Afghanistan-Sammler: Volkssturm oder Renaissance der Warlords im Norden?
MoI Denies Arming People, But Support Uprising http://t.co/vAqMbpFab0 pic.twitter.com/RU7iNv7Xvo
— TOLOnews (@TOLOnews) 26. Mai 2015
Wenn ein westlicher Politiker in den nächsten Tagen Afghanistan besuchen sollte, sollte er sich die Berichte des zurückliegenden Wochenendes vom Hindukusch genauer anschauen. Nicht nur die – täglich mehrfachen – Meldungen von Angriffen auf staatliche Einrichtungen, sondern vor allem die Berichte über eine gefährliche angebliche Gegenstrategie insbesondere im Norden des Landes:
Facing a fierce Taliban offensive across a corridor of northern Afghanistan, the government in Kabul is turning to a strategy fraught with risk: forming local militias and beseeching old warlords for military assistance, according to Afghan and Western officials.
The effort is expected to eventually mobilize several thousand Afghans from the north to fight against the Taliban in areas where the Afghan military and police forces are losing ground or have had little presence. The action is being seen as directly undermining assurances by officials that the security forces were holding their own against the Taliban.
berichtete die New York Times am vergangenen Sonntag.
Die afghanische Regierung bestreitet das – halbherzig. Genau genommen bestreitet sie, dass an örtliche Milizen Waffen ausgegeben und die örtlichen Warlords für den anhaltenden Krieg aktiviert werden sollen. Nicht aber, dass Kabul auf einen Kampf der Bevölkerung gegen Aufständische setzt, wie der afghanische Sender TOLO News berichtet:
The Ministry of Interior on Tuesday said that civilians will be not be given arms but that the ministry will support people rising up against anti-government armed groups. In addition, in a press conference, Sediq Sediqqi, spokesman for the ministry said that raising the capacity of police forces and having a strategic program for maintaining security of the country are among the priorities of the ministry.
Sediqqi emphasizes that all reported civilian uprisings are not by armed people, and in many instances, people have taken action against anti-government armed groups using resources like stones and sticks. Although the ministry has continued to deny claims of arming civilians, it does consider people uprisings as important for maintaining security.
Interessant wird längerfristig die Frage, ob die alten Strukturen der örtlichen Miliz-Herrscher – die ja nie wirklich entmachtet wurden und teilweise auch staatliche Ämter innehatten und haben – dann nicht doch zum einzigen Bollwerk einer schwachen Zentralregierung und ihrer nach wie vor eingeschränkt handlungsfähigen Sicherheitskräfte gegen die Taliban und andere Aufständische werden. Vor allem im Norden, auch wenn sich angeblich dort die Lage etwas entspannt hat.
Die Gefahr ist das wieder Ausländische Mächte
wieder wie in den 90er wieder eine Macht aufbauen die ihre Interessen durchsetzt eine ist die ISIS
Ja, das hatten wir doch schon. Am Ende beißen die Kerle alle in die Hand, die sie bis dahin gefüttert hat. Ein Jammer um all die Leben, das schöne Geld und die vergeblichen Träume von einer besseren Welt. Kurz addieren, wer sich am Hindukusch schon alles seine Zähne ausgebissen hat:
United Kingdom
Sowjetunion
Westliche Allianz
Mit jedem Mal kamen Jahre des Jammers nach. Lesson learned? Wenn ich da schon wieder die Phantasien über Libyen höre…
Na ja, was man so unter „ruhig“ versteht …
http://www.longwarjournal.org/archives/2015/05/taliban-shadow-governor-appears-in-new-propaganda-video-depicts-recent-combat-in-badakhshan-province.php?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed%3A+LongWarJournalSiteWide+%28The+Long+War+Journal+%28Site-Wide%29%29
http://afghanzariza.com/2015/05/24/security-forces-regain-control-of-imam-sahib-district-in-northern-kunduz-province#
@TM
Mir kommt der letzte Link in Ihrem Kommentar so bekannt vor. Stand der nicht schon oben drin?
kann man nur hoffen das da kein Rückzug Land für Terror Gruppen steht
sonst kommt der Nächste Einsatz 10 -20 Jahren
@TW
?? ‚glaube nicht, oder?
Das wäre doch mal ein spannendes Thema für einen Auswertungsprozess:
„Welche Lehren haben aus der/für die Zusammenarbeit mit lokalen Milizen gewonnen?
Ich habe erst kürzlich einen Kommentar gelesen, der den Fall von Ramadi mit dem Unwillen der irakischen Regierung, die sunnitischen Milizen aufzurüsten, erklärt. Während aus vielen Fragmenten der Irak- und Afghanistan-Einsätze mittlerweile wertvolle Erkenntnisse gezogen wurden (wobei die Umsetzung allerdings fraglich ist), ist der Umgang mit lokalen nicht-staatlichen Gewaltakteuren bisher meines Wissens kaum ausgewertet worden – es wird weiterhin mehr aus dem Bauch entschieden, welche Milizich unterstütze und aufrüste und welche nicht. Meiner Meinung nach ein schweres Versäumnis.
Nun, solche Experimente gab es ja schon – die Afghan Local Police. Interessant hierzu auch die Studien von HRW („Just don’t call it a Militia“) und Peaceworks („Counterinsurgency, Local Militias …“). RAND hat auch etwas veröffentlicht („VSO/ALP …“).
das problem bei formationen mit lokalkolorit ist meistens das der westliche partner die tatsächlich relevanten truppen der power broker vor ort nicht unterstützen will weil das (angeblich) zu anderen einsatzzielen im zielkonflikt steht.
so auch in afgh.: jahrelang hat man von capacity building, good governance, rechtsstaatsbohai usw. schwadroniert und versucht die experimente mit irregulären lokalkräften irngedwie damit in deckung zu bringen.
das konnte eigentlich nur scheitern weil die kräfte entweder ohne konnex zu den nichtstaatlichen machtstrukturen vor ort und damit wirkungslos waren oder schlicht eine umbenannte formation lokaler warlords war was wiederum den „scweiz am hindukush“ zielen zuwiderlief.
wäre man erhlich gewesen und hätte sich dezidiert auf CT beschränkt ohne die ganzen gesellschaftsbeglückungsverirrungen hätte man ganz andere presonen gefördert (bspw. die arrondierten ex-nordallianzler)
das hätte auch funktionieren können.
(die FID erfahrungen anderr nationen sind jedenfalls eher mäßig bzw. die gut funktionierenden einehtien putschen gerne mal (mali) was wohl auch nicht im sinne des erfinders ist.
Sowohl die Strategie der Aufständischen als auch die Strategie der Verteidiger lassen sich nur bedingt nach eurozentrentrisch-moralistischen Kriterien bewerten. „Volkssturm“ bzw. „Levée en Masse“ betreiben alle Konfliktparteien, jeweils gestützt auf ihre ethnische Rekrutierungsgrundlage. Wer von beiden Recht hat, wird der Ausgang des Geschehens zeigen…
Afghanistan war, bis auf ein paar wenige Jahre unter dem König, immer eine Stammeskultur ohne Zentralstaat und seinen Organen. Deshalb kann man meiner Meinung nach nicht von einer Bewaffnung der Bevölkerung sprechen, sondern zur Vorbereitung für einen neuen Bürgerkrieg, der 2001 durch den Einmarsch des Westens, anscheinend nur unterbrochen wurde.
Hallo @Staatsrechtler, meine Replik passt zwar nicht unbedingt zu AFG, möchte aber dennoch Einiges anmerken.
„Volkssturm“ und „Levée en masse“ in einem Atemzug zu nennen, ist in meinen Augen kaum zulässig.
Ersterer war letztes Aufgebot Hitlers, letztere bedeutete den Wendepunkt der französischen Armee zu konkurrenzloser Dominanz auf dem europäischen Kontinent von 1793 – 1815.
Die levée en masse, verstanden als allgemeine Wehrpflicht, in Preußen umgesetzt als Landwehr ab 1813, eröffnete ein neues Kapitel der Kriegführung, da alle waffenfähigen Männer zwischen 18 und 25 betroffen waren.
Auf AFG bezogen handelt es sich allerdings weder um ein letztes Aufgebot, Nachschub an Kämpfern gibt’s hinreichend, jedoch ebenso wenig um die Begeisterung einer levée en masse. Vielmehr trifft m.E. zu, dass die afghanischen Stämme und Ethnien wieder und weiter die Szene beherrschen, Stammeskultur wie @Georg zutreffend feststellt. Sie schöpfen dabei naturgemäß auch ihr Menschenpotenzial aus, wie viel oder wenig begeistert die Rekrutierten dabei auftreten, hängt bestimmt auch von Befüllungsgrad der Kriegskasse des Clanchefs ab, es sei denn, man ist von Allah beseelt.
Sackgasse – m.E. Posting einstellen!
@all
Hm, ich sehe schon, ich muss mit manchen Begrifflichkeiten vorsichtiger sein. Allerdings, Hans Schommer, rufe ich immer noch selber dazu auf, bestimmte Dinge einzustellen. Oder nicht.
Zur aktuellen Lage in Kabul:
Die gesamte westliche Miltärmaschine hat nichts entscheidendes gegen die Taliban erreicht. Wie kann man dann annehmen, dass sich die Sache zum besseren wendet ohne diese? Kontrolliert abbrennen lassen, die Afghanen müssen unter sich regeln was und wohin sie wollen.
@TomCat: Das wird sowieso passieren. Auch im Libanon kehrte erst Ruhe ein, als der Überhang an kampfeswilligen jungen Männern ohne Aussicht auf soziale Einbindung aufgebraucht war. Das gehört sich nicht nach unseren moralischen Vorstellungen, aber das sind eben unsere Vorstellungen.
@TomCat
Es gab ja heuer ein Treffen des GIRoA und den TB zu Friedensgesprächen.