„Es gibt bei Information eine Holschuld“

EURO HAWK®
(Northrop Grumman Pressefoto)

Der Start des EuroHawk-Untersuchungsausschusses des Bundestages am (heutigen) Montag hatte eigentlich, so schien es geplant, mit den beiden Zeugen Wolfgang Schneiderhan und Rudolf Scharping eines belegen sollen: Das gescheiterte Projekt der Riesendrohne war doch schon Anfang des Jahrzehnts unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung gestartet worden – wohl deshalb hatten die Koalitionsfraktionen den früheren Generalinspekteur und den ehemaligen Verteidigungsminister benannt. Allerdings blieb nach den Anhörungen beider ein Eindruck haften: Ein Minister gerade im schwierigen Verteidigungsressort ist nur so gut wie die Kenntnisse, die er sich auch selbst besorgt.

Es gibt bei Informationen eine Bringschuld, und es gibt bei Informationen eine Holschuld, sagte Ex-Ressortchef Scharping. Man muss sich drum kümmern, ich muss Fragen stellen. Gerade bei einem strategisch so wichtigen Projekt wie dem EuroHawk, gerade bei einem politisch wie militärisch so entscheidenden Thema wie der Aufklärung, sollte das heißen, kann ein Minister doch nicht die Verantwortung, das Kümmern dem Apparat überlassen – und erst kurz vor Ziehen der Reissleine seine Entscheidungsvorlage einfordern.

Der direkte Vorwurf an den heutigen Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der sehr fein zwischen informeller Kenntnis von Problemen mit der Zulassung der Riesendrohne und einer fomalen Entscheidungsvorlage unterschied, muss schon aus dem Munde eines Vorgängers aus dem gegnerischen politischen Lager hart klingen. Ein Nicht-Politiker wie der einstige Generalinspekteur Schneiderhan schilderte noch ein wenig plastischer, was Kommunikation gerade bei schwierigen Rüstungsprojekten bedeutet.

Viele Wege des Gesprächs, auch informelle, habe er mit dem Minister gehabt, sagte Schneiderhan, und er musste nicht dazusagen, dass er den verstorbenen SPD-Amtsinhaber Peter Struck meinte. Wenn ich meinte, der Minister müsse das wissen, habe ich direkt vorgetragen. Eine schriftliche Vorlage habe es, wenn überhaupt, erst viel später gegeben: Es empfiehlt sich, im Vorfeld zu besprechen, ob man eine Vorlage überhaupt machen soll – schon allein aus Sicherheitsgründen ist das Gespräch immer vorzuziehen. Auch für seine eigene Arbeit habe er das immer so gehalten: Wenn ich als Generalinspekteur gewartet häte, bis mir alles schriftlich vorgelegt wird, wäre ich noch kürzer Generalinspekteur gewesen.

Das alles galt dem Umgang des heutigen Ministers mit dem Projekt. Zum EuroHawk selbst konnte Scharping so viel nicht beitragen – seine Amtszeit endete bereits vor Eingang der ersten Studien zum Thema.

Um so deutlicher benannte Schneiderhan, der das Projekt in verschiedenen Positionen über Jahre immer wieder im Auge hatte und schließlich als Generalinspekteur für die Forderung der Militärs danach zuständig war, die Gründe für die Entscheidung für ein unbemanntes Flugzeug: Diese Zukunftstechnologie, das habe für alle festgestanden, könne die Bundeswehr nicht einfach vorüberziehen lassen. Es war klar, dass wir Neuland betreten wollen und müssen.

Bemannte Systeme für die Signalaufklärung (SIGINT), als Nachfolge der betagten Breguet Atlantic Flugzeuge, seien kaum infrage gekommen, wenn man Stehzeiten von 24 Stunden erreichen wollte, sagte Schneiderhan. So viele Pampers können Sie gar nicht an Bord nehmen.

Entscheidend für die Abgeordneten im Ausschuss und deshalb auch im Mittelpunkt vieler Fragen war natürlich der Punkt, ob sich noch in Schneiderhans 2009 beendeter Amtszeit Probleme mit dem EuroHawk gezeigt hätten – lösbare oder unlösbare. Natürlich habe es Probleme gegeben, konterte der General a.D. Aber bei welchem Rüstungsprojekt haben wir keine Probleme?

Alle Beteiligten waren getragen von der Idee, den Sprung in eine neue Technologie zu schaffen, sagte Schneiderhan. Außerdem sei es darum gegangen, die Lücke bei dieser wichtigen Aufklärung zwischen Außerdienststellung der Breguet Atlantic und Nutzung eines Nachfolgesystems so schnell wie möglich zu schließen. Da habe sich nur das US-System Global Hawk angeboten: Wir hatten nichts in Sichtweite, wo man gesagt hätte, das geht europäisch einfacher und schneller.

Irgendwann in Schneiderhans Amtszeit wurde für den Full Scale Demonstrator, den Prototypen einer einstmals geplanten kleinen deutschen EuroHawk-Flotte, eine Anforderung geändert: Wo es zuvor hieß, die Maschine müsse am allgemeinen Luftverkehr teilnehmen können, war nur noch von einem soll die Rede. Das sei aber ein ernstzunehmendes soll gewesen, betonte der frühere Generalinspekteur. Alle Beteiligten einschließlich der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums und der Flugsicherheit seien der Meinung gewesen, für den Prototypen sei das vertretbar.

Die Anhörung des früheren Generals stieß immer wieder an Zuständigkeitsschranken – auch als Generalinspekteur hatte er bei weitem nicht alle Informationen aus der (zivilen) Rüstungsabteilung. Da dürften dann die Anhörungen von Zeugen aus diesem Bereich in den nächsten Tagen interessant werden.

Der frühere CDU-Verteidigungsminister Franz-Josef Jung hatte vor dem Ausschuss zwar einiges zu grundsätzlichen Fragen und der Gestaltung des EuroHawk-Beschaffungsvertrages zu sagen – schließlich habe er angeregt, die Punkte Schadenersatz und Gewährleistung in diesen Vertrag aufzunehmen. Mit einem habe er jedoch nie zu tun gehabt: In meiner gesamten Amtszeit hat das Thema Zulassungsprobleme überhaupt keine Rolle gespielt.