EuroHawk: Zähflüssiger Informationsweg nach oben
Kurz nach Amtsübernahme als Verteidigungsminister im März 2011 ließ sich Thomas de Maizière die wichtigsten Rüstungsprojekte der Bundeswehr erläutern. Dabei waren große, lang laufende und teure Vorhaben wie der Eurofighter, der Schützenpanzer Puma oder die Korvetten der Deutschen Marine. Nicht dabei: Die größte Drohne der Bundeswehr, das System EuroHawk. Vom Volumen her, sagte der damalige wie heutige Rüstungsdirektor Detlef Selhausen (Foto oben), sei es ein zwar wichtiges, aber eben nicht so großes und wichtiges Projekt gewesen.
Das scheint symptomatisch: Das Aufklärungssystem EuroHawk war zwar aus Bundeswehrsicht seit Jahren dringend erforderlich, oder, um es mit Selhausens Worten zu sagen: Es gab einen unabweisbaren Bedarf, und die Streitkräfte hofften darauf, mit dem System auch einen Schritt in die Zukunft der unbemannten Luftfahrt zu tun. Zugleich aber war das Projekt, so die Summe von Selhausens Aussagen am (heutigen) Mittwoch vor dem EuroHawk-Untersuchungsausschuss des Bundestages, nicht so wichtig, dass es die Leitung des Verteidigungsministeriums über Gebühr beschäftigt hätte. Zumal selbst wesentliche Entscheidungen in dem Projektablauf auf Arbeitsebene getroffen wurden und undokumentiert blieben: Der Informationsweg nach oben schien doch ziemlich zähflüssig.
So nahm Selhausen, immerhin deutscher Rüstungsdirektor und Leiter der Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik, Nutzung, nach seinen Worten nur ein einziges Mal an einer Besprechung mit Minister Thomas de Maizière selbst teil, bei der es um den EuroHawk ging. Das war eine Rüstungsklausur am 1. März 2012, und zum Thema der Riesendrohne trug nicht etwa Selhausen vor, sondern Luftwaffeninspekteur Karl Müllner. Der habe auch Zulassungsprobleme für den EuroHawk erwähnt. Dazu habe er selbst, sagt Selhausen, sinngemäß erklärt: Die Rüstungszuständigen und die Luftwaffe würden das schon klären.
Ob es Fehler in der Entscheidungs- und Informationskette gab? Da musste Selhausen eine Weile nachdenken. In der Tat: Als am 6. Februar 2010 bei einer Besprechung in Manching vom Projektleiter entschieden wurde, nicht weiter die Musterzulassung für die geplante EuroHawk-Flotte zu betreiben, sondern für das bislang einzige Exemplar eine Prototyp-Zulassung zu planen – da wurde diese wegweisende Entscheidung nicht dokumentiert. Er selbst habe erst eineinhalb Jahre später davon erfahren, bei einer Besprechung im November 2011- und in Folge dieser Besprechung dann festgelegt, dass eine Bestellung der so genannten Langläufer-Teile für die geplante Flotte erst mal angehalten wurde. Allerdings: auch aus nachträglicher Sicht hätte er bei sorgfältiger Überlegung nicht anders entschieden.
Von solchen Problemen und gar von möglichen massiven Kostensteigerungen bekamen allerdings, so Selhausens Schilderung, die Staatssekretäre und der Minister nichts mit. Daran änderte auch eine E-Mail von Selhausen an die Büroleiterin des Rüstungs-Staatssekretärs Stéphane Beemelmans vom Januar 2012 nichts, die dem Rüstungsdirektor im Ausschuss vorgehalten wurde (und zuvor schon Medien zugespielt worden war).
In dieser Mail ist von einer dramatischen Kostenexplosion beim EuroHawk die Rede, von 610 Millionen Euro auf 1,06 Milliarden Euro. Doch schon ob diese Information den Staatssekretär erreicht habe, geschweige den Minister, könne er natürlich nicht sagen, betonte Selhausen. Er habe schließlich nur Beemelmans Büro informiert, damit der eine Klärung habe, falls das bei einem Minister-Gespräch mit der Industrie eine Rolle gespielt haben sollte.
Richtig Thema wurde das alles erst im Februar 2012, als er förmlich Beemelmans informierte, sagte Selhausen. Dann sei nach alternativen – und kostengünstigeren – Wegen der Zulassung des Luftfahrzeugs gesucht worden. Erst etwa ein Jahr später nahm das ganze Thema dann Fahrt auf – und mündete in zwei Vorlagen bis zu derjenigen, auf deren Grundlage der Minister im Mai den Stopp des Projekts entschied.
Immerhin, gab Selhausen zu bedenken, seien von den Zielen des Projekts die meisten erreicht worden: Der Test der unbemannten Plattform Global Hawk als EuroHawk – check. Die Entwicklung des Aufklärungssystems ISIS – check. Die Integration von ISIS in den EuroHawk-Prototyp – check. Von vier Zielen seien damit die ersten drei erreicht – und das vierte, die Qualifikation des Gesamtsystems für die Serie, immerhin zur Hälfte. Wenn überhaupt ein Verlust für den Verteidigungshaushalt eingetreten sei, dann voraussichtlich ein Teil der 261 Millionen Euro für das Fluggerät – das hängt davon ab, was die Bundeswehr mit dem Full Scale Demonstrator macht (die kolportierte Überlegung, den EuroHawk an die NASA oder die US Air Force verkaufen zu wollen, stammt allerdings nach Selhausens Angaben aus den Überlegungen einer Unterarbeitsgruppe der Arbeitsgruppe für den ad-hoc-Bericht EuroHawk im Mai und sei nie ernsthaft gebilligt worden).
Um zahlreiche Detailkenntnisse reicher, aber in der großen Linie nur begrenzt schlauer beendete der Ausschuss Selhausens Vernehmung nach vier Stunden. Eine Neuigkeit gab der Chef der Rüstungsabteilung den Abgeordneten noch mit: Generalinspekteur Volker Wieker bereitet gerade eine neue Zwischenentscheidung zum EuroHawk vor – es gibt nämlich neue Ausgaben, und zwar mehr als 15 Prozent des bewilligten Budgets: Für die Erprobung des EuroHawk-Systems, die bis Ende September planmäßig weiter läuft, sind für die beiden letzten Monaten noch Verträge mit weiteren Ausgaben geplant.
„Von solchen Problemen und gar von möglichen massiven Kostensteigerungen bekamen allerdings, so Selhausens Schilderung, die Staatssekretäre und der Minister nichts mit.“
Entweder bin ich zu blond – oder diese Situation ist zum Schreien komisch.
TdM hat vor kurzem zwei wesentliche Dinge von der Truppe eingefordert:
(1) Mut zur Verantwortung.
(2) Weg vom ‚Melden macht frei‘.
Weil beides zeichen genau der Mentalität der Bundeswehr wären, die einer Reform im Wege stünden… und jetzt behauptet man eben das eigenverantwortliche Entscheiden des unterstellten Bereiches wäre hier das Problem gewesen… hat also
(a) der Minister keinen Plan, wie der Laden BMVg funktioniert, oder will er jetzt diesen (vorgeblichen) Systemfehler
(b) zum Ideal erheben…
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich ;)
Sowohl Bauch wie Selhausen tun das, was sie müssen und bezeugen erwartungsgemäß. Ein Vorhaben mit überzogenen Vorstellungen überfrachtet, und von begeisterten Soldaten (Müllner!)Technikern auf allen Seiten gemanaged, zu drei Vierteln fertig und dann wegen mangelndem Interesse und Geld aufgegeben. Nicht das erste Mal.
Ironiemod an: War da etwa der neue Präsident des BAAINBw vor dem U-Ausschuß Zeuge? Könnte die realistische Umsetzung des CPM nov. wesentlich straffen und Luzifer wäre auch bei gleicher Besoldungsgruppe näher an der Feuerstelle und könnte zum StS-Nachfolger des „Expertise-losen“ S.B. aufgebaut werden. Der kurze Draht zu StS RW scheint ja seit jeher gegeben. Ironiemod aus.
Ede war extra beim Friseur.
@VtgAmtmann: cui bono leak
Wer weiss wie sich das noch entwickelt!? Selhausen, Müllner und Co. sind parteilich abgesichert – da wird nichts passieren. Alle warten darauf, dass ein Staatssekretär fällt. Fraglich bleibt, ob es Wolf oder Bemi wird. Derzeit wird bewusst verbreitet, dass für Wolf die Tage gezählt sind. Verdient hätte es Bemi, aber wen interessiert das schon!?!
falls ‚man‘ Wolf schlachtet, dann schlachtet man den letzten Profi……der Mann hat meinen ganz persönlichen professionellen Respekt. Seit vielen Jahren hat er politische und persönliche Fehler der Leitungsebene ausgebügelt und das Schlimmste verhindert. Ich kenne keinen loyaleren und kompetenteren Beamten. Und ich bin seit 1990 in diesem Haifischbecken national und international durchaus und durchweg „Zeitzeuge“.
ZEIT ONLINE: Verunglückte Bundeswehr-Drohnen haben bislang knapp 110 Millionen Euro gekostet. Seit 2004 insgesamt 137 unbemannte Fluggeräte abgestürzt, verschollen oder zerstört.
Luna: 52 verloren, 14,3 Millionen Euro Schaden
SPON laut ZEIT: Die Hälfte der Kosten entstanden durch 18 KZO
Heron: 2 verloren, 9,3 Millionen Euro.
Aber wo sind die verbleibenden 25-30 Mio? Mikado?
@ Ottone | 24. Juli 2013 – 20:58
Außer Dienst gestellte CL 289 mit einberechnet?
Die Unterlage zu den Drohnen hab‘ ich auch, bin nur heute nicht dazu gekommen. Mache ich vielleicht nachher noch, dann müssen wir hier nicht OT spielen…
@klabautermann: Wenn es jemanden gibt, der die langfristigen haushalterischen Bindungen, die Lücken zwischen Planung und Haushalt sowie interessengeleitete Beschaffungspolitik vorbei am Bedarf der Truppe zu verantworten hat, dann doch StS Wolf, oder? Wie er 2008 gegenüber Struckmund Kahrs in Sachen SAATEG umgefallen ist, werde ich nicht vergessen. Er ist ein Profi im Umgang mit dem Apparat und im Schaffen persönlicher Vorteile. Handwerklich besser als Beemelmans aber integrer? Hmm?
@klabautermann, @Tom_Weinreich: Ihrer beider Meinungen muss man sich vorbehaltlos anschließen, der Mann hat anerkannte Kompetenz und echte Expertise. Das hat selbst KTzG erkannt und ihn deshalb in leicht veränderter Position behalten >:->
Schaut Sie sich Wolf´s und Beemels´ internationale Kontenbewegungen an;) dann wissen Sie bescheid.
Quelle: actprotec
nothing more to say…just a bunch of dicks….(aus Sicht der einfachen Bevölkerung, die nichts weiss)
Die Welt ist dreckiger als man glaubt.
@Herr Wiegold, ich hoffe sie behandeln die Comments extrem vertraulich?!:) IP ect.?
@UmPp
Tue ich.
Dennoch finde ich Ihren Kommentar mit der Andeutung bisschen merkwürdig, und die genannte Quelle sagt mir nix. Solche Hinweise sind nicht so das, was hier als seriös angesehen wird… Also: welchen Vorwurf erheben Sie, und was ist die Quelle?
@all
Zum Thema Kosten Drohnenverluste gibt’s einen neuen Thread.
Entschuldigen Sie mich Herr Wiegolg. Ich höre auf damit. Das wird zu heikel. Kommt nicht mehr vor.
@UmPp: Haben Sie nun harte, aber für die Betroffenen heikle Fakten? Oder nur weichen, damit für Sie evt. heiklen Rumour? Mit einer sauberen Quellenangabe kann man beides in den Griff bekommen!
Ich vermute das TdM und StS SB seit Ende 2011 genau wussten, dass mit den Euro Hawk wird nichts mehr, und ist und war pure Geldverschwendung. Dann haben die beiden wohl beschlossen, sich möglichst nicht Aktenkundig mit dem Debakel zu befassen. Und sich dann im Fall der Fälle dumm zu stellen. Sonst kann ich mir so ein Verhalten nicht erklären. Wie man sieht, ist der Plan auch im Desaster geendet, bzw. das Desaster geht noch bis zum Wahltag weiter.
Das Euro Hawk Debakel ist ja auch noch nicht zu Ende. Nach der Wahl erfahren wir auch 100 pro, dass die Vorläufige Zulassung leider das Abspulen des Testprogramm für das ISIS System nicht erlaubt haben. Zwischen den Zeilen hat das ja ein EADS Insider schon Reuters mitgeteilt. Das einzige was TdM da Ernten würde, wäre ein zweiter Untersuchungsausschuss.
Wegweisende Entscheidungen nicht dokumentiert….
Eineinhalb Jahre bis ein AL AIN was davon erfährt…
Und der braucht dann nochmal Monate bis er seinem StS Kostensteigerungen ‚förmlich‘ mitteilt….
Aus der Schlammzone der Stabsdienstarbeit heraus stellt sich da nur die Frage, welche der Ebenen denn jetzt überflüssig ist. War nicht das Ziel der Reform, Strukturen zu verflachen, Ebenen abzuschaffen die Prozesse unnötig verlängern?
Ich glaube fast da hätten wir noch etwas mehr wegschneiden können – nicht nur auf militärischer Seite sondern auch bei ziviler Verwaltung.
Warum fragt man nicht einfach die Büroleiterin, die extrem jung durch Sts B. installiert und zur MinR gepusht wurde, ob sie ihren Sts informiert hat? Wer das Büro kennt, weiß, dass derartige Mails (auch in Kopie) unmittelbar zu einer Handlung und mindestens mündlichen Unterrichtung des Sts führen. Sts B’s Rechnung dürfte aktuell nicht aufgehen. Er wollte alles von sich weisen und weiterhin den coolen und dynamischen Sts spielen. Aber abwarten – keiner weiß, wohin die heißen Bälle tatsächlich noch gespielt werden. Fraglich bleibt auch, wer einem Sts folgen sollte / will. Immer wieder wird AL’in IUD genannt, die einen Wechsel gar pusht. Andererseits hörte ich nun ebenso mehrfach im BMVg, dass diese dem AL P folgen solle. Es wird wohl nicht nur im Untersuchungsausschuss gekämpft ;-)
Die Mail von MinDir Seelhausen an das Büro Sts B. findet sich mittlerweile bei bild.de.
Kein link hierzu, denn entweder bild.de, oder das BMVg beanspruchen sicher das Urheberrecht.
Wirklich lesenswert.
Mit Gesamtlagebild hat das auch in Vorbereitung de BM-Besuches (!) bei Cassidian wenig zu tun, sondern mit selbstgemachter Dauerhektik und unlogisch aufgeteilter Verantwortung (die Wiederaufspaltung von Rü und H auf der Sts-Ebene kann man auch wieder herauslesen).
Gerade das Gegenteil wollte TdM doch.
@ Viva: “ Immer wieder wird AL’in IUD genannt, die einen Wechsel gar pusht. Andererseits hörte ich nun ebenso mehrfach im BMVg, dass diese dem AL P folgen solle. Es wird wohl nicht nur im Untersuchungsausschuss gekämpft ;-)“
AL’in IUD als AL P? Das fände ihre Tochter super :-)
E r n t e : Die Nächste:
Focus Online 25.07.2013, 11:26 : > NSA mischte auch bei „Euro Hawk“-Drohne mit Komponenten zugeliefert – NSA war auch an „Euro Hawk“ beteiligt <
Der zuständige Abteilungsleiter Rüstung im Verteidigungsministerium, Detlef Selhausen, hatte auf entsprechende Hinweise aus seiner Abteilung verwiesen und betont, er selbst wisse nicht, um welche Bauteile es sich dabei handele.
Tagesschau.de; 25. Juli 2013 – 15:02 Uhr:> Komponenten zugeliefert – NSA war auch an „Euro Hawk“ beteiligt <
Zudem ist die Beteiligung der NSA offenbar ein Grund für die Verzögerungen bei dem "Euro Hawk"-Projekt. […] In der Vorlage für Verteidigungsminister Thomas de Maiziere für einen Besuch bei der Hersteller-Firma Cassidian am 10. Dezember 2012 werden die Gründe für die 35-monatige Verzögerung bei der Entwicklung des Euro Hawk aufgelistet. […] Als Begründung wird auch die "verspätete Beistellung von Geräten und Komponenten durch die US Air Force und die National Security Agency (NSA)" angeführt.
@Viva und @Tom Weinreich
AL’in IUD – künftig AL P oder gar Sts? Im Ressort BMVg kann man/frau so etwas nur werden, soweit man Soldaten mag. Personalverantwortung für das eigene Feinbild übertragen zu bekommen? Niemals! Da kann sie sich noch so selbst pushen …
Der Herr vorne rechts am Tisch erinnert irgendwie an so manchen der Zeugen im Euro Hawk – Untersuchungsausschuß, welche schon Anfang 2010 wußten, daß der Euro Hawk nie eine reguläre Verkehrszulassung bekommen wird (vgl. http://imgc.allpostersimages.com/images/P-473-488-90/60/6002/9PQQG00Z/posters/carolita-johnson-did-hopkins-send-an-unmanned-drone-again-new-yorker-cartoon.jpg). Mir fehlt nur noch der dazu passende Artikel bzw. daß entsprechende Schriftstück. Aber vielleicht ist das aber ja alles so „top secret“, daß es keiner findet?
;-) ,)
T.W.. Hat wie üblich sauber recherchiert, BAMS hat schon aufgeschaltet (vgl. [Link gelöscht; Links zu Verlagswebseiten finden hier nicht statt. T.W.])
Sorry Herr Wiegold, Ihre Linklöschung war voll beabsichtigt (statt Smiley, Schmunzel)
Man lese:bei BAMS >“Geheime Dokumente aufgetauchtPannen-Drohne: Was wusste zu Guttenberg? Für US-Hersteller Northrop stand schon 2010 fest: Der Euro Hawk bekommt keine Betriebsgenehmigung“<