Der Hubschrauber-Deal: So rechnet das Ministerium (mit Nachtrag)

Im Verteidigungs- und vor allem im Haushaltsausschuss spielt heute die Vereinbarung zwischen dem Verteidigungsministerium und der EADS-Tochter Eurocopter eine Rolle, auf die sich beide Seiten im März verständigt hatten. Unterm Strich: Die Zahl der bestellten NH90 und Tiger-Kampfhubschrauber wird reduziert, dafür nimmt die Bundeswehr von Eurocopter 18 Hubschrauber eines navalisierten NH90 für die Marine ab, die zuvor so nicht eingeplant waren. Dass die Einsparungen für den Verteidigungshaushalt offensichtlich deutlich geringer sind als die Reduzierung der bestellten Stückzahlen erwarten ließ, haben die Kollegen von Spiegel Online hier und hier vorgerechnet.

Dem hält das Verteidigungsministerium jetzt seine eigene Rechnung entgegen – in Kurzform: Die Ersparnis ist viel größer, weil die 18 Marinehubschrauber gegengerechnet werden müssen, die sonst nicht finanzierbar gewesen wären. Sie betrage somit 1,1 Milliarden und nicht nur rund 220 Millionen Euro – die Betriebskosten noch nicht mal berücksichtigt. Eine Abnahme der bestellten Maschinen und ihr späterer Verkauf wäre finanziell nicht sinnvoll.

In Langform:

Im Rahmen der Anpassung der materiellen Ausstattung an die zukünftige Struktur und das im Rahmen der Neuausrichtung priorisierte Fähigkeitsprofil der Streitkräfte sollen die Stückzahlen zu beschaffender UH TIGER von 80 auf 57 und NH 90 von 122 auf 82reduziert werden. Betrachtet man nur den Gesamtsaldo aus dem mit der Firma EUROCOPTER am 15. März 2013 abgeschlossenen Memorandum of Understanding, beträgt die Einsparung 224 Mio EUR bei einem ursprünglichen vertraglichen Gesamtvolumen von ca. 8,3 Mrd.
Wesentlich ist aber, dass die Vereinbarung die Neubeschaffung von 18 Marinehubschraubern SEA LION aus dem NH 90-Programm zu einem Preis von ca. 915 Mio EUR vorsieht. Diese Mittel wären aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren nicht verfügbar. Die tatsächliche Ersparnis durch Minderbeschaffungen liegt damit bei 1,1 Mrd EUR. Darüber hinaus werden sich durch die Stückzahlreduzierung die Betriebskosten erheblich verringern.
Warum eine Stückzahlreduzierung durch Vertragsanpassung statt Abnahme allerHubschrauber und Verkauf der überzähligen?
Bei Nichtanpassung der Verträge müsste zunächst die volle Stückzahl abgenommen und bezahlt werden. Ob und zu welchen Preisen ein Verkauf erfolgen könnte ist jedoch ungewiss. Auch nicht genutzte, überzählige Hubschrauber müssen gewartet werden und verursachen Betriebskosten.Ein von der Bundeswehr abgenommener Hubschrauber würde als „gebraucht“ gelten. Deshalb würde erfahrungsgemäß der Verkaufserlös weit hinter dem Beschaffungspreis zurückbleiben.
Wir haben bereits versucht, den NH 90 zu verkaufen, allerdings ohne Erfolg.
Die Exportchancen des UH TIGER sind aufgrund spezieller DEU Besonderheiten, z. B. Mastvisier, Bewaffnung, eingeschränkt. Möglicherweise wollen auch andere Nationen ihre Stückzahlen reduzieren, so dass beim Verkauf der Hubschrauber ein erheblicher Wettbewerb zu erwarten ist. Darüber hinaus unterliegt der UH TIGER als Rüstungsgut den rüstungsexportpolitischen Grundsätzen der Bundesregierung, was das Feld möglicher Abnehmer erheblich beschränkt. Aller Wahrscheinlichkeit müsste auch eine Demilitarisierung des Gerätserfolgen, die von Fremdfirmen entgeltlich durchgeführt werden müsste. Die Demilitarisierung würde einen möglichen Erlös dann noch weiter schmälern.
Warum keine 25 Mio-Vorlage?
Es wird behauptet, das Verteidigungsministerium wolle sich am Parlament „vorbeimogeln“. Das ist unzutreffend. Denn eine formelle 25-Mio-Vorlage kann erst gefertigt werden, wenn die endverhandelten Verträge mit der Industrie vorliegen. Das ist aber noch nicht der Fall.Die parlamentarische Befassung erfolgt dennoch frühzeitig, da Bundeswehr und Industrie vermeiden wollen und müssen, dass auf der Basis der noch geltenden Verträge Maßnahmen ergriffen werden, die im Lichte der angestrebten Vertragsanpassungen nicht mehr notwendig sind.

Abgesehen von der Frage, wer einen demilitarisierten Kampfhubschrauber kaufen wollen würde (außer Sammlern?) – bin ich gespannt, wie Verteidigungs- und Haushaltsauschuss diese Erklärung bewerten.

Nachtrag: Der Verteidigungsausschuss hat wohl nicht zugestimmt, wie aus diesem Statement von SPD-Obmann Rainer Arnold hervorgeht:

Der Verteidigungsausschuss hat einvernehmlich beschlossen, dem Memorandum of understanding zur Stückzahlreduzierung NH90 und Tiger nicht zuzustimmen. Der Verteidigungsausschuss besteht auf ein geordnetes Verfahren. Danach soll der Haushaltsausschuss seine Entscheidung auf Basis der Empfehlung des Verteidigungsausschusses treffen können. Dies wird aller Voraussicht erst in der neuen Legislaturperiode erfolgen. Die SPD-Bundestagsfraktion ist nicht bereit einem Memorandum of understanding zuzustimmen, ohne dass es einen endverhandelten Vertrag  gibt. Dies würde allen Regeln des Haushaltsrechts widersprechen. Das Parlament darf nicht zum „Abnicker“ der Bundesregierung werden.

Nachtrag 2: Inzwischen gibt es gewisse, nun, Diskrepranzen in der Bewertung dessen, was der Verteidigungsausschuss beschlossen hat. Zunächst mal den Wortlaut des Beschlusses:

Der Verteidigungsauschuss hat die Ausführungen von Staatssekretär Beemelmans (BMVg) zu der BMF-Vorlage zur Kenntnis genommen und wird den Bundesrechnungshof bitte, ihm – wie dem Haushaltsausschuss – die Einsichtnahme in seine Stellungnahme dazu zu ermöglichen. Darüber hinaus erwartet der Verteidigungsausschuss, dass er – dem üblichen und bislang praktizierten Verfahren entsprechend – als mitberatender Ausschuss vor der abschließenden Beratung im Haushaltsausschuss in die weiteren Entscheidungsprozesse einbezogen wird.

Dieser Beschluss, sagte Beemelmans Augen geradeaus!, sei genau das, was er auch gewollt habe – denn einen Beschluss zur Billigung könne ohnehin nur der Haushaltsausschuss, nicht aber der Verteidigungsausschus treffen.

Das ist natürlich das genaue Gegenteil dessen, was die SPD aus diesem Beschluss liest.

Klarheit? Vielleicht, wenn es einen Beschluss des Haushaltsausschusses gibt, der am Mittwochnachmittag darüber beriet. Übrigens steht auch in der Vorlage für den Haushaltsausschuss lediglich, dass die auf Grundlage eines gebilligten Memorandums of Understanding ausgehandelten Verträge dem Gremium vorzulegen sind. Nicht: zur Billigung vorzulegen. Der Interpretationskrieg dürfte also noch weiter gehen.

(Archivbild September 2010: NH90 bei der Informationslehrübung des Heeres in Munster)