Entscheidung fällt im Räumgebiet
Kommunikation, das ist auch ein unter Politikern bekannter Grundsatz, ist nicht, wie es gemeint ist – sondern wie es ankommt. Deshalb wird die konzertierte Aktion dieses Wochenendes, die Debatte über eine aktivere Rolle Deutschlands in der Weltpolitik, nicht alleine davon abhängen, wie die Protagonisten sich ihre Vorstöße gedacht haben. Ob Bundespräsident Joachim Gauck, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Was sie dazu auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt haben, wird Wünsche bei Verbündeten und Freunden wecken. Auch wenn die drei Exponenten der deutschen Politik das so nicht beabsichtigten.
Der Außenminister, der am (heutigen) Samstagmorgen die Aussagen zu dem Thema abgerundet hatte, hatte zwar eine deutsche Kultur der militärischen Zurückhaltung quasi als Selbstverständlichkeit in seiner Rede hervorgehoben. Seine Ergänzung, eine so politisch wie wirtschaftlich starke Nation könne Außenpolitik nicht nur von der Seitenlinie kommentieren, mag als Selbstverpflichtung zu einem stärkeren politischen und diplomatischen Engagement gemeint sein. Doch mehr außenpolitisches Engagement steht – und stand schon immer – weitgehend im Belieben der jeweiligen Bundesregierung; für zu viel Diplomatie in einer Krise hat sich noch kein Minister rechtfertigen müssen.
Die Partner hören deshalb, auch wenn das dem deutschen Außenminister nicht passen mag, aus solchen Äußerungen gerne die Bereitschaft zu mehr militärischem Engagement heraus. Führung bedeutet nicht nur, gute Diskussionen in München zu haben. Es heißt auch, die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sagte US-Außenminister John Kerry auf dem Münchner Podium. Im Klartext: Mehr politische Anstrengungen gerne, aber, liebe Deutschen, seid auch dazu bereit, Soldaten zu schicken, falls es nötig ist.
Das mag so direkt auch bei der Verteidigungsministerin noch nicht angekommen sein. Wenn von der Leyen, ebenfalls von amerikanischer Seite, für die Ankündigung eines stärkeren Bundeswehr-Engagements in Mali gelobt wird, mag das daran liegen, dass die internationalen Partner noch nicht so genau hingehört haben, was im Berliner Bendler-Block denn derzeit erwogen wird. Eine Erhöhung der derzeitigen – nicht ausgeschöpften – Mandatsobergrenze von 180 auf 250 Soldaten mag aus deutscher Sicht ein stärkeres Engagement sein, aus Sicht mancher anderer Nationen ist das eine Verstärkung der Truppenküche.
Beide Minister, so ist in München am Rande der Konferenz zu hören, wollen sorgfältig den Eindruck vermeiden, mehr deutsches Engagement bedeute gleich den großen militärischen Interventionsschritt. Andersrum wird ein Schuh draus: Ob die Bekenntnisse, die in München abgelegt wurden, nicht gerade am Ende auf mehr deutsche Soldaten in aller Welt hinauslaufen müssen, soll erst mal kein Thema sein. Sondern irgendwann einmal. Mit den Worten der Minensucher: Entscheidung fällt im Räumgebiet. Da, wo die Minen liegen.
Nachtrag: Hier ein Beispiel für die internationale Rezeption: Germany signals new self-confidence on military operations
(Foto: UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und Steinmeier auf der Sicherheitskonferenz – MSC/Kleinschmidt)
@T.Wiegold
Sehr schöner Kommentar.
Hier wäre jetzt die Grundlage für eine Diskussion, unter Beteiligung des Autors…
Hallo Thomas, einer der wenigen differenzierten Kommentare, die ich in den vergangenen Tagen lesen durfte. Vielen Dank dafür. Schade, dass du nicht auf die Rede unseres Bundespräsidenten eingegangen bist. Denn bei dieser behaupte ich, wurden Dinge in der medialen Berichterstattung mit Vorsatz aus dem Kontext gerissen. Der Bundespräsident Gauck sprach nicht von einem größeren militärischen Egagement wie es so oft dieser Tage behauptet wurde. Nein, er distanzierte sich sogar eindeutig von rein militärischen Lösungsansätzen. Dies dürfe nur ein letztes Mittel sein stellte er heraus.
„[…]Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen, wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen. Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird – der Einsatz der Bundeswehr –, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip „nein“ noch reflexhaft „ja“ sagen.[…]“
Leider musste ich mich des öfteren fragen, ob jemand die Rede in seiner Gänze gehört oder gelesen hat. Oder ob man hieraus nur Schlagzeilen generieren wollte.
Vorgefundenes kampfmittelbelegtes Gelände kann man auch markieren und dann sich selbst überlassen.
Die Reden waren halt ziemlich inhaltsleer, das macht es einfach, da seine eigenen Wünsche reinzuprojizieren. Was sind die Kernpunkte engagierterer deutscher Außenpolitik? Was sind die roten Linien, die die Zurückhaltung markieren? Was sind die institutionellen Reformen, die die angeblich wichtigere Rolle Deutschlands begleiten?
Letztlich bleiben Steinbrück und von der Leyen in der Tradition deutscher Sicherheitspolitik: Schwammig und unambitioniert. Und nein. ambitioniert heißt nicht automatisch mehr Militäreinsätze, sondern dass man ein klares Ziel benennt und darauf hinarbeitet (und wenn es globale Abrüstung ist. Oder Aufrüstung.. w/e)
Typische Reden deutscher Politiker. Zunächst die Ankündigung etwas zu ändern zur Besänftigung der Verbündeten und weil man ja doch irgendwie im Club der Erwachsenen mitspielen will, wenige Zeilen weiter gelesen folgt aber sogleich wieder ein großes „Aber“ gleichbedeutend einem Rückzieher. Schließlich hat man Angst vor der Verantwortung und jemand könnte Engagement einfordern. Natürlich dürfen am Ende die üblicherweise vorgeschobenen „historischen Gründe“ nicht fehlen.
Dumm nur, wenn die Presse (va die internationale) den Inhalt der Reden gänzlich anders auslegen als von dem deutschen Politiker und seiner Schreiber erdacht. Eigentor.
Zitat: „Zurückhaltung quasi als Selbstverständlichkeit in seiner Rede hervorgehoben. Seine Ergänzung, eine so politisch wie wirtschaftlich starke Nation könne Außenpolitik nicht nur von der Seitenlinie kommentieren, mag als Selbstverpflichtung zu einem stärkeren politischen und diplomatischen Engagement gemeint sein.“
Bei den Demokraten (Demokratie = Volksherrschaft) etwas zurückhaltender, aber bei den Faschisten in der Ukraine und den Islamisten in Saudiarabien und Katar legen wir noch etwas drauf. Die sogenannten (halbroten) Linken sind in Wahrheit die Rechten.
Zitat: „Kommunikation, das ist auch ein unter Politikern bekannter Grundsatz, ist nicht, wie es gemeint ist – sondern wie es ankommt.“
Kommunikation ist in erster Linie, was wirklich gesagt wurde. Und nicht was verstanden wurde. Das Bildungsniveau der Menschen, und damit auch das Verständnis, ist sehr unterschiedlich. Die Sprache, zumindest die deutsche Sprache ist (im Gegensatz zur englischen Sprache) recht präzise. Unverständnis oder Unwissenheit des Empfängers mangels Bildung ist nicht das Problem des Absenders. Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Wer zu dumm ist, eine Rede oder ein Gesetz zu verstehen, der muß die Konsequenzen tragen. Nicht der Redner, nicht der Gesetzgeber. Das sind die Regeln einer Leistungsgesellschaft.
@Stefan
Stimmt, wenn Kerry das falsch versteht, müssen die USA eben die Konsequenzen tragen.
@ Stefan
Dies ist schon eine sehr eigenwillige Auslegung der Kommunikationslehre.
Gegenbeispiel, wo wir genau verstanden haben, was der Redner NICHT gesagt hat, war die Rede des US Aussenministers Kerry an der Stelle wo er zur Rolle der NSA und das weitere Verhalten der USA eben nichts gesagt hat.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/streit-um-nsa-abhoermassnahmen-keine-entschuldigung-der-usa-a-950577.html
Die nächste Entscheidung im Räumgebiet muss dann vor dem 13.02. fallen, denn dann soll die Verlängerung von EUTM Mali parlamentarisch beraten werden (http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/14.html, TOP 6). Zuvor muss die Ressortabstimmmung abgeschlossen sein und der Kabinettsbeschluss erfolgen.
Bis dahin sollte man sich mal im Klaren sein inwieweit sich EUTM Mali im Sommer 2014 verändern wird (follow-on-training, dritte Liegenschaft, force protetction, mögliches Mentoring im Norden) – andere Regierungen sind hier weitaus ehrlicher (http://augengeradeaus.net/2014/01/mehr-deutsche-ausbilder-in-mali-dann-auch-im-norden/).
Bezeichnenderweise wird am selben Tag auch das letzte ISAF-Mandat eingebracht.
Ein großes Räumgebiet mit vielen Minen und aufkommendem Wind.
Es fehlt eben auch im Jahr 24 nach der Zurueckerlangung der (Teil-) Souveraenitaet eine ganzheitliche Vision der wirtschafts-/ aussen- und sicherheitspolitischen Ambitionen, unterlegt mit entsprechenden strategischen Zielen.
Solange die deutsche Politik nicht definiert, was Deutschlands Rolle in Europa und der Welt sein soll, welche Interessen wir haben, fuer die wir uns mit allen verfuegbaren Mitteln (politisch wie militaerisch) engagieren wollen, brauchen wir solch Inhaltslose Diskussionen wie heute nicht zu fuehren.
Jedes Unternehmen setzt sich eine Vision, stategische wie operative Ziele … diese muessen mit Massnahmen zur Zielerreichung unterlegt werden … schaut man sich in diesem Sinne den Koalitionsvertrag/ das Regierungsprogramm an, so erkennt man in allen Bereichen nur parteipolitische „Einzelloesungen“ die keinem groesseren Zweck dienen … Deutschlands Politik ist visions- und konzeptlos!
@Georg | 02. Februar 2014 – 9:49
Wenn Sie A sagen, ich aber B verstehe (verstehen will), dann ist es doch nicht Ihre, sondern meine Schuld. Wenn ich ein Gesetz (einen Wortlaut) nicht verstehe (verstehen will) und dadurch straffällig werde. Ist es dann die Schuld des Gesetzgebers? Gehe ich dann straffrei aus? Tritt der Gesetzgeber für mich die Strafe an? Ich glaube nicht.
@ Stefan
Wenn ich aber sicherstellen will, dass B mich verstanden, dann muss ich nachfragen und ggf. mir das Übermittelte rückübermitteln lassen. Dies wird sogar in rein technischen Systemen so gemacht (Monitorempfänger für Funksendeanlagen).
Wenn es mir egal ist, ob B mich verstanden dann, dann kann ich so vorgehen wie sie es vorschlagen. Das sind dann die „Lautsprecher“ und „Sternsinger“ der Politik, die problemlos ihren Text 10 mal bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholen und denen es nicht darauf ankommt, ob sie verstanden werden, sondern nur das sie „laut“ rüber kommen und wahrnehmbar sind.
Das Fazit der MSC von der NZZ:
http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/vorwaerts-zu-ein-bisschen-weniger-abstinenz-1.18234337
Es bleibt eben Inkonsequenz in neuem pseudo-konsequentem Gewandt.
Aber so ist das Berliner Raumschiff aus Politik, Ministerialverwaltung, Presse und Wissenschaft wiedermal schön aufgeregt und dreht sich um sich selbst.
@Memoria
Danke für den Link. Das sind ja heftige Worte von der NZZ:
@T.Wiegold:
DieWahrheit ist eben nicht immer angenehm – und von außen sieht man die Wahrheit wohl offenbar besser. Wie bereits die Artikel von Gujer zu den Bundeswehreinsätzen in Mali und AFG („deutsche Peinlichkeiten“, „Der Mythos der deutschen Gutkrieger“).
Im Gegensatz zu vielen Beiträgen in der deutschen Presse hat die NZZ einmal mehr gezeigt, dass sie die beste deutschsprachige Zeitung ist.
Zum Gehalt: Wenn die Presseberichte stimmen, dann sollen bei EUTM Mali für Schutz (nur in Bamako) und Infanterieausbildung (wo genau unklar) 50 Soldaten eingesetzt werden.
Früher, entschlossener, substantieller.
Bla, bla, bla.
Autsch – der saß! Treffer Zielmitte!!!
Jetzt blicken wir mal in die Glaskugel:
Wird Deutschland wirklich einen signifikanten Beitrag in Afrika leisten wollen oder machen wir das mit den Fähnchen?
…ich fürchte die Antwort…
@Georg | 02. Februar 2014 – 15:34
Wie einige Kommentatoren, die Foren und Blogs mit Amerikanismen und Abkürzungen unnötig, aus reiner Geltungssucht, vollmüllen. Denen scheint es offenbar egal zu sein, ob sie auch verstanden werden. Vermutlich verstehen einige davon selbst nicht, was sie da in Wirklichkeit schwätzen. Wenn man aber mit einen Gesprächspartner in seiner Muttersprache spricht, dann muß man davon ausgehen können, dass er es verstanden hat. Oder fragen Sie ihre Gesprächspartner kontinuierlich „Haben Sie mich verstanden“ oder „Bitte wiederholen Sie, was ich ausdrücken wollte, damit ich sicher sein kann, dass Sie mich auch richtig verstanden haben“. Dies wäre doch wohl mehr als albern. Oder?