RC N Watch: Neue Statistik, mehr Zwischenfälle im Norden (Zusammenfassung, mehr Einzelheiten)

Während am (heutigen) Mittwoch in Afghanistan (erstmals?) das Internationale Komitee vom Roten Kreuz angegriffen wurde (was das ICRC inzwischen bestätigt hat), muss die Bundeswehr ihre Angaben zu den so genannten sicherheitsrelevanten Zwischenfällen im Norden des Landes deutlich nach oben korrigieren. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos wurden im vergangenen Jahr 1.228 dieser incidents registriert – knapp ein Viertel mehr als die bislang zu Grunde gelegten 1.009. Auch im Jahr 2011 waren es mit 987 deutlich mehr als die zuvor erfassten 900 Zwischenfälle. Allerdings ist der Norden Afghanistans unverändert deutlich weniger von Angriffen Aufständischer betroffen: Im ganzen Land wurden nach Angaben des stellvertretenden Befehlshabers des Einsatzführungskommandos, Konteradmiral Rainer Brinkmann, laut ebenfalls überarbeiteter ISAF-Statistik im vergangenen Jahr 31.182 sicherheitsrelevante Zwischenfälle verzeichnet.

Anfang des Jahres hatten sowohl die Bundeswehr als auch ISAF ihre Statistiken zu diesen incidents zurückgezogen. Hauptgrund war die fehlerhafte Berücksichtigung des so genannten green reporting, der von den afghanischen Sicherheitskräften gemeldeten – oder eben nicht oder zu spät gemeldeten – Angriffe auf afghanische Soldaten und Polizisten.

Die Steigerung im deutsch kommandierten ISAF-Nordbereich sei zwar auf den ersten Blick sprunghaft, sagte Brinkmann bei der Vorstellung der Zahlen. Sie hänge aber damit zusammen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte mehr als bisher in der Fläche präsent seien, vor allem aufgrund der gewachsenen Zahl von 21.000 Soldaten und Polizisten im Norden 2010 auf inzwischen 43.300. Im ersten Quartal dieses Jahres waren nach der konsolidierten Statistik laut Einsatzführungskommando 250 incidents zu verzeichnen, deutlich unter den Zahlen des ersten Quartals 2012.

Die Häufung der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle ist die logische Konsequenz der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen, sagte der Admiral. Sowohl Brinkmann als auch der Leiter des militärischen Nachrichtenwesens für die Einsätze, Oberst Bernd Otto Iben, wiesen die Einschätzung zurück, dass die Zahlen auf eine Stärkung der Aufständischen hindeuteten. Auch Vorfälle wie der wiederholte Beschuss deutscher Patrouillen im Bezirk Char Darrah bei Kundus in den vergangenen Wochen zeigten zwar, dass Aufständische in bestimmten Regionen wieder aktiver würden. Sie seien aber weit davon entfernt, wie noch 2010 ganze Bereiche zu beherrschen: 2010 war es schon mal noch schlimmer, sagte Iben.

Die internationale Schutztruppe ISAF, deren Statistik laut Bundeswehr für das vergangene Jahr eine um 3,4 Prozent zurückgegangene Zahl von Zwischenfällen aufweist, hat bislang noch keine neuen Zahlen vorgelegt. Im März hatte ein ISAF-Sprecher der Nachrichtenagentur Associated Press erklärt, es würden keine entsprechenden Statistiken mehr veröffentlicht.

 (Foto: Afghan National Army recruits enter a room during building clearing tactics as part of their Military Operations in Urban Terrain training at Camp Zafar, Herat Province, Feb. 21, 2011 – U.S. Navy Photo by Mass Communications Specialist 1st Class Stephen Hickok via ISAFmedia auf Flickr unter CC-BY-Lizenz)