Obama stellt Weichen für langfristigen Afghanistan-Abzug: 9.800 US-Soldaten im kommenden Jahr

Die Erklärung von US-Präsident Barack Obama kommt viel später als erwartet, aber seit dem (heutigen) Dienstag gibt es Klarheit: Die USA wollen nach dem Ende der ISAF-Mission in Afghanistan für eine Übergangszeit von zwei Jahren mit zunächst 9.800 Soldaten am Hindukusch präsent bleiben. Mit dieser Ankündigung Obamas, die allerdings an eine vorherige Unterzeichnung des Stationierungsabkommens zwischen Afghanistan und den USA gebunden ist, gibt es auch für die Verbündeten Klarheit, dass und in welcher Größe die geplante neue NATO-Mission Resolute Support zustande kommt. Deutschland hatte als erstes ISAF-Land bereits vor einem Jahr dafür 600 bis 800 Soldaten ebenfalls für zwei Jahre zugesagt.

Aus der Erklärung des US-Präsidenten:

At the beginning of 2015, we will have approximately 9,800 U.S. servicemembers in different parts of the country, together with our NATO allies and other partners. By the end of 2015, we will have reduced that presence by roughly half, and we will have consolidated our troops in Kabul and on Bagram Airfield.  One year later, by the end of 2016, our military will draw down to a normal embassy presence in Kabul, with a security assistance component, just as we’ve done in Iraq.
Now, even as our troops come home, the international community will continue to support Afghans as they build their country for years to come.  But our relationship will not be defined by war — it will be shaped by our financial and development assistance, as well as our diplomatic support.  Our commitment to Afghanistan is rooted in the strategic partnership that we agreed to in 2012.  And this plan remains consistent with discussions we’ve had with our NATO allies.  Just as our allies have been with us every step of the way in Afghanistan, we expect that our allies will be with us going forward.
Third, we will only sustain this military presence after 2014 if the Afghan government signs the Bilateral Security Agreement that our two governments have already negotiated.  This Agreement is essential to give our troops the authorities they need to fulfill their mission, while respecting Afghan sovereignty.

Die von Obama verkündete Größenordnung liegt im Rahmen der 8.000 bis 12.000 Soldaten, die der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maiziere im Febraur vergangenen Jahres als US-Beitrag genannt hatte – auch wenn es darüber ein wenig Verwirrung gegeben hatte. Zwischenzeitlich war auch die Zero Option im Gespräch, der Totalabzug bereits Ende 2014 – vor allem vor dem Hintergrund, dass das bilaterale Sicherehitsabkommen mit den USA bislang nicht unterzeichnet wurde. Doch Obama zeigte sich sicher, dass der – noch nicht fest stehende – Nachfolger des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai dieses Abkommen unterzeichnen werde, das Voraussetzung für die weitere amerikanische Truppenpräsenz ist – und auch Voraussetzung für ähnliche Stationierungsabkommen anderer Nationen, die an Resolute Support teilnehmen wollen. Die Amtseinführung des neuen Präsidenten ist nach einer Stichwahl für den 2. August geplant; frühestens in der zweiten Augusthälfte dürfte damit eine Unterzeichnung möglich sein. Das scheint für die USA aber fest eingeplant.

Interessant ist die sehr klare Aussage des US-Präsidenten, dass es ab Ende 2016 keine Truppenpräsenz am Hindukusch mehr geben soll. Zwar mit Ausnahme eines security assistance component, doch das dürfte keinen Spielraum lassen für größere Basen in Afghanistan selbst. Damit ist, und das war bislang keineswegs sicher, ein Totalabzug von US-Truppen aus dem Land anscheinend beschlossene Sache.

Mit Obamas heutiger Erklärung können die Planer in der NATO, aber auch in Berlin (beziehungsweise in Potsdam) ihre Überlegungen für das militärische Engagement in Afghanistan ab 2015 auf einer recht gesichert aussehenden Grundlage weiter vorantreiben. Die Größenordnung, die Obama genannt hat, dürfte zusammen mit den Zusagen der Verbündeten das so genannte Rad-Speiche-Modell  (Hub/spoke) möglich machen, also eine Präsenz in Kabul selbst und, als Speichen, weitere Trainings- und Ausbildungsaktivitäten in den bisherigen Regionalkommandos. Für Deutschland bedeutet das: Für die nächsten zweieinhalb Jahre Masar-i-Scharif.

(Archivbild: A paratrooper from 1st Battalion (Airborne), 503rd Infantry Regiment, 173rd Airborne Brigade, scans the low ground while providing security for a convoy passing through the mountains of Paktika Province, Afghanistan, Nov. 10, 2007 – U.S. Army photo by Spc. Micah E. Clare)