Angeblich Entscheidung über neues Flugabwehrsystem gefallen – auf MEADS-Basis

MEADS launch 3

Und noch ein feiertäglicher Merkposten: Angeblich, so meldet der Kollege Christoph Hickmann von der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht), ist die Entscheidung über das künftige Flugabwehrsystem TLVS (Taktisches Luftverteidigungssystem) der Bundeswehr gefallen. Auf der Basis des gemeinsam von den USA, Deutschland und Italien entwickelten MEADS (Medium Extended Air Defense System), das nach Fertigentwicklung nicht beschafft wurde, soll das neue System unter anderem vom Lenkflugkörper-Systemhaus MBDA gebaut und für die deutschen Streitkräfte beschafft werden:

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der Nachfolger für das Flugabwehrraketen-System Patriot von der Firma MBDA kommen, die das gemeinsam mit dem US-Rüstungskonzern Lockheed Martin entwickelte System Meads zur Serienreife bringen soll.

Das politische Risiko ist für von der Leyen außerordentlich hoch: Sollten die Meads-Hersteller in den kommenden Jahren daran scheitern, das System zur Serienreife zu bringen, oder sollten die Kosten aus dem Ruder laufen, würde sie politisch für verantwortlich erklärt – ganz gleich, ob sie dann noch Verteidigungsministerin wäre. Um dagegen Vorkehrungen zu treffen, wurde nach SZ-Informationen bei einer Sitzung im Ministerium, an der in der vergangenen Woche neben Staatssekretärin Suder unter anderem die Abteilungsleiter für Rüstung und Planung teilnahmen, folgendes Vorgehen besprochen: Zwar soll Meads den Zuschlag bekommen, aber unter strengen Bedingungen.

Offiziell gibt es dafür keine Bestätigung. Das Verteidigungsministerium hatte wiederholt erklärt, dass eine Entscheidung über die Auswahl für die Patriot- Nachfolge – neben einem MEADS-Nachfolger ist eine Weiterentwicklung des Patriot-Systems von Raytheon im Gespräch – bis zum Sommer fallen solle. Diese Position wiederholte ein Ministeriumssprecher am Donnerstagabend; weiterhin gebe es Gespräche mit beiden Herstellerfirmen.

Das MEADS-Entwicklungskonsortium hatte im November 2013 die erfolgreiche Entwicklung des Systems gemeldet und seitdem vor allem damit argumentiert, dass Deutschland wie die anderen beteiligten Staaten bereits in die Entwicklungskosten investiert habe und diese deshalb auch nutzen sollte. Außerdem behalte Europa mit diesem System die Kontrolle über die technologische Entwicklung und müsse nicht black boxes des US-Herstellers Raytheon in Kauf nehmen. Das Patriot-Herstellerunternehmen hielt dagegen, seine Systeme seien weltweit und auch in Europa bereits eingeführt, Neuentwicklungen kämen allen Nutzerstaaten zu Gute und zudem sei das Patriot-System der neuen Generation deutlich günstiger als das MEADS-System.

Die deutsche Luftwaffe hatte in jüngster Zeit allerdings erkennen lassen, dass sie die Beschaffung eines auf MEADS basierenden Nachfolgesystems für sinnvoller halte. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Bundeswehr offensichtlich nicht davon überzeugt war, dass die Patriot-Weiterentwicklung auf dem derzeitigen Stand ihren langfristigen Ansprüchen entsprechen werde.

Nachtrag: Dazu die Aussagen aus der Bundespressekonferenz am 15. Mai vom stellvertetenden BMVg-Sprecher Oberst Ingo Gerhartz:

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium zum Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ von heute zum Thema MEADS, dass die Entscheidungen gefallen seien. Können Sie bitte kurz sagen, was der Stand der Dinge ist?

GERHARTZ: Lassen Sie mich dazu noch einmal klarstellen: Eine Auswahlentscheidung das haben wir auch mehrmals so angekündigt wird Ende des zweiten Quartals in diesem Jahr getroffen. Wenn ich jetzt hier in der Regierungspressekonferenz auf die Datumsanzeige meiner Armbanduhr schaue, sage ich mir: Wir sind noch nicht am Ende des zweiten Quartals. Wir sind noch mit den beiden großen Herstellern das ist zum einen Raytheon und zum anderen MBDA Deutschland gleichermaßen im Gespräch. Das zunächst dazu.

ZUSATZ: Dass man bis zum Ende des zweiten Quartals eine Entscheidung treffen möchte, heißt ja nicht, dass man das am letzten Tag des Endes des zweiten Quartals tun muss.

GERHARTZ: Das ist richtig. Aber wir wollen es zum Ende des zweiten Quartals tun. Das werden wir dann auch. Sie sehen ja: Wir sind mit den Herstellern noch im Gespräch, und das wird auch noch einige Gespräche andauern. Ich darf noch einmal ausholen:

Wir hatten letztes Jahr das Rüstungsgutachten, was uns hier auch mehrere Empfehlungen mit auf den Weg gegeben hat. Ein Beispiel: Wir hatten mehrere Lösungsvorschläge, wo uns das Rüstungsgutachten gesagt hat, dass sie nicht vergleichbar sind. Das haben wir alles noch einmal neu aufgearbeitet, sodass letztlich zu Beginn dieses Jahres die beiden Lösungsvorschläge übrig blieben: zum einen die Weiterentwicklung des Patriot-Systems und zum anderen das sogenannte MEADS. Diese beiden Lösungsvorschläge stehen sich immer noch gegenüber. Zu den Spekulationen, es gäbe hier schon Gespräche verschiedenster Natur in dem Kreis mit dem Generalinspekteur, wo schon Dinge beschlossen worden seien, kann ich nur sagen: Wir führen bei einem so komplexen Programm nahezu jeden Tag Gespräche mit den entscheidenden Personen. So sind wir auch noch mit unseren Entscheidern ich wiederhole mich da gleichermaßen im Gespräch wie auch mit den Herstellern.

Aber lassen Sie mich noch einmal kurz auf die Berichterstattung eingehen; sie zählt hier im Wesentlichen zwei Kriterien auf, die einer Beschaffung zugrunde gelegt werden. Das ist einmal das Kriterium Arbeitsplätze. Hier möchte ich noch einmal ganz klar betonen: Das ist sehr, sehr wichtig. Das ist ein ganz bedeutendes Kriterium. Selbstverständlich geht es um Arbeitsplätze in Deutschland. Aber was auch ganz entscheidend ist: Bei beiden Lösungswegen bei der Patriot-Weiterentwicklung wie auch bei MEADS gibt es einen erheblichen Workshare, der dann in Deutschland entsprechend abgebildet wird. Bei beiden Lösungsvorschlägen geht es um Arbeitsplätzesicherung in Deutschland.

Das andere Kriterium, das hier aufgeführt wird, ist, dass wir klare Abbruchkriterien einpflegen, dass die Firma Nachweise bis zur Beschaffungsreife zu erbringen hat, bei der wir dann gegebenenfalls sukzessive aussteigen könnten, also eine Haftungskette aufgemacht wird. Auch das wird in der Berichterstattung etwas an dem Lösungsvorschlag MEADS festgemacht. Das gilt natürlich auch für den anderen Weg. Auch hier muss es eine klar definierte Haftungskette geben; das ist selbstverständlich.

Lassen Sie mich hier nur ein Kriterium noch einmal kurz umreißen; dabei will ich es dann bewenden lassen: Das ist das Kriterium der Life-Cycle-Kosten, das in der Berichterstattung vielleicht zu kurz gekommen ist. Das ist für uns das alles Entscheidende, nicht: Was kostet uns ein System in Entwicklung und Beschaffung? das ist auch wichtig , sondern: Was kostet es uns im kompletten Life Cycle, wenn man Personal und Material über einen Life Cycle von 30 Jahren plus mit hineinrechnet? Das ist letztlich das entscheidende Kriterium, wenn man die beiden Lösungsvorschläge gegeneinanderhält.

Aber um noch einmal an den Anfang zu kommen: Wir werden das Ende des Quartals entscheiden, aber da sind wir jetzt noch nicht.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie sagen, die Life-Cycle-Kosten sind das entscheidende Kriterium, dann werden Sie doch schon relativ klare Vorstellungen davon haben, wie die für die beiden Varianten aussehen, oder?

GERHARTZ: Die haben wir, aber ich werde jetzt hier keine Wasserstandsmeldungen abgeben, wie die einzelnen Details bei dem einen Lösungsvorschlag und wie sie bei dem anderen Lösungsvorschlag aussehen. Wir werden das Ende des zweiten Quartals entscheiden und es dann auch dementsprechend transparent machen.

FRAGE: Ist das eine Entscheidung, die ausschließlich auf der nationalen Ebene getroffenen wird, oder sind Sie auch mit anderen NATO-Partnern im Gespräch? Ich frage, weil Polen auch vor dieser Entscheidung steht. Das sind auch die beiden Kontrahenten, die beiden Anbieter. Spielt das eine Rolle, oder wird die Entscheidung nur in Berlin getroffen?

GERHARTZ: Danke für Ihre Frage. Es ist für mich ganz hilfreich, noch einmal auszuführen: Es ist natürlich eine nationale Entscheidung. Aber es ist ein wichtiges Kriterium, weil wir es als sehr wichtige Fähigkeit ansehen, um in der Zukunft darüber zu verfügen, dass wir hier natürlich schauen, wie wir hier Partner einbinden können. Das heißt aber auch wieder, und das ist fast wieder auf der Linie Arbeitsplätze – Haftungskette zu sehen: Weder die eine noch die andere Lösung schließt Partner aus. Bei der Patriot-Weiterentwicklung hätte man den Vorteil, dass man, wenn mehrere Nationen sich dieser Weiterentwicklung anschlössen, das System also auch beschafften bzw. die, die Patriot schon haben, es entsprechend weiterentwickelten , hier einen Verbund hätte. Patriot hat aber den Nachteil, dass man andere Systeme dort nicht einpflegen kann.

MEADS hat durch die offene Systemarchitektur den Vorteil, dass man, um das Beispiel zu kreieren, wenn sich Polen jetzt Patriot bzw. dann ein weiterentwickeltes Patriot-System beschaffen würde, das dann mit MEADS zusammenschalten könnte, so wie es dann auch bei einem Einsatz in einem Verbund geschieht.

Also weder die eine noch die andere Lösung schließt aus, dass wir mit Partnern zusammengehen. Das Kriterium findet also Einfluss in die Entscheidung. Die Entscheidung fällt letztlich allein national.

(Foto: Ein Testschuss des MEADS-Systems mit einer PAC3-Rakete 2013 in White Sands – Lockheed Martin)