Mehr Hubschrauber, Standortschließungen prüfen: SPD-Vorschläge zur Bundeswehrreform

Die Reform der Bundeswehr, offiziell die Neuausrichtung, soll nach dem Willen aller drei Parteien in der großen Koalition nicht gestoppt werden. Aber vor allem die Sozialdemokraten hatten schon länger Nachsteuerungen angemahnt, und die haben sie jetzt präzisiert: Die Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion beschloss ein Papier zu Sozialdemokratischen Vorstellungen zum Nachsteuerungsbedarf der Bundeswehrreform, das am (heutigen) Freitagvormittag offiziell vorgestellt werden soll. Der Beschluss, der Augen geradeaus! vorliegt, enthält etliche schwergewichtige Punkte, die schon ein wenig über die Nachsteuerung hinausgehen – zum Beispiel die Überlegung, die Zahl der Transporthubschrauber vom Typ NH90 gegenüber der Bestellung nicht zu reduzieren und damit ein zusätzliches Regiment aufzustellen, das als europäischer Verband betrieben werden sollte. Bei den teilweise umstrittenen Standortschließungen gebe es in einigen Fällen erneuten Überprüfungsbedarf.

Wir wollen die jetzige – bis voraussichtlich 2017 laufende – Neuausrichtung der Bundeswehr da nachjustieren, wo es notwendig ist, heißt es in dem SPD-Papier. Die von uns angestrebten Maßnahmen sind deshalb mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der fiskalischen Notwendigkeiten gewählt. Eine komplett neue Reform ist nicht notwendig. Zur deutschen Rolle in der Welt gehörten auch militärische Mittel, betonen die Sozialdemokraten und erinnern an die Aussagen von Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz – der Anteil der Bundeswehr müsse in einer breien gesellschaftlichen Debatte kritisch und ergebnisoffen diskutiert werden.

Wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fordern auch die SPD-Verteidigungspolitiker ein Attraktivitätsprogramm für die Truppe, sehen aber ebenfalls keine Möglichkeit für eine Steigerung des Verteidigungshaushalts. Die derzeit und für die nächsten Jahre vorgesehenen 32 Milliarden Euro pro Jahr seien jedoch eine solide Basis zur Auftragserfüllung und zur Durchführung der Reform, wenn im Etat umgeschichtet werde. Dabei komme es auch darauf an, für die Attraktivität des Dienstes in den Streitkräften eine angemessene finanzielle Unterfütterung zu bekommen.

Auch wenn die weitgehende Kooperation in Europa, das Pooling und Sharing, keine Spardose sei, könne langfristig der Weg zu einer europäischen Armee die Streitkräfte in den beteiligten Ländern effektiver machen, argumentieren die Sozialdemokraten. Deutschland müsse dabei die Initiative ergreifen, zum Beispiel mit dem Vorschlag, die – bislang nicht eingesetzten – EU-Battlegroups zu Verbänden mit eindeutigen Fähigkeitsschwerpunkten der verschiedenen Nationen umzubauen. Mit einer weitergehenden Kooperation als bisher könnte auch ein technisches Problem (fast) aller Länder in NATO und EU, der Mangel an Hubschraubern, gelöst werden:

Die Bundeswehr sollte den Unterstützungshubschrauber Tiger in der verminderten Stückzahl abnehmen und alle betreiben, sowie die Gesamtmenge der geplanten NH90. Das dafür notwendige dritte Transporthubschrauberregiment des Heeres sollte die Bundeswehr gemeinsam mit anderen Nationen als echten europäischen Verband multinational betreiben und diese Hochwertfähigkeit bei Einsätzen zur Verfügung stellen.

(Das würde, ganz nebenbei, eine Absage an die im vergangenen Jahr getroffene Absprache mit damals EADS, heute Airbus bedeuten – und einen Neubeginn für die Suche nach einem Marinehubschrauber. Und damit plant die SPD 122 statt 82 Transporthubschrauber NH90 ein, sowie 57 Tiger in der Truppe, statt der vorgesehenen 40.)

National vorgehen sollte die Bundeswehr dagegen bei der Luftverteidigung, schlagen die Sozialdemokraten vor: Die Luftverteidigung als besondere deutsche Schwerpunktfähigkeit müsse mit einem neuen Waffensystem gesichert werden, dass unter Nutzung der Entwicklungsergebnisse des gestoppten MEADS-Systems zukunftsfähig sei: Dieses kann auch für andere Bündnispartner bei Bedarf bereitgestellt werden und muss daher verlegefähig sein. Zugleich müsse aber anhand der wahrscheinlicheren Einsätze geprüft werden, wie das Gesamtkonzept Luftverteidigung einschließlich der Eurofighter-Abfangjäger und modernisierter Fregatten (wohl der F124) gestaltet werden könne. Im Ergebnis, so heißt es in dem Papier, könnte das gegebenenfalls mittelfristig zu einer Ausphasung der Tranche 1 des Eurofighter führen.

(Allerdings ist mir nicht klar, was das unterm Strich für die Zahl der Eurofighter bedeutet – Verzicht auf einen Teil der Flugzeuge? Oder doch Ersatz durch moderne Versionen, Stichwort Tranche 3B?)

Darüber hinaus fordern die SPD-Verteidigungspolitiker eine Überprüfung und Verbesserung der Personalstrukturen – sowohl bei den Soldaten, die zum Teil eine unvertretbar hohe Einsatzbelastung hinnehmen müssten, als auch beim Zivilpersonal. Die Auslagerung von Zivilbeschäftigten solle gar nicht erst begonnen, gestoppt oder rückgängig gemacht werden.

Beim großen Komplex Rüstung und Beschaffung setzen die Sozialdemokraten vor allem auf multinationales Zusammengehen – aber in anderer Form als derzeit üblich: Bisher ist die Realisierung von gemeinsamen Projekten in der Regel daran gescheitert, dass sie durch die unterschiedlichen Spezifikationen für die einzelnen Länder zu lange brauchen und auch dadurch zu teuer wurden. Statt dessen müsse die Beschaffungs- und Ausrüstungsplanung einen multionational abgestimmten, fähigkeitsorientierten und streitkraftübergreifenden Gesamtansatz verfolgen – bis zu Einsparungen, wo andere Bündnispartner besser aufgestellt sind und diese Fähigkeitslücke effektiv und durchhaltefähig schließen können.

(Es steht zwar so nicht drin – aber wäre das nicht der Verzicht auf das Prinzip Breite vor Tiefe?)

Der Nachsteuerung der Stationierungsentscheidungen hat die SPD-Arbeitsgruppe ein eigenes Papier gewidmet. Zwar gehe es nicht darum, bereits vollzogene Entscheidungen rückgängig zu machen, weil damit die Planungssicherheit für die Betroffenen zunichte gemacht werde. Bei einigen Standortentscheidungen gebe es jedoch erneuten Überprüfungsbedarf, um Fehlentwicklungen für die Truppe und Motivationseinbußen für die betroffenen Soldaten zu vermeiden. Konkret nennen die Sozialdemokraten unter anderem

• Die Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt (Foto oben): Eine Verlegung … erscheint nicht unbedingt zweckmäßig, da es zu erheblichen Investitionen am neuen Stationierungsort in Norddeutschland kommen müsste.

• Die Verlegung der 1. Panzerdivision von Hannover nach Oldenburg

• Den Umzug der Panzergrenadierbrigade 41 von Torgelow nach Neubrandenburg und der Panzerbrigade 12 von Amberg nach Cham

• Die Donau-Schiene von Donaueschingen bis Ulm, unter anderem mit der geplanten Schließung des Standortes Meßstetten

Ob dieses ganze Paket – und ich habe noch nicht mal alle Details erwähnt – tatsächlich nur ein Nachjustieren ist, wie die Sozialdemokraten meinen: Das dürfte nun Gegenstand der politischen Diskussion in der Koalition werden. Die Erwiderung Stellungnahme der Ministerin würde mich schon interessieren.

(Archivbild 2008: Springerausbildung in Altenstadt)

 

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