Das heißt doch nicht mehr Wehrübender
Uff, ich komme heute aus dem Video-Modus nicht raus. Aber es muss wohl sein. Also, liebe Bundeswehr-Youtuber, ihr schreibt zwar heute zum Video Wehrübende bei ISAF
Eine 29 jährige macht ihre Wehrübung in Afghanistan. Für manchen mag es kurios klingen, weil eine solche Verpflichtung nicht ohne Risiko ist, doch sie macht es wirklich gern. Die Reservistin ist als Kraftfahrerin bei der Sanitätskompanie in Kunduz eingesetzt und hat dort ein volles Programm.
Dabei sollte doch bei der Bundeswehr bekannt sein, dass es inzwischen nicht mehr Wehrübende(e) heißt. Sondern Reservistendienst Leistende oder Reservistendienst Leistender (RDL):
Keine Ursache.
Ich vermute ich werde die Frage bereuen, aber:
Warum heißt das nicht mehr Wehrübung resp. Wehrübende?
In der Konzeption der Reserve wurden die Begrifflichkeiten neu definiert. Was Wehrübung war, heißt jetzt Reservistendienst. Passt auch zu den neuen Heranziehungsbescheiden („Ich bitte Sie, am … um… zu erscheinen.“).
Aber warum? In der Regel verursachen neue Wordings immer nur Ärger, Stress, Konfusion und natürlich Kosten…
es heißt nun auch „Heranziehungsbescheid zu einer Einzelübung/Truppenübung“.
Denke es hat damit zu tun weil man ja keine Grundwehrdienstleistenden mehr hat, sondern freiwillig Wehrdienstleistende.
Da kam dann bestimmt jemand auf die Idee auch der Wehrübungsgeschichte lauter neue schöne Namen aufzudrücken :)
In Verbindung mit den neuen Begrifflichkeiten der StVO ist das dann die Panzer Fahrende, Trage Schiebende, Reservistendienst Leistende, in Kunduz Dienst Tuende. Der kleine Fauxpas rührt aber sicher daher, dass dieser Beitrag definitiv schon vor 2 Jahren gedreht und sicher auch kommentiert wurde. Warum der erst jetzt veröffentlicht wurde? Die ISAF steht wieder einmal in der Kritik, diesmal wegen des Luftschlags in der Kunar-Provinz.
Schnell kocht die Stimmung hoch, was allzu verständlich ist, wenn es zivile Opfer und unter denen eben auch Kinder gibt. Ich glaube zwar nicht, dass die Bundeswehr diesen Film hochgeladen hat um die jüngsten Ereignisse zu relativieren, das wäre eine ziemlich dreiste und sicher falsche Behauptung, aber ein bisschen etwas vom humanitären Treiben zu zeigen, kann sicherlich nicht schaden, um eben die zum Teil einseitigen Medienberichte nicht als einzige Meldung über Afghanistan und den Einsatz dort stehen zu lassen.
@Tim
Beitrag vor zwei Jahren gedreht – gibt’s da klare Belege?
Keinen Beleg den ich hier schwarz auf weiß vorlegen, verlinken und/oder zugänglich machen könnte. Nur mein Wissen. Die ein oder andere Nase ist mir halt bekannt, daher kann ich das ganz gut eingrenzen. Wobei der Beitrag sicher nicht veraltet ist.
Als einer der Redakteure, die die Youtube-Videos der Bw produzieren, muss ich mich jetzt doch mal zu Wort melden….
Mag ja sein, dass es inzwischen offiziell „Reservistendienst Leistender“ heißt. Für einen gesprochenen Text ist dieses schauerliche Amtsdeutsch aber ein ziemlicher Zungenbrecher. „Reservist“ oder „Wehrübender“ klingt da wesentlich gefälliger, zumal es auch in den Köpfen der User so drin ist.
Alter Spruch beim Fernsehen: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“
So werde ich als Autor z.B. niemals den fürchterlichen Begriff „Sprachmittler“ verwenden und wenn´s tausendmal der offizielle Bw-Begriff ist…. Für den Normalverbraucher ist das nun mal ein Dolmetscher oder Übersetzer.
Und wir machen das schließlich für die Leute „draußen“.
Natürlich haben wir es bei der Bundeswehr mit einer bestimmten Terminologie zu tun. Und dann „verlegen“ Soldaten eben von A nach B, anstatt zu „fahren“. Aber es gibt halt auch Grenzen, wo man sich einfach nur noch lächerlich machen würde.
Wissen Sie, wie es offiziell heißt, wenn Fallschirmjäger am Schirm zu Boden gleiten? „Schirmfahrt“. Auch so ein Amtsdeutsch-Unwort, das ich nie verwenden würde…
„An Gefahren denkt kaum einer mehr. Es gibt auch schöne Seiten von Afghanistan.“
Erinnert mich an meinen damaligen BtlKdr, der in einer Ausbildungspause vor meinem Zug tönte: „Im Krieg wird nicht nur geschossen. Krieg kann auch Spaß machen, fragen sie mal ihre Väter.“
Das war 1980.
still going strong . . .
@Tim:
Wie kommen Sie darauf, der Beitrag sei „vor 2 Jahren“ gedreht worden, ohne irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu haben? Ich kann ihnen versichern, das Video ist aktuell.
Das Video ist vom 29. Ktgt im Sommer 2012.
@DigitalRider:
Vielen Dank ! Diese neuen Begriffe gehören auf den Friedhof der „bürokratischen Sünden“, andere Behörden versuchen das Amtsdeutsch für den Bürger wieder verständlich zu machen und wir haben neben dem Abkürzungswahnsinn auch noch diese sprachlichen Ver(w)irrungen zu erklären.
Ich glaube ja, ein halbwegs toleranter Mensch zu sein. Aber diese neuen, in einem unheilvollen Exaktheitswahn geprägten Begriffe (es gibt noch viele andere) wären nicht einmal in der Bürokratie des Kalten Krieges akzeptiert worden.
Andererseits beruhigt das alles auch wieder: Offenbar haben wir eben keine wirklichen Probleme.
@ DIGITALRIDER als einer der Leute da draußen, finde ich es prima, wenn sie sich in Ihren Clips um eine allgemein verständliche Sprache bemühen. Auch wenn viele jüngere den Begriff selbst überhaupt nicht zuordnen können, weil keiner aus dem Altersumfeld davon je betroffen war, so können die Älteren ihn wenigstens noch erkären, was mit dem neuen Wortmonster dannnur noch auf die wenigen Bw-affinen zutrifft.
Solange wir es uns leisten können Stabsoffiziere dafür zu bezahlen dass sie prüfen ob das gendering in vorschriften korrekt ist sollten wir uns freuen, das heißt nämlich dass wir noch nicht an die grenzen unserer Leistungsfähigkeit gestoßen sind, denn dann würden diese herren hoffentlich wieder etwas anderes tun. :)
Ich kann die Empörung hier nicht teilen.
„Mehrmonatige Wehrübung in Afghanistan“ als Begriff für den Einsatz find ich ziemlich widersinnig, da ist nichts Wehr und auch nichts Übung. Vielleicht haben sich einige hier ja an diesen Begriff mittlerweile einfach gewöhnt, für mich war es ein sehr anschauliches Beispiel, dass die Bundeswehr a) den Einsatz immer noch als Ausnahme sieht, und b) Reservisten nicht ernstnimmt. Ich bin froh, dass er endlich weg ist. Wer will kann ja mal einen Nationalgardisten nach seinem „defensive training exercise“ in Afghanistan fragen…
Zum Begriff „Reservedienst Leistende“: Ich bin ja mit dem Begriff „Wehrdienst Leistende“ großgeworden, und irgendwie entgeht mir da wohl grad der großartige Unterschied.
@ J.R.
Na ja. Eigentlich liegt der Streitwert dieser Sache deutlich unter 5 Euro. Aber trotzdem: Mit Ihrer Argumentation könnte man wohl jeden zweiten Begriff umdrehen und locker irgendwelche logischen Unkorrektheiten und beliebig viel Widersinn finden. Herauskommen würden sprachlich völlig unverdauliche Ungetüme, die mit gewachsener Sprachkultur nur noch wenig zu tun haben. Ist Geschmacksache, aber mir gefällt das nicht, und es hat m.E. auch nichts mit erforderlicher Modernisierung zu tun. Warum sollte man ohne Not einen jahrzehntelang verankerten Begriff zugunsten einer derart missglückten Krückenkonstruktion kippen, nur weil sich sein Inhalt in einigen Aspekten geändert haben mag? Ich sehe die Notwendigkeit nicht, und der Blick auf andere Nationen und deren Sprachtraditionen hilft da auch nicht wirklich weiter. Allerdings: Es gibt Wichtigeres als dieses Thema.
@KeLaBe
„Warum sollte man ohne Not einen jahrzehntelang verankerten Begriff zugunsten einer derart missglückten Krückenkonstruktion kippen, nur weil sich sein Inhalt in einigen Aspekten geändert haben mag?“
Weil das genau die Tätigkeit ist, mit der sich Heerscharen von Referenten im BMVg aber nicht nur da befassen. Da werden ständig neue Begriffe geschaffen. Jeder versteht erst einmal was anderes darunter. Begriffsdefinitionen werden rauf und runter zelebriert. Im Namen des scheinbaren Fortschrittes wird so manche Überstunde geleistet. Verzeihung aber Wortwichsereien gehören zum ministeriellen Kerngeschäft. Und das meine ich keineswegs so trollig wie es sich ggf. anhören mag.
… bin froh, dass es vorüber ist. Meine Welt nicht mehr.
Muuhahaha – der nächste Viertopfzerknalltreibling… Oder Bügelmeßschraube mit Drehmomentenbegrenzer statt Mikrometerschraube mit Gefühlsratsche
@BausC: Operative Hektik ersetzt geistige Windstille. So einfach ist das. Wenn einem nichts besseres einfällt, wird halt am Wording geschraubt. Aber kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken, daß es sich dabei um ein reines Behörden- oder gar Bw- Phänomen handeln könnte. Auch neu ist die Sache nicht, denn es hieß statt der Einheitslaterne auch Laterne, Einheits. Darin war aber immerhin ein gewisser Sinn vorhanden.
In Wirtschaft und Industrie nutzt man zur Abgrenzung zum Normalbürger gerne die Verdenglichung, was dann die gewohnte Rendite zum Yield macht und den Umsatz zum Cashflow. Und irgendwann macht unsere Alltagssprache dann dem Blödsinn den Gar aus oder sie paßt sich durch Assimilation an. So reüssiert man heute ja kaum noch, und auch niemand mit Namen Müller benennt sich in Molitor um.
Immerhin hat J.R.’s Erklärung einen gewissen Charme, weil ein Einsatz in AFG für Reservisten nichts mehr mit Übung zu tun hat. Also wäre korrekterweise ein solcher Einsatz wohl doch als Reservistendienst zu bezeichnen und damit von der herkömmlichen Übung irgendwo am Standort zu unterscheiden. Also eher keine Umbenennung sondern korrekte Beschreibung für Neues?
Bei ‚Wehruebung‘ hab ich mir nur gedacht, es ist aber recht Bloedsinnig, Reservisten zu ihrem Kameradentreffen nach Afghanistan zu fliegen.
‚Reservedienst‘ scheint mir da deutlich verstaendlicher. Es ist Dienst, die Reserve fuehrt in durch. Bei allem Verstaendnis fuer den Aerger ueber schwachsinniges Buerokraten-Deutsch: Ueberhaupt nicht nachvollziehen kann ich warum sich hier so Viele am Wort ‚Reservedienst‘ stoeren.
@ KaLeBe
Klar gibt es wichtigeres als Sprachregelungen.
Aber gerade der Reservistendienst war bis vor einigen Jahren anscheinend noch schwerpunktmäßig Kameradschaftsabende für Ehemalige, während sich einsatzoriente Quereinsteiger wie das fünfte Rad am Wagen vorkamen. (Und da lief deutlich mehr schief als nur die Begrifflichkeit. Nachzulesen u.a. bei Boris Barschow, oder in der Kurzfassung bei IMS „Achtung, Sie verlassen jetzt den militärischen Bereich!“. Den mehrmonatigen Auslandseinsatz als „Wehrübung“ zu betiteln war da nur ne weitere Verhohnepiepelung. Und die Abschaffung des Begriffs lediglich ein längt überfälliger erster Schritt.)
Und da hilft durchaus der Blick zu anderen Nationen, denn viele gehen das Thema mit deutlich mehr Professionalität an. Aus gutem Grund. (Wo sonst kriegt man berufserfahrene Spezialisten für lau?) Nur Deutschland hinkt mal wieder her. Nicht nur die Bundeswehr, sondern auch gesamtstaatlich. Eigentlich bräuchte es sowas wie einen Internationalen Deutschen Freiwilligendienst. Aber das führt hier glaub zu weit.
Angesichts dessen, dass die Masse der Reservisten zur Aufrechterhaltung des Grundbetriebs im Inland, insb. zur Überbrückung von personellen Vakanzen mit Schwerpunkt Verwaltungsarbeit / Stabsdienst, eingesetzt wird (Dienstleistungen erbringt) und nicht auf ihrem originären Beorderungsposten / Verwendung übt (wehrübt), ist die Umbenennung von Wehrübung in Reservistendienst nur folgerichtig.
Das ändert allerdings nichts daran, dass die derzeitige Reservistenkonzeption eine Totgeburt ist und das Reservistenwesen mittel- bis langfristig enden wird, weil diese nicht umsetzbar ist. Keine verbündete Armee setzt Reservisten im Schwerpunkt zur Aufrechterhaltung des Grundbetriebs im Inland ein, denn dafür ist zurecht keine Akzeptanz bei deren Arbeitgebern und in der Gesellschaft zu erwarten – es sei denn die Bundeswehr hat einmal mehr das Rad neu erfunden. Aber ist das wirklich realistisch?
J.R. | 09. April 2013 – 22:36
Genau. Der gut bezahlte und berufserfahrene Reservist wird von seinem Arbeitgeber für >4 Wochen freigestellt und das Gehalt bezahlt dieser natürlich weiter.
Haben Sie die Reservistenkonzeption und die Pressemeldungen der Bundeswehr und des Reservistenverbandes geschnupft / geraucht? Und wenn Sie dann auch noch was vom „Blick zu anderen Nationen“ – die bekommen ihre Spezialisten auch nicht für lau, ganz im Gegenteil.
@ Boots on the Ground
Doch, auch die zahlen nicht viel mehr als die Einsatzzeit, und auch da kaum mehr als im Zivilberuf. Man spart sich also die Ausbildung, die Bezahlung während der Heimatzeit und auch die Weiterbeschäftigung bis DIenstende/Rente. Ganz nebenbei: Ein spezialisierten Consultant/Contraktor würde für den Einsatz in einem Konfliktland wohl deutlich mehr berechnen als sein festangestelltes ziviles Pendant als Lohn ausgezahlt bekommt.
Auch die Größenordnung sind andere:
Bei der britischen Territorial Army waren seit dem 11. September 2011 angeblich 20.000 Reservisten im Einsatz (bei einer Größe von 36.000 Reservisten). Bei der US National Guard waren 300.000 im Irak oder Afghanistan (bei einer Größe von 470.000). Die Einsatzzeiten liegen dabei um die 6 Monat (teils auch die Hälfte, teils das Doppelte)..
Bei der Bundeswehr sind es im Jahr unter 350 für alle Bundeswehreinsätze zusammen (bei einer Größe von auf dem Papier 90.000); Einsatzzeiten glaub 4-7 Monate.
Auch von persönlichen Dankesbriefen an den Arbeitgeber kann der deutsche Reservist glaub nur träumen. Der kann schon froh sein, wenn das chaotische Vorbereitungsgedöns nicht zu sehr mit seinem Job kollidiert.
Die neue Begrifflichkeit ist auch deshalb ein Graus, weil die Personalstellen nichts mit ihnen anfangen können. Wehrübung – da war überwiegend klar, die Frau/der Mann muss los, legen wir ihm also keine Steine in den Weg. Die neuen Wortungeheuer (Autoren werden sicher mal General) führen nur dazu, dass die Personaler den Wehrdienst nicht mehr ernst nehmen.
@ Werner
Reservisten? Ich dachte Reservistendienst Leistende ist jetzt der richtige Begriff?
Reservisten sind immer noch Reservisten. Reservisten im Einsatz (§60.4-5 SG: Auslandseinsatz und Mobilmachung) sind jetzt allerdings keine „Wehrübendenen“ mehr, sondern „Reservedienst Leistende“.
@J.R.: Offenbar lag hier ein Verständnisproblem meinerseits vor, ich bin davon ausgegangen, dass Sie den deutschen (Ideal-) Zustand / Planung beschreiben.
Ansonsten verweise ich nocheinmal (und auch zum wiederholten Mal in diesem Blog) auf die grundlegenden Unterschiede zwischen der Bundeswehr und den allierten Streitkräften: Die Bundeswehr setzt Reservisten im Schwerpunkt zur Aufrechterhaltung des Grundbetriebs im Inland ein – das betrifft vor allem Offiziere in Stabs- und Verwaltungsverwendungen sowie Spezialisten, sowohl im Inland als auch im Ausland. Gleichzeitig erfordert diese Art des Einsatzes vergleichsweise lange Dienstzeiten (+4 Wochen). Beides ist aus betriebswirtschaftlicher und idealistischer Sicht wenig attraktiv für den Arbeitbgeber: Der Reservist fehlt, eine Vakanz entsteht, aber nicht um die Verteidigungsfähigkeit im S/V-Fall oder Einsatz zu gewährleisten, sondern um eine Vakanz im Grundbetrieb zu schließen.
Dagegen bilden die Reservisten in verbündeten Streitkräften entweder einen integrierten Bestandteil der Streitkräfte (als geschlossene Verbände oder Personalersatz) mit Schwerpunkt Einsatz (im anglo-amerikanischen Raum) oder eine separate Teilstreitkraft mit Schwerpunkt Heimatschutz und Landesverteidigung (in den skandinavischen und baltischen Staaten). In beiden Fällen findet die Ausbildung nach dem Grundsatz „one Weekend a Month, two Weeks a Year“ statt und ist damit in betriebswirtschaftlicher und idealistischer Hinsicht mit dem Arbeitgeber besser vereinbar, aus gesamtgesellschaftlicher Sicht unterstützenswert und extrem attraktiv – was sehr gut in dem Werbevideo des London Regiment der Territorial Army deutlich gemacht wird.