Ausblick auf 2015: (Leider) Weniger unklar

Wie in den Vorjahren muss ich zugeben: Ausgefeilte Jahresrückblicke sind meine Sache nicht (mit einer Ausnahme: für die Krautreporter hatte ich was über das erste Jahr von Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin geschrieben). Statt dessen versuche ich, Augen geradeaus!, nach vorne zu blicken. Und da lag ich vor einem Jahr aber gepflegt daneben…

Was wird für das neue Jahr das Wichtigste, dass es im Blick zu halten gilt? (Wie sich die neue Verteidigungsministerin schlägt, wird eine sehr grundsätzliche Frage, die sich durchs ganze Jahr ziehen wird – also eigentlich kein Einzelpunkt…) Wird es die Gestaltung/Entwicklung der Lage und des Abzugs in Afghanistan? Wie sich andere Einsätze entwickeln (Vormerken: im Juni wird der Kosovo-Einsatz 15 Jahre alt!) oder welche neuen Krisenherde und damit potenziellen Missionen dazu kommen? Werden es Entwicklungen in der Beschaffungs- und Rüstungspolitik – einschließlich der Frage bewaffneter Drohnen? Oder doch eher die Frage, wie die Umsetzung der Bundeswehrreform, pardon, der Neuausrichtung weitergeht?

schrieb ich im Dezember 2013, und ich muss sagen: Na ja, auch. Aber weder die Entwicklung in der Ukraine noch den rasanten Aufstieg von ISIS hatte ich so auf dem Schirm, wie es dann passiert ist.

Für das kommende Jahr scheinen die Entwicklungen etwas klarer vorhersehbar. Das macht es aber nicht besser:

Die Ukraine-Krise und in ihrem Gefolge das Verhältnis von Deutschland, EU und NATO zu Russland werden uns massiv beschäftigen. Sowohl wirtschaftlich als auch im weitesten Sinne militärisch: Die Bemühungen der NATO, massive Verteidigungsbereitschaft an der Ostflanke des Bündnisses zu demonstrieren, werden auch die Bundeswehr massiv fordern. Alleine schon, weil Tausende von deutschen Soldaten im kommenden Jahr für die NATO Response Force (NRF) gemeldet sind und damit am Testlauf für die sehr schnelle Eingreiftruppe, die Speerspitze, beteiligt. Das ganze Thema wird von der politischen Spitze bis zum Panzergrenadier, der sich plötzlich in einem permanenten hohen Bereitschaftsstand wiederfindet, von Bedeutung.

Die andere große Herausforderung bleibt ISIS – auch für die Bundeswehr, die wohl Ende Januar das Mandat für eine Ausbildungsmission der Kurden im Nordirak bekommen wird. Und die Frage wird bleiben, ob dieser geplante deutsche Beitrag reichen wird. Nebenbei: Die jüngsten Meldungen aus Libyen, das hierzulande in der letzten Zeit kaum interessierte, und ein möglicher Zusammenhang zu ISIS rücken langsam auch in den Blickpunkt:

Die Irak-Mandatierung mit ihrer etwas neuartigen rechtlichen Grundlage – eine Koalition der Willigen als System kollektiver Sicherheit – schlägt auch den Bogen zu einer interessanten deutschen Gerichtsentscheidung, um die es ab dem 28. Januar gehen wird: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt die Frage, ob die Evakuierung von Europäern aus Libyen im Jahr 2011, mit geschützten Transall und Fallschirmjägern, ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte war oder doch nur eine bewaffnete Dienstreise. Das Urteil als Karlsruhe könnte die Gewichte der Mitsprache des Bundestages bei Einsätzen verschieben – in jede Richtung.

Und natürlich bleibt das Dauerthema der Heimatfront: Die Bundeswehr und ihre Materiallage. Wie geht es weiter mit den Hubschraubern (hier immer ein Lieblingsthema) angesichts der Probleme bei NH90 und Tiger, kann die Marine wieder mehr einsatzbereite Drehflügler (und einsatzbereite Besatzungen) bereitstellen oder eher nicht? Und auch bei anderem Großgerät bleibt es spannend. Ganz zu schweigen von den Rüstungsprojekten, über die mal irgendwann entschieden werden muss: Was ist mit der künftigen bodengebundenen Luftverteidigung? Münden die Ankündigungen der Verteidigungsministerin zum Thema Drohnen in konkrete Vorhaben? Erfordert die veränderte Ausrichtung der NATO (siehe erster Punkt) weitere Veränderungen in der Beschaffung?

Ach so, ganz nebenbei laufen diverse Auslandseinsätze weiter. Afghanistan bleibt auch bei Resolute Support mit 850 Soldatinnen und Soldaten nicht nur der weiterhin gefährlichste, sondern auch der größte Einsatz (noch vor dem Kosovo).

Und da haben wir noch gar nicht über neue Krisen und die Entwicklung bekannter kleinerer Krisenherde gesprochen (übrigens, im Süd-Sudan sieht es ziemlich übel aus). Und nicht von den unerwarteten Dingen, die auch ganz plötzlich kommen (ja, Ebola hätten die Experten vielleicht rechtzeitig warnend erwähnen können. Aber wer hätte auf die gehört?).

Also: Schon die bekannten Herausforderungen des neuen Jahres sind mehr als genug. Und dass sie absehbar sind, macht sie nicht einfacher.

(Hinweis: Die Bundeswehr hat gegen Ende 2015 den Account-Namen, unter dem ihre Fotos bei Flickr gespeichert sind, von ‚augustinfotos‘ zu ‚bundeswehrfoto‘ geändert und dabei sämtliche Links zu den bisher gespeicherten Fotos zerstört. Deshalb sind hier wie auch in anderen Einträgen Bilder der Bundeswehr, die eingebettet waren, nicht mehr vorhanden.)
Foto: Leopard 2 A6 des Panzerbataillons 104 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr im Rahmen der US-Übung „Combined Resolve“ am 23.11.2014 –  Bundeswehr/Jörg Koch)