)
Des Weiteren haben Befragungen der Teilnehmer ergeben, dass eine OA während des Rückmarsches zum Ausbildungsort (Marsch A2) einmal und während des Eingewöhnungsmarsches (Marsch B) weitere zweimal kurzzeitig benommen und nicht ansprechbar war. Sie hat den Marsch allerdings auf eigenen Wunsch fortgesetzt und beendet. Ein weiterer OA wurde nach dem Eingewöhnungsmarsch (Marsch B) und Abgabe seiner Ausrüstung durch Stubenkameraden kurzfristig nicht ansprechbar auf einem Stuhl in der Unterkunft aufgefunden. Er konnte anschließend seinen Dienst wieder aufnehmen.

Vor allem die sechseinhalb Kilometer, teilweise im Laufschritt, zeichnen ein etwas anderes Bild als die vorherigen Angaben. Die offizielle Version lautete bislang: Der Soldat brach nach einer Marschleistung von drei Kilometern unvermutet zusammen, von Laufschritt und ergänzenden Liegestützen war nicht die Rede.

Allerdings: Mehr Klarheit über den Kollaps von vier Soldaten (und den offensichtlich nur knapp vermiedenen Kollaps von zwei weiteren Soldaten) bringt das erst mal noch nicht. Aber die Details kommen ja merkwürdigerweise auch nur in Scheibchen raus.

Nachtrag: Im Schreiben des Staatssekretärs werden auch noch weitere gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit diesem Marsch genannt; da das hier offensichtlich interessiert, die Passage:

Fünf weitere OA zeigten während und nach den Märschen Beschwerdemuster wie bspw. Schmerzen im Unterschenkel, Knieverletzung, Bauch- und Fußschmerzen. Zwei  OA mussten aufgrund ihrer Verletzungen (Sturz auf das Knie) bzw. wegen Erschöpfung den Eingewöhnungsmarsch abbrechen. Drei konnten die Ausbildung fortsetzen. Die Beschwerdemuster der [erstgenannten, vom Hitzschlag betroffenen Soldaten, T.W] unterscheiden sich nach Art und Ausmaß erheblich von denen der übrigen OA.
In Summe traten nach jetzigen Erkenntnissen bei insgesamt elf Soldatinnen/Soldaten Beschwerden zu unterschiedlichen Zeitpunkten sowie in unterschiedlichen Qualitäten auf. Die genauen Details zu den Ausfällen im Zusammenhang mit den Märschen sind gegenwärtig noch Gegenstand der Untersuchung.

(Archivbild 2015:  Bundeswehr-Marsch in Zweibrücken – Bundeswehr/Martin Stollberg)