Deutsche Eisbrecher für Russland – ein neuer Fall Mistral?

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Noch ist es nur ein Merkposten, aber im europäischen Ausland zeichnet sich eine Debatte ab: In der vergangenen Woche veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium die Übersicht über die Genehmigungen für Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2015. Die Angaben waren eine Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei, vielleicht deshalb spielte in der politischen Diskussion darüber die gestiegene Gesamthöhe eine so große Rolle (obwohl die meisten Genehmigungen NATO- und EU-Länder betrafen).

Ein Punkt der Genehmigungsliste wurde in der innenpolitischen Debatte bislang gar nicht erwähnt, im Ausland dagegen um so genauer wahrgenommen: In der Aufstellung findet sich auch der Posten Rüstungsgüter für Russland im Wert von rund 118 Millionen Euro. Was sich dahinter verbirgt, erläuterte das Ministerium auch:

Für Russland wurden zwei Eisbrecher mit militärischer Schutzausstattung genehmigt.Es handelt sich um einen Altfall im Sinne der Embargoregelung.

Nun sind diese Eisbrecher vor allem Rettungsschiffe. Sie wurden in der deutschen Werft Nordic Yards gebaut, die einen russischen Eigentümer hat.

Aus der Mitteilung zur Taufe der Schiffe im Februar 2015:

Bei Nordic Yards in Wismar fand die feierliche Taufe von zwei baugleichen eisbrechenden Rettungs- und Bergungsschiffen statt. Nach einer Bauzeit von rund siebzehn Monaten wurden sie am heutigen 19. Februar auf die Namen „Beringov Proliv“ und „Murman“ getauft. An der Zeremonie nahm neben Vertretern des Kunden Rosmorrechflot u. a. auch der stellvertretende russische Transportminister Viktor Olerskiy teil. (…)
Das russische Transportministerium hatte die sogenannten Multipurpose Rescue and Salvage Vessel (MPRSV) im Dezember 2012 bei Nordic Yards bestellt. Die parallele Fertigung begann im September 2013. Die Schiffe sind jeweils etwa 88 Meter lang, nahezu 19 Meter breit und bieten Platz für eine Besatzung von bis zu 38 Personen. Sie werden ab dem Frühjahr vom russischen Seenotrettungsdienst für Patrouillen und Rettungseinsätze in der Arktis eingesetzt. Haupteinsatzgebiet der „Beringov Proliv“ wird die Region Sachalin, der „Murman“ die Nordostpassage rund um Murmansk sein. Mit ihrer High-Tech-Ausrüstung können sie auch unter extremen Witterungs-verhältnissen Such- und Rettungsaktionen sowie Notschleppeinsätze durchführen und dank eines Bordhospitals die medizinische Versorgung geretteter Personen gewährleisten. Sie fungieren als Feuerlösch- und Ölbekämpfungsschiffe und können in Häfen und Gewässern Eis bis zu einer Stärke von einem Meter brechen. Darüber hinaus sind die Schiffe mit Technik für Untersuchungen des Meeresbodens und beschädigter Objekte in Tiefen von bis zu 1.000 Metern ausgestattet. Beide sind mit einem Hubschrauberlandeplatz am Bug ausgerüstet.

Das klingt zivil, allerdings muss es wohl auch Teile der Ausstattung dieser Schiffe geben, die als militärische Ausrüstung eingestuft sind – sonst wäre ja die Ausfuhrgenehmigung nicht erforderlich geworden.

Und: Gerade der Hinweis des Wirtschaftsministeriums, dass es sich um einen Altfall im Sinne der Embargoregelung handelt, lässt aufhorchen. Denn ganz ähnlich war es mit den französischen Hubschrauberträgern/Docklandungsschiffen/amphibischen Kriegsschiffen der Mistral-Klasse: Da hatten Russland und Frankreich den Vertrag auch geschlossen, lange bevor die Europäische Union in der Ukraine-Krise ein Waffenembargo gegen Russland verhängte. Deshalb wollte Frankreich zunächst auch liefern – und verzichtete erst nach massivem Druck anderer EU-Länder, aber auch der USA darauf. (Der Fall wurde erst vor wenigen Tagen nach langen Diskussionen zwischen den beiden Ländern endgültig beigelegt.)

Nun sind eisbrechende Rettungsschiffe kein Kriegsschiff. Aus der Sicht anderer (europäischer) Länder spielen dennoch zwei Punkte eine Rolle: Die deutsche Bereitschaft, als Rüstungsgüter eingestuftes Gerät trotz Embargo zu liefern, weil es sich um einen Altfall handelt. Und, damit sicherlich verbunden, die aktuellen russischen Ansprüche in der Arktis, die in den vergangenen Tagen erneut ausgeweitet wurden. Dafür braucht man unter anderem, genau, eisbrechende Rettungsschiffe.

Wird’s ein neuer Fall Mistral, diesmal mit Deutschland im Brennpunkt des Ärgers? Noch ist es zu früh, das zu sagen.

(Foto: Nordic Yard Pressefoto)