ExerciseWatch: ‚Kooperation 2016‘ Russlands und seiner Verbündeten – an derGrenze zur NATO
Die Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit, meist unter dem englischen Kürzel CSTO (Collective Security Treaty Organization) bekannt, ist ein Militärbündnis unter russischer Führung, dem mehrere ehemalige Sowjetrepubliken angehören. Und dieses Bündnis hat nicht nur eine schnelle Eingreiftruppe, sondern lässt sie auch regelmäßig üben – insofern nichts besonderes. Auffällig ist allerdings in diesem Jahr: Während die Übungen der vergangenen Jahre in der Regel in Richtung Asien orientiert waren, steht bei der diesjährigen Übung in diesen Tagen der Westen, angrenzend an zwei NATO-Staaten, im Mittelpunkt.
Das zeigt schon der Übungsraum, nämlich der westliche Militärdistrikt der Russischen Föderation und vor allem der Oblast Pskow, der an die NATO-Staaten Estland und Lettland angrenzt: Dort findet Kooperation 2016 (für den russischen Begriff Взаимодействие, Vzaimodeystviye, gibt es verschiedene Übersetzungen, das russische Verteidigungsministerium schreibt in seinen englischen Fassungen Interaction) statt – mit Truppenteilen zwar auch aus den anderen CSTO-Ländern, vor allem aber aus Russland selbst: rund 5.000 der insgesamt 6.000 Soldaten bei dieser Übung gehören zu den russischen Streitkräften.
Nach einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur TASS ist Kooperation 2016 in erster Linie eine command-staff exercise, also eine Stabsrahmenübung – dafür sind allerdings ziemlich viel Truppenteile im Einsatz:
The CSTO’s command-staff exercise Cooperation-2016 will be held in the Pskov Region on August 16-19
A thousand Russian paratroops will participate in an exercise of the Collective Security Treaty Organization’s rapid reaction force in the Pskov Region, the deputy commander of Russia’s Airborne Troops for peace-keeping operations, General Aleksandr Vyaznikov, has told the media. (…)
„An operation in the Western strategic direction to resolve an armed conflict is the theme of the exercise. Russia’s paratroops will be involved as an integral part of the rapid reaction force. Two units the 98th division and the 31st airborne assault brigade (one thousand troops all) will participate. They will be set tasks within a group alongside other units delegated by the CSTO countries,“ he said.
Die bislang veröffentlichten englischen Mitteilungen des russischen Verteidigungsministeriums dazu (in denen die Übung Interaction-2016 heißt):
Russian airborne landed on unfamiliar terrain within the “Interaction-2016” exercise
NBC units practiced aerosol camouflaging of troops during the “Interaction-2016” exercise
Die Webseite eurasia.net hat zu dieser Übung noch einige (russische) Quellen gesammelt:
Russia Brings Military Allies to NATO Border
(Foto: Russisches Verteidigungsministerium)
@ Hans Schommer:
Der neue Rundkappen-Schim der Russen hat laut Fotos offenbar ein „ram air system“ (ringförmiges Doppelsegel) am Außenring), damit er sich schneller und stabiler öffnet, also sich durch den gestauten Innendruck im Ring sofort auseinanderzeiht.
Bei üblichen Rundkappen dauert es wegen des langsameren Fülldrucks ja ansonsten ja mindestens 5 Sekunden, bis der Schirm offen ist. Die Neuerung funktioniert wie ein Matratzen-Gleitschirm mit Frontöffnungen – nur eben mit den Öffnungen kreisförmig senkrecht nach unten. Damit kann man laut russischen Angaben auch noch in Höhen unter 150 Meter aus dem Flugzeug aussteigen, und er ist auch stabiler, wenn sich mal zwei Schirme verheddern sollten.
Im Westen“ ist diese Erfindung bisher unbekannt. Sie eignet sich nicht nur für das Militär, sondern auch als Rettungsgerät für Drachen- und Gleitschirmflieger, die ja auch einen kleinen Rundkappen-Zweitschirm als „Second Chance“ im Gurtzeug dabei haben.
Die Fallschirmjäger-Ausrüster sollten sich sofort um diese Neuerung kümmern.
@ lies.das | 22. August 2016 – 8:21:
Herzlichen Dank für die gute Erklärung!
Hans Schommer
Nachtrag,
Ein Foto des neuen Schirms – hier senkrecht von unten. Sichtbar am äußeren Rand die ram-air-Öffnungen. Siehe Text im Link unten „Neuer Fallschirm soll Soldaten Rekorde ermöglichen“
Der Schirm öffnet nicht nur schneller, man kann also viel tiefer absetzen (50 Meter Höhe genügen angeblich).
Offenbar kann man den Schirm wegen seiner flacheren und stabileren Rundkappe auch leichter im gesteuerten „Gleitflug“ (ansatzweise) in alle Richtungen driften lassen, um Bodenhindernissen auszuweichen.
http://de.sputniknews.com/german.ruvr.ru/2014_03_12/Neuer-Fallschirm-soll-Soldaten-Rekorde-ermoglichen-7131/
http://forums.balancer.ru/community/2012/02/t24323–vdv-perekhodit-na-novyj-parashyut-d-10.8484.html
zeigt ine frühere Entwicklungsstufe – noch ohne „ram air System“. Gegabelte Fangleinen, die an den äußeren Rand und auch zu einem inneren Kreis der Kappe führen, ziehen die Kappenwölbung herab und erzeugen eine flachere Kuppel.
Das sind meine Vermutungen – aufgrund der aussagekräftigen Fotos.
Mal sehen, was unsere Fallschirm-Experten im BAIINBw daraus lernen. Meine Empfehlung: Den Schirm sofort nachbauen lassen und testen.
@ lies.das:
Ehrlich gesagt würde ich mir deswegen keine grauen Haare wachsen lassen. Die Russen haben zwischenzeitlich auch mit dem D-12 „Listik“ (Blättchen) – der dem amerikanischen T-11 allem Anschein nach wieder sehr ähnlich ist – herumexperimentiert, nur um jetzt das Sistema Arbalet (Armbrust) als den großen Wurf zu feiern. Dabei ist das Ganze in Wahrheit ein ziemlich konventioneller Gleitschirm, wie ihn zumindest die Amis schon seit Ewigkeiten einsetzen.
Auch im putin’schen Kreml wird nur mit Wasser gekocht.
@ Nachtrag:
Meiner Meinung nach zeigen die Fotos des zweiten Links den ursprünglichen D-10, der eigentlich schon in den 1990ern eingeführt wurde, aber zu Beginn der 2000er immer mal wieder als bahnbrechende Neuheit herhalten durfte. ;)
Nachtrag meinerseits:
https://ria.ru/defense_safety/20160820/1474860046.html
Zusammenfassung: Oberst Michail Ossipenko, seines Zeichens Chef Ausbildung der russischen Luftlandetruppen, kündigt für 2018 die Erprobung eines neuen Fallschirms namens D-14 „Schelest“ (Geraschel, Rauschen) an. In Dienst gestellt werden soll das Ding dann drei oder vier Jahre später. Wenn man vom Teufel spricht …
Na ja,
Hätte Russland im Oblast Pskov eine nationale Übung dieser Größe durchgeführt, so wäre das Gemunkel über die Moskauer Intentionen sowohl im Baltikum als auch unter den meisten Kommentatoren dieses Blogs wieder einmal groß gewesen.
Eine multinationale Übung bietet dagegen deutlich weniger geeignete „Angriffsfläche“ für solche Überlegungen und Anwürfe.
Präsenz zu zeigen ohne zu Spekulationen über agressive Absichten Raum zu bieten könnte dagegen durchaus ins Bild der Moskauer Politik passen. Die ist nämlich oft viel rationaler und unaufgeregter als westliche Kremlastrologen (mit oder ohne Agenda) .
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