De Maizière im „Guardian“-Interview: Lernt von den Deutschen
Sehr interessantes Interview des britischen Guardian mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Etwas verblüfft scheint mir der britische Kollege an einem Punkt:
And he obviously wishes other nations, though he is reluctant to name them, would pay more attention to Germany’s pragmatic solutions to problems. If they had, he says, the conflict in Afghanistan might have turned out differently.
Der ganze Text zum Nachlesen: German defence minister: countries must learn that fighting is not enough
Da widerspiegelt sich die Denkweise im BMVg: wir waren schon immer schlauer als die Anderen.
Dass COIN mehr ist als vernetzte Sicherheit und dass es auch nicht wir waren, die den comprehensive approach erfunden haben, verdrängt man eben gern.
An anderer Stelle fasst es TdM weitaus besser zusammen:
„Germany had to learn that fighting is important.
Other countries had to learn that fighting is not enough.“
Das trifft die Sache wohl eher – und wir haben unseren Teil noch nicht wirklich gelernt.
Bei dem bisherigen britischen und vor allem amerikanischen Blutzoll (vom afghanischen ganz zu schweigen) haben die Partner auf solche Statements nur gewartet …
@Memoria: Ob diese innerdeutsche Haltung auch international ankommt? Als Lead Nation für den Polizeiaufbau haben wir jahrelang ja auch nicht gerade geglänzt.
Das traurige daran ist, dass diese Haltung auf die Soldaten zurückfällt. Dabei werden diese dämlichen Sprüche von Politikern und diversen Schlaubergern in die Welt geblasen, die teilweise nichtmal wissen, wie es vor Ort aussieht.
Sicherlich ist das deutsche Engagement lobenswert und auch erfolgreich. Aber andere Nationen stehen dem in nichts nach. Gerade die europäischen Partner leisten Großartiges. Es wäre vernünftiger gewesen, wenn TdM von Europäern gesprochen hätte, statt von den Germanskis.
@Alexander
Welche Lead- nation hat ihre Sache schon richtig gemacht? Italien bei der Justiz oder Großbritannien bei den Drogen?
Hätten wir uns auf das Kämpfen konzentriert, wäre 2003 Schluss gewesen und hätte uns nicht hunderte Milliarden gekostet.
Auch jetzt funktioniert der rcn mir unserer defensiven Aufstellung nur, weil die Amerikaner jede Nacht einige Bad guys aus denn verkehr ziehen.
Einige Kompanien haben das kämpfen gelernt. Die Armee als Gesamtheit definitiv nicht.
Klingt für mich so, als würde der Verteidigungsminister immer noch mehr strategische Außenpolitik betreiben als der Außenminister.
@ politisch inkorrekt
Deutschland hat sich auf das Kämpfen konzentriert.
Der zivile Aspekt war finanziell, strategisch und institutionell noch schwächer aufgestellt als der militärische. Kaum vorstellbar, und trotzdem schwer von der Hand zu weisen. ;)
Das einzige, was Deutschland hingekriegt hat war anfangs das „First, do no harm“. Sobald es aber Zeit wurde etwas zu tun kam nix – und das war lange bevor Char Darah Indianerland wurde.
Deutschland hat auf ganzer Linie versagt:
– Die Bevölkerung hat ein Erfolg in Afghanistan nicht interessiert
– Die Politik hat ein Erfolg in Afghanistan nicht interessiert
– Die Bundeswehr hat ein Erfolg in Afghanistan nicht interessiert
– Die Polizei hat ein Erfolg in Afghanistan nicht interessiert
Und bei den meisten anderen Institutionen war es eine Mischung aus „nicht wirklich genug an einem Erfolg interessiert“ oder „zu klein um viel leisten zu können“.
Tatsächlich ist doch das unmotivierte, unkooridnierte Kleinklein einer Vielzahl von nicht-wirklich-zuständiger Akteure eines der deutschen Kernprobleme. Und da hat sich seitdem genau nix getan.
Umso peinlicher, da es die wohlinformierten Mahner wie Thomas Ruttig oder Winfried Nachtwei eben gab. Hat halt nur kaum wer zugehört, bzw. sich das gesagte zu Herzen genommen.
Wenn man sich dann anschaut, wie sich andere Nationen in das Umsetzen eines Comprehensive Approachs vor Ort reingekniet haben, etwa die Niederländer, aber auch gerade Teile der Amerikaner (die mit USAID geschlagen sind und von einer entwicklungstechnischen Institution wie der GTZ/GIZ nur träumen können), dann ist einem die selbstgefällige Predigt von Herrn De Maizìere einfach nur peinlich.
Erst sollte Deutschland sich mal an seine eigene Nase fassen, und seine Hausaufgaben machen.
@J.R.: Bei aller Toleranz kann ich leider nicht in allen Ihren Punkten mit Ihnen übereinstimmen, aber Meinungen sind nun mal zu akzeptieren und zu tolerieren, sofern nicht absolut unlogisch und/oder extremistisch.
Allerdings in einem Punkt stimme ich mit Ihnen absolut überein, der Minister hätte mal nach >> Armee im Abseits Die Akademie für Politische Bildung Tutzing << googeln sollen, bevor er große Reden gegenüber unseren Partnern und Verbündeten schwingt und unberufen auf dem aussenpolitischen bzw. bündnispolitischen Platfond versucht, von unseren ureigensten verteidigungspolitischen inneren Problemen, Pleiten, Pech und Pannen abzulenken! Schuster bleibt bei Deinen Leisten, und wenn man von Leisten wenig versteht, wird auch kein Schuh draus!
Hier zeigt sich wieder einmal mehr, wessen „Kind“ er ist….
Würde er mehr auf das Hören, was man ihm zuträgt-und sich weniger auf seine (jahrzehntealten und nicht mehr aktuellen) „Erfahrungen“ verlassen, dann würde er sehen, das andere Nationen Deutschland eben NICHT als Vorbild sehen-sondern als „Weichei und Drückeberger“, der nur für eins gut ist:
Um das Scheckbuch zu zücken…
Sichtbar wird dies immer wieder, wenn deutsche Minister vor amerikanischen Militärs sprechen-und mal wieder die „Innere Führung“ in den Himmel loben (als das Allheilmittel)-ohne dabei jedoch einmal in Worte fassen zu können, was „Innere Führung“ denn nun eigentlich ist.
@ Vtg-Atmann
Bei aller Toleranz kann ich leider nicht in allen Ihren Punkten mit Ihnen übereinstimmen
Sie dürfen Meinungen auch gerne widersprechen. ;)
Insbesondere wenn Sie etwas für nicht schlüssig halten bitte ich sogar darum – der Post war jetzt alles andere als gewagt.
Kann nicht endlich September sein.
@J.R.: Man muss nichts wagen, wenn man sich möglicherweise von zwei verschiedenen Seiten an den „Schuster und seine Leisten“ anschleichen kann. Und genau Das scheint meines Erachtens das fraktionsübergreifende Problem von TdM zu sein. Offenbar merkt er dies aber nicht und verrennt sich nur noch weiter?
@ Vtg-Amtmann
Vermutlich bin ich noch nicht wach genug oder steh grad anderwertig auf dem Schlauch, aber den Post hab ich jetzt nicht verstanden, sorry.
@fred1911 weil der Sommer ehe nicht besonders wird und wir deshalb gleich mit Herbst weitermachen können? September kommt noch früh genug, die Zeit rennt gefühlt nur so dahin. ;-)
„We learned that clear is nothing without hold. And clear and hold is nothing without build. And all of a sudden this comprehensive approach was the result of the 2010 Lisbon summit. So these were very important lessons from Afghanistan.“
Leider hat dem Minister auch niemand gesagt, dass clear, hold, build ein Konzept aus dem Vietnamkrieg ist. Aber woher sollen die Leute um ihn herum, denn dies wissen?
An der FüAk gab es vor 3 Jahren als Themenschwerpunkt COIN – die Vorgeschichte dieses Konzeptes wurde jedoch erst gar nicht besprochen.
Auch sonst will man dort ja mit Konflikt- und Kriegstheorie nicht wirklich was zu tun haben.
Wichtiger ist das Erlernen von NATO-Verfahren und nationalen und internationalen Strukturen.
Das Interview zeigt einfach wie Ignoranz und Arroganz zusammen passen – und damit meine ich weniger TdM, sondern das „System Bundeswehr“:
Man kennt sich nicht aus, weiß aber, dass man super ist.
Während man sich in den USA schon von StabOp und „conventional COIN“ abgewandt hat (siehe Defence Strategic Guidance von 2012), reden wir weiter vom comprehensive approach und richten unser Heer halblebig auf StabOp à la ISAF aus.
Es wäre an der Zeit zu hinterfragen, ob diese social engineering-Ansätze überhaupt zielführend sind.
Aber stattdessen belehren wir lieber substanzlos unsere Verbündeten.
Einfach peinlich.
Hoffe es sind nur die Vertreter der bösen britischen Medien die da etwas aus dem Zusammenhang reißen. Obwohl, der Guardian ist ja nicht unbedingt mit der Sun gleichzusetzen.
Ansonsten kann ich nur hoffen, dass hier eine starke Behauptung schwache Argumente ersetzt. TdM weiß es doch bestimmt besser oder ist dass schon: „Wenn dass der Führer wüßte“?
Erst mal die tatsächlich erbrachte eigene Leistung betonen fällt uns zwar auch schwer, aber ansonsten Stellt sich die Lage doch (sehr verkürzt) anders dar.
Wir haben 2006 mit den ruhigsten Bereich bekommen. Immer wenn es brenzlig wurde hieß es: „The Norwegians to the front.“ Als die dann keinen Bock mehr hatten mußten die Amis eine Kampfbrigade reinwerfen um die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
…und kommt mir jetzt nicht mit wenn man uns nur gelassen hätte. Opferbereitschaft der Infantrie wirklich in allen Ehren, aber so eine Brigade sieht eben nicht nur breit, sondern auch tief aus.
Reg mich schon wieder viel zu sehr auf, aber was soll den im September passieren. Stutzt man dann in der nächsten Reform auch noch die Breite weg oder schickt man uns dann wieder mit der Trallala bis Taka-Tuka-Land?
Stammt „shape, clear, hold, build“ nicht sogar aus Malaysia?
Die Arroganz der Bundeswehr(-lehrmeinung) und der politisch-militärischen Führung ist jedenfalls schwer zu ertragen. An der OSH wird auf dem Fü1A weiterhin ausgebildet, dass „vernetzte Sicherheit“ eine deutsche Erfindung ist und unsere Verbündeten das übernommen haben. Und als wesentlicher Aspekt von COIN gilt das Zusammenwirken von militärischen und zivilen Akteuren (nicht Maßnahmen).
Vernetzte Sicherheit ist die neue Innere Führung!
Ich bezweifle jedenfalls, dass so etwas an der preußischen Kriegsakademie stattgefunden hätte (die dafür andere Schwächen hatte). Aber zum Glück hat die Bundeswehr die FüAk!
Ich bin etwas überrascht über die einhellige Kritik an TdM. wenn wir uns die militärischen Operationen unserer Verbündeten in den letzten 20 Jahren ansieht, sieht man eine Geschichte des Scheiterns. Mit brachialer Gewalt wurden die jeweiligen Regime weggefegt, um dann, in einer Mischung aus Arroganz und Desinteresse, im Nachhinein instabile Verhältnisse zu schaffen und sich dann so schnell wie möglich aus der Verantwortung zu stehlen. Der Irak wurde mal eben für stabil erklärt, um dann Hals über Kopf abzuziehen und in Afghanistan wird in Kürze daselbe geschehen. Diese Abenteuer kosten tausende Zivilisten das Leben und an die Stelle der unbequemen Oligarchien werden dem Westen bequemere Oligarchien gesetzt.
Richtig ist, dass Deutschland sich bisher nie um die Plätze in der ersten Reihe geprügelt hat, wenn es um Kampfeinsätze ging, aber solange der Plan der Alliierten mit dem Hissen des Sternenbanners auf dem Rathausplatz der feindlichen Hauptstadt endet, gibt es dafür auch wenig Gründe.
Es geht darum, dass TdM hier Lorbeeren für die Bundeswehr und für Deutschland beansprucht, die er noch nicht mal vom Baum geholt hat. Dass die anderen bei COIN / CA auch gescheitert sind, ändert nichts daran, dass das Konzept an sich nicht von Deutschland aus eigenen Erfahrung entwickelt wurde.
Das ganze fügt sich jedenfalls in die weit verbreitete Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit innerhalb der Bundeswehr, weil 99% entweder gar nicht über den eigenen Tellerrand hinausschauen oder das Gesehene aber falsch bewerten.
Es aber so gar nicht in dem Interview, dass andere Nationen von Deutschland lernen sollen. er sagt, dass es eben nicht reicht zu kämpfen und dass auch die andere Seite wichtig ist. Und dazu hat er alles Recht. Wenn unsere Verbündeten robuste Beteiligung von Deutschland an Einsätzen fordern, ist es die Pflicht unserer Regierung diese zu fragen, wohin die reise denn eigentlich gehen soll.
Im x-ten Einsatz in diesem freien Land, mit demokratisch gewählter Regierung, sehe ich insgesamt wenig erfolgreiches. Weder bei uns noch bei den von manchem so bewunderten US/UK. Ich empfehle mal wieder Little America … und es gibt mehr von der Art Literatur, nicht, dass das eine Bibel ist.
Fakt ist, dass sich allüberall das Militär in seinen Fähigkeiten, solch komplexe Lagen wie ein Bürgerkriegsland etc zu befrieden hoffnungslos überschätzt und sich der „Rest“ (Politik/zivile Akteure) nur mit schlauen Reden aber wenig Effektoren bemerkbar machen. Und das führt dann regelmäßig zu den Ergebnissen, die wir haben.
Dazu kommt, dass unterschiedlichste Interessen bestehen, was bewirkt, dass sich mancher Akteur, der CF (als Sammelbegriff) auf beiden Seiten wiederfindet, mal von beiden Seiten Missbraucht wird etc. Und dann auch ein nur in der gröbsten Zielsetzung einiges Bündniss. Da haben die Russen vor 30 Jahren wenigstens „Service aus einer Hand“ geliefert, und die ANA Offz, die schon damals gedient haben, sagen einem unter 4 Augen, dass die einiges besser gemacht haben als wir (alle zusammen).
Der Editor funktioniert hier bei mir leider nicht immer, deshalb Nachschlag:
Damit kann jeder mit einem gewissen Recht behaupten, dass man von jemandem lernen kann. Weil alle irgendwas richtig, aber auch einiges falsch gemacht haben / machen. Das führt dann wieder zu der bereits a.m.S. sehr guten Diskussion (an anderem Platz hier) zum Thema LL/LI …
@Boots on the ground:
Ja, zumindest clear, hold, build war bereits in Malaysia der Ansatz.
Die konzeptionelle Verfestigung kam dann mit Vietnam.
Die Legende von der vernetzten Sicherheit als deutsche Erfindung ist wirklich der Hammer.
An der FüAk wurde auch von einem Dozenten für Strategie behauptet in AFG wäre man unter OEF rücksichtslos vorgegangen, während ISAF mit nem comprehensive approach gearbeitet habe.
Daraufhin habe ich auf Op Medusa verwiesen (erste Bodenoffensive von ISAF im Süden – bei der Zivilbevölkerung ohne Hilfe in der Wüste sass).
Man hatte bei der Planung schlichtweg vergessen sich um die Bevölkerung zu kümmern.
Hier sind OSH und FüAk offenbar gleich getaktet (immerhin was).
Alles voller Selbstbeweihräucherung ohne Selbstreflexion (Innere Führung???).
Was nicht heißen soll, dass wir alles falsch machen, sicher nicht.
Aber etwas mehr Blick über den Tellerand wäre mal angebracht.
Die oben angemahnte Lernfähigkeit fehlt eben.
Daher geht das Problem weit über AFG, COIN, CA hinaus.
Die theoretisch-kulturelle Basis zu einer echten Lernfähigkeit wird jedoch an den Ausbildungseinrichtungen der Bw nicht befördert, sondern systemkonform eingebremst (s.o.).
Naja ganz unrecht hat TdM ja aber auch nicht. Clear Hold Build ist ein sehr altes Konzept so wie COIN ganz generell (Also als Doktrin ja mindestens seit Malaya) aber da wurde ja halt vieles einfach wieder vergessen (verdrängt?) und verlernt. Uk hatte in Malaya Erfahrung (und eine der wenigen erfolgreichen) und USA gegen Ende des Vietnamkrieges und dennoch haben beide nicht wirklich mit COIN als Hintergedanken begonnen. Von daher gab es da schon einen Lernprozess. Auf der anderen Seite heißt dass nicht das Deutschland mit einem comprehensive COIN approach herumgewedelt hat und keiner wollte was davon wissen – so war es ja wirklich auch nicht.
Aber viel interessanter finde ich seine Worte zu einem potentiellen UK Austritt aus der EU und Auswirkungen auf NATO, EU und die UK Außenpolitik. Ungewöhnlich deutliche Worte wie ich finde
http://www.guardian.co.uk/world/2013/apr/22/uk-military-eu-german-minister#start-of-comments
Von den Deutschen lernen, heißt siegen lernen. Das glauben vermutlich die Amerikaner und lehren an ihren Militärhochschulen deutsches Militärwesen. Das belegt auch unser angeblicher Status, als beliebtestes Volk der Welt. ;-)
Pragmatische Lösungen? Ich lach‘ mich kaputt…
Eine Nation, die vor 2008 und gerade im Raum Kunduz völlig verschlafen hat, was sich da zusammenbraut und die ihre militärischen Führer (die die Misere vor Ort geahnt haben) zudem systematisch mit Maulkörben versah, soll allen Ernstes Vorbild für andere sein?! Wow, wir erreichen neue Dimensionen der amtsdeutschen Weltfremdheit… Mir fehlen die Worte.
„countries must learn that fighting is not enough“
Dazu gehört aber zu allererst, dass man
a) kämpfen „fighting“ kann und
b) fighting will bzw. bereit wäre solches zu tun.
Die Kräfte, die monatelang in und um Kunduz fast täglich gekämpft haben, sodass bis zu 50 Ermittlungsverfahren ZEITGLEICH gegen den ZgFhr QRF liefen, die haben wirklich gekämpft. Leider ist ein Großteil der Mannschaften und Uffz m.P. ausgeschieden und die wenigen Offiziere werden in den nächsten Jahren durch ZInFü, FüAk und OSH wieder ausgebremst werden.
@Voodoo | 23. April 2013 – 15:39
Gibt es dafür Belege? Oder eigene Erfahrungen? Bitte hier veröffentlichen. Würde mich sehr interessieren, dass mit den „Maulkörben“.
… bzw. sind als SaZ12 bereits längst nach negativem BS-Bescheid wieder ausgeschieden…
Es gab damals (ich meine gegen 2007/08) z.B. in den Print- und Onlinemedien einen Artikel über das damals frisch eingerichtete PRT KUNDUZ, in dem der zuständige Kommandeur einen Mangel an Steilfeuerkomponenten und PzAbwHaWa beklagte. Er wurde danach mehr oder weniger offen ausgelacht („Angst vor den Panzerhorden der Taliban?“) und es gab anschließend keine ähnlichen Berichte mehr – bis zu den ersten tatsächlichen Gefechten. Intern hörte man ausser dem üblichen Helfen-und-Aufbauen-Mantra im Intranet auch nichts darüber. Das meinte ich mit Maulkorb.
Ansonsten müsste man mal im BMVg nachfragen, ob die Dokumente inzwischen schon freigegeben sind, bzw. ob überhaupt welche über die Anfangszeit und die Lageverschlechterung im Raum KDZ existieren…
@ Henner
Mit brachialer Gewalt wurden die jeweiligen Regime weggefegt, um dann, in einer Mischung aus Arroganz und Desinteresse, im Nachhinein instabile Verhältnisse zu schaffen und sich dann so schnell wie möglich aus der Verantwortung zu stehlen.
Dazwischen liegt aber im Fall Irak eine Reduzierung der zivilen Todesopfer von 29.000 in 2008 auf unter 5.000. Das ist schon eine enorme Leistung.
Und so ein Machbarkeitsnachweis unter extrem widrigen Bedingungen hat eben schon einiges Gewicht, während Deutschland selbst unter beinahe-idealbedingungen nichts vorzuweisen hat und trotzdem alles besser weiß.
Und nein, das macht die ganzen Patzer der Regierung Bush (und Obama) und der US-Streitkräfte nicht ungeschehen.
Nur sollte man eben die Best Practices lernen und die Fehler vermeiden. Deutschland hat immer wieder das genaue Gegenteil getan.
Und Fokus auf ein rein kinetisches Vorgehen, das Nicht-Ernstnehmen von Polizeiarbeit, Intelligence, Medienkrieg, das ignorieren von Hearts and Minds, das Verspielen des Moral High Grounds, das Nicht-Schützen der Bevölkerung, oder das Konzentrieren in deutschen Mini-Bagrams gehört da alles dazu.
(Allein für das Feldlager Kunduz wurden im Monat 0,9 Mio. € Euro Diesel verstromt, um einen Stromverbrauch in der Größenordnung von Kunduz Stadt zu bedienen. Und wo die Amerikaner im Irak wenigsten bei allen beschissenen Bedingungen wenigstens Konvoys bildeten ist die Sicherheit der ISAF-Zulieferer meist allein deren Bier.)
@ Henner
Richtig ist, dass Deutschland sich bisher nie um die Plätze in der ersten Reihe geprügelt hat
Petersberg-Konferenz, Führung ISAF III und IV in 2003/2004, Führung ISAF RC Nord, Leadnation Polizeiaufbau.
Da hat man sich schon in die erste Reihe gestellt und den Ton mit angegeben.
Nebenbei ging es für Deutschland auch nicht um einen Kampfeinsatz (Mittel), sondern um das Schaffen von Sicherheit (Ziel). Hat man nicht hinbekommen, auch weil man sich für die Sicherheit vor Ort nicht verantwortlich fühlte.
Deutschland war eben nie Stakeholder, sondern immer nur ein (oberlehrerhafter) Zuschauer.
Als Leadnation hätte man den Spielraum gehabt es besser zu machen. Nur wollte und konnte man das halt nicht.
Die Erfahrungsberichte waren ja mehrfach Thema in der Presse.
Aber die haben die Politik oft mehr interessiert als die mil. Führung.
Es gab aber auch genug Duckmäuser bei den PRT-Kommandeuren.
Wäre ich ein deutscher Verteidigungsminister einer aktuellen Regierung, würde ich mir beim Thema Kämpfen und Kampfbereitschaft (vor allem auf politischer und höherer militärischer Ebene, ich meine nicht den motivierten Soldaten) jeglichen, aber auch wirklich jeglichen Kommentar verkneifen, selbst wenn ich mal Recht hätte. So etwas kann leider / noch nur in Irritation münden. Gerade im Ausland wäre ich mit so etwas mal ganz vorsichtig. Ich wäre mir nicht so sicher, ob die Alliierten uns dahingehend überhaupt für voll nehmen… Im Gegenteil, gehe ich eher davon aus, dass man Deutschland für einen Ochsen hält…
Potenziell ein unglaublich starker Stier, aber dummerweise fehlen die Eier.
@Niklas
Ihr Kommentar steht bei mir auf Platz 1 der best-of-Aga-comments :-)
@FNU SNU: Ist das irgendwo nachvollziehbar dokumentiert?
@ klabautermann
Vielen Dank, mir ist bereits der oberste Hemdknopf vor Stolz abgeplatzt. :)
Als noch aktiver Soldat bleibt mir nur folgendes übrig:
Ich schäme mich zutiefst für meinen IBUK und entschuldige mich bei unseren tapferen Verbündeten für sein Verhalten. Ich hoffe letztere Wissen, das seine Meinung nicht von allen Soldaten der Bundeswehr geteilt wird.
Abgesehen von den teilweise völlig unsubstantiierten Aussagen, ist es mir unverständlich wie man solch öffentliche Kritik an teils wesentlich leistungsfähigeren und vor allem leistungswilligen Verbündeten üben kann, wenn das eigene Haus lichterloh brennt.
@ J.R.: Das mit der Entwicklung der Opferzahlen im Irak hatte ich so nicht gewusst. Andererseits stehen in absoluten Zahlen rund 100.000 tote Zivilisten seit Beginn der Besetzung. Um es mal zynisch zu sagen: Das hat Saddam mit seinen Gasangriffen auf die kurdische Minderheit bei weitem nicht hin bekommen. Wurde denn das Ziel erreicht, den mittleren Osten ungefährlicher zu machen? Oder besser: wurde die Gefahr für die westliche Welt durch islamischen Terrorismus gebannt? (Auch) Daher halte ich es für richtig, wenn Deutschland sich bei Angriffen auf fremde Staaten und Eingriffe in fremde Konflikte vornehm zurück hält.
Umgekehrt muss ich Ihnen recht geben: Wenn man Verantwortung übernimmt (OPC Nord), dann muss man sie auch mit aller Konsequenz wahrnehmen.
@ henner
Das mit der Entwicklung der Opferzahlen im Irak hatte ich so nicht gewusst.
War ja auch nicht als Vorwurf gemeint. Und ist ist ja auch nicht so, als wäre das in Deutschland groß breitgetreten worden: Die Kriegsgegner können mit guten Nachrichten aus einem völkerrechtswidrigen Krieg nix anfangen, für die meisten Medien sind gute Nachrichten keine Schlagzeilen und die Bundeswehr macht um das Thema Irakkrieg und COIN von jeher einen Bogen*.
Über die Sinnlosigkeit des Irakkriegs herrscht in Deutschland ja eh Konsens, da braucht man sich zum Glück mal nicht drüber streiten. Sahen übrigens auch Berater von Petraeus so: „The biggest stupid idea, was to invade Iraq in the first place.“ ;)
Ändert halt wenig daran, dass die Bundeswehr mehr oder weniger das Gegenteil davon getan hat, was dort zum Erfolg geführt hat.
Ein Detail am Rande: Die USA konnten gut 11.000 Polizisten über die Reserve einberufen (2.2% der amerikanischen Polizisten sind in der Reserve), während Deutschland – auch unter dem damaligen Innenminister Thomas De Maizìere – in Afghanistan keine 200 Polizisten stellt. (Wobei sich, das sei fairerweise angemerkt, sich die Zahl unter De Maizière damals schon etwa verdreifacht hat.)
*Kleiner Nachtrag: Normalerweise kommt an der Stelle jetzt die Aufforderung, nach „Bundeswehr“ und „irgendwas COIN-spezifischem“ zu googlen. Seit Ende letzten Jahres findet man dann sogar was: Dr. Wilson zu „Mit der Petraeus-Doktrin die Menschen gewinnen“, was eigentlich ein ganz guter Einstieg ist. (Interessant ist auch das Kleingedruckte am Ende des Artikels ;) ). Aber der eine Artikel war’s dann auch. Zu Galula, Kilcullen, Nagl, Bing, West, Abu Ghraib, Basra etc. findet sich weiterhin nicht wirklich was.