Entführte Militärbeobachter: Gezielt nach Sloviansk
Die Militärbeobachtermission unter dem Dach der OSZE, die am 25. April bei Sloviansk (Slawjansk/Slawyansk) entführt wurde, war offensichtlich gezielt in die Nähe dieser von pro-russischen Separatisten kontrollierten Stadt gefahren. Dass geht aus internen Bewertungen hervor, die Augen geradeaus! vorliegen. Bereisungen solcher Inspektionsteams in einem zuvor festgelegten Gebiet könnten auch helfen, einer militärischen Eskalation vorzubeugen und objektive Feststellungen in die internationale Diskussion einzuführen. Das gelte für die gesamte Region, die die Beobachtermission zuvor mit der Ukraine als Beobachtungsgebiet, das so genannte Bezeichnete Gebiet, festgelegt habe (siehe Karte oben). Slawyansk liegt innerhalb des angegebenen bezeichneten Gebiet und unterlag somit der Inspektion in gleicher Weise, wie die zuvor besuchten Orte im bezeichneten Gebiet, heißt es in der Bewertung.
Generelles Ziel der Inspektionen sei es, in einer definierten Region zu überprüfen, ob dort militärische Aktivitäten stattfänden, die nach den völkerrechtlichen Abkommen angemeldet werden müssten. Wann, wenn nicht in einer schwierigen krisenhaften Situation, wäre eine bessere Zeit für die Nutzung aller möglichen Rüstungskontroll- und vertrauensbildenden Maßnahmen, die letztlich der Stabilität dienen, indem sie auf Transparenz, auf Informationsaustausch, auf Dialog und Überprüfung dienen?, heißt es in der internen Bewertung.
Die Entscheidung über den konkreten Tagesplan für den 25. April hatte danach, wie für alle anderen Besuchstage, der Leiter der Delegation getroffen, der deutsche Oberst Axel Schneider. Er entschied auch, die Inspektion an jenem Tag in Zivil durchzuführen – nach Auswertung und Bewertung der Gesamtsituation für die an diesem Tag zu überprüfende Region sowie Koordination mit dem Begleitteam und nach Befürworten durch den Militärattaché-Stab in Kiew. Die Hoffnung war offensichtlich, dass die Militärbeobachter damit in größeren Menschenansammlungen weniger auffallen würden. Allerdings führten die Offiziere ihre Uniformen mit sich – was auch erklärt, wie in russischen TV-Berichten Verbandsabzeichen und ähnliches gezeigt werden konnten.
Die technische Ausrüstung, die die Militärbeobachter dabei hatten, blieb weit hinter dem Stand der Technik zurück. So hatten sie zwar Handys, Fotoapparate und Ferngläser dabei, allerdings keine Mobiltelefone mit GPS-Funktion oder eingebauten Kameras. Die Ukraine hatte zuvor die deutsche Anfrage abgelehnt, den Inspektoren auch die Benutzung von Satelliten-Navigationsgeräten zu erlauben. Über die Reise waren zuvor alle OSZE-Mitgliedsstaaten, also auch Russland, am 16. April informiert: Seitens der OSZE und der Teilnehmerstaaten wurden keine Einwände gegen diese Maßnahme geäußert.
Das Beobachtungsteam stand, das geht ebenfalls aus der internen Bewertung hervor, unter deutschem Kommando – in erster Linie unter dem Kommando des Delegationsleiters, der die notwendigen Entscheidungen zum weiteren Ablauf der Inspektion trifft. Bei Bedarf könne er sich auch mit dem Zentrum für Verfikation der Bundeswehr in Geilenkirchen bei Aachen abstimmen, wo eine rund um die Uhr besetzte Lagezentrale ansprechbar ist und unter Umständen neue Informationen in die Entscheidungsfindung vor Ort einbringen kann. Nur der vor Ort befindliche Teamleiter kann die erforderlichen Bewertungen aufgrund der aktuellen Situation vornehmen, um seinen Auftrag bestmöglich zu erfüllen. Seine Planung – und auch Änderungen – melde er aber routinemäßig an die Einsatz-, Lage- und Informationszentrale des deutschen Verifikationszentrums.
Damit bleibt eigentlich nur noch eines unklar: Die konkreten Gründe, die Oberst Schneider veranlassten, direkt in Richtung Sloviansk zu fahren, wo die Gruppe vier Kilometer vor einem Checkpoint entführt wurde. Solche Informationen, so scheint es, will die Bundesregierung allerdings erst öffentlich machen, wenn ein ausführliches Debriefing der Beobachter stattgefunden hat.
Nachtrag: Zu der Frage im vorangehenden Absatz erreicht mich jetzt eine Zusatzinformation: Die Beobachterdelegation, so heißt es, sei auf der Schnellstraße zwischen Artemiwsk und Sloviansk (siehe Karte von OpenStreetMap unten) unterwegs gewesen, um Truppenbewegungen entlang dieser Straße zu beobachten. Dabei seien sie auf einem Rastplatz an der Schnellstraße entführt worden.
(Zu der nach wie vor heiß diskutierten Frage, ob es denn nun Beobachter der OSZE gewesen seien: Dazu habe ich hier bei Zeit Online die Infos zusammengestellt.)
Nachtrag 2: Bisschen spät und ziemlich lang, aber fürs Archiv – die Abschrift der Bundespressekonferenz vom Montag, in der sich Regierungssprecher Steffen Seibert, BMVg-Sprecher Jens Flosdorff und Außenamtssprecher Martin Schäfer zum Thema entführte Militärbeobachter und Lage in der Ukraine äußern:
StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren. Ich möchte zunächst für die Bundeskanzlerin persönlich und auch noch einmal für die gesamte Bundesregierung die große Freude und Erleichterung ausdrücken, mit der wir die Freilassung der Geiseln von Slawjansk, der OSZE-Beobachter, begrüßen. Es war ein wirklicher Moment der Freude, deren Ankunft hier in Berlin – heil und wohlbehalten, soweit es unter den Umständen möglich ist – zu erleben. Es war aus unserer deutschen Sicht auch sehr wichtig, dass nicht nur unsere Landsleute, sondern auch die anderen internationalen Beobachter und die ukrainischen Begleiter freigekommen sind. Sie werden sich jetzt hoffentlich alle im Kreis ihrer Familien rasch von dem Schrecken und von der enormen Anspannung, unter der sie in den letzten Tagen leben mussten, erholen.
Viele haben mit großer diplomatischer Beharrlichkeit daran mitgewirkt, dass es zu dieser Freilassung gekommen ist und dass sie auch ohne Bedingungen erfolgt ist. Besonders die OSZE hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass es so ausgegangen ist. Auch der russische Beauftragte Lukin hat zum glücklichen Ende dieser Geiselnahme beigetragen.
Also: Anerkennung und Dank all denjenigen, die daran mitgewirkt haben.
Leider hat sich parallel dazu die Lage in der Ost- und nun auch in der Südukraine weiter verschlechtert. Ich spreche natürlich von Odessa. Was sich dort in dem brennenden Haus und um das brennende Haus abgespielt hat, ist entsetzlich. Dass so viele Menschen dort ihr Leben verloren haben, müssen alle beklagen, die an einem friedlichen und demokratischen Weg der Ukraine interessiert sind und die der Ukraine helfen wollen, diesen Weg zu gehen. Die Umstände des Brandes und der Opfer, die er verursacht hat, müssen jetzt wirklich sehr gründlich aufgearbeitet werden. Einseitige Schuldzuweisungen sind zum jetzigen Zeitpunkt unangebracht. Es ist wichtig, dass die ukrainische Regierung eine transparente Aufklärung der Vorgänge schnell erreichen will.
Jeder muss an diesem ausgebrannten Gebäude in Odessa erkennen, wohin es führt, wenn der Streit um den Weg der Ukraine eben nicht mit Argumenten und mit friedlichen Mitteln ausgetragen wird, sondern wenn dieser Streit mit Molotow-Cocktails, mit Gewalt, mit Waffen, mit Geiselnahmen ausgetragen wird. Odessa verdeutlicht noch einmal, wie wichtig es ist, politische Wege, Wege zu einer politischen Lösung der Krise zu suchen und zu finden. Die Vereinbarung von Genf bleibt nach fester Überzeugung der Bundesregierung dabei die Richtschnur, und alle daran Beteiligten sollten sich für deren Umsetzung einsetzen.
In diesem Zusammenhang und vor diesem Hintergrund hat die Bundeskanzlerin gestern, am Sonntag, erneut mit Staatspräsident Putin telefoniert. Sie hat auch ihm gegenüber ihre Erleichterung über das – wenn man es so sagen kann – glückliche Ende dieser Geiselnahme ausgedrückt. Sie hat im Übrigen auch klargemacht, dass Russland nach unserer Auffassung mehr tun muss, um die fortlaufende Destabilisierung der Ostukraine zu beenden. Von besonderer Bedeutung ist für die Bundesregierung – das wissen Sie und das hat die Bundeskanzlerin noch einmal klargemacht – die Präsidentschaftswahl am 25. Mai. Sie muss in der gesamten Ukraine frei und fair und sicher durchgeführt werden können. Alle sind dazu verpflichtet, genau dieses zu ermöglichen.
Eine besondere Bedeutung bei der Stabilisierung der Lage, sodass diese Wahl abgehalten werden kann, kommt natürlich der OSZE zu. In diesem Zusammenhang begrüßen wir es sehr, dass der derzeitige Vorsitzende der OSZE, der Schweizer Bundespräsident Burkhalter, am Mittwoch bei Präsident Putin in Moskau sein kann.
Das wollte ich Ihnen zunächst einmal vortragen.
Frage: Erstens. Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung die Äußerungen eines stellvertretenden Vorsitzenden einer Regierungspartei in Bezug auf die erwähnte Beobachtermission? – Ich meine das, was Herr Gauweiler dazu gesagt hat.
Zweitens. Herrn Schäfer, ich würde gern Ihre Anregung aus der vergangenen Woche aufgreifen, dass nach der Freilassung alle Details hier abgefragt, erörtert, bekanntgegeben werden können. Vielleicht könnten Sie damit anfangen.
StS Seibert: Zunächst einmal: Das ist die persönliche Meinung von Herrn Gauweiler. Die Bundesregierung steht erstens ganz fest hinter den Soldaten, hinter den Militärbeobachtern, die eine tagelange Geiselhaft erdulden mussten und die das mit Würde getan haben. Zweitens steht die Bundesregierung zu diesem Instrument der Inspektionen nach dem Wiener Dokument. Die nahtlose Abfolge der Inspektionen seit März unter diesem Wiener Dokument war ja bisher von keinem Teilnehmerstaat infrage gestellt worden, auch nicht von Russland, und dieses Mittel ist doch genau dazu da, in Zeiten allgemeiner Verunsicherung, auch einer unklaren Faktenlage, für Transparenz, für objektive Tatsachen zu sorgen. Also: Wann, wenn nicht in einer solchen Zeit, wäre es angebracht, dieses international verabredete und international bewährte Instrument zum Einsatz zu bringen?
Schäfer: Ich kann das nur unterstützen.
Ich erinnere mich gut an das, was ich gesagt habe. Dazu stehen wir selbstverständlich auch. Aber ich denke, es macht Sinn, dass Sie Fragen stellen und wir uns darum bemühen, Antworten zu geben. Ob und in welcher Weise es – aber das ist weniger mein Beritt, sondern vielleicht eher der des Kollegen Flosdorff zu meiner Rechten – im Verteidigungsministerium, in der Bundeswehr bereits konkrete Antworten auf Ihre bestimmt vielen Fragen gibt, hängt, so denke ich, damit zusammen, in welchem Zustand die deutschen Offiziere und Übersetzer sind. Ob diese schon in der Lage gewesen sind, alles zu sagen und das aufzuarbeiten, was es ganz bestimmt auch innerhalb der Bundesregierung dazu zu besprechen gibt, weiß ich nicht. Da kann Ihnen Herr Flosdorff sicherlich weiterhelfen.
Zusatzfrage: Ich stelle gern die konkrete Frage: Warum ist diese Delegation am 25. April gezielt in die Nähe einer bekannten Separatisten-Hochburg gefahren? Wer hat die Entscheidung darüber getroffen? Welche Gründe waren dafür ausschlaggebend, und warum wurde das in Zivil durchgeführt? – Dies als erste Fragen.
Flosdorff: Das sind schon sehr detaillierte Fragen. Es ist erst einmal so, dass die Beobachter gestern Nachmittag zu Hause eingetroffen sind. Es wird jetzt sicherlich intensiv aufgearbeitet, wie die Abläufe genau waren, wie die Abstimmungen waren, warum welche Entscheidung wie getroffen worden ist. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen.
Das Informationsbedürfnis ist berechtigt. Ich möchte aber an dieser Stelle klar sagen: Es gibt bisher keine Indizien für irgendein Fehlverhalten der internationalen Mission vor Ort. Es gibt die Regel, dass es nach solchen Inspektionsreisen einen Bericht an die OSZE gibt. Der wird natürlich auch in Abstimmung mit den Partnerorganisationen und allen beteiligten Stellen erstellt.
Die Frage war: Warum in diesem Gebiet? Ich kann jetzt die Tagesentscheidung für Sie noch nicht aufdröseln, ich kann Ihnen aber sagen, dass dieses Gebiet von Anfang an ganz klar abgesteckt war. Es gab die Bitte der Ukraine an die OSZE um Inspektionen nach dem Wiener Dokument. Ein Korridor mit wirklich genauen geografischen Angaben ist bei der OSZE entworfen worden. Das Gebiet reicht von Odessa über Donezk, Slawjansk bis nach Charkiw. Es orientiert sich genau – das ist auch festgelegt – an den Vorgängermissionen, die bereits unter polnischer, dänischer und niederländischer Führung in den Wochen zuvor dort stattgefunden haben. Auch die Festlegung der Tagesrouten erfolgt nicht sozusagen nach Gusto, sondern ebenfalls in enger Abstimmung zum Beispiel mit der diplomatischen Mission, die im selben Gebiet zur selben Zeit unterwegs ist. Da werden Lagebilder abgeglichen, da stimmt man sich ab. Man stimmt sich ab mit den Agenten der ukrainischen Sicherheitsbehörden, die ja für die Sicherheit dieser unbewaffneten und nur mit Diplomatenausweis versehenen Mission verbunden/verantwortlich ist. Dann werden Entscheidungen getroffen. Aber wie die Abläufe im Einzelnen waren, kann ich Ihnen heute, zum jetzigen Zeitpunkt, noch nicht sagen.
Zusatzfrage: Die Ministerin hat gestern Abend in einer Talkshow davon gesprochen, es sei eine hoch professionelle Entführung gewesen und sicherlich nicht vom selbsternannten Bürgermeister von Slawjansk organisiert. Insofern scheint es schon gewisse Erkenntnisse über den Ablauf zu geben. Können Sie uns daran teilhaben lassen?
Flosdorff: Das ist richtig. Es gibt Indizien. Diese gehen zurück auf Erkenntnisse und Berichte, die es auch in den vergangenen Tagen im internationalen Austausch immer wieder gegeben hat, dass es doch auffällig war, dass es hoch professionelle Kräfte waren, die die Mission dort auf diesem Rastplatz vor der Stadt festgesetzt haben, und dass sie von dort aus an diese Bürgermilizen übergeben wurde, die sie letztlich auch in Gewahrsam hatten und dann auch freigelassen haben. Das ist nach den Indizien, so wie Fachleute das analysieren, sicherlich kein Zufallsereignis gewesen. Man darf davon ausgehen, dass es kein Zufall war, dass man die Mission dort abpasste und in Gewahrsam nahm. Es sieht nach den Indizien nicht danach aus, als ob es ein Zufallsereignis gewesen wäre, dass man die Mission abgepasst und in Gewahrsam genommen hat.
Frage: Herr Flosdorff, Sie sagten eben, die ganze Mission basiere auf einer Anfrage der ukrainischen Regierung an die OSZE, die diese Gruppen zusammengestellt habe. Ich habe es bisher so verstanden, dass unter dem Dach des Wiener Dokuments eine Anfrage der ukrainischen Regierung an bilaterale oder sonstige Partner gestellt worden ist. Können Sie das Prozedere noch einmal genau schildern? Wer hat die konkrete Zusammensetzung dieser Gruppe bestimmt? Ist das von Wien aus geschehen oder unter dem Dach eines OSZE-Vertrages?
Und die weitere Frage nach der politischen – nicht nach der rechtlichen – Grundlage: Ist es denn unter dem Gesichtspunkt der Vertrauensbildung klug, dass diese Mission bisher ausschließlich aus Offizieren von Nato-Mitgliedern bestanden hat? Ohne dass ich mir jetzt Verschwörungstheorien zu eigen machen will: Wäre es nicht klug gewesen, von vornherein zu sagen: Eine Delegation eines Gremiums aus 57 Mitgliedstaaten sollte sozusagen auch die Bandbreite dieser 57 Staaten reflektieren?
Flosdorff: Sie sehen schon daran, dass auch ein schwedischer Inspektor mit festgesetzt worden ist – Schweden ist kein Nato-Mitglied -, dass nicht nur Nato-Staaten beteiligt waren. Ich habe es mir eben zusammenzählen lassen: An der Abfolge der Missionen bis nach den Wahlen, die bei der OSZE durchgeplant wurde, sind 29 Länder beteiligt, nicht nur Nato-Staaten. Es ist so, dass sich die Ukraine an die OSZE gewandt hat, dort die Abfolge geplant und das Gebiet abgesteckt wurde und es von dort eine Abfrage an die Mitgliedstaaten gab, wer sich denn an solchen Missionen beteiligen möchte. Dann geht das seinen Weg an die Nationalregierungen. Was diese einzelne Mission angeht: Dass Deutschland an vierter Stelle kommt und sich abspricht, wer auf der deutschen Mission mit dabei ist, geschieht auf bilateraler Ebene. Dann wird eine sogenannte Notifizierung erstellt, und die enthält wirklich alles, die genauen Koordinaten, das Eintreffen, ob man sich auf dem Landweg bewegt, darin steht, ob sie ein Handy, einen Laptop, eine Digitalkamera dabei haben, Namen, beteiligten Nationen, genauer Zeitraum. Das wird dann alles über das Auswärtige Amt an die OSZE zurückgemeldet und von dort aus wieder in sämtliche Mitgliedstaaten verteilt.
Zusatzfrage: Aber die Grundabfolge von verschiedenen Missionen ist erst einmal von Wien aus koordiniert – –
Flosdorff: Es ist eine Bitte der Ukraine an die OSZE.
Frage : Erstens. Herr Flosdorff, kann ich aus Ihren Worten und Darstellungen entnehmen: Es gibt auch weiterhin deutsche Beteiligte an dieser speziellen von der Ukraine angeforderten Mission? Sind aktuell noch Deutsche dabei, oder ist man nach der Geiselnahme erst einmal dazu übergegangen, von Beteiligungen Abstand zu nehmen?
Zweitens. Können Sie bitte noch einmal erläutern, wie viele Deutsche denn jetzt an den verschiedenen OSZE-Missionen beteiligt sind? Und warum musste es eine spezielle Mission geben, an der Soldaten beteiligt sind? Das ist ja auch eine Frage. Die andere Mission, die Gesamtüberwachungsmission, besteht ja aus Zivilisten.
Flosdorff: Ich fange einmal mit dem Ende an: Warum eine militärische OSZE-Mission nach dem Wiener Dokument? – Diese unterliegen einem ganz strengen Regularium, anders als die diplomatischen Missionen, die viel freier in der Gestaltung sind. Sie sehen das schon an der Notifizierung. Das muss im Detail ausgeplant sein und muss dann irgendwie mitgeteilt werden. Das sind alles Beobachter mit einem militärisch geschulten Blick. Denn sie sollen ja tatsächlich auch militärisches Potenzial erfassen und bewerten können und damit in einer dienenden Funktion für die Diplomatie Informationen liefern. Und das haben sie auch getan.
Sind weitere deutsche Militärbeobachter jetzt noch in der Ukraine vor Ort? – Nein. Kanada ist im Moment vor Ort. Die Mission ist jetzt beendet. Aber das ist durchgeplant von der OSZE, und in der Durchplanung, die ja schon seit langer Zeit feststeht, sind jetzt auf der Strecke bis zum 25. Mai keine weiteren deutschen Soldaten mehr beteiligt.
Zusatzfrage: Und die Gesamtzahl der deutschen Mitglieder der OSZE-Mission, die im Moment noch tätig sind?
Flosdorff: Wir haben im Moment noch weitere OSZE-Missionen, zum Beispiel eine in Slowenien. Dort ist ein Soldat. Dann gibt es drei Soldaten in einer deutsch geführten OSZE-Mission nach dem Wiener Dokument in Georgien, die im Moment unterwegs sind. Sie stammen alle aus dem Zentrum für Verifikationsaufgaben in Geilenkirchen, die 140 eigens dafür ausgebildete Inspekteure umfasst und seit 1991 solche Missionen mit bestückt.
Zusatzfrage: Eine Zusatzfrage ist noch erlaubt. – Sie haben gerade Geilenkirchen angesprochen. Können Sie sagen, ob an dieser Mission BND-Mitarbeiter beteiligt waren? Können Sie sagen, ob die Mission und deren Teilnehmer vorher vom BND informiert oder gebrieft worden sind und ob die Teilnehmer der Mission jetzt im Anschluss auch einen Bericht an den BND liefern werden?
Flosdorff: Der Auftrag dieser Mission ist im Wiener Dokument ganz klar umrissen, und da gibt es auch nichts daran zu ändern.
Zusatz: Das war jetzt aber keine Antwort auf die Frage, ob der BND die Mitglieder dieser Mission informiert hat.
Flosdorff: Diese Missionen werden natürlich auch auf Basis eines Lagebildes geplant, wie auch Auslandseinsätze der Bundeswehr durch sämtliche Informationen aus allen möglichen Quellen begleitet werden, Informationen, damit man das planen kann, die Sicherheitslage einschätzen kann, die Routen einschätzen kann. Solche Informationen – da beziehe ich mich jetzt nicht auf die Quelle, die Sie speziell im Auge haben – fließen generell immer ein. Das ist auch gut und richtig und sinnvoll so. Aber Sinn und Zweck dieser Missionen nach dem Wiener Dokument ist es, Vertrauensbildung und Transparenz zu schaffen. Das ist der Auftrag dieser Missionen und kein anderer.
Schäfer: Herr Blank, ich weiß nicht, ob Sie die Frage gestellt haben. Wenn Sie sie nicht gestellt haben sollten, können Sie gerne meine Antwort unterbrechen. Aber ich hatte Sie so verstanden, dass Sie auch nach der Zahl der zivilen deutschen Beobachter in der Ukraine gefragt haben. Wenn Sie diese Frage beantwortet haben möchten, dann wäre ich bereit, sie jetzt zu beantworten.
Zusatz : Diese Frage hatte ich gestellt. Ja.
Schäfer: Gut. – Zurzeit sind nach meiner Kenntnis etwa 150 zivile OSZE-Beobachter in der Ukraine, davon zehn Deutsche. Die vom OSZE-Rat getroffene Entscheidung sieht vor, dass diese zivile Beobachtermission bis auf 500 Personen aufwachsen kann und auch aufwachsen soll. Es ist die klare Absicht der Schweizer OSZE-Präsidentschaft, dieses Aufwachsen mit qualifiziertem Personal so schnell wie möglich erfolgen zu lassen. Es liegt auf der Hand, warum: Einfach weil die Angelegenheit überhaupt keinen Aufschub duldet.
Übermorgen werden weitere fünf deutsche zivile Beobachter in die Ukraine entsandt, um dort ihre Tätigkeit aufzunehmen. Diese Beobachter werden vom Zentrum für Internationale Friedensansätze, ZIF, sorgfältig ausgewählt. Das ist eine Institution der Bundesregierung unter dem Dach des Auswärtigen Amts. Sie gibt es schon seit etwas mehr als zehn Jahren. Dort gibt es einen großen Pool von erfahrenen, qualifizierten Leuten mit Regionalerfahrung, Sprachkenntnissen und Sachkunde für die Aufgaben, die jetzt in der Ukraine gefragt sind. Dabei geht es um Mediation, um Hilfe bei Entwaffnung, es geht darum, in lokalen Konflikten vermitteln zu können, und um vieles mehr.
Frage: Frage an die Bundesregierung: Gibt es eine koordinierte Kooperation zwischen den Nachrichten- und Geheimdiensten, zwischen den deutschen und amerikanischen Geheimdiensten, in der Ukraine vor Ort? Beraten Angehörige deutscher Nachrichtendienste ukrainische offizielle Stellen bei deren Vorgehen gegen Separatisten?
Herr Seibert, Sie drückten vorhin den Dank an alle Beteiligten aus, die zur Freilassung der Geiseln beigetragen haben. Konkrete Frage: Bezieht sich das ausdrücklich auch auf die Gespräche, die Altbundeskanzler Gerhard Schröder und die der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, vor Ort mit dem russischen Präsidenten und anderen Verantwortlichen geführt haben?
StS Seibert: Da ich den Inhalt dieser Gespräche nicht kenne, kann ich ihn nicht gemeint haben. – Grundsätzlich ist zu sagen, dass jeder, der gegenüber der russischen Führung die Haltung zum Ausdruck bringt, dass Destabilisierung „nicht geht“, dass wir eine stabilere Lage in der Ostukraine brauchen, dass wir Deeskalationsmaßnahmen brauchen und dass Russland dabei eine große Verantwortung trägt, die Unterstützung der Bundesregierung hat. – Aber ich habe über diejenigen gesprochen, von denen wir wissen, dass sie durch ihre intensive diplomatische Arbeit bei der OSZE und auch sonst zur Freilassung dieser Geiseln beigetragen haben.
Zusatzfrage: Dazu eine konkrete Nachfrage: Das heißt, der Altbundeskanzler und der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion haben die Bundesregierung im Nachhinein beide nicht über ihre Gespräche mit Herrn Putin unterrichtet, von denen sowohl Herr Schröder als auch Herr Mißfelder öffentlich erklärt haben, dass sie sich intensiv um die Freilassung der Geiseln gekümmert haben. Ist es nicht ein – sagen wir einmal – sehr merkwürdiges Verfahren, dass weder der Altkanzler noch der außenpolitische Unionsexperte die Regierung im Nachhinein unterrichtet?
StS Seibert: Zunächst einmal: Wer sich nachhaltig für die Freilassung der Geiseln eingesetzt hat, hat das Richtige getan. Zweitens kann ich Ihnen nicht von einem Kontakt zwischen Altbundeskanzler Schröder und der Bundesregierung seit seiner Rückkehr aus St. Petersburg berichten, und ich kann Ihnen das auch nicht von Herrn Mißfelder sagen. Aber das ist vielleicht eine Frage, die eher an Partei und Fraktion zu richten wäre.
Zusatzfrage: Da Sie das nicht sagen können: Darf ich davon ausgehen, dass diese Unterrichtung nicht stattgefunden hat? Oder kann es sein, dass nur Sie davon nichts wissen? Dann könnten Sie sich ja in Kenntnis setzen und mir oder anderen mitteilen, wenn Herr Schröder oder Herr Mißfelder Sie im Nachhinein unterrichtet hätten.
StS Seibert: Das könnte ich und das werde ich.
Zusatzfrage: Und zu den Geheimdiensten? Ich weiß nicht, wer da befugt ist.
StS Seibert: Dazu ist grundsätzlich zu sagen, dass der BND entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag wirkt. Es ist bereits angesprochen worden, dass er zum Beispiel auch Bundeswehrstellen durch Briefings zur allgemeinen Gefährdungs- und Sicherheitslage informiert. Das hat Herr Flosdorff gerade erwähnt. Ansonsten: Über operative Details der Arbeit, die der BND im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags macht, kann nicht hier berichtet werden, sondern dafür gäbe es gegebenenfalls andere Gremien.
Frage : Herr Flosdorff, ich möchte mich noch einmal nach dem konkreten Auftrag dieser Mission erkundigen. Ich habe es irgendwie noch nicht so richtig verstanden. Sie verweisen immer auf das Wiener Dokument und darauf, dass die Ukraine die OSZE beziehungsweise die Bundesregierung dazu eingeladen hat, diese Mission durchzuführen. Was muss man sich genau vorstellen? Haben sie den Auftrag, gehen dorthin und schauen, wie die separatistischen oder russlandfreundlichen Kräfte sich dort verhalten und aufstellen? Geht man in irgendeine Scheune und schaut, wie viele Schützenpanzer darin stehen und ob sich die Ukraine an die eingegangenen Verpflichtungen internationaler Verträge hält? Was genau ist der Auftrag, den die Offiziere der Bundeswehr von ihrer Stelle bekommen haben, um dort aufzuklären?
Flosdorff: Wenn ein Land wie die Ukraine nach dem Wiener Dokument Militärbeobachter einlädt, dann geht es darum, Transparenz zu schaffen über das eigene militärische Potenzial und der internationalen Gemeinschaft neutrale, objektive Informationen zur Verfügung zu stellen. Wir haben in den vergangenen Wochen viel an gegenseitigen Informationen oder Desinformationen darüber erlebt, was die jeweils gegenteilige Seite in der Ukraine militärisch unternimmt. Da kann man verstehen, dass es ein Interesse der ukrainischen Regierung gibt, darzustellen, was für eine Rolle die eigenen Streitkräfte dort spielen, in welcher Stärke, in welcher Bewaffnung und in welcher Art sie dort vorgeht, und dass das von militärisch geschultem Personal verifiziert werden kann und international rückgekoppelt werden kann.
Zusatzfrage : Das heißt: Die Aufmerksamkeit dieser Inspektoren richtet sich auf die ukrainischen Streitkräfte und nicht auf mögliche irreguläre Kräfte, die sich in dieser Gegend dort aufhalten? Oder gibt es den Auftrag: Schaut ruhig auch ein bisschen rechts und links; es interessiert nicht nur die offizielle ukrainische Armee, sondern es interessieren auch alle die sich dort möglicherweise, wie auch immer, bewegen? Ist das sozusagen Teil des Auftrags, oder ist das ein „Kollateralnutzen“, darüber auch Erkenntnisse zu bekommen, oder ist es sozusagen strikt abgegrenzt, und man sagt: Das interessiert uns nicht; euer Auftrag ist nach dem Wiener Dokument die Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte?
Flosdorff: Das ist der Auftrag, und in diesem Auftrag bewegen sich die Inspekteure durch die Ukraine.
Zusatzfrage : Und dürfen sie sozusagen „Kollateralnutzen“ daraus ziehen, dürfen sie darüber hinausgehende Erkenntnisse erheben? Ist es Teil ihres Auftrags?
Flosdorff: Herr Siebert, wir haben ja zwei Missionen. Das eine ist die diplomatische Mission, die eigens eingesetzt worden ist. Das Zweite ist die militärische Mission, die nach dem Wiener Dokument läuft, dem alle OSZE-Staaten einmal im Grundsatz zugestimmt haben. Sie dürfen sich jetzt nicht vorstellen, dass sie sich durch die Ukraine bewegen und keiner vom anderen weiß. Das geschieht vielmehr in enger Abstimmung und Kooperation.
Zusatzfrage : Aber Sie berufen sich ja immer auf das Wiener Dokument. Deswegen ist meine Frage: Hatten die Herren, die in Slawjansk saßen, den Auftrag, die separatistischen, irregulären – wie auch immer – Kräfte mit aufzuklären, oder hatten sie diesen Auftrag nicht?
Flosdorff: Sie waren von der Ukraine eingeladen, um das eigene militärische Potenzial unabhängig beobachten und bewerten zu lassen.
Frage: Ich habe mehrere Fragen.
Herr Seibert, noch einmal zurück zu Ihrem Dank bezüglich der Freilassung. Sie haben vorhin erwähnt, dass die Bundeskanzlerin Herrn Putin ihre Erleichterung über die Freilassung mitgeteilt habe. Hat sie ihm auch gedankt für die Freilassung, sieht sie also eine direkt aktive Rolle, die der russische Präsident dabei gespielt hat?
Herr Flosdorff, eine Lernfrage zu den 29 Nationen, die teilgenommen haben: Gehört Russland auch dazu, hat sich Russland also schon einmal an diesen Missionen beteiligt?
Und an das Auswärtige Amt die Frage: Gibt es eigentlich jetzt schon Wahlbeobachter, die in der Ukraine tätig sind, quasi als dritter Pfeiler der OSZE-Mission, und wenn ja: Sind auch Deutsche dabei?
StS Seibert: Ich habe den Inhalt des Telefongesprächs so zusammengefasst, dass die Bundeskanzlerin ihre große Erleichterung gegenüber Präsident Putin zum Ausdruck gebracht hat, und ich habe für die Bundesregierung gerade all jenen gedankt, die daran in wirklich diplomatischer Kleinarbeit und mit großer Beharrlichkeit mitgewirkt haben. Erwähnt habe ich unter anderem ja auch den russischen Beauftragten, Herrn Lukin.
Zusatzfrage: Das habe ich trotzdem nicht ganz verstanden. Sie sehen also, weil Sie Herrn Lukin erwähnt haben, der im Auftrag von Putin dort ist, eine aktive Rolle der Russen?
StS Seibert: Ich habe Herrn Lukin erwähnt, und ich habe allen gedankt, die sich aktiv und über viele Tage mit großer Beharrlichkeit für die Freilassung dieser Geiseln eingesetzt haben. Da sehen wir neben unseren deutschen Diplomaten, die eine großartige Leistung vollbracht haben, ganz besonders eben auch die Vertreter der OSZE.
Flosdorff: Ich habe gerade noch einmal darüber geschaut. Soweit ich die Planung und die Kürzel entziffern kann, sehe ich nicht, dass Russland an einer dieser bis Ende Mai durchgeplanten militärischen Missionen beteiligt ist, aber es sind 29 von 57 OSZE-Nationen beteiligt. Ich möchte auch noch darauf hinweisen – mein Kollege Schäfer hat es in der vergangen Woche schon erwähnt -, dass das russische Verteidigungsministerium vor Kurzem noch einmal betont hat, dass auch Russland hinter den vertrauensbildenden Maßnahmen nach dem Wiener Dokument steht und sie im Grundsatz unterstützt, auch wenn es an dieser Mission nicht beteiligt wird.
Schäfer: Ich freue mich über Ihre Frage. In der Tat ist die von der OSZE geplante Wahlbeobachter-Mission ein ganz wichtiger Teil der Aktivitäten der OSZE in den nächsten Wochen, wie ohnehin ja die Wahlen am 25. Mai – Herr Seibert hat in den vergangenen Tagen, auch hier an dieser Stelle, mehrfach darauf hingewiesen – wirklich eine entscheidende Wegmarke für eine gute Zukunft der Ukraine werden müssen und auch können, wenn alle mitspielen. Das Wahlbeobachtungszentrum der OSZE hat seinen Sitz in Warschau, nennt sich ODIR, und ODIR hat bereits vor einiger Zeit unter dem Dach der OSZE Langzeitbeobachter in die Ukraine entsandt, die mit großem Vorlauf vor dem eigentlichen Tag der Wahlen die Aufgabe haben, den Wahlkampf mitzuverfolgen, sicherzustellen, dass die Regeln, die es innerhalb der OSZE für die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen gibt, auch eingehalten werden, und wenige Tage vor der Wahl kommt dann ein ganzer Schwung sogenannter Kurzzeitbeobachter, die den eigentlichen Wahltag beobachten. Im Ergebnis gibt es dann von allen Wahlbeobachtern der OSZE einen Bericht, der so schnell wie möglich nach den Wahlen öffentlich gemacht wird und im Wesentlichen ein Urteil darüber enthält, ob die Wahlen nach den Regeln der OSZE frei und fair – „free and fair“ – abgelaufen sind.
Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, Ihnen die konkrete Zahl der unter dem Dach von ODIR als Langzeitbeobachter in die Ukraine entsandten Deutschen zu nennen, aber ich bin sicher, die Kollegen schauen mit und werden es mir gleich simsen. Ich kann das bestimmt gleich nachtragen. Ich bin ziemlich sicher, dass es bereits Deutsche dort gibt.
Zusatzfrage: Darf ich gleich eine Zusatzfrage dazu stellen? – Sind diese Beobachter jetzt auch im Osten der Ukraine, in Slawjansk oder Donezk zum Beispiel, aktiv? Das würde mich auch interessieren.
Schäfer: Ich gehe davon aus, dass sie überall da aktiv sind, wo es wahlberechtigte Ukrainer gibt. Meines Wissens gibt es sie nicht nur im Westen und im Zentrum der Ukraine, sondern natürlich auch im Osten und im Süden. Aber wenn Sie auf Sicherheitsfragen anspielen, so ist es doch völlig selbstverständlich, dass diese Fragen bei allem, was da geschieht, eine Rolle spielen. Sie sind tägliches Brot auch für die zivilen Beobachter, und es wird jeden Tag aufs Neue abgewogen, ob, unter welchen Bedingungen, mit welchen Garantien, mit welchen Absprachen die OSZE-Beobachter in spannungsgeladenen Gebieten tatsächlich zum Einsatz kommen können.
Frage : Ich habe noch eine Frage an Herrn Seibert zu dem Datum des 25. Mai. Das ist ja ein Datum, das die Kanzlerin erstmals in Washington beim Treffen mit dem US-Präsidenten erwähnt hat. Können Sie kurz erläutern, was genau eigentlich der Hintergrund der Entscheidung ist, sich auf dieses Wahldatum zu kaprizieren?
Und dann noch zum weiteren Ablauf: Ist schon ein EU-Gipfeltreffen geplant, vielleicht für den Montag danach? Denn es sieht ja so aus, als ob direkt nach der Wahl über das weitere Vorgehen zu beraten wäre. Ist jetzt die Frage entscheidend, was bis zu dieser Wahl passiert, oder schaut man sich den Wahltag selbst isoliert an und zieht dann Schlussfolgerungen? Bitte einfach noch ein bisschen erläutern, wie das denn weitergeht.
StS Seibert: Zunächst muss ich Ihnen widersprechen. Die Kanzlerin hat keineswegs erst in Washington den 25. Mai als einen sehr wichtigen Tag bezeichnet. Der 25. Mai, also die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine, sind – das sagen wir nun seit Wochen – ein sehr wichtiger Tag, auf den vieles zuläuft. Es entspricht unserer Vorstellung von der Ukraine, dass die Bürger der Ukraine, wo immer sie leben, wie immer sie sich ethnisch oder kulturell einordnen, in freier, geheimer, demokratischer und sicherer Wahl ihre Meinung über den künftigen Kurs ihres Landes ausdrücken können. Dabei sollten sich die Meinungsverschiedenheiten widerspiegeln, nicht auf der Straße, mit Waffen und Molotow-Cocktails.
Deswegen ist dieser Prozess für uns wichtig. Die Genfer Verabredung hat diesem Prozess eine große Bedeutung gegeben und hat im Übrigen der OSZE eine entscheidende Rolle dabei eingeräumt, diesen Prozess bis zu dem Wahltag mit zu gestalten, ihn möglich zu machen. Das ist keine neue Erkenntnis; aber jetzt, da der Tag näher rückt, ist es natürlich, dass man in der Öffentlichkeit noch stärker darauf hinwirkt, dass das tatsächlich auch möglich ist. Jeder muss dort frei, unbedrängt, seine demokratische Meinung zum Ausdruck bringen können.
Zusatz : Was neu war, war, dass der 25. Mai im Zusammenhang mit dann möglichen schärferen Sanktionen erwähnt wurde.
StS Seibert: Nun gut. Aber es ist doch selbstverständlich, dass wir diesen 25. Mai und das hoffentlich ungestörte Stattfinden der Wahl im Blick haben und auch mit in den Blick nehmen müssen, wenn wir beurteilen, ob sich die Lage in der Ukraine insgesamt stabilisiert oder weiter verschärft hat. Die Wahl wäre nicht nur ein Mittel zur Stabilisierung; sie wäre ein starkes Signal für eine bessere Zukunft der Ukraine.
Erst müssen wir jetzt mit unseren Partnern alles daransetzen, dass wir das umsetzen, was Genf aufgeschrieben hat, also diese Wahl auch möglich zu machen, und dann wird man beurteilen.
Zusatzfrage : Noch eine Nachfrage: Ist jetzt schon klar, dass es kurz nach der Wahl einen Sondergipfel geben wird?
StS Seibert: Ich kann Ihnen dazu keine Termine nennen. Wir arbeiten jetzt erst einmal darauf hin, dass diese Wahl so wie geplant stattfinden kann und dass sie vielleicht auch eine befriedende Wirkung auf die gesamte Situation in der Ukraine entfalten kann.
Vors. Welty: Herr Schäfer hat, glaube ich, eine SMS bekommen.
Schäfer: Ja, auch das. – Die nächste Gelegenheit für eine förmliche Befassung der Europäischen Union mit dem Thema Ukraine ist der Rat der Außenminister, der am 12. Mai, heute in einer Woche, in Brüssel stattfindet. Sie können sich denken, dass dabei die Ukraine ganz oben auf der Tagesordnung stehen wird. Um es etwas prägnanter zu formulieren, nur noch das: Es gibt Mächte in der Nachbarschaft der Ukraine, die die Legitimität der amtierenden ukrainischen Übergangsregierung in Zweifel ziehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass neue, frische demokratische Legitimität für eine neue politische Führung des Landes – nach den verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Gegebenheiten der Ukraine hat der Präsident in der Ukraine eine stärkere Rolle als Gestalter von Innen- und Außenpolitik, als es etwa der Bundespräsident in der Bundesrepublik Deutschland hat – überhaupt erst die Voraussetzung dafür ist, dass das Land die Chance für eine wirtschaftliche und politische Stabilität bekommt.
Zu den Langzeitbeobachtern: In der Tat haben es mir die Kollegen gesimst. Von ODIR, von der OSZE, sind hundert Langzeitbeobachter auf den Weg gebracht worden. Davon sind derzeit acht deutsche Staatsangehörige. Der stellvertretende Leiter dieser Langzeit-Wahlbeobachtungsmission ist ein Deutscher.
Frage: Ich habe zwei Fragen.
Erstens. Herr Flosdorff, ich habe Sie vorhin so verstanden, dass die Entscheidung, wohin eine solche OSZE-Militärbeobachtermission geht, einen relativ komplexen Vorlauf hat. Auf der Grundlage dieser Information: Wie ist es denn eigentlich zur Entführung der Militärbeobachtermission gekommen? Ich weiß bisher gar nichts darüber.
Zweitens. Was ist denn an den Sicherheitsmaßnahmen für diese Mission seither geändert worden?
Flosdorff: Die Entführung hat an einem Rastplatz, einige Kilometer außerhalb von Slawjansk, stattgefunden. Nach allem, was wir wissen, war nicht geplant, in die Stadt hineinzufahren.
Die zweite Frage, was an die Sicherheitsvorkehrungen geändert worden ist, kann ich Ihnen nicht beantworten, weil bei der Folgemission die Kanadier vor Ort waren. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob sie andere Sicherungsmechanismen hatten. Aber Deutschland ist an dieser Mission nicht mehr beteiligt.
Zusatzfrage: Zwei Nachfragen:
Erstens. Wer kann denn die Information, welchen Weg die Mission an dem Tag nehmen wollte, überhaupt gehabt haben?
Zweitens. Sicherheitsmaßnahmen gelten natürlich auch für die zivilen, für die diplomatischen, OSZE-Missionen. Ist insoweit irgendetwas anderes als bisher ins Auge gefasst worden?
Flosdorff: Was den konkreten Tag angeht: Das grundsätzliche Gebiet ist abgesteckt. Der Auftrag, sich an den Vorgängermissionen zu orientieren, ist auch abgesteckt. Die Entscheidung, welche konkrete Straße – Route – genommen wird, trifft tagesaktuell der Leiter der jeweiligen Mission, aber auf Basis der Sicherheitsinformationen, die auch allen anderen Missionen in diesem Gebiet zur Verfügung stehen, und dies in engem Kontakt mit den ukrainischen Behörden, die ja für die Sicherheit verantwortlich sind.
Dass Sie sich das einmal vorstellen: Diese fünf ukrainischen Inspekteure, die begleitend mit dabei waren, waren nicht diejenigen, die bewaffnet waren, sondern sie waren begleitet von einem Polizeikommando, das diese Begleitung in der üblichen Polizeibewaffnung durchgeführt hat. Es ist auch nicht üblich, dass diese Missionen bis an die Zähne bewaffnet durchgeführt werden, sondern es ist wirklich Teil der Philosophie dieser Militärbeobachtungen, dass sie für Transparenz und Vertrauensbildung da sind und deswegen mit dem Diplomatenausweis ausgewiesen sind und mit einem Auto fahren, das als OSZE-Fahrzeug gekennzeichnet ist und dass auch die grundsätzliche Route im Prinzip vorher durch diese Notifikation mitgeteilt ist.
Zusatzfrage: Und bei den diplomatischen Sicherheitsmissionen hat sich an den Sicherheitsvorsorgen nichts verändert?
Schäfer: Diese Frage sollten Sie eigentlich an die OSZE richten. Wir können als Mitgliedstaat der OSZE und Teilnehmerland an der zivilen Beobachtermission jetzt nicht für die Mission zu konkreten Sicherheitsfragen Auskunft geben. Das können Sie, glaube ich, auch nicht von uns erwarten. Aber es liegt doch auf der Hand, dass es darum geht, Aufklärung zu betreiben, zu wissen, wo gefährliche Punkte auftreten könnten, und dies womöglich zu vermeiden. Es geht darum, Netzwerke zu Personen aufzubauen, die über Informationen, aber vielleicht auch über Entscheidungsgewalt verfügen, und auf diese Art und Weise, soweit irgend möglich, Sicherheit für die zivilen Beobachter herzustellen.
Aber eines ist dabei auch klar: Das ist jetzt nicht wie ein Spaziergang durch Berlin-Zehlendorf, sondern der Zweck der Mission ist ein anderer. Der Zweck der Mission besteht darin, genau da zu sein, wo es Spannungen gibt. Deshalb geht es darum, die politischen Ziele, die die Mission verfolgt, die konkreten Zwecke, das Informations- und Aufklärungsinteresse an einem bestimmten Ort sauber und sorgfältig und verantwortungsvoll gegen die persönlichen Risiken abzuwägen, die die zivilen Beobachter, um ein bestimmtes Aufklärungsinteresse zu befriedigen, tatsächlich einzugehen hätten. Da sind wir sehr sicher, dass die OSZE, die darin viel Erfahrung hat, das so macht, wie es sich gehört.
Frage: Ich habe zwei Fragen.
Die erste betrifft nochmals das Wiener Dokument. Das ist ja als zwischenstaatliches vertrauensbildendes Instrument der Rüstungskontrolle geschaffen worden. Muss ich nicht doch das Regelwerk und auch die Verständigung darüber, was der Sinn einer Mission ist, ändern, wenn es im Wesentlichen um einen laufenden innerstaatlichen Konflikt mit irregulären paramilitärischen Kräften geht? Dies wird ja kein Vorgang nur der nächsten Tage oder Wochen sein, sondern es wird der Zustand eines laufenden Konflikts sein, dass man es nicht mehr mit Vertrauensbildung im Zwischenstaatlichen zu tun hat, sondern mit einem Agieren in einem innerstaatlichen Konflikt.
Der Minister hatte für eine Genf-II-Konferenz geworben und plädiert. Nun hat Genf I Erwartungen geweckt, die Enttäuschung geschaffen haben. Es ist ja schon Teil des Problems, dass diese Enttäuschungen geschaffen sind. Wie wären denn die Erwartungen an Genf II, und wie könnten die Erwartungen so gestaltet werden, dass sie nicht neue Enttäuschung und damit möglicherweise weiteres Eskalationspotenzial schaffen?
Schäfer: Zu Ihrer ersten Frage: Sie haben recht, Herr Henze. Das Instrument des Wiener Dokuments ist in einer Zeit entstanden, in der die Lage, so wie sie sich derzeit in der Ukraine darstellt, nicht im Zentrum der Perspektiven der Verhandlungsstaaten gewesen ist, sondern als es darum ging, potenziellen militärischen Konflikten zwischen Nachbarstaaten dadurch entgegenzuwirken, dass die Nachbarstaaten die Gelegenheit bekommen, einander auf die Finger zu schauen und zu sehen, in welcher Weise es militärische Bewegungen gibt.
Nun besteht aber -das ist in Ihrer Frage nicht angeklungen – im Osten der Ukraine eine Situation, in der es jenseits der Grenze, im Osten, russische Truppenbewegungen gibt und diesseits der Grenze, auf der westlichen Grenze zwischen der Ukraine und Russland, Truppenbewegungen auf ukrainischer Seite gibt. Auch diese Truppenbewegungen sind doch – mit dem Blick darauf, Informationen zu bekommen, mit dem Ziel, Transparenz herzustellen und im besten Fall der Möglichkeit, Vertrauen zu schaffen – absolut vernünftig und sinnvoll.
Sie haben recht, dass nach Wiener Dokument die Aufklärung der militärischen Lage von Separatisten oder von Aufständischen nicht im Mittelpunkt steht, aber das ändert an der Sinnhaftigkeit einer solchen Inspektionsmission oder einer Serie von Inspektionsreisen nach dem Wiener Dokument doch überhaupt nichts. Im Übrigen: Wenn man die militärischen Bewegungen der ukrainischen Sicherheitskräfte beobachtet, so stehen die dann doch – so vermute ich das jedenfalls als Laie – in einem irgendwie gearteten Verhältnis zu den militärischen Bewegungen von Aufständischen. Dass das eine ohne das andere keinen Sinn macht, liegt für meinen Geschmack absolut auf der Hand. Deshalb kann ich, ehrlich gesagt, viele der Fragen, die Sie stellen, nicht recht nachvollziehen. Natürlich, wenn es darum geht, ukrainische Militärbewegungen zu beobachten, dann tut man das. Aber dabei fallen Informationen an, die irgendwie für die Analyse der Lage doch auch von Bedeutung sind.
Zur zweiten Frage. Sie nehmen Bezug auf eine Äußerung, die Außenminister Steinmeier gestern Abend im „Bericht aus Berlin“ getätigt hat. Er hat im Wesentlichen politische Rückendeckung für die Genfer Vereinbarung gefordert. Wer ist denn für die Genfer Vereinbarung verantwortlich? Das sind doch in erster Linie die vier Parteien, die sie unterzeichnet haben, zu denen auch wir gehören. Europa hat auch unterzeichnet. Deutschland ist Teil der Europäischen Union. Deshalb fühlt sich Außenminister Steinmeier auch verantwortlich dafür, dass das, was am 17. April zwischen Russland und der Ukraine unter Beteiligung der USA und der Europäischen Union vereinbart worden ist, umgesetzt werden kann.
Er hat gestern Abend in diesem Interview mit Herrn Deppendorf festgestellt, dass in den zwei Wochen, die seither vergangen sind, die Lage in der Ukraine nicht besser, sondern schlechter geworden ist, dass es sogar eine dynamische Entwicklung gibt, bei der die Dinge immer schneller immer schlechter werden. Sein Aufruf war an diejenigen gerichtet, die Verantwortung dafür tragen, nämlich an die Unterzeichnerstaaten – was gewissermaßen dann auch ein Aufruf an sich selber ist -, und lautete, alles zu tun, damit das, was vernünftigerweise in dieser Genfer Vereinbarung steht, irgendwie noch zur Umsetzung kommen kann. Damit hat man der OSZE – darüber haben wir an diesem Tisch in der letzten Woche lang und breit gesprochen – einen ganzen Strauß von Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben: behilflich zu sein bei der Entwaffnung, bei der Entmilitarisierung von nichtstaatlichen Kräften, sich wirklich einzusetzen bei der Mediation von lokalen und regionalen Konflikten. Außenminister Steinmeier hat letzte Woche noch die Idee der Organisation von runden Tischen ins Spiel gebracht. All das sind Dinge, die vernünftig sind. Das kann aber nur klappen und vor Ort vernünftig ins Werk gesetzt werden, wenn die OSZE Luft zum Atmen bekommt, auch die Rückendeckung bekommt, die sie braucht, und zwar im Wesentlichen von den vier Unterzeichnerstaaten. – Das ist der Appell des Außenministers.
StS Seibert: Ich möchte noch einmal in das gleiche Horn stoßen. Genf hat der OSZE eine wichtige Rolle gegeben. Nun geht es darum, dass diese wichtige Rolle von der OSZE auch wahrgenommen werden kann und dass sich dafür die Partner von Genf – die Ukraine, Russland, die EU und die USA – auch einsetzen. Er hat einige Punkte genannt: die wichtige Rolle bei der logistischen Vorbereitung der Wahl, ihre internationale Überwachung bei den lokalen Konfliktlösungen, beim Verfassungsprozess, der eine Ukraine ermöglichen soll, in der eben keine Bevölkerungsgruppe benachteiligt oder bedrängt wird. Das ist unser gemeinsames Ziel: freie demokratische Selbstbestimmung der Bürger der Ukraine. Wenn es in dem Zusammenhang noch ein Treffen geben soll, um der OSZE bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu helfen, dann unterstützen wir das im Sinne dieses Ziels.
Frage: Herr Flosdorff, Sie sagten vorhin, diese Geiselnahme sei kein Zufallsereignis gewesen. Haben Sie denn Erkenntnisse darüber, dass gezielt eine OSZE-Beobachtermission unter deutscher Führung festgesetzt wurde? Bezieht sich dieses nicht zufällige Ereignis nur darauf, dass eine OSZE-Beobachtermission, die auch unter kanadischer Führung stehen könnte, entführt worden ist?
Zweite Frage. Es geht um die Sicherheit für die Folgemissionen. Im Nachhinein ist man gerne mal schlauer. Wäre es klug gewesen, um die Sicherheitsfürsorge für die Inspekteure zu verbessern, auch Kontakt mit den separatistischen Kräften aufzunehmen und sie über die Pläne und die genauen Abläufe einer solchen Mission ins Benehmen zu setzen?
Flosdorff: Ich fange einmal hinten an. Sie unterstellen ja, dass das alles nicht geschehen ist.
Zusatz: Ich stelle eine Frage.
Flosdorff: Ja gut, aber Ihre Frage lässt vermuten, dass Sie davon ausgehen, dass das nicht geschehen ist.
So ein Lagebild wird sowohl für die militärischen als auch für die zivilen Beobachter erstellt. Auf Basis dieser Information wird in enger Abstimmung mit den örtlichen Sicherheitskräften so eine Routenplanung festgestellt. Selbstverständlich fließen alle Informationen mit ein, und man versucht, auch durch Vorabinformationen eine maximale Sicherheit herzustellen.
Ich möchte noch einmal betonen: Wenn man sich in solchen Gebieten bewegt – Sinn und Zweck dieser Missionen ist es, dass man in die Gebiete hineingeht, in denen auch militärische Operationen stattfinden, über die es unklare oder widersprüchliche Informationen der widerstreitenden Parteien gibt -, dann ist das nie ohne Risiko. Das ist so.
Diese Missionen finden seit 23 Jahren statt. Sie haben in Bosnien stattgefunden, als es dort bewaffnete Konflikte gab. Sie haben in Georgien stattgefunden, als es dort bewaffnete Konflikte gab. Es ist das erste Mal, dass eine OSZE-Militärbeobachtermission mit deutscher Beteiligung in so eine Situation gekommen ist. Selbstverständlich wird man im Nachhinein alles daran setzen, zu gucken, was man daraus lernen kann. Ist das in der Situation eine Situation gewesen, die aus der Perspektive des Teams vermeidbar war, oder ist es vielleicht nicht entscheidend gewesen, ob das OSZE-Team die Straße links oder die Straße rechts oder den Rastplatz hier oder dort vor der Abzweigung der ursprünglichen Route gewählt hat, oder war es vielleicht doch ein gezielter Zugriff?
Hier gibt es Indikatoren dafür, dass die Kräfte, die den Zugriff gesteuert und durchgeführt haben, nicht dieselben Kräfte waren, die wir später im Fernsehen gesehen haben, also die Bürgermilizen in Slawjansk, und dass es zwischendurch eine Übergabe gegeben hat. Das ist die einzige Auffälligkeit. Ob es gezielt eine Mission unter deutscher Führung war, kann ich Ihnen nicht sagen. Das wäre überinterpretiert. Ich kann nur sagen: Die Vorgängermissionen haben sich auch in diesem großflächig abgesteckten Gebiet bewegt. Es ist auch der Auftrag für die Nachfolgemissionen, sich in diesen Gebieten zu bewegen, weil das Gebiete sind, die auch für die diplomatischen Verhandlungen interessant sind, wo man darüber Informationen braucht, wie die ukrainischen Militärpotenziale in diesem Gebiet aussehen, wie sie sich bewegen, was passiert und was nicht passiert.
Frage: Vielleicht liegt es an mir; ich kann es nicht sagen. Ich habe es immer noch nicht so richtig verstanden. Diese Militärmission sollte die ukrainischen Militärbewegungen beobachten, und die zivile Mission sollte sozusagen im ganzen Osten und Süden der Ukraine vermitteln, mit den Leuten reden. Die einen waren für das ukrainische Militär zuständig, und die anderen waren für die Unruhen und die Aufständischen zuständig. Oder ist das von mir falsch dargestellt? Es gibt auch von Ihnen unterschiedliche Darstellungen. Herr Flosdorff sagt: nur die Ukrainer. Herr Schäfer sagt: Na ja, da fallen auch Informationen über die anderen ab.
Sie haben gesagt, dass die sich eng abstimmen. Wie sieht denn diese Abstimmung zwischen diesen beiden Missionen aus? Telefonieren Sie jeden Morgen, sagen die sich gegenseitig, wo sie hingehen? Ich will es nur verstehen. Ich will keine übergeordnete Kritik üben. Ich will das verstehen, was ich bislang nicht verstanden habe.
Zweitens. Genf II heißt jetzt etwas abmoderiert: Na ja, wenn es nötig ist, machen wir noch einmal ein Treffen in Genf. Eigentlich wollen wir nur die Rückendeckung haben. – Gestern Abend klang das beim Außenminister etwas anders. Er will sozusagen wieder diplomatische Energie dort hineinschicken. Ich würde es gerne genauer wissen. Eher nur ein bisschen „Na ja, wenn es nötig ist, machen wir es“ oder doch ein bisschen mehr?
Schäfer: Zu der letzten Frage, Herr Braun. Ich habe überhaupt nichts heruntermoderiert. Das, was der Außenminister gesagt hat, steht: Treffen von Genf II.
Zu Ihrer weiteren Frage: Es ist jetzt bedauerlich, dass Sie das nicht verstehen. Wir können es aber gerne noch einmal probieren.
Ich habe letzte Woche gesagt: Das politische Ziel all der Bemühungen der OSZE – Außenminister Steinmeier sprach gestern Abend im „Bericht aus Berlin“ von der OSZE-Familie, von den verschiedenen Instrumenten, die es gibt – dient dem gleichen Ziel, nämlich durch die Verfügbarmachung von objektivierbaren Informationen durch neutrale Beobachter einen Beitrag zu Transparenz und dadurch zu Vertrauen zu schaffen. Das gilt für beide Missionen.
Aber diese verschiedenen rechtlichen und politischen Instrumente, über die wir hier reden – einerseits die Instrumente aus der Spätzeit des Kalten Kriegs, wie zum Beispiel das Open-Skies-Abkommen und das Wiener Dokument, die auf Informationen über die Bewegungen von Militär fokussieren, während die zivile Beobachtermission ein Ad-hoc-Instrument ist, für das es keine rechtliche Grundlage per se, sondern nur einen einstimmigen Beschluss aller 57 Mitglieder der OSZE in Wien gibt -, möchten exakt das Gleiche, nämlich vor Ort ermitteln, ob die Grundsätze und Prinzipien der OSZE in den im Ratsbeschluss festgelegten Regionen – das ist ja nicht die ganze Ukraine, es gibt einige Oblaste im Westen, andere im Osten und im Süden des Landes – eingehalten werden. Wenn Sie so wollen, ist durch die Genfer Vereinbarung der vier Parteien am 17. April die Rolle der OSZE noch ausgeweitet worden. Die Idee war nämlich, die bereits vor Ort befindliche zivile Beobachtermission operativer zu machen und ihr auch die Aufgabe zu übertragen, aktiv in diesen lokalen Konflikten mit dem Ziel tätig zu werden, zu vermitteln, um auf diese Art und Weise Spannungen abzubauen.
Es bleibt also dabei: Das Dach eines gemeinsamen politischen Ziels all dieser verschiedenen Instrumente ist völlig identisch. Aber es gibt unterschiedliche Mittel, Zwecke und Instrumente, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Besser kann ich es jedenfalls nicht erklären.
Frage: Ich muss auch noch einmal zu dem, was Herr Braun gesagt hat, nachfragen. Das Abmoderieren kam in diesem Punkt – möglicherweise war es so zu verstehen – nicht von Herrn Schäfer, sondern vielleicht von Herrn Seibert, der ja sagte: Wenn wir es brauchen, dann würden wir es gerne machen. – Die Frage, die ich stellen möchte, ist: Wie steht die Bundeskanzlerin denn dazu? Braucht man bis zum 25. Mai noch Genf II, soll das also schon in der kommenden Woche stattfinden? Hat sie vielleicht mit Herrn Putin darüber geredet?
StS Seibert: Worüber die Bundeskanzlerin mit Herrn Putin geredet hat, habe ich ja in groben Zügen hier schon dargelegt. Es gibt keinen Dissens zwischen der Bundeskanzlerin und dem Außenminister. Wir sind vollkommen darauf fokussiert, diesen 25. Mai als einen Tag freier und umfassender Wahlen in allen Teilen des ukrainischen Territoriums zu ermöglichen. Daran arbeiten wir. Das stärkste Mittel, das Genf dafür eingesetzt hat, ist die OSZE, die eine vielfältige Rolle spielen soll. Wir wollen mit Nachdruck ermöglichen, dass diese Rolle auch wirklich gespielt werden kann. Dafür sind natürlich die Genfer Vertragspartner in erster Linie verantwortlich, denn sie haben sich darauf ja geeinigt. Das wollen wir erreichen.
In diesem Zusammenhang müssen die Genfer Vertragspartner miteinander arbeiten, um der OSZE zu helfen. Wenn das ein Treffen heißt, um dieses Ziel zu erreichen, dann heißt das ein Treffen. Ich kann heute nicht vorhersehen, ob es dazu kommt. Wir sind ein Teil der Europäischen Union und damit einer von vier Partnern.
Zusatzfrage : Setzt sich denn die Bundeskanzlerin für ein solches schnelles Treffen ein?
StS Seibert: Sie hören mich ja jetzt gerade. Sie hören mich, und Sie hören, dass es zwischen der Bundeskanzlerin und dem, was der Außenminister vertritt – sowohl gestern als auch heute hier über seinen Sprecher -, keinen Unterschied gibt. Wir wollen das Gleiche.
Zusatzfrage : Wir können jetzt also schreiben, dass die Bundeskanzlerin sich für ein schnelles Genf-II-Treffen noch vor den Wahlen einsetzt?
StS Seibert: Wenn Sie das schreiben wollen. Es gibt keinen Unterschied in unserer Haltung. Ich habe lediglich noch einmal den Inhalt dessen hervorgehoben. Der Inhalt muss sein, der OSZE zu helfen, ihre Rolle zu spielen.
Schäfer: Ein solches Treffen ist auch kein Selbstzweck. Wenn man sich trifft, um sich zu treffen, bringt das nichts, sondern es macht Sinn, ein solches Treffen vorzubereiten. Dazu gibt es eine Reihe von inhaltlichen Punkten, über die wir hier gesprochen haben, die auch in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielen. Ein Treffen würde dem Ziel dienen, dass die ganze Welt – einschließlich der Gruppierungen, die in der Ukraine am Werk sind und zum Teil ihr Unwesen treiben – versteht, dass Russland, die USA, Europa und die ukrainische Führung gemeinsam etwas erreichen wollen. Das ist das Ziel und dafür kann aus Sicht des Außenministers ein solches Treffen, vernünftig vorbereitet, auch vor den Wahlen ein vernünftiges, klares Signal aussenden. Darum geht es.
StS Seibert: Zu diesem Ziel steht die Bundeskanzlerin und steht die ganze Bundesregierung.
Frage: Herr Seibert, Herr Schäfer, es ist für Sonntag ein Referendum in Donezk geplant. Ich hätte gerne gewusst, ob es den ausdrücklichen Wunsch Richtung Russland gibt, sich dafür einzusetzen, dass dieses Referendum, was die Wahl am 25. Mai doch maßgeblich erschweren würde, nicht stattfinden zu lassen.
Herr Seibert, Sie hatten vorhin auf Odessa und die Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung dieser Todesfälle hingewiesen. Ist es Ihrer Meinung nach so, dass es angesichts der als unzureichend empfundenen Aufklärung, die es bei den Maidan-Toten gab, besser wäre, wenn die internationale Gemeinschaft, möglicherweise auch wieder die OSZE, an dieser Aufklärung möglichst objektiv teilnimmt?
StS Seibert: Ich wiederhole zunächst einmal diese Forderung: Es ist ganz offensichtlich, dass ein so erschütterndes Ereignis eine sehr gründliche Aufarbeitung braucht, und zwar die Vorgeschichte der Demonstrationen, die dazu geführt haben, wie auch dann das, was in dem Gebäude und um das Gebäude herum geschehen ist. Die ukrainische Regierung hat sich dazu verpflichtet, eine solche transparente Aufklärung auch wirklich vorzunehmen. Die internationalen Partner werden mit Sicherheit darauf achten, dass das auch so ist.
Zu dem sogenannten Referendum am 11. Mai, das Sie ansprachen: Ich möchte einmal sagen, dass unsere ganz klare Auffassung ist, dass das der ukrainischen Verfassung widerspricht. Diese Referenden werden von selbst ernannten Führern ausgerufen, die keine demokratische Legitimität besitzen. Das ist nicht der Weg, der die Ukraine in eine bessere Zukunft führen wird.
Ganz klar ist doch: Was wir brauchen, ist ein inklusiver Verfassungsreformprozess. Dazu können auch Instrumente wie beispielsweise runde Tische beitragen und eine deeskalierende Rolle spielen. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens in der gesamten Ukraine im Rahmen der Verfassung, wie man zu einem Staat kommen kann, in dem, wie ich es vorhin versucht habe zu sagen, sich keine Bevölkerungsgruppe an den Rand gedrängt, bedrängt oder benachteiligt fühlt. Referenden, vor allem ein solches Referendum wider die ukrainische Verfassung, schafft nicht Befriedung, sondern Eskalation.
Zusatzfrage: Die Frage war ja, ob die Bundesregierung die russische Seite gebeten hat, ihren Einfluss geltend zu machen, dass es nicht stattfindet.
Zu Odessa: Gibt es das Angebot der internationalen Gemeinschaft, bei dieser Aufklärung zu helfen?
Schäfer: Das ist mir nicht bekannt, Herr Rinke. Bei der Aufklärung der Vorkommnisse des Maidan – das wissen Sie vielleicht – ist es Teil der Vereinbarung vom 20. und 21. Februar, die von den Außenministern des Weimarer Dreiecks, Fabius, Sikorski und Steinmeier, mit unterzeichnet worden sind, dass der Europarat seine guten Dienste bei der Aufklärung der Ereignisse des Maidan anbieten kann und soll.
Vielleicht nur noch eine kleine Anmerkung zu Ihrer Frage, die nicht ganz auf den 11. Mai anspielt, wozu Herr Seibert alles Notwendige gesagt hat: Es fällt auf, dass es durchaus unterschiedliche Sichtweisen in Moskau über die Opportunität und Legitimität von anstehenden Wahlen gibt. Die Haltung zum 25. Mai nehmen wir sehr aufmerksam und auch mit Sorge zur Kenntnis, nämlich die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine, die angeblich nicht anständig vorbereitet werden können und deshalb schon, bevor sie abgehalten sind, für illegitim oder jedenfalls als keine Legitimität verschaffend angesehen werden.
Andererseits sehen wir mit einiger Aufmerksamkeit, dass der russische Außenminister der Meinung ist, dass Präsidentschaftswahlen in Syrien, die für den 3. Juni angekündigt sind, offensichtlich stattfinden können. Darüber haben wir hier in der letzten Woche auch gesprochen. Diesen Widerspruch kann jedenfalls ich mir schwer erklären, wenn es darum geht, objektive Kriterien anzusetzen. Die Lage in Syrien, was die Durchführung freier und fairer Wahlen angeht, bei der die gesamte Bevölkerung die Chance bekommt, ihr neues Staatsoberhaupt zu wählen, scheint mir in Syrien angesichts von mehr als einem Drittel der Bevölkerung Binnenvertriebener oder im Ausland Befindlicher und einem großen Teil des Staatsgebiets, das für das Regime in Damaskus von Präsident Assad überhaupt nicht mehr zugänglich ist, noch schwieriger als in der Ukraine zu sein.
Frage: Herr Flosdorff, zwei Nachfragen zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, als es um die Entführungssituation ging. Ich habe Sie richtig verstanden, dass Sie auf die Frage der Kollegin geantwortet haben: die, die wir nachher als Geiselnehmer in Fernsehbildern gesehen haben, waren auch darüber informiert, dass diese OSZE-Gruppe unterwegs war. Habe ich das richtig verstanden?
Flosdorff: Das habe ich Ihnen nicht so gesagt. Ich habe gesagt, dass, bevor sich diese Mission auf den Weg machen, ein umfangreiches Lagebild in unterschiedlichster Richtung erstellt wird, Informationen eingezogen und Informationen über die Tatsache gegeben werden, dass es deutsche Inspektionstouren gibt. Ob diejenigen in der Stadt oder diejenigen, die den Zugriff vorgenommen haben, vorher diese Informationen bekommen haben oder sie ihnen durch Dritte zugetragen worden sind, kann ich Ihnen hier nicht verifizieren.
Zusatzfrage: Welche Indikatoren haben Sie, wer das war, der den Zugriff auf die OSZE vorgenommen hat?
Flosdorff: Das sind Erkenntnisse, die in der Zwischenzeit gewonnen worden sind. Es sind international Informationen ausgetauscht worden. Es sind ja nicht nur die Deutschen betroffen gewesen. Es gab Augenzeugen. Dadurch sind diese Informationen weitergegeben worden. Das ist die Grundlage dieser Einschätzung.
Zusatzfrage: Auf wen weisen die hin?
Flosdorff: Es gibt keine Hinweise. Es gibt nur einen Hinweis darauf, dass es andere waren, die den Zugriff machten, als diejenigen, die hinterher die Beobachter festgesetzt und gefangen gehalten haben.
Frage : Herr Schäfer, Ihr Unverständnis für unsere Begriffsstutzigkeit in Ehren. Sie haben erklärt, dass das alles im Sinne der OSZE ist, dass man das dort irgendwie aufklärt, dass das Transparenz und Vertrauen schafft und dass man selbstverständlich, wenn man unterwegs ist, auch guckt, was die irregulären Kräfte tun. Diese Frage hatte ich vorhin an Herrn Flosdorff gerichtet. Der war aber nicht bereit, sie zu bejahen. Es geht doch bei dieser Frage darum, ob es bei der politischen Bewertung richtig ist, diese OSZE-Beobachter, deutsche Offiziere, dorthin zu schicken. Dann ist es doch nicht ganz uninteressant zu wissen, ob sie den Auftrag haben, irreguläre Kräfte aufzuklären oder ob sie den Auftrag nicht haben. Diese Frage wird bei Ihnen eben nicht einheitlich beantwortet. Die Begriffsstutzigkeit ist sozusagen auch Ergebnis Ihrer Informationspolitik, wenn ich das so sagen darf. Deswegen würde ich Sie und vielleicht auch Herrn Flosdorff jetzt noch einmal bitten, zu sagen, ob der Herr Oberst, der da unterwegs ist, den Auftrag hat, zu gucken, was diese irregulären Kräfte machen oder ob er den Auftrag hat, das nicht zu tun.
Schäfer: Mit nichts, was ich gesagt habe, Herr Siebert, habe ich dem widersprochen, was Herr Flosdorff gesagt hat. Ich habe eigentlich nur versucht, aus Sicht eines militärischen Laien und mit amateurhaftem Sachverstand zu erläutern, dass, wenn der Auftrag nach Wiener Dokument – das ist ein völkerrechtliches Papier, das Sie selber nachlesen können, was Sie vielleicht schon getan haben -, ist, militärische Bewegungen in dem Gastland, in dem sich die Inspektion bewegt, zu untersuchen, es dabei automatisch, auch wenn das nicht Teil des Auftrags ist, Bewegungen von denen, um die es geht, anfallen, nämlich um militärische Operationen in und um Aufständische und Separatisten herum.
Wir haben während der gesamten Zeit im Krisenstab mit großer Sorge darauf geschaut, was um Slawjansk herum passiert. Die Bewegungen der ukrainischen Nationalgarde stehen doch in einem unmittelbaren Zusammenhang wie kommunizierende Röhren zu den Bewegungen von anderen militärischen Einheiten, in diesem Fall in den Händen der Separatisten. Das eine können Sie doch gar nicht denklogisch von dem anderen trennen. Das ist alles, was ich sagen wollte. Ich habe Herrn Flosdorff mit keinem Wort widersprochen.
Zusatzfrage : Herr Flosdorff hat dazu einfach gar nichts gesagt. Das ist doch sozusagen die Quelle der Irritation. Herr Flosdorff hat doch immer wieder gesagt: „Das ist das Wiener Dokument, das ist das Wiener Dokument, das ist das Wiener Dokument.“ Auf die Frage „Erheben die Informationen über die Separatisten?“ sagt Herr Flosdorff nichts. Deswegen ist die Frage: Herr Flosdorff, wie ist diese Frage aus Ihrer Sicht zu beantworten?
Flosdorff: Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Sie hat die OSZE eingeladen, Militärbewegungen auf ihrem Gebiet nach dem Auftrag des Wiener Dokuments zu beobachten. Ich weiß auch gar nicht, warum hier immer die Sinnhaftigkeit infrage gestellt wird. Es steht in erster Line im Fokus, die ukrainischen Streitkräfte dort zu beobachten. Wie Herr Schäfer sagt, sind die auch nicht im luftleeren Raum, sondern stehen auch da, wo andere sind.
Ich hatte eben schon einmal anklingen lassen, dass wir in den vergangenen Wochen mehrfach die Diskussion darüber hatten: Wer bewegt sich in diesem Gebiet militärisch? Mit welcher Ausrüstung, mit welchem Auftrag, mit welcher Provenienz sind die Truppen dort? Es ist auch nicht so, dass das keinen Zusammenhang mit vertrauensbildenden Maßnahmen im überstaatlichen Bereich hat; wenn Sie alleine sehen, dass die russischen Manöver an der russischen Grenze an das Verhalten der ukrainischen Streitkräfte innerhalb der Ukraine gegenüber der eigenen Bevölkerung gekoppelt waren. Natürlich hat die Ukraine ein hohes Bedürfnis, neutrale Informationen darüber zu genieren, was ihre Streitkräfte tun und was sie nicht tun und dass es jeweils eine Legitimation für eine Gegenseite gibt. Natürlich fahren die auch nicht mit Scheuklappen durch das Land, wenn sie diese Routen abfahren, in denen diese ganzen undurchsichtigen, teilweise immer wieder überraschenden und erneut und spontan auftretenden Ereignisse eintreten. Diese Informationen werden gesammelt. Die werden auch nicht nur einer Partei zur Verfügung gestellt, sondern diese Informationen werden am Ende in einem Bericht öffentlich gemacht und werden allen OSZE-Ländern zur Verfügung gestellt.
Lassen Sie mich einen letzten Satz dazu sagen: Die größten Skeptiker solcher Einsätze sind ja nicht diejenigen, die sich so viele Gedanken darüber machen, ob das jetzt gefährlich ist oder nicht, sondern das sind diejenigen, die wenig Interesse daran haben, dass darüber eine Transparenz hergestellt wird, was in diesen Gebieten militärisch passiert oder nicht passiert. Die Ukraine hat das Bedürfnis, Transparenz darüber herzustellen und hat deswegen die OSZE-Beobachter eingeladen. Deutschland ist an vierter Stelle Teil dieser Mission, die durchgetaktet bis nach den Wahlen ist.
Frage: Sie sprachen an, dass es die Beobachtungen von Truppenbewegungen auf beiden Seiten gab. Wir haben ja wochenlang im Dunkeln gestanden, was die russischen Truppenbewegungen anging. Welche Instrumentarien bietet denn die OSZE oder möglicherweise auch das Wiener Dokument, dass man diese Instrumente so schärfen kann, dass wir jetzt auch über die Truppenbewegungen auf beiden Seiten bessere Informationen können?
Noch einmal zur Frage der Neutralität dieser Mission. Die zivilen Beobachterberichte waren ja in Genf eine offensichtlich sehr erfolgreiche Grundlage dafür – so ist es jedenfalls dargestellt worden -, dass man sich am Ende auf etwas einigen konnte. Kann man nicht die Instrumentarien des Wiener Dokuments auch dadurch stärken, dass man zum Beispiel bei kommenden Missionen ganz bewusst russische Beobachter oder Beobachter, die das Vertrauen Russlands haben, in solche Missionen einbezieht? Ist denn die Neutralität tatsächlich nur schon dadurch gesichert, dass deren Bericht allen 57 Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt wird?
Schäfer: Die Einladung der ukrainischen Regierung, nach Kapitel X des Wiener Dokuments solche Inspektionsreisen durchzuführen, ging an alle Mitgliedstaaten der OSZE, einschließlich Russland. Dann ist es eine souveräne Entscheidung jedes Teilnehmerstaates, ob er bereit ist, daran teilzunehmen oder eben nicht.
Nö, nicht alles „Agenten aus Moskau“. Aber wenn ganz plötzlich neue Leute auftauchen, die komischerweise alle in die gleiche Richtung kommentieren…. werde ich hellhörig.
@Janek: Können Sie mal bitte konkret und belegbar erklären, was Sie unter „ein von Dritten kontrolliertes Kriegsgebiet“ verstehen und in welchem rechtlichen Kontext diese „Dritten“ zum Wiener Dokument stehen?
@JCR
Zustimmung. „Innere Emigration“, naja. Allerdings gibt’s Alternativen.
Die „Alles Agenten aus Moskau“-Beschimpfung ist auch bei der verschwindend kleinen Minderheit der Leser-Kommentatoren auf F.A.Z.-online, die der Propaganda „unserer“ Medien noch Glauben schenken, ein beliebtes Totschlag-Argument.
Verfängt aber nicht mehr. Dank der Möglichkeiten des Internets sind die Leute eben besser informiert und aufgeklärter als zu Zeiten, zu denen Zeitungen, Radio und Fernsehen das „Informations“- und Meinungsmonopol hatten.
Hm. Jetzt bitte hier keine Meta-Diskussion über die Kommentarsituation in deutschen Medien derzeit… ich mache bei Bedarf gerne dafür einen neuen Thread auf, aber finde es wenig sinnvoll in den anderen Threads. Ansonsten geht’s gleich ins Bällebad…
Keine “Agenten aus Moskau”… eher Akteure aus dem Zeitforum wäre meine Vermutung.
@topic
Ich denke, dass man sicherlich dezenter an Informationen kommen kann, als mittels einer eingeladenen Beobachtermission unter dem Dach einer Sicherheitsorganisation. Aber das ist doch eigentlich genau der Punkt. Ich wunder mich ein wenig, dass so wenige diesen Umstand bedenken. Will man spionieren, schickt man Spione… tut man dagegen soetwas, dann gibts mit Sicherheit einen Grund dafür. Der naheliegenste der mir einfällt: Ein paar Beobachter, die offiziell im Land sind und von denen viele Staaten wissen, sind ein ganz prima Mittel, Beeinflussung von Außen einzudämmen. Wenn man Russland also davon abhalten möchte, die Grenze zu überschreiten, dann ist so ein Trupp internationaler Vertreter gar nicht schlecht. Vorausgesetzt, dass es noch Hemmungen in Moskau gibt. Die scheint es aber zu geben, wie dieses Intermezzo gezeigt hat. Kurz: Es ist immer leichter die Meinung zu formen und Fakten zu schaffen, wenn nicht gerade UN, OSZE etc. auf die Finger schauen. Will man also nicht konfrontieren, scheint mir das ein ganz sinnvoller Baustein zur Eskalationsvermeidung. Und nichts anderes ist seit Gründung das Ziel der OSZE. Transparenz schaffen ist nur ein Weg Eskalationen zu verhindern. Es gibt viele andere und die werden auch genutzt.
@Fredegar Bolger:
Sie haben schon recht dass das Wiener Dokument in einem gewissen historischen Rahmen entstanden ist, aber deswegen ist es heute nicht weniger gültig und auch nicht weniger nützlich.
Mit ihrer Begründung könnte man jegliche Institutionen des internationalen Rechtes hinterfragen. Der UNSC ist ein Produkt der ersten Nachkriegsjahre und reflektiert eine andere Zeit und eine andere Machtsituation – heißt das jetzt dass Beschlüsse des UNSC nicht bindend sind für uns?
Also da haben sie sich schon ganz schön was aus den Fingern gesaugt um doch noch die Legitimität der Mission in Frage zu stellen.
Generell wurde hier ja eigentlich schon alles zu dem Unsinn hinsichtlich BND und Spionage gesagt, aber ich finde es schon eigenartig welche Formen die Diskussion zum Thema annimmt und vor allem wo sie hingeht.
Steinmeier hat einen 5-Punkte-Plan zur Lösung der Ukraine-Krise.
(Morgen in der FAZ)
Streiche Gaza setze Ukraine
http://www.beirut.diplo.de/Vertretung/beirut/de/__pr/2009/01/20-01-09.html?archive=2621750
@ Kreischwurst:
Sehen Sie es mal andersherum: wenn die Lage in einer Region nicht mit einem Dokument, welches ein Vierteljahrhundert alt ist, übereinstimmt – dann hat die Realität also Pech gehabt? Dazu fällt mir 1. Hendrik Ibsen ein:
„Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück.“ (Die Wildente, 1884)
2. käme mir noch Wilhelm Raabe in den Sinn:
„Unsere tägliche Selbsttäuschung gib uns heute.“( Vom alten Proteus ,1875)
Wenn Sie die Diskussion der internationalrechtlichen und völkerrechtlichen Aspekte der besagten „Mission“ eigenartig finden: seien Sie doch dann so ehrlich und sagen frei heraus: Das wird nicht diskutiert. Und basta.
@Fredegar Bolger:
Wann entspricht denn Recht und gerade internationales Recht – das meistens deutlich älter ist als ein Vierteljahrhundert – genau den gegenwärtigen Lebenssituationen?
Und wieder kann man mit ihrer Perspektive alle (völker-) rechtlichen Institutionen hinterfragen und schlecht reden, einfach weil das halt „nimmer so richtig passt“. Ist nicht mehr zeitgemäß. Und in zwei Wochen sieht die Situation sowieso wieder anders aus und dann schreiben wir uns schnell was neues zusammen.
„…dann hat die Realität also Pech gehabt? “
Die Realität hat Pech gehabt????????? Falls sie mit „Realität“ ihre Sicht der Dinge meinen dann scheint die in der Tat Pech gehabt zu haben, denn auch wenn ein Dokument etwas älter ist, es ist immernoch gültig und wird auch heute noch von allen Parteien in verschiedensten Situationen eingesetzt – egal wie sehr ihnen das gegen den Strich geht.
@Vtg-Amtmann
„Können Sie mal bitte konkret und belegbar erklären, was Sie unter “ein von Dritten kontrolliertes Kriegsgebiet” verstehen“
Slawjansk und Umgebung waren zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle bewaffneter pro-russischer Separatisten. Gleichzeitig fanden dort bereits kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Armee und Separatisten statt.
„und in welchem rechtlichen Kontext diese “Dritten” zum Wiener Dokument stehen?“
In keinem. Das Wiener Dokuments 2011 ist ein Instrument zur VORBEUGENDEN gegenseitigen Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung ZWISCHEN STAATEN.
Auf bürgerkriegsähnliche Konflikte mit INNERSTAATLICHEN Parteien ist es daher gar nicht anwendbar – jedenfalls wäre es ein Präzedenzfall.
Der Einsatz der Militärbeobachter wäre allerdings dann zweifellos vom Wiener Dokument gedeckt, wenn die ausschließliche Zielvorgabe der Inspektion die Beobachtung von regulären Ukrainischen Truppen gewesen wäre.
Gegen eine solche limitierte Zielvorgabe spricht allerdings bereits, dass Aussenminister Steinmeier im gestrigen Interview die Durchführung der Inspektion ausdrücklich damit gerechtfertigt hat, dass durch sie wertvolle Erkenntnisse über die (Nicht-)Präsenz regulärer russischer Streitkräfte auf Ukrainischem Staatsgebiet gewonnen worden sein.
Diese Aussage legt nahe, dass der Auftrag der Inspektoren tatsächlich auch die Beobachtung von Militärbewegungen der pro-russischen Separatisten mit einschloss und folglich nicht mehr vom Wiener Dokument gedeckt gewesen wäre.
Rechtliche Zweifel bestehen auch aus einem anderen Grund:
Die Bundesregierung stützt sich auf die Regelungen des Kapitel III Absatz 18 ff. des Wiener Dokuments.
Dieser regelt, dass im Falle von Besorgnissen über militärische Aktivitäten in einem Staat, dieser andere Teilnehmerstaaten zu Inspektionen einlädt.
Er schreibt vor, dass insbesondere JENE STAATEN eingeladen werden, bei denen davon auszugehen ist, dass BESORGNISSE bestehen.
Bei der Bewegung starker Verbände der regulären Ukrainischen Armee in Grenznähe zu Russland, muss man solche Besorgnisse gerade bei Russland sehen.
Im krassen Widerspruch zu Absatz 18.1 wurde aber Russland nicht zu Inspektionen eingeladen, sondern stattdessen (bis auf Schweden) ausschließlich NATO-Staaten.
Auch dies spricht dafür, dass die Beobachtermission nicht im Einklang mit dem Wiener Dokument erfolgte.
@Janek
Wir bleiben mal bei den Fakten. Hier war mehrfach nachzulesen, dass lt. Bundesregierung die Inspektion unter Berufung auf Kap. X erfolgte, nicht Kap. III.
@TW
Da haben wir jetzt ein Problem:
Denn laut OSCE handelten die acht von Staaten entsendeten Militärbeobachter auf Grundlagen des Kapitel III und nicht X.
„At the moment, another group of eight unarmed military experts in uniform is on the ground in Ukraine. (…) They work under the invitation of Ukraine. The experts are on the ground UNDER THE CHAPTER III of the Vienna Document on risk reduction. They look at military aspects of the security situationon the ground.“
Das Dokument wurde am 28.4. revidiert und der oben stehende Absatz entfernt. Der Hinweis, dass die Militärinspektoren auf Grundlage des Chapter III handeln ist aber weiter dort nachzulesen.
http://www.osce.org/secretariat/116879?download=true
Angebliche Aussagen eines tschechischen Offiziers der zu den „Beobachtern“ gehörte:
Bewußt in die Falle geschickt?
[Als Zitat ein bisschen lang, zumal der Link dabei steht. T.W.]
Gibt’s das auch von einer nicht-russischen Quelle, wie z.B. aus.. hmm.. Tschechien? RT alias Russia Today ist offizielles Kreml-Propagandaorgan. RT darf man, muss man sogar in Sachen Objektivität sehr in Frage stellen.
Zum Timing:
Kann gut sein, dass da die Einberufungstermine der Wehrpflichtigen eine Rolle spielen. Seit 1. April rücken die Neuen nach, und die jetzt halbwegs ausgebildeten rechnen damit jetzt damit endlich gehen zu können. Die Wehrpflicht in Russland beträgt 1 Jahr, und Wehrpflichtige werden selbst bei den Speznaz und den Luftlandetruppen eingesetzt. Putin müsste also entweder bis Mitte Mai eine außerordentliche Verlängerung der Wehrdienstdauer verkünden, oder eine beträchtliche Reduzierung der Einsatzfähigkeit in Kauf nehmen.
Siehe etwa npr (Oder auch fp):
Und so rosig sieht die russische Position in Sachen „Besetzen der Ost-Ukraine“ jetzt schon nicht aus. Ganz davon ab dass sich die ukrainische Seite durch die Einmarschdrohung eh nicht mehr abzuschrecken lassen scheint.
@Janek
Ich wüsste nicht, warum wir ein Problem haben. Ich nicht.
Ihre Aussage: Bundesregierung stützt sich auf Kap. III.
Meine Aussage, wie mehrfach hier geschrieben: Bundesregierung stützt sich auf Kap. X.
Ihre Aussage: OSZE sagt Kap. III.
Meine Aussage: OSZE sagt Kap. X, vgl hier: http://www.osce.org/node/116922 „Verification activities“.
Jetzt sind Sie wieder dran (aber diesmal bitte bei den Tatsachen bleiben.)
@J.R.:
War der von Rußland ursprünglich angestrebte Termin für Neuwahlen in der Ukraine nicht auf Anfang September gelegt?
@J.R.
Eine Verlängerung der Wehrpflicht halte ich für unwahrscheinlich, das wäre quasi eine Mobilmachung „light“.
Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, zur aktuellen Lage in der Ukraine vor dem Deutschen Bundestag am 7. Mai 2014 in Berlin
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Bulletin/2014/05/49-3-bmvg-bt.html