Zeitung lesen: Kriegsreporter und eine gescheiterte Mali-Offensive
Am Wochenende kann man ja mal auch Zeitung lesen, über die Online-Medien hinaus… Für Freunde des Offline-Journalismus deshalb zwei Empfehlungen:
In der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung befasst sich Thomas Avenarius mit Kriegsreportern:
Frontmann
Afghanistan, Syrien, Irak, Gaza: Die Bericht, die uns aus Krisenregionen erreichen, werden immer brutaler. Unser Autor hat einige Kriege erlebt – und viele Kriegsreporter
Für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat sich Marco Seliger (hier vielen bekannt durch loyal, die Zeitschrift des Reservistenverbandes) die Folgen einer gescheiterten Mali-Offensive angesehen:
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Die neue malische Armee hat eine krachende Niederlage gegen Tuareg-Rebellen eingesteckt. Peinlich – auch für die europäischen Ausbilder
(Eine längere Fassung dieser Reportage soll in der September-Ausgabe von loyal erscheinen.)
Da fragt man sich manchmal echt was die ganze Ausbilderei eigentlich soll….
Gibt es eigentlich einen einzigen Fall, wo eine Truppe, die in den Genuß westlicher Ausbildung gelangte, auch mal gewonnen hat?
Ausbildung ist halt nur eine Seite, Kampfkraft kommt aber in erster Linie durch Überzeugung, Disziplin, und Zusammenhalt zustande, etwas was fast jeder dieser Truppen fehlt ( inzwischen vielleicht sogar der Bundeswehr ) ich kann noch soviel ausbilden und Material an diese Kräfte weitergeben, wenn diese nicht überzeugt sind Kämpfen zu können und das es auch Sinn macht. Daher werden diese einfach bei jedem Gefecht das nicht sofort gewonnen wird einfach weglaufen, siehe AFGHANISTAN siehe IRAK und siehe MALI.
Das Problem ist imho auch, dass solche Landes-Armeen ja zumeist eine Historie von Niederlagen gegen Rebellen, Terroristen, Separatisten etc haben., und der Westen es ja auch nicht geschaft hat, militärisch gegen diese Kräfte erfolgreich zu sein (Somalia ff).
Hinzu kommt, dass die Militärische Führung dieser Streitkräfte oftmals mehr politische als fachliche „Befähigung“ besitzt ( Man lese mal nach über die „Führungsqualität“ der Offiziere der irakischen Armee unter Maliki). Der Gegner wird aber zunehmend technisch-taktisch professioneller, hat mittlerweile stabile logistische Unterstüzungsstrukturen, eigene Finanzierungs-Ressourcen und ist lokal/regional kulturell verankert.
Wenn man sehr böse wäre könnte man sagen, die letzte durch US- oder NATO- Streitkräfte ausgebildete Armee, die zumindest nicht verloren hat, war die Sükoreanische…
Und die hatten noch japanischen Schliff damals (die meisten Offiziere waren ex kaiserliche Armee)
@Klabautermann
ist auch die Frage was man darunter versteht, militärisch kann man niemals eine Untergrundbewegung besiegen, ihren Spielraum und Bewegungsfreiheit aber einschränken., genau das was ja Afghanistan unter anderem gezeigt hat. Mir kommt es eher so vor als hätte man völlig überzogene Vorstellungen davon was man militärisch machen kann. Ein sicheres Umfeld gegen Terroristen konnte man ja nicht mal in DEU sicherstellen gegen die RAF, aber man konnte es sehr schwer für sie machen sich zu bewegen.
Das gleiche ist halt dort der Fall, sehr schnell würde auch IS wieder in den Untergrund verschwinden und wäre auch nicht in der Lage so frei zuschalten und eine Terror Herrschaft aufrechtzuerhalten wenn fähiges Militär vor Ort wäre, aber ich kann damit nicht die IS „besiegen“. Das sieht man im moment sehr schön in AFG, die lokalen Kräfte sind schon im offenen Kampf völlig überfordert in dieser hinsicht war ISAF schon erfolgreich.
@Forodir
Wie man an den Taliban und IS sieht, können westliche Streitkräfte/westlich ausgebildete Streitkräfte auf Dauer eine insurgency militärisch nur dann in den Griff bekommen, wenn alle Nachbarstaaten mitspielen und die selbe Coin-Strategie verfolgen. Sobald in einer Region politische Spannungen wie in NMO in AFPAKINDIA herrschen ist ein ISAF-Modell immer nur ein sehr, sehr begrenzter „Erfolg“. Mit ISAF hat man im Prinzip Zeit gekauft damit Afghanistan politisch und staatlich wieder auf die Beine kommt. Wenn dazu im Land selbst und bei seinen Nachbarn kein mehrheitlicher politischer Wille/Kraft besteht, weil starke zwischen- und innerstaatliche Spannungen bestehen und aktiv gepflegt werden, dann kann man sich solche Interventionen auch gleich sparen. Militärische Interventionen funktionieren nur dann, wenn ein regionaler strategischer Konsens besteht.
@ klabautermann
Grundsätzlich Zustimmung. Aber noch wichtiger als der regionale strategische Konsens ist der lokale. Eine Untergrundarmee, die sich auf die aktive oder stillschweigende Hilfe eines hinreichenden Teils der Bevölkerung vor Ort abstützen kann, ist mit unseren Mitteln so gut wie nicht zu greifen. (Und selbst andere Mittel, die wir aus guten Gründen nicht anwenden, ändern da nichts – siehe die brutale und zugleich meist erfolglose Partisanenbekämpfung etwa im 2. WK). In AFG mit den Taliban und anderen kriminellen Netzwerken und mehr noch im sunnitisch bewohnten Teil des Irak mit dem IS stehen wir da vor fast unlösbaren Aufgaben. Jedenfalls solange die Terroristen gedeckt werden.
Besonders in Afrika kommt da noch etwas hinzu: Es gibt dort nahezu kein nationales Bewusstsein in unserem Sinne. Und weil es das nicht gibt, sind auch die Loyalitäten (der Soldaten, der Politiker, und überhaupt aller) zu „ihrem“ Staat und zu „ihrer“ Armee nur rudimentär ausgeprägt. Viel wichtiger sind Stämme, Clans, Familien – und Geld. Ein Seitenwechsel oder Abtauchen fällt dort ziemlich leicht und wird auch als weitgehend normal empfunden. Auch von daher verpuffen viele gutgemeinte Hilfs- und Ausbildungsprogramme.
@KeLaBe
Sehe ich genau so. Und dann kommen noch die global agierenden „Investoren“ aus Ost, West, Süd und Nord hinzu, die lokal und regional ihr eigenes Süppchen kochen.
Leider ist Seligers Text an meinem aktuellen Aufenthaltsort nicht erhältlich. Der o.a. Auszug alleine genügt aber, um Brechreiz zu erregen. Die unselige Wortwahl und die schwammigen Informationen passen möglicherweise in die Klatschpresse, aber nicht zu seriöser Berichterstattung und Konfliktanalyse.
Die malische Armee ist nicht neu, sondern die gleiche wie seit jeher. Nur die Gefechtsverbände, die an Operation Maliba in Nordmali teilnehmen, erhalten seit 2013 zusätzliche 8-12 Wochen Ausbildung durch EUTM.
Die „krachende Niederlage“, die „peinlich“ ist, hat mehr als 40 Tote und noch mehr Verwundete gekostet. Gleichzeitig hat sie den malischen Staat de facto geteilt, wirkungsvoller und nachhaltiger als die Offensive der Jihadisten 2012/13.
Schuld daran sind mitnichten europäische Ausbilder, sondern vor allem kriegslüsterne malische Politiker (Primat der Politik: PM Musa Marra hat den Einsatz in Kidal im Mai 2014 angeordnet) und deren Militärs (BG Ag Gamou hat den Befehl bereitwillig umgesetzt).
(Zur Geschichte der malischen Staatsentwicklung, zu Loyalitäten, zu lokalen und regionalen Aufständen und deren Auswirkungen kann ich Baz Lecocqs „Disputed Desert“ wärmstens empfehlen.)
Man könnte die Sache auch anders formulieren:
Obwohl eine derartige Offensive zu jener Zeit nicht ratsam schien haben Machtinhaber aus Überheblichkeit und Eigeninteresse alle Bedenken über Bord geworfen und darauf vertraut vom Westen Rückendeckung für Dummheiten zu bekommen.
Was logischerweise nicht passiert ist.
Dem Westen ist es reichlich egal ob man sich mit dummen und korrupten malischen oder dummen und korrupten Tuareg Politikern arrangiert um die Islamisten klein zu halten. Aus der gleichen Logik ist auch die Integrität Malis eher von untergeordneter Bedeutung.
Maras Besuch in Kidal würde zum Ausbruch von Gewalt führen, dass war allen Beteiligten vorab klar. Entsprechend haben alle internationalen Player im Lande davon abgeraten. Damit konnte die malische Regierung auch nicht auf westliche Unterstützung vertrauen. Dies hat sie auch (zumindest vorab, in Annahme es sicheren Sieges) nicht getan.
Die falsche Verallgemeinerung „dumm und korrupt“, egal ob Regierung oder bewaffnete Opposition, lasse ich mal außen vor.
ich schreib es mal hier rein weil es zeitungs und afrika bezug hat.
http://saharareporters.com/2014/08/25/close-500-nigerian-soldiers-flee-cameroon-avoid-confrontation-boko-haram
http://www.washingtontimes.com/news/2014/aug/24/boko-haram-leader-declares-caliphate-nigeria/#ixzz3BTtNh7gZ
Und noch ein kalifat contra failing state. hach ja… ist es nicht nett?
Das mit dem Konzept des Kalifats haben sie allerdings noch nicht so recht verstanden.
Liebe Tafkiris: es gilt das highlander prinzip. es kann nur eine(s) geben!.
Immerhin machen sie ihrem namen alle ehre, „Boko Haram“ gilt wohl auch für Lektüre islamischer theologie ;)
@wacaffe
Boko Haram scheint das auch so verstanden zu haben.
http://www.longwarjournal.org/archives/2014/08/boko_harams_new_cali.php
Im Kommentarbereich:
„Boko haram“ did not declare an Islamic caliphate. Your ignorant media is not understanding matters correctly, as usual. It declared that it has now become part of the Islamic caliphate, which was very recently established in what we call Iraq and Syria, under the rule of Khalifa Ibrahim.
Read more: http://www.longwarjournal.org/archives/2014/08/boko_harams_new_cali.php#ixzz3BVyWMPmE
als addendum zum obigen Boko beitrag.
auch in Nigeria und Niger sind siet geraumer Zeit US SF mit FID beschäftigt. die Ergebnisse sind wohl eher kläglich. Das Mali Fiasko in TW’s obigen artikeln ist eher Regel als ausnahme bei Abstützung auf lokale Kräfte.
http://www.washingtontimes.com/news/2014/may/13/us-special-forces-heading-nigeria-training-troops-/
http://www.nytimes.com/2014/05/27/world/africa/us-trains-african-commandos-to-fight-terrorism.html
Der NYT beitrag ist besonders lesenswert da er zeigt das selbst mit höchst kompetenten „warrior scholars“ (haben wir die eigentlich?) der SF provenienz ein Erfolg ausbleibt,
mit unseren 9-5 bürosoldaten sieht es adann wogl noch düsterer aus
@ thomas melber
äh ja . das war dann eher „recherche haram“ mistake meinerseits. trotzdem schön das sie auf Zack sind.
an solchen rückmeldungen wie der ihren wird der Wert von AG mal wieder deutlich.
merci!
Von der Suche nach Kony hört man auch nichts mehr, dabei wurde das ja recht hoch aufgehangen. Nun ja.
@ TM
zu Kony/LRA und sonstigen US clandestine aktivitäten ist dieser artikel auch recht instruktiv besonders was die schwierigkeiten der umweltbedinungen selbst für knuckledragger aus dem SF orbit angeht.
kurzform. suche wird intensiv geführt. technik, physis und taktik der externen ist dem dschungelkrieg aber nicht gewachsen
http://www.nytimes.com/2014/06/15/magazine/can-general-linders-special-operations-forces-stop-the-next-terrorist-threat.html
was Boko’s materielle ausstattung angeht
https://www.youtube.com/watch?v=s9F4i837CQY