Alles neu – US-Ultimatum an Syrien?
Im Moment überschlagen sich die Eilmeldungen ein wenig: US-Außenminister John Kerry habe Syrien ein Ultimatum gestellt – wenn das Regime von Präsident Bashar Assad innerhalb einer Woche alle Chemiewaffen übergebe, werde es keinen Militärschlag geben. Das ist jedenfalls die Meldung der Nachrichtenagentur Reuters.
Bislang, scheint es, ist Reuters mit dieser Meldung (und mit dieser Interpretation) allein. Und das Zitat Kerry ist hinreichend vage:
When asked by a reporter whether there was anything Assad’s government could do or offer to stop an attack, Kerry said:
„Sure, he could turn over every single bit of his chemical weapons to the international community in the next week – turn it over, all of it without delay and allow the full and total accounting (of it) but he isn’t about to do it and it can’t be done.“
Ein ernsthaftes Ultimatum? Wir werden sehen.
Nachtrag: Zu spät, in Deutschlands Medien wird es ernstgenommen, wie die 12-Uhr-Nachrichten des DLF belegen. Mal gucken, wie alle davon wieder runter kommen.
Nachtrag 2: Der AP-Bericht über Kerrys Pressekonferenz – das Zitat mit der Wochenfrist wird auch erwähnt, aber nicht als Ultimatum verstanden.
Nachtrag 3: Russland fordert Syrien auf, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen.
Das klingt nach einer neuen Zusammenfassung. Aber erst, wenn sich die Wogen ein wenig geglättet haben.
Das Ultimatum ist ein Witz.
Da hatte ja Serbien 1914 noch mehr Möglichkeiten, das Ultimatum einzuhalten.
vlt ist das die gesichtswahrende maßnahme in reaktion auf das russische „landungsunternehmen“ in tartus (immer unter der bedingung, die spekulationen im anderen fred entsprechen den tatsachen)
Dieses Kerry Ultimatum wurde in den israelischen Medien bereits vor zwei Wochen diskutiert. Es ist damit klar woher die Idee kommt.
Aber es war Syrien und der Iran die mehrfach offiziell eine WMD freie Zone in Nahen Osten vorgeschlagen haben.
Die syrische Regierung würde sicherlich gerne alle nicht-konventionellen Waffen aufgeben sofern, vernünftigerweise, Nachbarstaaten dieses ebenso versprechen und gleichzeitig mit Syrien durchführen.
Wie die Chancen dazu stehen kann Kerry in Tel Aviv erfragen.
@b
Noch mal zum Mitschreiben: Es gibt kein Ultimatum, Reuters hat offensichtlich eine Aussage Kerrys, äh, überinterpretiert.
Etwas zur Spekulation: Russland als Empfänger im Namen der internationalen Gemeinschaft wäre m.E. in der Tat eine akzeptable Lösung. Vor allem dann, wenn dies vorher im UNSC so abgestimmt ist. Damit wäre die Kuh erstmal vom Eis.
Diese Variante hätte auch einen entscheidenden Vorteil: Sie lässt zunächst offen, wer für die Einsätze vom 21. August verantwortlich war. Sie sagt nur richtigerweise, dass von dem (unbestreitbaren) Chemiewaffenpotenzial Syriens eine große Gefahr für die syrische Bevölkerung und für die gesamte Region ausgeht – sei es durch das Regime selbst oder sei es durch andere (diverse Rebellengruppen oder auch die Hisbollah), die sich Zugang verschaffen könnten.
Allerdings, neben der technischen Frage der Machbarkeit: Ich kann mir kaum vorstellen, dass Assad sich darauf einlassen (die angebliche Sorge um territoriale Ambitionen Israels ist definitiv nicht der Grund dafür) und auch ob die syrische Armeeführung (wie frei ist Assad selbst eigentlich noch in seinen Entscheidungen?) das akzeptieren würde. Die Hoffnung aber bleibt, auch wenn mir das Ganze als außerordentlich vage vorkommt.
@KeLaBe
na ja, falls aber jemand eine dahingehende Initiative ergreift, dann könnte schon eine win-win Situation entstehen. Das Hauptrisiko ist, das Chemiewaffen inkl. Verbringungsmitteln wie diese pipe-rockets in die Hände von sunitischen Extremdjihadisten fallen.
Dieses Risiko wollen weder die Russen, noch die Saudis, noch die USA, noch die Israelis, noch der Iran usw. usw. wirklich auf ihre Schultern laden. Es ist also das gemeinsame internationale Interesse dieses Szenario zu verhindern.
Das hat natürlich einen politischen Preis für alle „interested parties“, könnte aber für all diese ip der gesichtswahrende Einstieg in eine politische Lösung sein….
@T.W.
Das „Ultimatum“-Geschreibsel auf SPON et alia ist wirklich unsäglich……
Weiss man schon, was Herr Assad seinen unterwürfigen Chefredakteuren dazu in den Block diktiert hat?
@ klabautermann – 12:42
Sehe (und hoffe) ich auch so. Wobei ich, das Hauptrisiko der Chemiewaffen betreffend, neben den Dshihadisten auch die Hisbollah mit einschließe. Wenn der militärische Arm dieser Bewegung Zugang zu Chemiewaffen samt Trägermitteln erhalten und trotz UNIFIL auch im Südlibanon verfügbar machen sollte, würde dies automatisch zu einer (präventiven) militärischen Antwort Israels führen. Wie immer man zu der israelischen Sicherheitsperzeption steht (ich bin da in vielem sehr skeptisch): Das könnte und wollte Israel nicht hinnehmen – und schon ist eine neue Dimension der Tragödie im Nahen Osten erreicht.
@KeLaBe
Die Hisbollah steht ziemlich unter iranischer Kontrolle, und die Iraner senden zZt ganz neue Töne Richtung Israel und US….schau´n wir mal…….
@ klabautermann
Entscheidend ist hier aber nicht, was der Iran vielleicht will, sondern wie Israel das (zu Recht oder zu Unrecht) sieht. Und da bin ich ziemlich klar der Meinung: Chemiewaffen in Hisbollah-Besitz würden die Israelis an ihrer unmittelbaren Nordgrenze niemals dulden.
@kelabe:ich kann diesbezüglich auch absolutes verständnis für die positionierung israels aufbringen.
ansonsten ist der vorschlag kerrys inhaltlich in ordnung.nur zeigt uns die irakmission zur verifikation und vernichtung der c-waffen,dass die kolportierte zeitschiene unrealistisch ist.
für syrien ist der vorschlag-wie gesagt: mit ausnahme der zeitschiene- annehmbar und strategisch ohne belang.die syrischen chemiewaffen taugen, wie andere auch, weder zur abschreckung noch zur ausbalancierung eines strategischen gleichgewichts.auch sind und bleiben c-waffen taktische einsatzmittel.das strategische moment der syrischen außen- und sicherheitspolitik heißt russland.und das ist eines,was man auch in israel versteht und respektiert.
das man in israel die c-waffenarsenale lieber abgebaut denn in nicht staatliche hände übergegangen wissen will,ist verständlich und eine mehr als akzeptable israelische prämisse.
Nun, die ganze Bemerkung Kerry´s ist ein diplomatischer Ball, den nun jemand bitteschön innerhalb einer Woche auffangen soll. Das muß nicht Assad sein…….
Ansonsten @KeLaBe und @Sachlicher stimme ich ihnen zu in Sachen wahrscheinliche israelische Reaktion auf Chemiewaffen in Verfügung der Hisbollah…
Da er sich in seiner Flapsigkeit hübsch entlarvt. Wenn es um Chemiewaffen ginge, hätten die USA ein solches Ultimatum ernstlich und erfüllbar stellen können, als das syrische Militär immer stärker auf den Einsatz drängte.
„Die israelische Nachrichtenseite Ynet news berichtete währenddessen unter Berufung auf israelische Regierungskreise, Russland verhandele derzeit über einen Deal, chemische Waffen aus Syrien zu entfernen.“ auf WELT OL…….
Da geht doch noch was ;-)
@Ops | 09. September 2013 – 13:33:
Und bei Verstreichen des Abgabultimatums hätten die USA dann einen Militärschlag führen sollen, obwohl keine C-Waffen eingesetzt wurden?
Nee, Ultimaten ohne Druckmittel sind witzlos. Das hätte daher nichts gebracht.
Es gibt keine Beweise für den Chemiewaffeneinsatz in Syrien. Vielleicht sollte das erstmal geklärt werden bevor die Lügen vom Mossad gegalubt werden.
Überlegt doch mal wer einen Vorteil von dem Chemiewaffeneinsatz hatte? Genau dort und zu dem Zeitpunkt wo die Inspektoren eintreffen passiert ein Anschlag, ist das nicht merkwürdig?
Nach der Lüge mit den Massenvernichtungswaffen im Irak mit 1,4 Millionen Toten und der Zerstörung des Landes wäre ich mit solchen Aussagen vorsichtig.
Hier mal eine andere Meinung dazu: http://www.mintpressnews.com/witnesses-of-gas-attack-say-saudis-supplied-rebels-with-chemical-weapons/168135/print/
Und warum fordert keiner die Amerikaner oder die Israelis auf ihre Chemiewaffen abzugeben? Ist Uranmunition nicht auch eine C-Waffe? Gut für die Umwelt ist es garantiert nicht und die Folgen von Agent Orange werden auch noch Jahre zu spüren sein.
Der Guardian berichtet auch an hervorgehobener Stelle, oben links auf der Startseite, allerdings verwenden die das U-Wort nicht: „John Kerry gives Syria week to surrender chemical weapons or face attack„
Ich schmeiß mich wech ;-)))))))))
http://www.spiegel.de/spam/
Tom | 09. September 2013 – 14:12
Und bei Verstreichen des Abgabultimatums hätten die USA dann einen Militärschlag führen sollen, obwohl keine C-Waffen eingesetzt wurden?
Ja, mit einer Operation, die zumindest oberflächlich auf die Zerstörung bzw. Sicherung der Waffen abzielt, hätten sie das tun können. Das wäre nach den lang anhaltenden Rufen, auf Seiten der Rebellen einzugreifen, nicht schwieriger zu rechtfertigen gewesen als jetzt, hätte mit einem vergleichbaren ND-Lagebild begründet werden können und wäre schlüssig auf Prävention anstatt archaisch auf Vergeltung gerichtet.
Diese Option liegt daher nicht fern, hätten die USA jemals selbstbestimmt eingreifen und dies mit dem Faktor Massenvernichtungswaffen verbinden wollen. Wollten sie aber nie.
Die Briten und einige arabische Länder möchten die USA dort sehen. Obama hat den Fehler gemacht, ihnen aufzuzeigen, was nötig ist, um die USA in eine Glaubwürdigkeitsfalle zu manövrieren, aus der sie sich nur durch einen Militärschlag befreien können.
@Sebastian
a) wenn ich das richtig sehe, ist der Kommentatoren-Name hier schon vergeben…
b) mit ein bisschen einlesen: der Link ist hier schon vor mehr als einer Woche rumgereicht worden. Und seitdem immer noch nicht durch eine zweite Quelle gestützt.
c) muss ich überlesen haben, dass der Chemiewaffeneinsatz am 21. August da passierte, wo gerade die UN-Inspektoren waren.
d) die Diskussion um Agent Orange hatten wir hier die vergangenen Tage.
Unterm Strich: vielleicht erst mal gucken, was hier alles schon war?
@Ops | 09. September 2013 – 14:36
Wollen sie es ernsthaft als (verpasste) Option darstellen, dass die USA ein Land angreifen und dies offiziell damit begründen, dass es seine nicht verbotenen Chemiewaffen nicht abgibt? So ganz ohne deren Einsatz /-drohung?
Da ist das frühere Säbelrasseln bezüglich eines atomar befähigtem Iran ja völkerrechtssicherer – und leichter nach Innen und Außen zu verkaufen.
@ ultimatum. so aus der sicht des sales-departments … es ist für den zügigen abschluss eines kaufvertrags manchmal hilfreich den „käufer“ (in diesem fall assad) etwas unter druck zu setzen, der faktor „zeit“ ist da ein gern genutztes mittel. ;)
Na bitte: Die Schonfrist hat laut US-Regierung eine rein rhetorische Bedeutung. –> http://www.srf.ch/news/international/kerry-rhetorische-schonfrist-fuer-assad
Der Verzicht Syriens auf seine Chemiewaffen ist, angesichts seiner Sicherheitslage, mehr als unrealistisch. Dies ginge nur in Verbindung mit einer kernwaffenfreien Zone im Nahen Osten. Da könnte ich mir schon eher eine Bewachung durch russisches und chinesisches Militär vorstellen. Freigabe an Syrien nur bei einem äußeren Angriff auf Syrien. Analog dem Verfahren mit den Atomwaffen in Deutschland (Büchel), die auch erst im Kriegsfall an die Bundeswehr übergeben werden..
Der gestern aus Gefangenschaft syrischer Kämpfer freigelassene Forscher Pierre Piccinin da Prata erklärte: „Ich halte dies für meine moralische Verpflichtung, es zu sagen. Nicht die Regierung von Baschar Al-Assad hat Gas Sarin oder ein anderes Gas in Vororten von Damaskus eingesetzt“, sagte der ehemalige Gefangene unter Berufung auf ein abgehörtes Gespräch seiner Entführer.
Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/news/2013_09_09/Befreite-belgische-Geisel-schutzt-syrische-Regierung-7117/
Abgesehen davon, dass es dem Bericht an Fakten mangelt, woher der guter Forscher seine Informationen besitzt. Finde ich es mittlerweile mühselig, dass solche starken Behauptungen einiger Nutzer hier mit Quellen wie „der Stimme Russlands“ belegt werden. Gleiches gilt für die Mintpressnews-Story.
@Müller | 09. September 2013 – 16:05
Der Fakt ist, er hat es mit seinen eigenen Ohren von seinen Entführern gehört. Dies ist mindesstens so glaubwürdig, wie illegal abgehörte Nachrichtenverbindungen, wo man nicht wirklich weiß wer dort mit wem gesprochen hat.
Was dem einen sin Uhl ist dem andren sin Nachtigall…
@Stefan: Was Radio Moskau da verbreitet, hat mit der reinen Wahrheit so viel zu tun wie der Inhalt des „Silbersees“ mit destilliertem Wasser. Wenn Putin Guten Tag sagt oder sagen läßt, muß man schon selbst zum Fenster raus schauen, ob’s stimmt. Das gleiche gilt natürlich für die Verlautbarungen, die das Weiße Haus derzeit zum besten gibt.
Wenn man seine Jugend irgendwo im Einzugsbereich des ND begonnen hat, hat man doch das „Zwischen den Zeilen lesen“ mit der Muttermilch aufgesogen.
@iltis | 09. September 2013 – 16:21
Verbreitet hat es RTL (belgisches Radio RTL-TVI).
Stimme Russlands hat es nur zitiert.
Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/news/2013_09_09/Befreite-belgische-Geisel-schutzt-syrische-Regierung-7117/
Hm, vielleicht waren manche Spekulationen hier doch nicht so daneben ;-) Gerade laufen diverse Eilmeldungen, Russland habe Syrien aufgefordert, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Mal sehen, was dran ist.
– Ironie an –
Der Westen kann sich nicht zu einem schnellen Militärschlag entschließen aber Assad soll das einzige Mittel freiwillig abliefern weshalb der Westen angst vor einem Militärschlag hat.
– Ironie aus –
Die Amerikanische Regierung tut mir mittlerweile ja schon fast leid. Diese Hilflosigkeit die da zur Schau gestellt wird. Ein gutes hat es zumindest, jetzt brauchen sich die USA nicht mehr „Weltpolizei“ schimpfen zu lassen.
Sieht so aus, als haben man in St.Petersburg eine Last Exit gefunden. Vielleicht war es doch besser direkt miteinander zu reden, als es über Sondermeldungen und PKs auszuschießen
„Russia would urge Syria to concentrate its chemical weapons in certain areas under international oversight and then dismantle them.“ http://www.washingtonpost.com/world/middle_east/russia-syria-push-for-return-of-un-inspectors-to-investigate-chemical-attack/2013/09/09/5f1ad5e2-1934-11e3-80ac-96205cacb45a_story.html
Naja, Assad hätte an einem solchen Schlag auch keinen Spaß. Wenn er den Schlüssel zu den Silos auf Zeit jemand anderes überläßt und so der Duck vom Kessel genommen werden kann, gibt es erst mal nur Gewinner.
Aber: Nach der Krise ist vor der Krise.
Aus der aktuellen Situation lässt sich eigentlich nur eins ableiten. Das ganze System der UN und insbesondere des Sicherheitsrat müssten überarbeitet werden.
– keine Vetomächte mehr
– bzw. Veto überstimmen durch die Vollversammlung mit 2/3 Mehrheit.
Aber von der „Fünfer-Gang“ wird da keiner mitmachen weil man ja irgendwas von den aber Mio.$ jährlich an Unterhalt für die Kernwaffen Arsenale irgendeinen nutzen haben muss.
„Arme. Kranke. Welt“
@Tilo | 09. September 2013 – 16:40
Dies ist offensichtlich eine syrisch-russische Initative, die ich mir ohne eine russische Sicherheitsgarantie für Syrien nicht vorstellen kann. Damit wäre Syrien entgültig als russisch-chinesisches Einflußgebiet festgeschrieben. Die USA, der Westen und die Gölfdiktaturen wären vor der Tür. Kann dies klappen???
@ Stefan:
Warum nicht?
Wir hätten ein Syrien hinter dem Russland steht,auch vielleicht China.
Na Und?
Was soll passieren?
Werferehler
Krieg ist vorbei – Syrien stimmt Kontrolle seiner C-Waffen zu vermeldet die BILD. Oder Infowars at its best…
„Seibert sagte außerdem in einem anderen Kontext, es gebe „keinerlei Ansatz, der für die Unschuld Assads“ spreche.“
Neuer Ansatz für die Politik. man stelle sich folgende Meldung vor: “ Es gebe keinerlei Ansatz für die Unschuld von A. Merkel bei der Eurokrise“.
Überraschende Wende: Syrien stimmt Chemiewaffen-Kontrollen zu
Okay, nehmen wir einmal an, die heutigen Meldungen stimmen halbwegs. Wäre ja im Grundsatz höchst erfreulich. Aber dann gibt’s jetzt einige harte Hausaufgaben unter höchstem Zeitdruck zu erledigen:
– Erstens sollte ein Beschluss des UNSC herbeigeführt werden, der völkerrechtlich alle Seiten einbindet. Das schiene jetzt vielleicht machbar. Falls es tatsächlich ein window of opportunity gibt, dann ist es rasch zu nutzen.
– Zweitens braucht man einen ehrgeizigen und zugleich realistischen Plan, der die Gesamtoperation einer Übergabe und Vernichtung der Chemiewaffen nach Raum, Zeit und Kräften beschreibt. Leitlinie: So schnell wie möglich, so gründlich wie nötig.
– Drittens muss ein vertrauenswürdiges, durchsetzungsfähiges Verifikationsregime der UN installiert werden. Auf bloße Absichtsbekundungen will sich wohl niemand verlassen. Hier könnte übrigens Deutschland mit seinen intensiven Erfahrungen in der Rüstungskontrolle (dies allerdings weniger bei Chemiewaffen) eine wirksame Rolle spielen.
– Aber: Viertens darf – selbst wenn die Punkte 1 bis 3 generell umzusetzen sind – niemand glauben, die Tragödie um die Gegenwart und Zukunft Syriens sei damit beendet. Eine sinnvolle politische Lösung fällt auch ohne Chemiewaffen nicht vom Himmel, rückt allerdings zum Glück wieder etwas näher.
Ich hoffe sehr, das Ganze entpuppt sich nicht als Fata Morgana.
@MD.
„Syrien stimmt Kontrolle seiner C-Waffen zu vermeldet die BILD.“
Der Russe will die dilettantische US-Regierung jetzt mal so richtig vorführen und bereitet eine Situation vor, in der die USA wegen ihrer diversen Festlegungen zu Gefangenen ihrer eigenen Fehler werden nur verlieren können. Natürlich wird Syrien die Vorstellungen der USA zum Thema Chemiewaffen nicht erfüllen, aber dank der wohl mit den Syrern abgesprochenen russischen Initiative werden es jetzt in der internationalen Wahrnehmung die Amerikaner sein, die sich durch eine Ablehnung der Initiative gegen eine friedliche Lösung stellen. Und auch wenn die Amerikaner die Initiative annehmen, verlieren sie dabei, weil sie russisch-syrische Führung akzeptieren. Mit einer kompetenten Regierung, die auf sinnlose öffentliche Festlegungen hätte, wäre den Amerikanern das nicht passiert.
Diplomatisch war das für Russland schon ein Meisterstück, das muss man einfach anerkennen. Von Lawrow’s Geschick können sich viele westliche Außenpolitiker einige dicke Scheiben abschneiden.
@ Jundi
Vielleicht sollte man das alles nicht nur unter der Rubrik „siegen oder verlieren“ verbuchen. Die (derzeit noch allzu vage) aufgezeigte Option hilft im Augenblick allen aus einer Automatisierungsfalle. Für Euphorie ist es zu früh, aber endlich liegt wieder eine diplomatische Initiative auf dem Tisch, die einen Ausweg bieten könnte.
Und: Wenn das alles tatsächlich gelingt, ginge seine Bedeutung weit über Syrien hinaus. Es könnte eine neue Ära der amerikanisch-europäisch-russischen Zusammenarbeit in Fragen internationaler Sicherheit einläuten. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass es sich nicht um ein kurzatmiges diplomatisches Ränkespiel handelt.
Lavrov hat Kerry da in sein eigenes Messer laufen lassen.
Obwohl das U.S. Aussenministerium das Kerry Ultimatum als „rhetorische Bemerkung“ unverzüglich zurückgenommen hat, hat Lavrov das aufgenommen.
Die Chemiewaffen werden „internationaler Kontrolle“ unterstellt – d.h. russische Beobachter als menschliche Schutzschilde in den Lagerstätten. Die Vernichtung von Chemiewaffen dauert Jahrzehnte da man dazu erst mal entsprechende Anlagen bauen muss. Sowohl Russland als auch die USA hinken ihren Verpflichtungen zur Vernichtung ja beide schon Jahre hinterher.
Bei dem jetzt vorliegenden Angebot kann Obama wohl kaum seinen Krieg anfangen. Ohne Eingriff von außen sind die „Rebellen“ in Syrien dann aber auf sich allein gestellt und werden vernichtet werden.
KeLaBe | 09. September 2013 – 18:28
Ich finde Ihren Aktionsplan nicht verkehrt. Punkt.
Eine Anmerkung bzgl. der Expertise in Verifikationsfragen von C-Waffen: Hier müssen Sie die dt. Erfahrungen (vgl. UN Resolution 687 (1991) bzgl. IRAK, Verifikationen in der Russischen Föderation, usw.) und Fähigkeiten nicht kleiner machen, als sie sind.
Evtl. interessant: http://www.znf.uni-hamburg.de/Folien0606.pdf, ein Vortrag zum Komplex CWÜ).
@ iltis | 09. September 2013 – 16:21 – –
[…] Was dem einen sin Uhl ist dem andren sin Nachtigall…[…]
Eben. Meinungen, Ansichten, Wortmeldungen, Gefühle gar interessieren auf dem diplomatischen Parkett nicht. Verifikationsberichte sind notwendig, also Berichte von Fachleuten deren Votum von vornherein als neutral und relevant deklariert wird. Denn ganz sicher gibt es viele Fachleute, aber bei der Verifikation ist Können eben nur hinreichend, aber nicht ausreichend.
Und jetzt muss ich auch einmal poltern: Obama ist keine Lame Duck, er ist eine Duck in Coma. Aua, aua, aua kann ich nur sagen. Aber gut, es gibt genügend aufzuräumen-Herr Westerwelle ab in den Flieger Berlin-Paris-Moskau und viel Erfolg, den werden wir brauchen.
@KeLaBe | 09. September 2013 – 18:46
Und: Wenn das alles tatsächlich gelingt, ginge seine Bedeutung weit über Syrien hinaus. Es könnte eine neue Ära der amerikanisch-europäisch-russischen Zusammenarbeit in Fragen internationaler Sicherheit einläuten. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass es sich nicht um ein kurzatmiges diplomatisches Ränkespiel handelt.
Heute sind wir uns in vielen Punkten sehr einig, wie mir scheint. Ich sehe das genauso, mit Blick Richtung Peking sogar noch deutlicher.
@KeLaBe
„…endlich liegt wieder eine diplomatische Initiative auf dem Tisch, die einen Ausweg bieten könnte.“
Einen „Ausweg“ sucht wohl nur die syrische Regierung, weil sie keine Intervention gegen sich gebrauchen kann. Für Russen und Amerikaner dürfte das Thema aber jeweils ein Nullsummenspiel sein. Die Russen wollen ihren Partner behalten und brauchen keine gestärkt aus der Sache hervorgehenden USA, während die Amerikaner je nach Deutung entweder einen langen Bürgerkrieg in dem sich Assad und Rebellen gegenseitig aufreiben oder einen Sturz Assads durch „moderate“ Rebellen anstreben und gleichzeitig ihren Einfluss gegen stärker werdende Großmächte wie Russland und China behaupten wollen. Gewinnen die Amerikaner, dann verlieren die Russen, und umgekehrt.
Die russische Initiative ist in diesem Spiel ein genialer Schachzug, aber ganz gewiß kein Beginn einer „Ära der amerikanisch-europäisch-russischen Zusammenarbeit“.
Ich vermute mal, die angedachte internationale Kontrolle bei dieser Initative Syriens und Russlands wird wohl eher seitens der Internationalen Gemeinschaft, vertreten durch Russland, China und Gleichgesinnten liegen. Die Regimegegner USA, GB, FR, die Golfdiktaturen und andere Militärschlagsbefürworter sowie alle aktiven Unterstützer der Terroristen wird die syrische Regierung nicht akzeptieren. Ein Beschluß seitens des UNSR ist nicht zwingend erforderlich. Es reicht die Zustimmung des souveränen Syrien, die offensichtlich erfolgt ist. Die Entscheidung, wer die Kontrolle übernimmt, liegt bei der syrischen Regierung.
@b | 09. September 2013 – 18:52
Und rein zufällig war der syrische Außenminister zu Gesprächen in Moskau. ;-)