Merkzettel: Was war vergangene Woche?
Nach einer Woche Blogpause ist wohl ein Merkzettel nötig, um auch später mal wiederzufinden, was so passiert ist:
• Bereits am 16. September hatte die Luftwaffe ein Video der deutschen Eurofighter beim Air Policing im Baltikum veröffentlicht – und einigen Lesern hier war schon damals aufgefallen, dass die Maschinen erstmals mit AMRAAM-Mittelstreckenflugkörpern bestückt waren. Beim Einsatz in Estland im Vorjahr hatte die Bundeswehr noch darauf verzichtet. Diese ‚Wartime Load‘ hat Luftwaffeninspekteur Karl Müllner dann ein paar Tage später bestätigt:
Im vergangenen Jahr hatten die „Eurofighter“ aber nicht die volle Kriegsausrüstung dabei. „Das lag eher am politischen Umfeld, wo man gesagt hat, der Schwerpunkt liegt auf Deeskalation“, erklärte Müllner. „Die so genannte ‚War Time Load‘ (wörtlich: Ladung für Kriegszeiten), die hätte man auch falsch verstehen können.“
Heute werde das „unkritischer“ gesehen. Jetzt zeige man die schwere Bewaffnung, „weil die anderen sie auch zeigen.“
Das Bundeswehr-Video:
(Direktlink: https://youtu.be/Iele7lxl_AM)
• Das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil zur Operation Pegasus gesprochen, dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr 2011 in Libyen. Wesentlicher Inhalt der Entscheidung: Ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte ist ein Einsatz – damit ist die Argumentation der Bundesregierung, es sei quasi nur eine bewaffnete Dienstreise gewesen, hinfällig. Allerdings: Eine nachträgliche Billigung durch das Parlament, sagt das Gericht, ist nicht mehr erforderlich, wenn der Einsatz schon vorbei ist. Informieren muss die Regierung allerdings schon:
Der Parlamentsvorbehalt gilt allgemein für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte; eine zusätzliche militärische Erheblichkeitsschwelle muss im Einzelfall nicht überschritten sein. Bei Gefahr im Verzug ist die Bundesregierung ausnahmsweise berechtigt, den Einsatz vorläufig alleine zu beschließen. Sie muss jedoch zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Entscheidung des Bundestages über die Fortsetzung des Einsatzes herbeiführen. Ist der Einsatz zu diesem Zeitpunkt bereits beendet, muss die Bundesregierung den Bundestag unverzüglich und qualifiziert über die Grundlagen ihrer Entscheidung und den Verlauf des Einsatzes unterrichten; es besteht jedoch keine Pflicht, nachträglich eine Zustimmung des Bundestages einzuholen.
Die Grünen, die in Karlsruhe geklagt hatten, lobten das Urteil als Erfolg:
Das Bundesverfassungsgericht hat uns in der Sache bestätigt: Der Einsatz in Libyen war grundsätzlich mandatspflichtig. Genau das hatte die Bundesregierung bestritten. Das Gericht hat das richtig gestellt. Damit ist der Herabsetzung der Einsatzschwelle und Aushöhlung des Parlamentsvorbehaltes durch die Regierungsfraktionen ein Riegel vorgeschoben. Die Mandatspflichtigkeit ist nicht von der Größe eines Einsatzes abhängig.
Eine Überraschung ist, dass bei Eilfällen keine nachträgliche Mandatierung mehr nötig ist, wenn der Einsatz zum Zeitpunkt einer möglichen Parlamentsbefassung abgeschlossen ist. Zentral ist aber die Feststellung des Gerichtes, dass die Informationsrechte des Parlamentes bei einem Einsatz auch in diesem Fall unverzüglich und umfassend durch die Bundesregierung eingehalten werden müssen. Das bedeutet, dass geheime Kampfeinsätze oder Kriegsführung in Deutschland nicht möglich sind.
Die interessante Frage wird, ob und wie sich die neue Karlsruher Entscheidung auf eine anstehende Novellierung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes anhand der Ergebnisse der Rühe-Kommission auswirkt – da könnte es eine kleine Kollision geben.
• Neue Erkenntnisse von Airbus Helicopters: Die Feuerlöschanlage des Hubschraubers NH90 muss nun doch nachgerüstet werden (die Kenner erinnern sich: da wäre doch eine Maschine der Bundeswehr in Termes in Usbekistan mal fast abgefackelt, die deutschen NH90 mussten zeitweise am Boden bleiben…). Details dazu werden bereits im Drehflüger-Thread diskutiert.
• Bei der Untersuchung der Dissertationen prominenter deutscher Politiker auf Plagiatsverdacht ist jetzt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen an der Reihe – und auch bei ihr soll es Regelverstöße gegeben haben (die Debatte darüber läuft bereits im Bällebad). Wahrscheinlich muss man ihr, sollten sich entsprechende Vorwürfe bestätigten, eines zugute halten: Bei Medizinern gelten ganz offensichtlich etwas andere Regeln für die Promotion.
• Eine wichtige Entwicklung lohnt eine gesonderte Betrachtung (mit einem entsprechenden Eintrag später): Wie positioniert sich Russland in Syrien? Und schmiedet Präsident Wladimir Putin eine neue Anti-ISIS-Koalition – bewusst gegen die USA und die von ihnen angeführte Koalition?
(Falls ich eine Entwicklung der zurückliegenden Woche übersehen habe: Ergänzung gerne in den Kommentaren.)
(Foto: Screeenshot aus dem Video zum Baltic Air Policing)
Ich schrieb es schon im Bällebad: Die zwei Mistral gehen nach Ägypten, welches von Russland ausserdem 50 (!) Kampfhubschrauber beschafft. Man kann davon ausgehen, dass auch Saudi Arabien diese neuen ägyptischen Fähigkeiten in der einen oder anderen Form nutzen möchte.
Ansonsten: Gutes Video.
@Ottone: Medienberichten zufolge hat Saudi Arabien wesentliche Teile des Kaufes finanziert?
Also dazu fällt mir jetzt echt nichts mehr ein … Hasenfußpolitik ist hier wohl noch zu verharmlosend.
Kurzer Hinweis: die Raketen heißen AMRAAM (Advanced Medium-Range Air-to-Air Missile), nicht AAMRAM. Klugscheißer-Modus-Aus ;-).
@Christian
Oh ja. Danke.
@csThor:
Wirklich interessant wäre, wer hier „man“ ist, der damals der Deeskalation das Wort geredet hat – und nun nicht mehr?
Es wird nicht deutlich, ob diese Entscheidung von der NATO, der BReg (AA u. BMVg?), der Luftwaffe oder sonstwem getroffen wurde.
Waren die Deutschen bisher nur eine Ausnahme?
Die Antworten sind sicher allgemein aufschlussreich.
@ Memoria
Ich erinnere mich dunkel an Aussagen, daß die „volle Zuladung“ ja unnötig sei, da laut Einsatzcharakteristik ohnehin eine visuelle ID der „Eindringlinge“ vorgegeben sei. Die jetzige (auch damals schon von allen möglichen Spatzen von allen möglichen Dächern gepfiffene) Aussage hat mit Sicherheit ihren Ursprung in Kanzleramt und v.a. Außenministerium. Wenn ich mir die Aussagen von Gabriel zum Thema Russland – Syrien – Sanktionen anhöre, dann wird klar woher der Wind in der SPD weht. Man fühlt sich offenbar wieder ermutigt, sich als Putinversteher zu befleissigen …
In jedem Fall hat Müllner die falsche Begrifflichkeit gewählt.
Der richtige Begriff wäre ggf in Laage zu erfragen ;-)
@csThor:
Das sind ja aber wohl eher Erzählungen und keine Fakten.
Bisher scheint niemand dem Thema weiter nachgegangen zu sein. Trotz aller Aufregung um die „Kriegsbeladung“.
@memoria
Wurde bei der Bundespressekonferenz seitens des Sprechers des Ministeriums erläutert.
@MD.:
Mit welchem Ergebnis bei welcher BPK?
@MD.:
Sie meinen wohl die BPK vom 21.09.15 in der der Sprecher des BMVg mitteilte:
„Dort haben sich ich weiß nicht genau, wann; es ist auch fast ein Jahr her nach den NATO-Kriterien die Bewaffnungen geändert, nachdem die russischen Jets auch mit Bewaffnung geflogen sind und die Frage aufkam: Was ist, wenn da einmal etwas passiert? – Das ist jetzt aber schon ganz lange her. Dann ist die Bewaffnung geändert worden. Aktuell hat sich nichts geändert. Jetzt ist Deutschland also wieder dran mit dem Fliegen und hat sich an die NATO-Standards angeglichen, die zwischenzeitlich bzw. vor vielen, vielen Monaten eingeführt worden sind. Jetzt fliegt Deutschland beim Air Policing mit der gleichen Bewaffnung wie die anderen Staaten auch.“
Das hört sich danach an, dass sich die NATO-Vorgaben geändert haben, aber das BMVg ist auch ein Meister im unscharfen beantworten von Fragen.
Exakt.
Positiv finde ich ja, dass die Luftwaffe tatsächlich (also: „in echt“) über AMRAAMs verfügt. Dachte schon fast, dass die nur auf dem Papier existieren würden und die Eurofighter damit bis zur Verfügbarkeit der Meteor nur mit IRIS-T und Bordkanone bewaffnet wären. Gefällt mir, dass man damit eine ordentliche BVR-Waffe im Arsenal hat.
Negativ hingegen ist mir aufgestoßen (bzw. als fast schon lachhaft), dass die Luftwaffe diese Waffe offenbar im Flugbetrieb innerhalb von Deutschland nicht unter ihre Flugzeuge hängen DARF. Manchmal meint man, Artikel des Postillon zu lesen ;-).