Lagebeobachtung Irak (und angrenzend)
Angesichts der aktuellen Entwicklungen in und um Irak gebe ich in Abwesenheit des Hausherren einer möglichen Diskussion dazu hier mal ein digitales zu Hause. Bemerkenswert finde ich unter anderem die Kombination aus der – gemäß der Berichte – grausamen Kriegsführung der „Organisation“ Islamischer Staat (warum unsere Medien deren Re-Branding von ISIS zu IS so vorbehaltlos übernommen haben, ist auch interessant. Bei Raider und Twix war da gefühlt mehr Widerstand) und dem sehr strategischen Vorgehen mit der Einnahme des Staudamms von Mosul sowie der in der Region liegenden Ölfelder.
Der OvWa
Vielleicht kann mir jemand der näher an den Quellen sitzt etwas auf die Sprünge helfen:
Die USA, Russland, China und GB bauen, jeder für sich, riesige Überwachungsapparate auf.
Trotzdem gab und gibt es keine Warnung wenn sich 10.000 Menschen bewaffnen, organisieren und riesige Landstriche überrennen. Muss ich als „normaler“ Mensch soetwas verstehen?
Kann mir jemand etwas über die Organisationsstrukturen von IS(IS) sagen?
CNN hat gestern übrigens gemeldet, dass die Peschmerga den Damm halten konnten:
http://edition.cnn.com/2014/08/04/world/meast/iraq-crisis/
Dem Kommentar zum „Re-Branding“ kann ich nur zu stimmen.
Zwar nicht unmittelbar angrenzend, aber mit Blick auf Überlegungen zur Kriegsführung (nicht nur in Nahost) vielleicht interessant:
http://www.nytimes.com/2014/08/02/world/middleeast/an-old-playbook-leaves-israel-unready-for-hamass-tunnel-war-.html?_r=0
Unser „playbook“ scheint mir auch deutlich überholt zu sein – aber das paßt wohl nicht ins Selbstbild der „Weltklasse Armee“ Bundeswehr.
Das kann ja die neue sicherheitspolitische Informationszentrale (SIZ) ja mal auswerten (mit dem nebenamtlichen Leiter und den 2 Referenten).
Was macht der GI eigentlich derzeit…?
@ Sven S
Weil die nicht plötzlich unter Waffen standen sondern schon lange bewaffnet, bis dato aber mit anderen strategischen Zielen versehen waren. Und die von Ihnen aufgeführten Dienste haben letztendlich immer noch das große Manko, zu wenig menschliche Quellen vor Ort zu haben.
Und so bekam man das Seitenwechseln von einer Vielzahl von Kräften wenig bis gar nicht mit. Aber das passiert halt, wenn man aus fragwürdigen Motiven heraus die Sicherheitsarchitektur einer ganzen Region gleich an mehreren Stellen destabilisiert.
@SvenS: Die Warnungen hat es gegeben. Die Politik hat sie nur nicht ernst genommen.
Zu den letzten Gebietsgewinnen von ISIS und der Gesamteinordnung: http://www.washingtonpost.com/news/morning-mix/wp/2014/08/04/islamic-state-now-controls-resources-and-territory-unmatched-in-history-of-extremist-organizations/?hpid=z4
„Rache an den USA“: Terrorgruppe Isis droht mit Angriff auf Kuwait
Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (Isis), […] droht nun mit einem Überfall auf Kuwait. Eine Invasion in dem Golf-Staat wäre eine „Abrechnung“ mit den USA, sagte IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi nach Angaben der jordanischen Zeitung As-Sawsana.
http://de.ria.ru/politics/20140806/269211997.html
Ich verstehe nicht, warum man gegen die IS/ISIS nicht etwas tut!!
@Lenkrad: Sie hätten da einen konkreten Vorschlag?
Danke an Roman und califax.
Kann ich mir die Situation im Irak dann ähnlich der damaligen Situation in Afghanistan vorstellen? Man unterstützt, teilweise mit Material und Ausbildung, teilweise durch nichts tun, eine Gruppierung und tut dann überrascht, dass diese Gruppierung „plötzlich“ ihr eigenes Ziel durchsetzt?
@ SvenS
> Muss ich als “normaler” Mensch soetwas verstehen?
Kann mir jemand etwas über die Organisationsstrukturen von IS(IS) sagen?
Es gibt bei den Muslimen nicht sowas wie einen Treueeid gegenüber einer Organisation oder einem Land. Die schließen sich zu Gruppen zusammen, die sich auch während eines Kampfes ständig reorganiseren. Ziel ist der Djihad, das bedeutet Paradies und Beute, wobei die Rangfolge und priorisierung sehr individuell ist. Man ist auch im Grunde eher dem eigenen Familienclan verpflichtet als allem anderen.
Die ISIS ist so ein wenig organisiert wie unsere damaligen Kreuzritter. Die kämpfen sich irgendwo durch, bis sie sich an einer Stelle festsetzen können. Dabei ist denen zunächst mal gleich wo das der Fall ist. Sie suchen noch.
Soweit ich das sehe, wurde die Bewaffnung zugelassen und zwar wohl offenbar von der Türkei und offenbar mit dem Angriffsziel Syrien. Dazu muss man wissen, dass die Türkei und Syrien ein eigenes Gezänk haben, wegen eines Stückchen Landes, das mal zur Türkei gehörte und nun zu Syrien (ähnlich wie Elsass Lothringen). Einfach mal nach „ISIS Türkei“ googlen und man findet Artikel, die hier nicht verlinkt werden dürfen.
Die bisherigen Versuche der Türkei, die Nato einzuspannen für den lokalen türkisch syrischen Konflikt wurden von der Nato unterbunden, also hatte man eben auf die ISIS gesetzt. Nur hatte die ISIS gar nicht so sehr gegen Syrien kämpfen wollen. Da sind nämlich richtige Soldaten und die schießen zurück. Es ist viel einfacher über Zivilisten herzufallen. Das sind weniger Tote und mehr Beute.
@Lenkrad
> Ich verstehe nicht, warum man gegen die IS/ISIS nicht etwas tut!!
Die erste Frage wäre dann „WER“ etwas tun müsse. Nach dem Verursacherprinzip wäre dass dann die Türkei. Die könnten relativ problemlos im Irak einmarschieren und aufräumen. Warum die das nicht tun, angesichts des Todes ihrer Glaubensbrüder und des von ihnen mitverursachten Chaoses ist mir nicht klar.
Im Irak ist die Situation wohl deswegen wieder etwas komplizierter, weil der eine Familienclan herrscht und dadurch die anderen unterdrückt werden. Von daher weiß jeder, dass der Kampf zwar wichtig ist, doch jeder möchte, dass der andere zuerst kämpft, weil der eben dann auch den höheren Preis an Menschenleben zu zahlen hat und hinterher in der politisch schwächeren Position ist (Bei Wahlen zählen Stimmen).
Wenn die aber wie hier angedroht Kuwait überfallen, dann löst sich das Problem von selbst. Der Emir wird in die Portokasse greifen, eine weitere Milliarde – oder zwei – verteilen an irgendwen und die werden dann irgendwas tun, was sehr kurz ist und sehr effizient und nachhaltig. Hoffen wir mal für die Menschen dort, dass sie es tun.
@Lenkrad: Reguläre Streitkräfte tun sich gegen einen asymmetrischen Gegner sehr schwer. Wenn sich eine Kriegspartei an Genfer Konvention, Menschenrechte etc hält und die Gegenseite gerade nicht und den Unterschied sogar ausnutzt, landet man als reguläre Streitkraft entweder als Verlierer im Straßengraben oder vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Nach allerlei schlechten Erfahrungen der letzten Jahre haben die westlichen Nationen von Hilfs- und Unterstützungseinsätzen die Nase gründlich voll. Siehe auch Libyen
An einem zivilen Beispiel wird es vielleicht klarer: Eltern kennen das – Streit bis aufs Messer im Kinderzimmer. Vater schreitet ein, gebietet lautstark Einhalt (Friedenserzwingender Einsatz) und verbannt die Streithähne jeden in seine Ecke. Dann setzt er sich Zeitung lesend auf einen Stuhl um den Frieden zu erhalten (Enduring Freedom). Dabei versucht er freundlich aber bestimmt, vielleicht aber auch handfest, die Parteien zu einer moderierten und dann selbständigen friedlichen Zusammenarbeit zu bewegen (Aufbau einer Zivilgesellschaft nach westl. Vorbild)
Was auch jeder kennt ist, daß der Vater von da an selbst zum Gegner der plötzlich wieder vereinten Kampfhähne wird. Merke: Ein auswärtiger Gegner eint im Inneren. Wie oft also soll der Fehler noch wiederholt werden?
Da sich ISIS vor allem erbeuteter und mit US- Mitteln bezahlter Waffen und Ausrüstung bedient, sollte der Rüstungsexport noch mal unter diesem Aspekt überdacht werden.
@ califax: Arbeit, Bildung, Geld, Rechtsstatlichkeit und klare durchgesetzte Regeln. Bei den Kurden funktioniert dass. Und die haben die Probleme nicht.
@Lenkrad: Warum sollte man? Rein pragmatisch ist es wesenlich zweckmäßiger, zuzusehen, wie sich ein „islamischer Staat“ salafistisch-dschihadistischer Ausprägung entwickelt und jede Möglichkeit zu nutzen, um den militanten Salafismus / Dschihadismus zu delegitimieren und zu difarmieren und den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat aufzuwerten. Aber dazu ist man sich zu gut…
Und angesichts der Bevölkerungsdynamik und der sozioökonomischen Problemen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass eine Zerschlagung von ISIS durch eine westliche Intervention / irakische Intervention mit westlicher Unterstützung mehr als kurzfristige Stabilität bringt.
Das ISIS Problem ist doch hausgemacht. Vor einiger Zeit hat man noch diskutiert, ob es eine gute Idee ist, die Gegner Assads zu bewaffnen. Nun müsste man eigentlich anerkennen: Nein, das war eine blöde Idee.
Aber statt das Problem zumindest einmal als Problem anzuerkennen, wird überall nur von „Terroristen“ gesprochen. Ob die nun ISIS oder IS heissen ist vollkommen egal. Aber das sind halt keine Terroristen mehr. 5 Bewaffnete sind vielleicht Terroristen, 15 auch noch. Aber 10000de unter Waffen, die versuchen Territorium zu erobern und zu kontrollieren, sind keine Terroristen, egal wie brutal die vorgehen.
Auch wenn nun wieder nach militärischer Intervention gerufen wird, sollte klar sein, dass man da was investieren und Verluste in Kauf nehmen müsste, um das wieder einzudämmen. Und dabei waren die Amerikaner gerade froh, dass sie da abziehen konnten. Alles keine Erfolgsgeschichte.
Tja, sieht so aus als hätte Deutschland – das sich in diesem Punkt ja mal wieder gegen die Position vieler seiner Verbündeten gestellt hatte – Recht, als es Waffenlieferungen an die Gegner Assads ablehnte und stattdessen stets nur Schutzausrüstung und medizinische Materialien liefern wollte.
Nur so nebenbei: Bei der Bewaffnungsdiskussion ging es nie um die mit Assad beinahe alliierte ISIS, welche übrigens auch von vornherein eine starke Basis im Irak hatte, sondern um die Erzfeinde der ISIS: FSA, Al-Nusra etc.
Und Ziel der Hilfe sollte eben sein, diese Organisationen im Kampf gegen ISIS zu stärken.
Bislang standen den ISIS-Truppen im Irak ja hauptsächlich reguläre Kräfte der irakischen Armee entgegen, deren Kampfkraft nicht sehr hoch eingeschätzt wird (und darüber hinaus verläuft die sunnitisch-schiitische Demarkationslinie auch mitten durch die Streitkräfte).
Ich bin gespannt, wie die aktuellen Kämpfe zwischen ISIS und den Peshmerga verlaufen. Die kurdischen Kämpfer sind schon von einem anderen Kaliber…
Die Peshmerga sind ja relativ gut ausgerüstet und verfügen über schwere Waffen (Kampfpanzer, Artillerie), zudem sind sie kampferfahren und motiviert.
Wo liegt eigentlich unser strategisches Interesse, uns in die Streitigkeiten der diversen Banden in Asien einzumischen? Warum sollten wir beim Thema ISIS mehr tun, als eine Reisewarnung auszusprechen?
Die Erfahrung lehrt doch inzwischen, dass jede Intervention aus weichen Faktoren heraus (Humanität, Nation-building etc.) nur dazu geführt hat, dass wir anschließend die „Bösen“ gewesen sein sollen.
Wenn also nicht ganz eindeutige harte belegbare nationale Interessen Deutschlands betroffen sind: Was interessiert uns die Gegend?
Ein stabiler kurdischer Staat hätte so seine Vorteile. Wenn jetzt auch die Türkei ihren Widerstand gegen ein halbwegs demokratisches Kurdistan aufgibt, hätte man einen Akteur, den man logistisch unterstützen könnte.
@Sun Tzu: Eben! Dazu müßte bei uns und auch in Europa mal endlich die allfällige Strategiediskussion beginnen. Und zuvor eine Bestimmung unserer Ziele. Und die dürften nicht im Wochenrhythmus verändert werden. Das würde auch die Bw in ruhigeres Fahrwasser bringen.
So bleibt es ein aufgeregter Hühnerhof…
Das Problem in NMO ist seit mehreren hundert Jahren immer das selbe: unüberbrückbare, ethnisch-religiöse Konflikte, überlagert von geo-politisch-wirtschaftlichen Interessen regionaler und globaler player. Das führt dann eben zu einer völlig undurchschaubaren, sehr dynamischen Mixtur von zeitlich begrenzten, opportunistischen Zweckbündnissen auf lokaler und regionaler Ebene. Wen soll man da unterstützen ? Jede Form von passiver (Bewaffnung) oder aktiver militärischer Intervention erzeugt nur mehr Chaos und Zerstörung. Das Phänomen des religiös-politischen Fanatismus ist in dieser Weltregion gespeist durch den Öl-/Gas-Reichtum und die Gier, an diesem Reichtum zu partiziperen, bzw. ihn „für sich“ zu erhalten.
KSA läßt mal wieder eine Millarde Dollar für die Ausrüstung der libanesischen Armee springen und Katar/Türkei unterstützen weiter verdeckt die sogenannten Gegner von IS/ISIS, die sich aber jederzeit auch mit IS/ISIS verbandeln wie man gerade an der Grenze zum Libanon sehen konnte. Im Libanon und im Irak gibt es keine funktionierende Regierung mehr. Bagdad kauft 7000 Hellfire von den USA und 10 SU-25 von den Russen und glaubt damit IS/ISIS beeindrucken zu können. Bei solchen Eliten darf man sich nicht wundern, dass die Fanatiker aller couleur jede Menge Zulauf an human capital haben.
@Sun Tzu: Volle Zustimmung.
Bloß noch zusehen, dass keiner von denen hierher kommt.
Ich denke, dass man da nichts machen kann und sollte. Hilfe zur Selbsthilfe geht ja meist auch nach hinten los und man schafft sich den nächsten Aggressor.
@ Sun Tzu
Mir fallen gleich vier mögliche strategische Interessen oder warum uns diese Gegend nicht egal sein sollte, ein
a.) Deutschland hat ein Interesse an einem stabilen (und niedrigen) Ölpreis auf dem Weltmarkt. Dazu gehört auch das der Nahe Osten und Nordafrika stabilisiert werden.
b.) Konflikte lösen immer auch anhaltende Flüchtlingsströme aus. Da Deutschland in der EU ist, kann man nicht einfach sagen wir sind von Freunden umzingelt, sondern muss feststellen das die EU von Konfliktherde umzingelt ist.
Das ist innenpolitisch mittelfristig ein Thema. Organisierte Gewalt, Menschenhandel u.a. Begleiterscheinungen (Dschihadtouristen)
c.) Glaubt man an den demokratischen Frieden, wollen wir natürlich das unsere Nicht-EU Nachbarn sich zu Demokratien entwickeln. (und industrialisieren)
d.) Auch wenn es nicht immer offensichtlich ist, historisch bedingt hat unser Parlament ein absolutes Interesse an einem friedlichen Umfeld für Israel. Ob die deutsche Nahostpolitik dahingehend zielführend ist, ist eine andere Debatte.
Wären das ausreichend harte (hier nicht belegte) und nachvollziehbare nationale Interessen Deutschlands?
@Lenkrad: „Ich verstehe nicht, warum man gegen die IS/ISIS nicht etwas tut!!“
Kurzgefasst:
1. Es fehlen passende Partner.
2. ISIS agiert nicht alleine sondern stützt sich auf die teils Unterstützung, teils Duldung vieler Sunniten, die von der Regierung Maliki enttäuscht wurden.
Ein paar unvollständige Stichpunkte:
– Die „Sons of Iraq“ („Sunni Awakening movement“), mit deren Hilfe die USA vor Jahren die Situation in Anbar unter Kontrolle gebracht hat, sind jetzt teilweise bei ISIS.
http://en.wikipedia.org/wiki/Sons_of_Iraq
Rein militärisch ohne politische Veränderungen läßt sich gegen ISIS schwer etwas ausrichten.
– Die irakische Armee ist demoralisiert. Das hat auch mit der politischen Situation zu tun.
– Die USA sind zurückhaltend, Maliki zu unterstützen. Der wird (zurecht) als Teil des Problems gesehen. Außerdem hat man nicht das beste Verhältnis.
– Die westliche Politik gegenüber den Kurden ist bisher auf Containment gerichtet, u.a. weil man eine Veränderung der Grenzen fürchtet.
– Mit dem Iran zusammenarbeiten (etwa um Einfluß auf Maliki auszuüben) möchte der Westen nicht so gerne, aus unterschiedlichen Gründen.
– Assad ist ein Gegner des Westens. Den kann man schlecht unterstützen.
– Ein anderer Ansatz wäre, ISIS die Unterstützung von außen abzugraben. Diese Unterstützung spielt inzwischen aber eine zunehmend geringere Rolle.
PS: Mir fiel Chelsea Mannings Erfahrungsbericht aus dem Irak 2010 wieder ein. Ich glaube, das ist eine gute Illustration für die Probleme im Hintergrund.
http://www.nytimes.com/2014/06/15/opinion/sunday/chelsea-manning-the-us-militarys-campaign-against-media-freedom.html
Sie beschreibt eine konkrete Episode:
Solche Verhältnisse, solch ein Klima, zerfressen ein Land.
@ Thot
Alles völlig richtig, was Sie schreiben.
Unabhängig davon ist es eine merkwürdige Diskussion, die hier vom Zaun gebrochen wurde. Als ob auch nur irgendjemand in unserem Lande daran denken würde, militärisch im Irak oder in Syrien zu intervenieren. Das hat aber überhaupt nichts damit zu tun, dass uns die Ereignisse dort nicht egal sein dürfen, aus welchen Gründen auch immer. Eine solche extrem-nationalistische Verengung gehört zum Glück der Vergangenheit an.
Hatte ich das eigentlich richtig verstanden, dass sich der ISIS im irak i. W. die Angehörigen von Sadams ehemaliger Armee angeschlossen haben?
Spiegel: Saddams Exgeneral bei Isis: Onkel al-Duri schlägt zurück.
Und Saddams Tochter: „Diese Siege sind den Kämpfern meines Vaters zu verdanken und Onkel Issat al-Duri“, sagte sie der arabischen Zeitung „al-Kuds“.
@Hein Bloed:
Die haben das Ding gegründet. Wenn ich mich richtig erinnere, tauchten die ersten Erwähnungen von ISIS während Operation Phantom Fury auf.
@Ein Leser
„Assad ist ein Gegner des Westens.“
Gerade das war er eben nicht mehr, ganz im Gegenteil. Daß es heute wieder anders ist, wer kann es ihm verdenken.
wildcat | 06. August 2014 – 15:34
Bislang standen den ISIS-Truppen im Irak ja hauptsächlich reguläre Kräfte der irakischen Armee entgegen, deren Kampfkraft nicht sehr hoch eingeschätzt wird (und darüber hinaus verläuft die sunnitisch-schiitische Demarkationslinie auch mitten durch die Streitkräfte).
Ich bin gespannt, wie die aktuellen Kämpfe zwischen ISIS und den Peshmerga verlaufen. Die kurdischen Kämpfer sind schon von einem anderen Kaliber…
Die Peshmerga sind ja relativ gut ausgerüstet und verfügen über schwere Waffen (Kampfpanzer, Artillerie), zudem sind sie kampferfahren und motiviert.
Mal abgesehen von der „sunnitisch-schiitischen Demarkationslinie durch die Streitkräfte“ dürfte es gegen solch einen Gegner äußerst Schwierig sein sich zu motivieren. Ich erinnere da an Massenhinrichtungen von irakischen Soldaten nachdem Sie gefangen genommen wurden. In diesem Krieg stirbt man durch eine fremde Kugel im Gefecht, wenn der Gegner die Überhand gewinnt macht man selbiges am besten selber. Die scheren sich nämlich nicht einen Kamelfurz um das Leben was nicht Ihrer Ideologie gleicht.
Sorry für den polemischen Beitrag, aber bei dem Thema IS(IS) ist man wirklich zutiefst erschrocken. Alleine aus humanitärer Sicht wäre ein Eingreifen von Kräften außerhalb nur angemessen!
@ Thot | 06. August 2014 – 17:12
Versuchen wir mal, Ihre Punkte aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren.
a.) Deutschland hat ein Interesse an einem stabilen (und niedrigen) Ölpreis auf dem Weltmarkt. Dazu gehört auch das der Nahe Osten und Nordafrika stabilisiert werden.
Gegenargumente:
– Gutmensch: Kein Blut für Öl … Claudia Roth und Margot Käßmann würden betroffen Lichterketten organisieren.
– Realpolitik/Machtpolitik(Zyniker): Will man in einer Region billiges Öl ausführen, also fördern und verladen, so sind Armut und gescheiterte staatliche Strukturen kein Hinderungsgrund. Ein gescheiterter Staat organisiert sich nicht in der OPEC, jede Bande versucht, so viel Geld wie möglich zu machen. Man muss lediglich alle Banden im benötigten Raum beteiligen und ggf. als Wächter anstellen. Wer zu teuer/gierig wird, wird durch die Nachbarbande „ersetzt“. Wenn sich kriegsbedingt eine gewisse Armut eingestellt hat, sind die örtlichen Kräfte relativ billig zu kaufen. Unter Inkaufnahme höherer Umweltschäden und der Abwesenheit von Ethik/Moral wird so mehr Öl billiger exportiert. Außerdem erhöht bürgerkriegsbedingte Armut die Motivation, Bodenschätze zu verkaufen, statt sie selbst zu verkonsumieren. So dreht sich der Ölmarkt ggf. wieder von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt und der Preis bricht ein. Kurzzeitige Lieferengpassrisiken vermeidet man durch eigene Speicherkapazitäten.
– Realpolitik/Machtpolitik (werteorientiert): Es wird uns nicht gelingen, die Gesellschaften im Nahen Osten und Nordafrika auf ein zivilisatorisches Niveau zu bringen, das zu unseren ethisch moralischen Ansprüchen kompatibel ist. Jegliche interventionistische Interkation wird dazu führen, dass wir uns unsere Hände schmutzig machen (müssen), anschließend unsere Heimatfront zusammenfällt und bei uns Politiker gewählt werden, die unsere Truppen abziehen. Die einheimischen Helfer, die unseren Versprechungen geglaubt haben und die wir aus humanitären Gründen mitnehmen müssen, werden bei uns kultur-, bildungs- und kriegstraumabedingt Integrationsprobleme haben und bei uns soziale Spannungen und Kriminalität verursachen. Im Ergebnis versenken wir viel Geld, demoralisieren unsere eigene Gesellschaft und erreichen im Zielland langfristig nichts.
b.) Konflikte lösen immer auch anhaltende Flüchtlingsströme aus. Da Deutschland in der EU ist, kann man nicht einfach sagen wir sind von Freunden umzingelt, sondern muss feststellen das die EU von Konfliktherde umzingelt ist.
Das ist innenpolitisch mittelfristig ein Thema. Organisierte Gewalt, Menschenhandel u.a. Begleiterscheinungen (Dschihadtouristen)
Gegenargumente:
– Gutmensch: Wir müssen sowieso unsere Grenzen öffnen. In einer toleranten multikulturellen Gesellschaft ist jeder Einwanderer eine Bereicherung für unsere Gesellschaft und „verdünnt“ das „tumbe deutsche Naziblut“. Migration nach Deutschland ist also per Definition etwas Gutes, lasset die Kinder (und ihre Eltern) zu uns kommen. Nebenwirkungen muss man multikulturell aushalten, das ist die aufnehmende Gesellschaft im Rahmen einer intakten Willkommenskultur den Migranten schuldig.
– Realpolitik/Machtpolitik (Zyniker): Der Welt stehen sowieso massive Wanderungsbewegungen bevor. Da können wir nichts machen. Wir müssen in diesem Spiel die besten/klügsten Köpfe in die Festung Europa holen, um im survival oft the fittest gegen andere Weltregionen gewappnet zu sein. Alle, die wir nicht wollen, dürfen nicht über den Festungszaun der Festung Europa kommen und gehen im Zweifelsfall beim Versuch des illegalen Grenzübertritts hops.
– Realpolitik/Machtpolitik (werteorientiert): Wir können an diesen Konflikten nichts ändern. Aus humanitären Gründen unterstützen wir Flüchtlingslager/Nothilfe im Krisengebiet und nehmen eine verkraftbare Zahl an Flüchtlingen in Europa auf. Wie viel Ressourcen wir dafür aufwenden, wird in der politischen Diskussion zwischen Entwicklungshilfeminister und Finanzminister entschieden.
c.) Glaubt man an den demokratischen Frieden, wollen wir natürlich das unsere Nicht-EU Nachbarn sich zu Demokratien entwickeln. (und industrialisieren)
Gegenargumente:
– Gutmensch: Es steht uns nicht zu, anderen Vorschriften zu ihrer Lebensweise zu machen. Aus ökologischen Gründen ist die Industriealisierung weiterer Länder der Welt abzulehnen, da sie das Klima schädigt und Ressourcen unwiederbringlich verbraucht. Man darf einem naturverbundenen Stammesvolk nicht seiner Identität berauben, indem man ihm kulturimperialistisch eine andere Lebensweise aufzwingt. Kulturelle Entitäten sind zu schützen und zu erhalten.
– Realpolitik/Machtpolitik (Zyniker): Demokratie wird überschätzt. Wie viele Menschen in der Welt leben aktuell in einer Demokratie? Die wesentlich kleinere Minderheit! Wie lange in der Menschheitsgeschichte in welchen Zeitepochen spielte die Demokratie eine gesellschaftliche Rolle? Sehr kurz und sehr wenig. Alle Reiche, die zu viel Mitsprache eingeführt haben, sind kurz- bis mittelfristig von durchsetzungsfähigeren Gesellschaften übernommen bzw. vernichtet worden. Der Glaube, Demokratie sei ein langfristig überlebensfähiges Organisationsmodell, ist ein Irrglaube.
– Realpolitik/Machtpolitik (werteorientiert): Demokratie und Freiheitswillen muss sich aus der Gesellschaft selbst entwickeln und kann nicht von außen verordnet werden. Die aktuellen Problemländer müssen ihre eigene „französische Revolution“ in ihren Gesellschaften durchfechten, erst dann sind die Voraussetzungen für eine stabile Demokratie geschaffen, die sich selbst tragen kann. Diese Entwicklungen können wir von außen fördern, aber nicht mit Waffengewalt verordnen.
d.) Auch wenn es nicht immer offensichtlich ist, historisch bedingt hat unser Parlament ein absolutes Interesse an einem friedlichen Umfeld für Israel. Ob die deutsche Nahostpolitik dahingehend zielführend ist, ist eine andere Debatte.
Gegenargumente:
– Gutmensch: Der Judenstaat sei ein Fremdkörper auf der arabischen Halbinsel. Palästina gehört den Palästinensern, wenn der Westen sich einen Judenstaat halten möchte, soll er ihn doch nach Texas oder Mecklenburg Vorpommern verlegen. (Das wurde mir tatsächlich mal so ganz ernst gemeint vorgetragen!)
– Realpolitik/Machtpolitik (Zyniker): Israel schlägt tagtäglich für uns Schlachten bei der Eindämmung des Islamismus. Solange sich die Islamisten am jüdischen Staat die Zähne ausbeißen, kommen sie nicht auf die Idee, wieder Wien belagern zu wollen. Weil Israel an seinen Grenzen auch unsere Schlacht schlägt, müssen wir es finanziell und militärtechnisch bei dieser Sisyphos -Arbeit unterstützen. Alle paar Jahre, wenn eine neue Araber-Generation herangewachsen ist, müssen sich die Hitzköpfe eine blutige Nase hohlen, dann ist wieder ein paar Jahre Ruhe.
– Realpolitik/Machtpolitik (werteorientiert): Wir beteiligen uns regelmäßig an Friedensinitiativen, ermahnen alle Beteiligen, nicht ganz so brutal zu sein, sind uns aber darüber im Klaren, dass auch wir den Nahostkonflikt nicht lösen können.
Zitat: „Wären das ausreichend harte (hier nicht belegte) und nachvollziehbare nationale Interessen Deutschlands?“
Wäre das ein ausreichender Anfang beim Aufzeigen der vielfältigen und oft in sich widersprüchlichen Argumente, die in der dringend notwendigen außen- und sicherheitspolitischen Debatte gehört und gewichtet werden müssten?
http://m.youtube.com/watch?v=W_lRcoyKA0o
Raketenbeschuss der Peschmerga gen IS-Gebiet
http://rudaw.net/english/kurdistan/040820146
Angeblich bieten die USA Luftunterstützung und weitere militärische und humanitäre Hilfen an.
Auch europäische Nationen sollen Waffen offeriert haben.
@SunTzu
Sie schaffen es perfekt die verschiedenen Sichtweisen darzulegen!
Meine Hochachtung.
@ SunTzu
danke, war nett zu lesen
@ Sun Tzu:
Nein, ich glaube das ist kein ausreichender Anfang. Dort müßte man nämlich einmal ohne Lebenslügen klären, was im Jahre 2014 auf dem Territorium ‚BRD‘ „nationale Interessen Deutschlands“ sein soll(t)en. Nach Meinung aller im Parlament vertretenen Parteien gibt es hier keinen „Nationalstaat“ mehr, folglich stehen auch „nationale“ ‚Interessen‘ zur Disposition. Ferner sollten Wirtschaftsinteressen nicht mit realpolitischen Handlungen verwechselt werden. Auch sind die Zeiten passé, wo der durchschnittliche Deutsche ’stolz‘ auf Mercedes oder Siemens (oder: Rheinmetall) war. Das sind internationale Unternehmen, deren Ursprünge hierzulande heute völlig bedeutungslos sind. So, wie auch die Zusammensetzung der zufällig auf dem hiesigen Territorium lebenden Menschen völlig bedeutungslos geworden ist. Hauptsache, es sind irgendwie halt Consumer.
wer meint die IS Problematik sei nur „perspektivisch“ ein innenpolitisches Thema dem seien diese aktuellen Artikel empfohlen.
http://www1.wdr.de/themen/panorama/polizeieinsatz-in-herford100.html
http://www.tagesschau.de/inland/islamisten-101.html
@SunTzu
Danke!
Durch den tollen Text sehe ich die Politik und die Leute die der Politik dienen nun etwas anders.
@ Sun Tzu
etwas Zynisch villeicht, aber der Frage wert. Kann man denn keinen finanziellen Druck auf die IS ausüben (sie quasi kaufen).? Ich denke da an 1 Mio pro Monat an den Chef damit er die Füße still hält und dafür sorgt dass nicht weitere Leute abschlachtet werden und alle nett und freundlich zu einander sind? Und sollte er dass nicht machen gibt es Taschengeld kürzungen und Fernsehverbot. Es gab ja mal den Spruch “ Er ist zwar ein Schweinehund, aber er ist unser Schweinehund“. Wäre (Privatmeinung an) natürlich auch sinnvoll eher den Herrn Assad zu unterstützen um die Region zu stabilisieren und ihn hinterher an die finanzielle Kette zu legen als den Islamisten den Vortritt zu lassen (Privatmeinung aus)
@Sun Tzu: Nach Ihrer gelungenen Zusammenfassung kommt bei mir durchaus auch Sympathie für den Zyniker auf. Der ist nicht nur Zyniker , sondern auch Realist. Wenn dann noch die praktische Anwendung des Clausewitzschen theoretischen Unterbaus hinzukommt, ist das Ergebnis zwar nicht nett, aber dauerhaft wenigstens halbwegs erfolgversprechend.
@Fredegar Bolger: Je unübersichtlicher die Gesamtsituation wird, desto wichtiger wird ein regionales oder auch nationales Interesse.
@wacaffe: Herford ist nur der jüngste Ausbruch der Seuche. Im Vogelschen Kielwasser hatten wir das mit teils heftig verletzten Polizeibeamten bereits vorher. Wenn Herr Maaßen sagen kann, daß wir 25 Rückkehrer haben, dann weiß er auch, wer das ist. Und schon haben wir die nächste Zieldiskussion. Wollen wir, oder können wir es uns leisten, unsere Gesellschaft durch einen aus dem Ausland hereingetragenen Konflikt bedrohen zu lassen? Und kann den Protagonisten des Islamismus erlaubt werden, hier so lange Volksverhetzung zu betreiben, bis man sie endlich wegen vergleichsweise harmlosen Steuervergehen in ihre Heimat ausliefern kann (Kalif von Köln/ Metin Kaplan)?
@ Dante: Gute Idee, aber Fanatiker sind Idealisten. Da kaufen Sie leichter einen Bundesminister…
Nach dem ich beide Artikel, welche von wacaffe verlinkt worden sind, gelesen habe, stellt sich mir die Frage, warum man diese Männer nicht sofort bei ihrer Rückreise festsetzt. Wenn es doch Besitzer eines Deutschen Passes sind, kann man sie nicht wegen Wehrdienst für eine fremde Macht rankriegen oder dergleichen?
Wenn ich von Drohungen gegen Büchel höre, wirds interessant. Da kann man nur hoffen, dass die beiden Sicherungsstaffeln dort ordentlich auf soetwas vorbereitet werden und sei es nur mental.
NRW scheint ja wirklich ein Schmelztiegel der fremden Kulturen in Deutschland zu sein.
Es muss wahrscheinlich wirklich erst was richtig ernstes hier passieren, bis man endlich aufwacht.
@Sun Tzu
ich verfolge die verschieden Disukssionen auf AG in den letzten Wochen mit großem Interesse. Der teilweise anzutreffende „Militarismus“ ist nicht immer mit meiner Meinung übereinstimmend, aber es ist immer gut auch mal andere Perspektiven zu hören.
Sie haben mit Ihrer Analyse der verschiedenen Stereotypen aber den Nagel auf den Kopf getroffen (Ich konnte mich in Teilen in jeder Person wiederfinden) und es geschafft, einen eigentlich stillen Mitleser zu seinem erstem Beitrag zu bewegen.
(OT: Ich denke mal Ihr Name kommt nicht von ungefähr. Bin schon häufiger in der Bib. an der „Kunst des Krieges“ vorbeigegangen. Können Sie es empfehlen oder wird es überschätzt / ist nicht mehr aktuell?)
@ Sun Tzu | 06. August 2014 – 21:01
Habe Ihre Darstellung kopiert zur Weitergabe an meine Leute. Exccellent, danke.
Wow, was für munteres Klischereiten.
Vielleicht wäre ja ein Austausch von lageorientierten Lese-Empfehlungen ein hilfreicherer Ansatz als das abstrakte Schwadronieren über „die Muslime“ oder „gutmenschliche“/“zynische“/“werteorientierte“ Strohmänner?
Meine Empfehlungen wären:
– http://www.joshualandis.com/blog/
– http://www.syriadeeply.org/
@ StefanS
Man unterstützt, teilweise mit Material und Ausbildung, teilweise durch nichts tun, eine Gruppierung und tut dann überrascht, dass diese Gruppierung “plötzlich” ihr eigenes Ziel durchsetzt?
Nicht wirklich.
(Außer man will das Assad-Regime verantwortlich machen, das damals „Al Quaida im Irak“, AQI, gegen die irakische Regierung und die amerikanische Koalition unterstützte. Aber das ist halt arg weit hergeholt. Etwa so weit wie die Verbindung USA-Taliban. ;) )
ISIS (ehemals AQI) hatte im Syrien-Konflikt wohl kaum jemand auf dem Radar. Man sollte im Hinterkopf behalten, dass die in Syrien erst 2013 die Bühne betreten haben (im Umfeld der Al-Nusra Front in Al Raqqa).
Und ISIS hat sich ja auch ziemlich schnell mit den anderen Oppositionsgruppen angelegt, und wurde Januar 2014 ja auch aus Al Raqqa vertrieben. Auch wenn das mit den Koalitionen und den Geldquellen der syrischen Opposition alles andere als leicht ist: Ganz ganz grob unterstützt Qatar die Ahl Al-Sham, und Saudi Arabien und die Türkei die Free Syrian Army. (Gerüchteweise hat die Türkei auch Islamisten gegen die Kurdengebiete untestützt.) Allen ist ISIS (die in Syrien vor allem gegen die Opposition kämpft) ein Dorn im Auge.
Hier dürfte eher der Faktor sein, dass Geschlossenheit, Skrupellosigkeit, Kampferfahrung und Überregionalität im Bürgerkriegschaos die Durchsetzungsfähigkeit erhöhen. Und davon hat ISIS deutlich mehr als die eher gemäßigt-zivilen Gruppen.
Und gerade letztere hat Europa halt sehr im Stich gelassen. Nicht nur militärisch. Denn wo radikale Youtube-Brigaden Ausicht auf einen Sponsor haben, gehen die „unspektakulären regionalen Gruppen“ schlicht unter – von den Exilvertretern nicht beachtet, medial nicht präsent etc. Wenn sich aus dieser systemischen Schieflage dann militärische Trends ergeben ist das glaub wenig überraschend. Auch Unterlassung ist eine Entscheidung.
Aber auch in humanitärer und administrativer Hinsicht hat Europa schlicht nichts getan. Die auf einmal selbstverwalteten Gemeinden wurden sich selbst überlassen, und das in extrem harten Bürgerkriegszeiten mit Flüchtlingen, zusammengebrochener Wirtschaft und so weiter. Wo da groß Strukturen und Resourcen für die Abwehr „äußerer“ Bedrohungen herkommen sollen ist mir nicht klar. Umso erstaunlicher, was da teils geleistet wird.
@ Hein Bloed
Hatte ich das eigentlich richtig verstanden, dass sich der ISIS im irak i. W. die Angehörigen von Sadams ehemaliger Armee angeschlossen haben?
Kann man so nicht sagen. Die USA haben sich kräftig ins Knie geschossen als sie nach dem Einmarsch die irakischen Streitkräfte auflösten. Davon sind dann durchaus einige in die Reihen der Aufständischen, und die Die-Hard-Bathisten sowieso. Das ist jetzt aber 10 Jahre her, und seitdem wurden auch die irakischen Streitkräfte neu aufgebaut, auch mit Soldaten des Saddam Hussein Regimes.
Dass Saddam-Überleibsel das Gros der ISIS ausmachen würde ich bezweifeln. (Das paßt auch ideologisch nur bedingt, und die Amerikaner als verbindendes Feindbild fallen als Erklärung für den diesjährigen ISIS-Aufwuchs aus.)
War is Boring hat gerade eine Zusammenfassung der Situation im irakischen ISIS-Kurden-Konflikt, mit einigen Verweisen auf frühere Artikel zum Thema: „ISIS Advances, Kurds Fall Back“.
Auch hier wieder der Verweis auf die Kosten der Bürgerkriegsumstände und die bessere militärische Ausstattung von ISIS.
Obama allows limited airstrikes on ISIS: http://www.nytimes.com/2014/08/08/world/middleeast/obama-weighs-military-strikes-to-aid-trapped-iraqis-officials-say.html?_r=0
Der Spiegel zitiert den irakischen UN-Botschafter Mohammed Ali Alhakim zu möglichen Luftangriffen:
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-konflikt-und-is-barack-obama-autorisiert-luftschlaege-a-985074.html
Kurz noch zum umkämpften Mossul-Staudamm:
Wie die Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ heute berichtet, handelt es sich dabei um ein mittelfristig instabiles Bauwerk auf geologisch höchst unsicherem Terrain (wasserlöslicher Gips/Anhydrit), das regelmäßig durch Verpressen von Material im Untergrund „gepflegt“ werden muss.
Nach derzeitigem Kenntnisstand geschieht das aktuell nicht mehr, täglich werden daher 40 bis 80 Tonnen Material im Fuß des Dammes fortgeschwemmt. Die voraussichtliche Standzeit des Damms ohne die ständige Fortführung der Sicherungsmaßnahmen wird von einem örtlichen Prof. f. Geotechnik mit ca. 3 Monaten angegeben. Danach wird ein Dammbruch immer wahrscheinlicher.
Bei einem solchen Dammbruch würde die Flutwelle 3 Stunden später die Stadt Mossul erreichen (max. Höhe nach 9 Stunden) und Teile davon bis zu 20 m tief (!) überfluten. Dort wohnten (vor den Kämpfen) ca. 2 Mio. Menschen.
4 Tage später würde die Flutwelle Bagdad erreichen und den Tigris immer noch um 4 m ansteigen lassen. Die prognostizierte Opferzahlen dort liegen im Bereich von ca. 500.000.