Nachgetragen: Sexuelle Belästigung in der Truppe – Tagesbefehl & ‚Offener Brief‘
Dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Umgang in der Truppe und vor allem die Auseinandersetzung mit sexueller Belästigung und Mobbing zu einem wichtigen Thema gemacht hat, ist weder neu noch überraschend – und angesichts der diversen so genannten Einzelfälle, die immer wieder bekannt werden, offensichtlich auch nötig. Interessant ist allerdings, dass die Ministerin dabei nicht nur das Grundsätzliche im Auge hat (wie beim Workshop Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr Ende Januar, siehe Foto oben), sondern auch bei einzelnen Fällen (das ist was anderes als Einzelfälle!) nach innen wie nach außen Stellung bezieht.
Aktuelles Beispiel dafür ist ein Fall der sexuellen Belästigung einer Soldatin – und von der Leyen nahm dazu am 21. März in einem Offenen Brief Stellung, der zuvor auch als Tagesbefehl im Intranet der Bundeswehr veröffentlicht worden war. Ihre Kritik richtete sich dabei nicht nur nach Innen, sondern auch an eine Staatsanwaltschaft die in diesem Fall ermittelt hatte – vermutlich deshalb diese etwas ungewöhnliche Form der Publikation. Aus dem vom Ministerium veröffentlichten Wortlaut:
Nun hat mich eine umsichtige militärische Gleichstellungsbeauftragte auf den Fall einer Soldatin hingewiesen, die von einem Kameraden körperlich bedrängt und sexuell belästigt wurde. Und dies zur Anzeige brachte – wie ich finde, der richtige Weg. Was dann folgte, möchte ich als Vorgesetzte aller Soldatinnen und Soldaten wie zivilen Beschäftigten der Bundeswehr nicht unkommentiert stehenlassen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Zu der Bewertung kann sie als unabhängige Behörde kommen.
Was aber völlig inakzeptabel ist, ist die Wortwahl, mit der die zuständige Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung gegenüber der betroffenen Soldatin begründet:„Bei dem von Ihnen beschriebenen ,Imponiergehabe‘ des Beschuldigten (Posen, Muskelspiel, Aufforderung zum Sex, Griff an das Gesäß) ist jedoch nach allgemeinem (vorwiegend männlichem) Verständnis davon auszugehen, dass der Beschuldigte sein ,Interesse‘ an Ihnen damit kundtun und nicht, dass er Sie beleidigen wollte.“
Mit dieser Einschätzung bedeutet die Staatsanwaltschaft letztendlich einer Soldatin, sie müsse sich übergriffiges und unverschämtes Verhalten von Kameraden gefallen lassen, weil ein Griff ans Gesäß nach „vorwiegend männlichem Verständnis“ nicht beleidigend gemeint sei. Solche Interpretationen sind abenteuerlich und aus der Zeit gefallen. Denn sie machen den Mut zunichte, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren, und zerstören das Vertrauen von Opfern sexueller Übergriffe, an übergeordneter Stelle Verständnis und Schutz zu finden. Und es signalisiert potenziellen Tätern, dass Übergriffe schon okay sind, wenn es „nur“ darum geht, „Interesse“ an einer Frau oder einem Mann zu bekunden.
Ich möchte hier klarstellen: Für mich ist der Fall, so wie ihn die Gleichstellungsbeauftragte an mich herangetragen hat, – unabhängig von der Bewertung ziviler Instanzen – vor allem auch ein grober Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft. Und ich dulde in der Bundeswehr kein Verhalten, das die Würde, die Ehre und die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung von Soldatinnen oder Soldaten und der zivilen Beschäftigten verletzt. Ich sehe alle Vorgesetzten in der Pflicht, diesen Werten im Alltag Geltung zu verschaffen – unabhängig von der neuen Möglichkeit der Ansprechstelle im Ministerium, an die sich Betroffene jederzeit auch in solchen Fällen wenden können.
Wer glaubt, da habe eine Frau einer anderen beistehen wollen, es sei deshalb nicht weiter bedeutsam, sollte vielleicht kurz einen Blick auf einen anderen Einzelfall werfen: In diesen Tagen wurde, zuerst berichtet in der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht), der erwartete Bericht des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss zu einem Vorfall beim Gebirgsjägerbataillon 231 in Bad Reichenhall bekannt. Dort hatte es ebenfalls sexuelle Belästigungen gegeben, und Ziel war offensichtlich ein Mann.
Aus dem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Markus Grübel vom 20. März an den Ausschuss:
Zum Einzelfall: Obergefreiter XX [Namenskürzel geändert, T.W.] hat sich am 5. Oktober 2016 mit einer Eingabe an den Wehrbeauftragten des Bundestages gewandet, weil er nach seinem Truppenpraktikum beim Lufttransportgeschwader 62 die Rückkehr in seine Stammeinheit, der 4. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 231 (GebJgBtl 231), nach Bad Reichenhall fürchtete. Dort sei er zwischen November 2015 und September 2016 durch Mannschaftssoldaten und vereinzelte Vorgesetzte (Ausbilder) seines Zuges mehrfach diskriminiert sowie verbal und tätlich sexuell belästigt und genötigt worden.
(…)
Diese Vorfälle sind – im Gegensatz zu den Vorkommnissen beim Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf – einer Teileinheit zuzuordnen. Die Ermittlungen laufen gegen 14 Beschuldigte, davon zwei Feldwebel, zwei Unteroffiziere ohne Portepee und 10 Mannschaftssoldaten.
Der damalige Teileinheitsführer wurde Mitte Dezember 2016 aus seiner Funktion herausgelöst.
(…)
Die Gleichstellungsvertrauensfrau des GebJgBtl 231 kam zum Ergebnis, dass es keinerlei Anhaltspunkte zu möglichen Verfehlungen gegen weibliche Soldaten gibt.
Ob der – schon länger erwartete – Bericht zu Bad Reichenhall, zusammen mit der erwähnten Information einer Gleichstellungsbeauftragten, die Ministerin zu ihrer Mahnung an die Truppe veranlasst hat, ist Spekulation. Aber für von der Leyen scheint sich da ein Bild zu verdichten. Deshalb darf man gespannt sein, wie das Ergebnis der derzeit laufenden Analyse der Inneren Lage der Bundeswehr ausfallen wird, auf die auch Grübel in seinem Schreiben noch mal hinwies.
Flieger | 27. März 2017 – 11:20
Herzlichen Dank. Zutreffend auf den Punkt gebracht.
Die gültige Prüffrage bei jedwedem „Einzelfall“ lautet hoffentlich weiterhin: „Liegt im nach zu gehendem Fall, ein Erziehungs- oder ein Ausbildungsmangel vor?“
@ Flieger:
Nichts für ungut, aber einen Großteil dessen, was Sie als Abgrenzung zum Strafrecht beschreiben, würde ich als rechtsphilosophische Betrachtungsweise ansehen. Gerade der Punkt, es soll kein Fehlverhalten bestraft, sondern erzieherisch eingewirkt werden, ist der Lehre nach völlig korrekt – aber tatsächlich? Jemand baut Mist und bekommt dafür einen auf den Deckel, abhängig davon, wie groß der Mist war, wie oft er schon Mist gebaut hat, wie er sich sonst so beträgt, ob er den Mist ggf. gebaut hat, um etwas schlimmeres zu verhindern etc. pp. Die Einzelfallbetrachtung ist übrigens kein Exklusivmerkmal des Disziplinarrechts, sondern wird so auch im Strafrecht gehandhabt.
Und natürlich geht es um Abschreckung – wie sollte sich sonst erklären, dass damit die Disziplin aufrecht erhalten wird? Indem der einzelne diszipliniert wird, merken/sehen die anderen, dass ein schuldhafter Verstoß gegen die Dienstpflichten nicht durchgeht – oder eben doch. Zumindest meiner Erfahrung nach spricht sich recht fix herum, wer sich welche „Diszi“ weswegen eingefangen hat, selbst, wenn man dies nicht kundtut – was man ja ohnehin nicht darf. Das ist so zwar sicherlich so nicht gewollt, da ja eine Disziplinarmaßnahme – vom strengen Verweis abgesehen – behandelt werden muss wie ein Staatsgeheimnis, aber de facto ist es so.
Insofern: Ja, die WDO bestraft nicht, aber jemand, der ein Monatsgehalt „abdrücken darf“, wird es vermutlich nicht als seinen Anteil zur Sanierung des Bundeshaushalts ansehen, sondern im besten Falle als gerechte Strafe und Chance auf neuerliche Bewährung.
@Hans Dampf
kaufe ich vollständig.
Mit ging es aufgrund der vorangeganenen Vermischung mit Strafrecht nochmals um die detaillierte Abgrenzung von Strafe.
Das ist sehr philosophisch, denn wenn ein Kind aufgrund von Fehlerverhalten Stubenarrest oder Handyverbot oder was auch immer bekommt, ist es für das Kind eine Strafe, keine Erziehung.
Das Steuersystem in Deutschland ist das gerechteste der Welt, weil in zehntausenden von Sonderregelungen der Gesetzgeber versucht, die besondere Situation einer kleinen Gruppe von Konstellationen zu berücksichtigen. Aber ist das damit auch gefühlt gerecht?
Mir geht es auch immer darum, zu versuchen, dem Einzelnen klarzumachen, dass wir bei Strafen nicht wirklich angekommen sind, auch wenn aus der Eigenwahrnehmung für den Einzelnen so anmuten kann. Hier geht es auch um Ermutigung und das „Hinschubsen“ auf den richtigen Weg. Und es sind eben keine Kinder mehr, sondern haben neben sich auch das drumherum zu betrachten und zu bewerten.
Der Alltag gestaltet sich, wie Sie zurecht sagen, etwas kurzsichtiger. Ist schwierig dieser Weg, aber einfach nur allen zu sagen, sie werden jetzt bestraft macht es auch nicht besser.
@Flieger
Ich denke einmal, dass das heutige Verhältnis des Wehrstraf/Disziplinarrechts und des zivilen Strafrechts ist etwas komplizierter als sie das beschrieben haben. Das liegt daran, dass sich das zivile Strafrecht in einigen Bereichen deutlich verändert hat. Und das sind insbesondere die „zwischenmenschlichen“ Bereiche, die dann im Bereich der BW in erser Näherung Auswirkungen haben auf das Thema „Kameradschaft“.
Da beschwert sich z.Bsp. eine Soldatin wegen sexueller Belästing/Mobbing durch einen Kameraden (egal ob vorgesetzt oder nicht). Der DV prüft und berät sich natürlich mit dem Rechtsberater//Wehrdisziplinaranwalt. Und nun wird es interessant, denn die Frage ist, ob der WDA zweigleisig vorgehen kann: Abgabe an die (zivile) Staatsanwaltschaft und Einleitung vin disziplinaren Ermittlungen wegen des Verdachtes auf Verstoß gegen Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG), und/oder die Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) und/oder die Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und /oder Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht im außerdienstlichen, Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG.). Ich denke einmal, dass eine solche zweigleisige Vorgehensweise von jedem Anwalt in kürzester Zeit zerpflückt würde. Nun stellt sich die Frage, ob der WDA die „Beschwer“ des Beschwerdeführers zwingend in eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft wg. Verdachts auf eine „zivile“ Straftat umwandeln muß, oder ob er zunächst in Sachen Verdacht auf Verstoß gegen das Soldatengesetz ermittelt. Ich bin kein Jurist, aber ich denke einmal es gibt hier ein Dilemma zwischen der strafrechtlichen und wehrstrafrechtlichen/wehrdisziplinaren Rechtspflege. Über allem steht natürlich auch das Prinzip, dass es keine „Doppelbestrafung/Doppelsantionierung“ geben darf und natürlich der Grundsatz in dubio pro reo. Wie man ja in letzter Zeit fast täglich in den Medien lesen kann, tut sich die zivilen Strafgerichtsbarkeit mit der verschärften Gesetzgebung in Sachen Mobbing/sexuelle Belästigung recht schwer, kein Wunder also, dass sich die „Wehrjustiz“ damit .auch schwer tut.
@Koffer
http://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/260906U2WD2.06.0.pdf
Im Vergleich zu diesem Urteil 2 Jahre Beförderungssperre, nachdem seine Vorgesetzten sein Verhalten vorher auch noch ausdrücklich gelobt hatten sehe ich da kein Verhältnis.
Ein Vorgesetzter aber, der seinen Untergebene ärztliche Hilfe verweigert oder deswegen schikaniert in welcher Form auch immer, müsste erstmal beweisen er wäre nicht aus charakterlichen Gründen zu entlassen.
Selbst dann halte ich eine Entfernung aus dem Dienst als Abschreckungsmaßnahme für geboten.
@klabautermann | 27. März 2017 – 12:42
„Nun stellt sich die Frage, ob der WDA die „Beschwer“ des Beschwerdeführers zwingend in eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft wg. Verdachts auf eine „zivile“ Straftat umwandeln muß, oder ob er zunächst in Sachen Verdacht auf Verstoß gegen das Soldatengesetz ermittelt.“
„Ich denke einmal, dass eine solche zweigleisige Vorgehensweise von jedem Anwalt in kürzester Zeit zerpflückt würde.“
Zu dieser Frage gibt es eine umfangreiche Vorschriften und Gesetzeslage und eine stehende Rechtsprechung. Die dem DV übrigens durchaus einen nicht unerheblichen Ermessensspielraum bietet. Es gibt Fallkonstruktionen in denen beides zulässig ist und solche in denen nur eines von beiden zulässig ist. Und wiederum solche nach denen ein „erst und dann“ gilt.
„Über allem steht natürlich auch das Prinzip, dass es keine „Doppelbestrafung/Doppelsantionierung“ geben darf“
Da muss ich deutlich widersprechen! Da es beim Disziplinarrecht eben NICHT um Strafrecht geht, ist eine Doppelahnung ausdrücklich zulässig. Dazu gibt es eine stehende höchstrichterliche Rechtsprechung.
Die einzige Frage in diesem Zusammenhang ist, ob eine Doppelahnung im konkreten Fall geboten ist oder ob die durch die WDO beabsichtigte Erziehung nicht quasi „nebenbei“ durch das Strafrecht abgedeckt wird.
@ThoDan | 27. März 2017 – 12:56
Da weder Sie noch ich die Details der Fälle kennen, rate ich Ihnen sich mit Wertungen zurück zu halten.
Disziplinarrecht ist kein Strafrecht, die Gründe für eine Entscheidung des DV werden hier niemals und die von Wehrdienstgerichten nur anteilig veröffentlicht.
Spekulationen im Bereich des Diszplinarrechts verbieten sich damit m.E.n. im Regelfall.
Aber zwei Dinge sind sicher: „Abschreckung“ gibt es zwar in der sicherheitspolitischen Strategie, aber grundsätzlich nicht im Disziplinarrecht. Das wäre nämlich gesetzlich und verfassungsrechtlich unzulässig. Und die Aussage „Ein Vorgesetzter aber, der […] müsste erstmal beweisen er wäre nicht aus charakterlichen Gründen zu entlassen.“ ist zweifelsohne falsch!
Auch im Disziplinarrecht gilt die Unschuldsvermutung (wenn allerdings auch mit einer geringeren Beweisgrenzen). D.h. der Soldat muss gar nichts beweisen. Der Dienstherr muss nachweisen, dass die Verfehlungen so überragend und schwerwiegend und/oder der Charakter so wenig erziehbar ist, dass ein unehrenhafte Entlassung zwingend ist. Und glauben Sie mir, dass passiert in einem Rechtsstaat nicht wegen einigen (vermutlich) unbehandelten Blasen ;)
Und daher wieder zurück zum Thema des aktuellen Fadens, bei dem nach bisher bekannt gewordenen Umständen der DV (!) alles richtig gemacht hat und bei denen es sich nach allen bisher bekannt gewordenen Fakten um einen eher minderschweren Diszplinarfall handelt, den die IBUK aber aus bisher unbekannten Gründen glaubte zu einer politischen Maßnahmen (aus/be-)nutzen zu müssen.
@ Klabautermann:
Was Sie beschreiben, stellt in meinen Augen so mit die größte Kinke dar, die man als Disziplinarvorgesetzter haben kann, nämlich die „Konkurrenz“ zwischen dem zuständigen Disziplinarvorgesetzen und dem Rechtsberater, in Personalunion Wehrdisziplinaranwalt. Dies ist wohl auch ein Grund, weswegen zumindest im Bereich einer deutschen Division die Devise galt „Der Rechtsberater des Kompaniechefs ist der Bataillonskommandeur“. Wenn es dumm läuft, aus Sicht des Chefs, dann sinkt jener gewissermaßen zum Gehilfen des WDA herab, wenn dieser die Ermittlungen an sich zieht.
Das absurde am genannten Fall ist die Tatsache, dass die Angelegenheit erst drei Monate später gemeldet wurde. Wäre sie sofort gemeldet worden, wäre es recht und billig gewesen, zur Aufrechterhaltung der Disziplin eine (satte) Diszi zu verhängen und die Sache an die Staatsanwaltschaft – unter Nennung der bereits erfolgten Diszi – abzugeben. Durch diese „Pause“ schied eine sofortige Disziplinierung aus, da ja keine Eile mehr geboten war. Und ja, als Chef geht man dann die Gefahr ein, dass man von oben einen „Rüffel“ bekommt, da ja durch die bereits verhängte Diszi ein gerichtliches Disziplinarverfahren – wenn ich mich recht entsinne – unmöglich wird. Einerseits will man dem Absicherungsdenken entgegenwirken und die Selbständigkeit des Disziplinarvorgesetzten betonen, andererseits gab es schon „blaue Briefe“ von DivKdr, wenn ein Chef eine Diszi verhängt hatte, die nicht genehm war.
@Hans Dampf
„Der Rechtsberater des Kompaniechefs ist der Bataillonskommandeur“. ist imho nun wirklich völlig aus der Zeit. Falls das so war/ist, dann stimmt wirklich etwas nicht im Inneren Führungsgefüge der Streitkräfte. Falls es konkurrenzierende Sichtweisen zwischen WDA und DV gibt, dann müssen die eben „ausgefochten“ werden, ganz schlechte Idee ist, diese versuchen zu „umschiffen“: geht immer in die Hose. Natürlich sollte sich ein DV gerade in diesen zivil/wehrrechtlichen „Grenzfällen“ wie Mobbing/Sexuelle Beläsigung/Nötigung mit seinem Btl-Kdr beraten, diese Beratung kann aber die Hinzuziehung von WDA und Gleichstellungsbeauftragten nicht ersetzen. Mit anderem Worten: dem DV bleibt nichts anderes übrig als sich dem von mir oben beschriebenen Dilamma zu stellen. Umschiffen und/oder wegducken fällt (imho zu Recht) auf ihn zurück, denn er ist dafür ausgewählt, eingesetzt und bezahlt dieses Dilemma im Interesse der Truppe und der betroffenen Soldaten aufzulösen.
@klabautermann | 27. März 2017 – 15:55
Das wird hier jetzt zwar sehr schnell OT, aber ich kann Ihnen hier nicht zustimmen.
Solange der Rechtsberater auch WDA ist (und damit zwei eigentlich konträre Hüte auf hat), muss sich ein DV sehr genau überlegen, wann er sich an ihn wendet… und ob die Gleichstellungsbeauftragte bei laufenden Disziplinarangelegenheiten die richtige Ansprechstelle hinsichtlich der disziplinaren Ahndung bzw. Abgabe an die StA für einen DV ist, wage ich auch zu bezweifeln.
@Hans Dampf
AFAIK ist die allgemeine Quote sexueller Belästigung von Frauen ca ein Drittel, bei der BW laut WDB 50%.
Bedenkt man wie schwer sich oft Opfer tun, sich gegen Mobbing/Bossing oder sexuelle Übergriffe zu wehren ist die Frist von einem Monat für eine Beschwerde möglicherweise zu kurz gegriffen.
Wenn die Entscheidung des DV fragwürdig ist, mehrfach haben WDB „angedeutet“ das unangemessene Disziplinarstrafen den Täter vor angemessenen Sanktionen schützen, so sehe ich das Problem dort und nicht in der Sanktionierung des DV?
@ThoDan | 27. März 2017 – 16:43
„AFAIK ist die allgemeine Quote sexueller Belästigung von Frauen ca ein Drittel, bei der BW laut WDB 50%.“
WOOAHH! Das ist nicht nur falsch, diese Aussage ist ja schon in einem anderen Universum!
Der Wehrbeauftragte bezog sich bei dieser Aussage auf „sexueller Anmache, die Infragestellung ihrer Leistungsfähigkeit, weil sie eine Frau sind, oder körperliche Übergriffe gab“
Damit sind NICHT 50% sexuelle Belästigung gemeint, sondern insgesamt 50% „verbesserungswürdiges Verhalten inkl. sexueller Belästigung“.
Das sind zwei vollkommen verschiedene Aussagen!
@ThoDan
Es gibt da aber einen gravierenden Unterschied zwischen zivil und BW in diesem Delikt-Segment. Im zivilen Leben bleibt der Geschädigten von Mobbing/Sexueller Belästigung am Arbeitsplatz eigentlich nur der Gang zum Anwalt und sie trägt ein hohes Kostenrisiko bei zumeist völlig offenem Ausgang. Bei der Bw reicht eine einfache Meldung bzw. eine Beschwerde um ein risiko- und kostenfreies Verfahren einzuleiten. Von daher kann man diese Statistiken eigentlich nicht vergleichen und vor allem nicht den Schluß ziehen, dass bei der Truppe mehr gemobbt und belästigt wird als im zivilen Bereich und dafür die Täter sogar vom „System“ unangemessen sanktioniert werden Ich halte das für einen im wahsten Sinne des Wortes Trugschluß. Zur Angemessenheit von Maßnahmen und Strafen ist die öffentliche und veröffentlichte Meinung ja sehr „bered“, aber die Meinung von selbsternannten Stamm- und/oder Wickeltischrichtern ist in diesem Zusammenhang schlicht und einfach irrelevant, wenn der Rechtsweg zu Ende beschritten ist.
@klabautermann
Im Berufsleben können entsprechende Beschwerden auch unerfreuliche Folgen haben und IIRC hat der WDB sexuelle Belästigung genannt, NICHT nur beschränkt auf Frauen.
Gibt es bei der BW nicht auch den Tatbestand der unwahren, dienstlichen Meldung und den Wehrdienstbeauftragten würde ich nicht als Stammtischrichter abqualifizieren.
Diese Kritik betreffs „Schutzsanktion“ haben mehrere WDB´s in ihren Rechenschaftsberichten erhoben, nicht nur beschränkt auf Mobbing/ sexuelle Übergriffe.
Unsere Ministerin will jetzt einen Workshop zu den Mißbrauchsfällen in Pfullendorf & Co. veranstalten mit den Führungskräften ab Abteilungsleiter, Präsident usw..
Dies scheint mir der falsche Ansatz zu sein. Schulungen für Kompaniechefs oder Zugführer dürften sinnvoller sein, um Verstöße gegen die Innere Führung gleich unten an der Quelle abzustellen.
Selbst der Kriminologe Pfeiffer soll jetzt die BW von außen untersuchen, wobei ich mir den Gedanken nicht verkneifen kann, auf die BW losgelassen werden. Ist dieser nicht zuletzt von der Katholischen Kirche gefeuert worden, weil er zu tief oder zu gründlich gebohrt hatte? Ich schätze mal, dieser wird auch von der BW gefeuert werden, wenn er wieder zu gründlich die Probleme aufdeckt!
Daß einzig sinnvolle scheint zu sein, daß die BW-Führung bemerkt hat, daß es problematisch ist, wenn junge Soldaten sich Abends alleine überlassen werden und es keine Aufsicht gibt. Mit UvD überall hätte es die Vorfälle vielleicht nicht gegeben. Aber wie sollen diese mit der 41 Stundenwoche noch Abends/Nachts die Aufsicht über die Soldaten führen? Da beißt sich doch die die Schlange in den Schwanz……
http://www.tagesschau.de/inland/bundeswehr-missbrauchsskandal-101.html
@Closius
Mit dem UvD möchte ich wiedersprechen, hätte es den gegeben dann hätte man höchstens einen Uffz als „Sündenbock“ gehabt der ja seiner Dienstaufsichtspflicht nicht ordentlich nachgekommen sein muss. Das wäre schön für die Führung gewesen.
Realität bei UvD (und das schon vor Jahren[eigene Erfahrung]): Auf Stube sitzen mit Rechner, ab und an eine Rauchen gehen, die zwei Ronden in der Nacht geht man um 23:59&00:01, hoffen das die „alten“ nicht zu sehr über die Stränge schlagen.
Ja jetzt kann lange darüber philosophiert werden ob das treu dienen war oder ob Pflichtverletzungen vorgelegen haben nur ändert das nichts an der Realität und die ist nunmal bei langweiligen Pflichtdiensten wurde & wird immer geschludert werden (war schon in der Antike so ;-) ) .
@closius
UvD soll Mobbing/Sexuelle Übergriffe…
Show me
Gut an dem Bericht waren zwei interessanter Nebensätze, welcher aber leider von vielen ignoriert werden.
1. Mobbing scheint wohl vermehrt das Problem ziviler Angestellter zu sein
2. sexuelle Belästigung bei den Soldaten, wobei gleich aufgezeigt wird, dass das Aufhängen eines Nacktbildes bereits den Tatbestand der sexuellen Belästigung bei der BW erfüllt.
Es wäre tatsächlich interessant differenzierte Statistiken zu sehen um zu erfahren ob es tatsächlich ein querschnittliches Problem ist oder alles nur aufgebauscht.
closius | 28. März 2017 – 20:33 UvD?
Es mag eine Zeit gegeben, da war der UvD noch ein Unteroffizier, meist war es aber ein Gefreiter, es gab nicht genügend Unteroffiziere, die frei dafür – bei uns jedenfalls nicht. Der UvD reichte anscheinend nicht, deshalb wurde nach Ereignis der Feldwebel vom Wochendienst eingeführt, der kontrollierte so einmal abendlch den UvD und das/die Unterkunftsgebäude. Die Stuben der Mannschaften wurden aber nur bei ungewöhnlichem Lärm betreten.
Als ich noch als Mannschaft, später Unteroffizier, da hatte ich als UvD vier Gebäude die Strasse runter mit Unterkünften und eines mit Verwaltung dazu. Was da auf den Stuben so vor sich ging, das war nicht zu übersehen. Eine vorbeugende Stubenkontrolle war nicht statthaft. Ob da ich als UvD je etwas verhindert, ich weiss es nicht. Möglicherweise haben einige Trunkene deshalb kein Lagerfeuer auf der Stube angezündet.
Wenn ich mich recht entsinne, weisen die UvD-Dienstanweisungen aus, dass der UvD denjenigen Befehle erteilen darf, die derselben Dienstgradgruppe oder der darunter angehören. Seine Befugnisse sind also beschränkt, zumal heutzutage jeder Truppführer Feldwebel ist – und normalerweise kein Feldwebel UvD macht. Obschon das Unsinn ist, aber egal.
Schwerwiegender dürfte wohl sein, dass heute eben keine Grp- oder ZgFhr oder gar KpChefs mehr im Kp-Gebäude nächtigen. Ist vielleicht systemisch auch nicht gewollt, denn die Anzahl der Dienstvergehen würde sich ja auch automatisch erhöhen, da man ja mehr „mitbekommt“.
@Edgar Lefgrün
bei mir war es umgekehrt