Vernetzt denken – in alten Strukturen?
Das macht ja Bloggen als Journalismus so interessant: Die Rückmeldungen (neudeutsch: Feedback) und das Wissen meiner Kommentatoren hier auf Augen geradeaus! eröffnen bisweilen ganz neue Ein/Ansichten und Diskussionen – und in einem Blog kann ich recht schnell und problemlos darauf eingehen…
Nachdem ich gestern einen Bericht des US-Kollegen David Axe verlinkt hatte, in dem es um die Vernetzung in den US-Streitkräften ging
From handheld devices capable of streaming video from overhead drones to encrypted data-links allowing warships to share radar data and cue targets for each other’s missiles the Pentagon has debuted a dizzying array of new systems meant to build the information connections in a network over the last 10 years.
But the services have not changed how they are organized to make use of the new ways of sharing information. Without a profound shift in the way American forces are structured and led, Net-T and other networking technologies will never meet their full potential, according to one leading military thinker and advocate for „network-centric“ warfare.
wurde das von den Lesern hier sofort aufgegriffen: Vernetztes Denken ist nicht in erster Linie Frage der Technik – sondern der Strukturen. Und als Gegenbeispiel folgte der Verweis auf ein offizielles Bundeswehr-Video von der Gefechtsübung Grantiger Löwe im vergangenen Jahr:
Da gibt es wohl Diskussionsbedarf. Und dafür biete ich hier gerne das Forum.
(Die entsprechenden Kommentare aus dem anderen Thread, der auch schon aufgrund des Diskussionsbedarfs zustande gekommen war… verschiebe ich hierher.)
@Soenke
ich wußte doch, dass wir in Phase sind :-))
…….den burnout erleiden nur diejenigen, die immer noch mit 2 handies 24/7 rumirren ;-)
@KeLaBe14:43,
„Mit unserem Urteil ist es wie mit unseren Uhren. Nicht zwei gehen genau gleich, und doch glaubt jeder der seinigen.”
@ Politikverdruss
Okay, jeder darf glauben, was er will.
Wen zitieren Sie da eigentlich dauernd. Sich selbst? (Vorbeugende Plagiatsverdachtvermeidung?)
@Soenke Marahrens
Nun wie fange ich an? Zuerst muss ich Sie wahrscheinlich darum bitten die folgenden Äußerungen nicht als persönlichen Angriff zu werten. Ich denke Vernetzung ist die Zukunft – Vernetzung kann aber nicht die physikalischen Beschränkungen in der Schlammzone aufheben.
Genau diese Diskrepanz sorgt für Spannungen zwischen übergeordneter Führung und dem Soldaten an der Ablauflinie. Für die Führung stellt sich aus der Vogelperspektive der große Zusammenhang dar – der Infanterist aus der Froschperspektive erkennt jedoch die Details.
Aus Ihrem Beitrag kann ich deutlich die Vogelperspektive herauslesen. Deshalb lassen Sie mich nun aus der Froschperspektive antworten:
Zitat:“ eine US Studie zeigt dass das durch den Soldaten zu tragende Gewicht quasi zeitunabhängig ist…. Was früher Essen war ist heute eben der Strom ;-)”
Diese Substitution ist aus meiner Sicht nicht zulässig.
Der Mensch kann Notfalls auch mehrere Tage ohne Essen auskommen. Zusätzlich werden Infanteristen so ausgebildet, dass sie sich im Notfall aus der Umwelt versorgen können.
Ein elektronisches Gerät kann beides nicht. Es kann weder ohne Strom funktionieren, noch kann man Strom ohne zusätzliche Hilfsmittel der Umwelt entnehmen.
Das Stromproblem hat sich sehr deutlich bei den Amerikanern in Afg. gezeigt. Alleine die Batterien für Nachtsicht-, Wärmebildgeräte, Funkgeräte und Optiken hat zu großen Versorgungsproblemen in den z.t abgeschiedenen Regionen gesorgt . Wir sprechen hier aber noch nicht von komplexen Rechnern die jeder Soldat mit sich herumträgt und die einen wesentlich größeren Energiehunger besitzen.
Zitat:“ sie können halt nur einsetzen, was sie dabei haben“
Ganz genau so ist es. Die wertvollste Erfahrung welche die Amerikaner in Afg. bzgl. ihrer Infanterie gemacht haben, ist “cut off weight“ – eine Erfahrung die leider in den höheren Ebenen der BW noch nicht angekommen ist. Ein Infanterist hat einfach eine beschränkte Lastkapazität die nicht genau beziffert werden kann – aber mit jedem Kilo mehr an Ausrüstung nimmt der Kampfwert ab. In den letzten 10 Jahren hat die Infanterie große Sprünge bei der Erhöhung des Schutzes und der Feuerkraft gemacht. Diese Sprünge wurden jedoch stets mit einem erhöhten Gewicht erkauft. Inzwischen sind wir in einem Bereich angekommen, wo vor jedem Auftrag entschieden werden muss, welche Fähigkeiten benötigt werden und welche Fähigkeiten man besser zu Hause lässt. Das führt dazu, dass die Bedürfnisse an die Ausrüstung sehr Individuell sind. Bei einem System wie Gladius welches den Rücken für die Elektronik reserviert, kommt es spätestens dann zum Konflikt wenn ein schwerer Rucksack getragen werden soll. Scharfschützentrupps, MG-Schützen, ggf. Mörserträger sind hier die üblichen Verdächtigen. Das bedeutet in dieser Situation muss der Soldat die Elektronik zu Hause lassen, weil er sonst seinen Auftrag schlicht nicht erfüllen kann.
Anm: Mir ist bewusst dass Gladius spezielle Rucksäcke vorsieht. Doch bei genauem Hinschauen zeigt sich gerade daran wie zwanghaft hier versucht wurde die Vernetzung zu Lasten echter Funktionalität durchzusetzen. Ein Rucksack der nur mit speziellen Systemen getragen werden kann, ist unflexibel. Ein Rucksack der zusätzlich ein großen Abstand zum Rücken hat (da dazwischen die Elektronik sitzt) ist in schwerem Gelände schwierig zu beherrschen und spätestens am Klettersteig gefährlich.
Zitat:“ .. Und ich gehe jede Wette ein, dass obwohl Sie nur den ZgFhr / GrpFhr ausstatten wollen, jeder Soldat (als mündiger Bürger) sein Handy dabei hat….. Ich würde es ja nutzen….“
Die Wette würde ich auch eingehen – nur – der Vergleich hinkt wieder. Ein Handy wiegt ein paar hundert Gramm und kann in jeder Tasche verstaut werden. Das Handy ist ein Feature und ist kein Gerät auf welches ich im Gefecht zwingend angewiesen bin.
Zitat:“ P.S was machen sie eigentlich wenn der grpFhr ausfällt? Die Gruppe komplett abschreiben?“
Was man schon seit dem Beginn der Antike macht. Ein anderer Führer übernimmt und versucht seine Leute trotz aller Widrigkeiten weiter zu führen. Egal ob die Kommunikation zusammengebrochen ist, die Hälfte verwundet oder die Munition/Essen/Wasser knapp wird. Der Infanterist ringt im Gefecht ständig mit nicht optimalen Rahmenbedingungen. Das macht die Infanterie besonders und auch dann noch kampffähig wenn alles andere versagt. Die idealisierten Modelle übersehen jedoch diese Besonderheiten.
P.s Leider scheint dieses Detailverständnis für bestimmt Truppengattungen (Anm: Nicht nur beim Heer ;-) gerade bei höheren Offizieren zu fehlen – umgekehrt würden sich viele Konflikte vermeiden lassen, wenn man dem einfachen Soldat den großen Zusammenhang erklärt.
@Bang50
Ich bin ja ganz auf ihrer Seite….
Als ehemaliger CDEler würde ich mir halt gerne den Luxus leisten, solche Sachen zu experiementieren anstatt sie von oben auf der Grundlage bundeswehrweit abgestimmter funktionaler Forderungen (Merke Konsens ist in der Regel der grösste gemeinsame Nenner und nicht das kleinste gemeinsame Vielfache ) auf den man sich einigen kann… und b. Priorisieren heisst weglassen…) einzuführen!
Meine Erfahrungswelt zeigt aber auch, dass manchmal auch die sogenannte Truppe Technische Innovation verhindert, weil es anfangs unbequem ist…
Sprueche wie Das haben wir noch nie so gemacht , was der Bauer nicht kennt usw…etc kennen Sie sicher auch….
Das hatten wir alles schon im CMTC Hohenfels! aber das wollten wir nicht halten und so ist es rund ein Jahrzehnt später etwas besonderes, wenn das verbundene Gefecht wieder – wenn auch ohne Artillerie – geübt wird. Schade!
@Politikverdruss
meine Antwort: „ Sooft die Kühnheit auf die Zaghaftigkeit trifft, hat sie notwendig die Wahrscheinlichkeit des Erfolges für sich, weil Zaghaftigkeit schon ein verlorenes Gleichgewicht darstellt.“
Dem Angler und Jäger hilft Kühnheit nichts!
Kühnheit kann ein Gefecht entscheiden, mit einer Truppe von Kühnen verlieren sie aber mit Sicherheit einen Krieg! Außer wenn Material- und Personaleinsatz keine Rolle spielt, dann gebe ich ihnen recht!
Wir sind aber nicht mehr in der Zeit, als dieser Satz formuliert wurde, die Soldaten sind nicht mehr in Kriegen, sondern in Polizeieinsätzen und da geht man vor, wie es Polizisten tun!
@iltis
„Wäre die Antwort auch so ausgefallen, wenn sich die Spritlaster am Zaun um das Feldlager desintegriert hätten?“
Nein……aber gute Aufklärung hätte ergeben, dass dies nicht möglich war!
Wäre der Tanker noch fahrfähig gewesen, hätten skalierbare Waffen (BK-Hubi/CAS- Fläche) die Kiste bewegungsunfähig gemacht!
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat ………..
…und wenn wir so weiter machen, dann haben wir demnächst nicht einmal mehr einen Hammer (PA200)!
das ist dann „smart defense“
FNU SNU | 12. Februar 2013 – 23:59
Stopp! Die Aussage legt so nahe, dass die einsatzerfahrenen Teileinheiten und Führer die Lösung für die derzeitigen Probleme, die durch das „alte Heer“ verursacht bzw. verantwortet wurden, sind. Das ist aber so grundsätzlich falsch.
Vielmehr hat eine falsche Auswertung bzw. falsche Gewichtigung richtiger Auswertungen unserer Einsatzerfahrungen und die unserer Verbündeten die Bundeswehr in die derzeitige Lage gebracht. Daran tragen alle Ebenen ihre Verantwortung (selbst wenn die Entscheidungen weiter oben fallen) und die Probleme betreffen Struktur, Ausrüstung und Ausbildung. Beispiele wurden hier bereits genannt, ich will nur noch einmal ein aus meiner Sicht besonders krasse Fälle aufgreifen:
– Die Einteilung in StabKr und EingrKr hat bisher keine Streitmacht dieser Welt so vorgenommen – trotzdem hat die Bundeswehr das entgegen aller Vernunft gemacht.
– Kurz nach Einmarsch in den Irak veröffentliche die Y-Punkt einen Artikel zu den US-Lessons Learned, in dem die Bedeutung einer bataillonseigenen Steilfeuerkomponente (-> MrsKp) betont wurde und die Aufstellung einer MrsKp in allen PzBtl angekündigt wurde. 2004 nahm die Bundeswehr die Panzermörser M113 aus der Nutzung und löste die MrsKp ersatzlos auf. Genauso die Auflösung der Feldartillerie, der Brigadeartilleriebataillone, der Heeresflugabwehr etc.
– Zur Ausbildung ein anderes auf SIERRA313 genanntes Beispiel: Wenn deutsche Soldaten bei Feindkontakt auf 400m (!) sich aus ihrer teilgedeckten Stellung erheben (!) um in Kontaktstellen (!) den Gegner mit Dubletten (!) zu bekämpfen, dann ist in der Schießausbildung alles schiefgelaufen.
– Gleiches gilt für die Abschaffung der Ausbildung am MG3, Pzfst3 etc. außerhalb der Kampftruppe – die Irak- und der Afghanistankrieg haben – wie zahllose andere Konflikte zuvor – die Bedeutung einer umfassenden infanteristischen Grundausbildung aller Kräfte gezeigt.
Und eines der Ergebnisse ist der hier angesprochene grundsätzliche Verlust der Fähigkeit zum Gefecht der verbundenen Waffen.
@Elahan
„Wir sind aber nicht mehr in der Zeit, als dieser Satz formuliert wurde, die Soldaten sind nicht mehr in Kriegen, sondern in Polizeieinsätzen und da geht man vor, wie es Polizisten tun!“
Meinen Sie das ernsthaft?
@ Elahan und Politikverdruss
Also, ich würde nicht alle alten Führungsweisheiten mit dem (m.E. nicht schlüssigen) Argument beiseite stellen, die Soldaten heute müssten generell wie Polizisten vorgehen. Dann könnten wir ja wirklich auf Soldaten verzichten und einzig und allein in den Polizeiapparat investieren – was falsch wäre.
Aber vielleicht ein kurze Erinnerung an das, was Clausewitz über die Kühnheit gesagt hat (er hat ihr schließlich ein ganzes Kapitel gewidmet): „Je höher wir unter den Führern aufsteigen, je notwendiger wird es, daß der Kühnheit ein überlegener Geist zur Seite trete, daß sie nicht zwecklos, nicht ein blinder Stoß der Leidenschaft sei …“.
Treffender kann man es auch heute kaum ausdrücken. Und ich denke, ein Funken Wahrheit ist da auch auf allen Ebenen dabei. (Übrigens hat der damalige Bundespräsident von Weizsäcker dieses Clausewitz-Zitat in seiner Rede bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr benutzt.)
@ Elahan und Politikverdruss
Der Ordnung halber nehme ich den letzten (Klammer-)Satz in meinem Kommentar von 16:44 zurück. BPr von Weizsäcker hat damals ein anderes (ähnliches) Clausewitz’sches Zitat zur Kühnheit benutzt.
Habe mich hier geirrt. Vergessen Sie also alles ab „Guten Morgen“. Trotzdem ändert das nichts an der notwendigen Verbindung von Kühnheit und Geist für den militärischen Führer (sofern er nicht tollkühn handeln möchte).
Wenn das jetzt immer mehr zu IDZ II geht
Es steht schon in anderen Forums das IDZ II und Ausrüstung nicht mehr zusammen getragen werden kann, so muss der Jäger einen Mix mitnehmen weil beides nicht mehr tragbar ist.
Bei den PzGren ist das besser weil die ihre andere Ausrüstung im Marder lassen können.
Beim Jäger Abgesessen ist das schon Schwieriger, die haben nicht immer ihre Fahrzeuge dabei , und nur die Fahrzeuge können Sie ihre Geräte laden oder sie brauchen ein anderes Fahrzeug dabei das dann ein Ladegerät hat .
Und wie soll es dann weiter gehen wenn spätestens IDZ III kommt
Es werden dann wohl drohen mehr eingebunden, das wird dann noch viel schwerer
Oder werden dann mehr an Fahrzeuge gekoppelt
Wenn jetzt schon Diskutiert wird wie die neuer leichter Heeresaufklärer wie die dann ausgestattet werden sollen weil mit IDZ reicht der Dingo Pro Trupp nicht mehr aus
@Politikverdruss
„Meinen Sie das ernsthaft?“
Dies meine nicht ich, sondern die Politik! Ich habe beschrieben was von uns verlangt wird, nicht was ich gerne hätte!
Ein Saat ruft einen anderen Staat zur Hilfe um im Land mit Aufständischen zu kämpfen!
Bewaffneter nicht internationaler Konflikt!
Stellen wir uns das in Ägypten, Syrien, Spanien, Griechenland uvm mal vor…………
Vernetzt denken – in alten Strukturen?
P.S.: Die Bw darf noch nicht in DEU eingesetzt werden, so müssten auch wir einen Partner bitten robust gegen evtl Aufständische vorzugehen!
Auch das ist nicht meine Meinung, sondern das Beschreiben der gegenwärtigen Praxis!
Einer Wertung enthalte ich mich!
Von Clausewitz’scher Kühnheit zu Alarich’schem Pragmatismus – beachtliche Bandbreite in diesem thread!
Hallo Elahan
Selbst Russland baut jetzt auch auf Vernetzte Armee wie China auch.
Und die sind auch mehr auf Panzer Deutschland hat nicht mal sich gegen Panzer Gerüstet und Luftabwehr
@KeLaBe
Auch ich bin der festen Überzeugung, dass Soldaten wie Soldaten kämpfen müssen!
Ein Soldat ist eine fürchterliche Waffe und sollte es auch sein, denn zur „ultima ratio“, zur Verteidigung des Lebens meiner Kinder, laß ich den Teufel von der Kette. Nicht aber für hilflose, ungeplante und unvorbereitete außenpolitische Irrfahrten!
Deshalb ist es um so schlimmer, wenn man Soldaten zum Spielen, Brunnen bohren, Schulen bauen und für polizeiliche Hilfseinsätze mißbraucht!
Im Moment bilden wir in den meisten Ausbildungseinrichtungen keine Soldaten aus und wundern uns, dass nur wenige in der Bw überhaut zum Gefecht fähig sind!
Auch da „Breite vor Tiefe“
@Alarich
Aber wenigstens muss man in deutschen Panzern zukünftig nicht mehr frieren…
http://goo.gl/6d0sV
@KeLaBe 16:44,
mein Clausewitz-Zitat setzt sich fort, und das wollen Sie wohl ausdrücken, indem der Kühnheit „Grenzen“ gesetzt werden: „Nur wo sie auf besonnene Vorsicht trifft, die, man möchte sagen, ebenso kühn, in jedem Fall ebenso stark und kräftig ist als sie selbst, muss sie im Nachteil sein; das sind aber schon die seltenen Fälle.“ Clausewitz, Sechstes Kapitel, Kühnheit.
@ Soenke Marahrens
Vorneweg schonmal Danke für die doch umfangreiche Antwort.
Eigentlich ging es mir bei meinem Post vor allem um das skizzierten IT-Anforderungen, die eben wirklich nichts ausgefallenes sind. Mit Auftragstaktik an sich hatte das wohl nur in soweit was zu tun, dass wenn die Leute auf der Graswurzel-Ebene (sorry, „in der Schlammzone“) planen, entscheiden, koordinieren müssen/sollen, diese auch über die Hilfsmitel/Werkzeug dazu verfügen sollten. (Und die Lösungen dazu gibt es halt schon, woran scheitert die Einführung?)
Das dazu auch Kommunikation und Wissensmanagement auf/für die jeweiligen Ebene gehören, ohne alles, womöglich noch von Hand zusammengefasst, durch eine zentrale Stelle zu leiten, bevor es dann wieder an die Ursprungsebene zurückgeträufelt wird, ist sicherlich wahr.
Aber wenn schon das Fass mit der auftragsorientierten Wahl der Mittel aufmachen: Springen Sie da nicht ebenfalls etwas zu kurz, wenn Sie sich bei der Zusammenstellung der Einsatzgruppe auf Militärische Einheiten beschränken? Was, wenn man für die Einsatzgruppe nicht eher noch eine Baufirma, 20 Polizeiausbilder, ein eine handvoll Ortskundiger und ein HTT bräuchte? Dann gilt doch auch wieder „Ham wir nicht, brauchen wir nicht, kann sowieso jeder Schütze“, und die ganzen Auftragstaktik-Aspekte (Selbstständigkeit, Freiheit der Form, gleiche Wellenlänge, eingeübtes gegenseitiges Vertrauen) entpuppen sich als Chimäre.
Da fand ich persönlich auch den verlinkten Artikel „Auftragstaktik auf dem Prüfstand“ irgendwie ernüchternd. Nicht weil der an sich schlecht wäre. Aber in dem Artikel geht es um einen Angriff auf eine afghanische Polizeistation, und die Afghanen sind anscheinend so gar nicht in der Loop (im Netzwerk? im Führungskreis?). Scheint aber, wie anscheinend fast die gesamte Koordination zwischen Bundeswehr und Nicht-Nato-Akteuren, nicht als Problem gesehen zu werden.
Abschließendes Wort zur Auftragstaktik in der Bundeswehr, so als Außenstehender: Wir haben anscheinend immer noch eine Bundeswehr, in der eine Kompanie zwar grob entscheiden kann wie sie ihre Munition einsetzt (durchaus im Wert von zigtausend Euro), aber man gleichzeitig davor zurückschreckt, ihr 50.000 Euro an die Hand zu geben, damit sie wirklich frei und selbstständig, auf die Lage vor Ort abgestimmt, handeln könnte. Deutlicher kann man fehlendes Vertrauen doch nicht ausdrücken?
@ Politikverdruss
Schön, dass der alte Clausewitz auch in diesem blog mal wieder zu Ehren kommt. Er ist ja auch wirklich lesenswert, in weiten Teilen hochaktuell und eigentlich auch gar nicht OT.
Offenbar nähern wir uns mit unseren Bewertungen dank seiner Beobachtungen (er stellt ja im Prinzip keine normativen Forderungen, sondern beschreibt erfolgreiche Kriegführung in seiner Zeit) zunehmend an. Ich bin ja auch keineswegs gegen Kühnheit, ganz im Gegenteil. Ich sage nur, sie sollte und muss – will sie zum erwünschten Erfolg führen – durch den leider oft ungewöhnlichen Weg des Denkens begleitet werden. Und wenn ich Sie richtig verstehe, sehen Sie das ähnlich. Warum auch nicht?
KeLaBe, 13.Februar 2013 – 20:28
Ja, schließen wir das ab. Die Aktualität von Clausewitz ist z.B. 2005 im Rahmen des Oxford Leverhulme Forschungsprogrammes erörtert worden und steht außer Zweifel. Hochinteressante Beiträge z.B. von Herfried Münkler, der sich gegen die Vorstellung aussprach, es bestehe ein Widerspruch zwischen der Clausewitzschen Kriegstheorie und den aktuellen Formen des Krieges.
Mir ging auch nur darum aufzuzeigen, dass sich „Einsatzregeln“ wie Mehltau über ein Führungsprinzip legen können, wodurch die Wirksamkeit der Auftragstaktik weitgehend verlorengeht. Vielen Dank für die Sachlichkeit in der Auseinandersetzung.
Aus einem älteren ZEIT-Artikel über den Blitzkrieg: „……….Vor allem aber führten sie keinen Krieg nach dem Lehrbuch, sondern nach dem Prinzip der Auftragstaktik. Es ist erstaunlich, dass das totalitäre NS-Regime seinen Untertanen auf dem Schlachtfeld eine Entscheidungsfreiheit einräumte, die ihnen im übrigen Leben oft bei Todesandrohung verwehrt blieb. So waren deutsche Offiziere und Unteroffiziere frei darin, wie sie einen Auftrag ausführten, Hauptsache, es gelang. Die Deutschen „glaubten an die Aktion und an das Unvorhergesehene“, resümierte Marc Bloch, „wir bauten auf die Immobilität und aufs Bekannte.“ Das ist wohl der Kern jenes „methodischen Opportunismus'“ Hitlers, der lieber freien Kämpfern vertraute denn sklavischen Befehlsempfängern……….“
Könnte es sein, dass in diesem Bloch’schen Resümee diese seltsame Zögerlichkeit der heutigen politischen Führung begründet ist, die Auftragstaktik in der Führung der BW tatsächlich zu leben ??
sorry, streiche ZEIT, setze WELT
TdM hat eben gerne alles unter Kontrolle :-)
Da Gegenteil von Führen mit Auftrag ist die Neuausrichtung der Bw!
Daß Hitler damit erfolgreich war, schadet der Idee natürlich erheblich.
@Elahan
Die Bundeswehr ist doch ein Spiegel der Gesellschaft. Wird nicht im zivilen Leben auch, jeder Furz und Feuerstein geregelt? Wenn ich aber, auch in höchster Not, ständig über irgendwelche Regeln (z-B. ROE) nachdenken muss, kann das, vor allem bei einem Gegner der die Sorgen nicht hat, nur ins Beinkleid gehen. Wenigstens sehe ich das so.
@Klabautermann,14.Februar 2013 – 11:57,
eigentlich wollte ich das Thema ja abschließen. Aber Sie werfen eine interessante Frage auf. Und solange T.W. uns lässt…
Blochs Aussagen, damals Angehöriger der französischen Streitkräfte, stammen ja aus der Zeit des Westfeldzuges. Ein Feldzug, den er folgendermaßen kennzeichnete: „Während des gesamten Feldzugs ließen die Deutschen nicht von ihrer scheußlichen Gewohnheit, genau dort aufzutauchen, wo sie nicht hätten sein sollen: Sie hielten sich nicht an die Spielregeln.“(DIE WELT, 12.05.10)
Aber hat Hitler wirklich „opportunistisch“ die Freiheit im Handeln gelassen? Beim Westfeldzug, von dem hier die Rede ist, hat er sich gegen seinen Generalstab gestellt und ein Operationskonzept durchgesetzt, das ihm von Manstein empfohlen wurde, den man ja gezielt „wegversetzt“ hatte, um seinen Einfluss zu unterbinden. Sicher, der Verlauf des Feldzuges war noch bestimmt von Entscheidungsfreiheiten auf allen Ebenen. Aber bereits der „Haltebefehl“ vor der Kanalküste wirkte wie ein Fanal.
Und in der Winterkrise 11941/42 übernahm Hitler selbst den Oberbefehl über das Heer. Mit Auswirkungen auf die Auftragstaktik. Halder, der die neue Linie weitergab, schrieb damals: „Es muss wieder von eindeutigen Befehlen Gebrauch gemacht werden. Die vorgesetzte Kommandobehörde darf sich nicht scheuen, rücksichtslos in Einzelheiten einzugreifen…“
Also, ich habe da Zweifel, dass Hitler seinen „freien Kämpfern“ wirklich vertraute. Infolgedessen wurde die Handlungsfreiheit auch sehr schnell wieder eingeschränkt.
Zur Frage nach der Zögerlichkeit der Bundeswehrführung in der Umsetzung der Auftragstaktik: In der Theorie hat sie dieses Führungsprinzip ja immer hochgehalten. So hoch, dass unsere alliierten Kameraden es manchmal nicht mehr hören konnten. Und als es dann daran ging, das Ganze in die Praxis umzusetzen, hat man „Einsatzregeln“ geschaffen. Sieht so gegenseitiges Vertrauen aus, eine der Grundlagen der Auftragstaktik? Die Afghanistankämpfer haben sich dann einen Teil der verlorengegangen „Freiheiten“ auf taktisch-operativer Ebene zurückgeholt.
Aber das beantwortet noch nicht die Frage nach den Ursachen der „Zögerlichkeit“. Ich glaube es ist der „strategische Dilettantismus“ der politischen und militärpolitischen Ebenen, der die deutsche Außen-und Sicherheitspolitik lähmt und blockiert. Man sieht sich gezwungen, beim „Krieg“ im Rahmen von Bündnisverpflichtungen mitzumachen, versteht aber nichts mehr davon und findet in einer pazifistischen Gesellschaft auch keine positive Resonanz. Also versucht man es mit „gebremstem Schaum“. Kein guter Nährboden für Auftragstaktik.
@Politikverdruss
Zunächst einmal meine vollste Zustimmung. Sie schreiben : „Kein guter Nährboden für Auftragstaktik.“ Nun, offensichtlich auch kein guter Nährboden für NCW…..will sagen, als deutscher Steuerzahler wundere ich mich schon, warum der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt und unterhält, die bei etwas näherer Betrachtung nicht so richtig einsatz-, verteidigungs- und führungsfähig sind. Kommt mir vor wie des Kaiser’s Flotte, und wir Soldaten sind die Kulis ;-)
@Politikverdruss
Das ist dann wohl eher eine Frage, welche Ebene man betrachtet! Schickelgruber griff wohl ein, es im gerade paßte, jedoch eher nicht bis auf die Mannschaften!!
Partisanenkampf mit Krieg zu vergleichen führt oft nicht zum Ziel!
Ein Krieg zwischen Streitkräften ist eben etwas anderes als sehr robuste Polizeieinsätze oder die Bekämpfung von Aufständischen! Der Schutz der Zivilisten steht in einem Verteidigungskrieg eben nicht ganz oben auf der Liste! In einem Mandat, was gerade diese Gruppe schützen soll eben schon!
Na, nicht immer….
5 Tote Zivilisten nach einem NATO Luftangriff zur Unterstützung der griechischen Regierung wären viel und würden einen Aufschrei erzeugen! 5 Tote Kinder in Afg, durch NATO Bomben, interessieren nur wenige Bürger in der BRD.
Hmm.
Auftragstaktik.
Wohin bringe ich meinen Müll? Eigentlich so privat, wie Scheiße im Klo runterspülen, aber -> Allerhöchste Staatspolitik. Bundesebene. Gibt sogar inzwischen Mülltonnenspione, wenn auch aus juristischen Gründen bei den Kommunen angestellt.
Auf welche Schule gehen meine Kinder? Privates, persönliches Reich wie nix, aber…
Tja!
Formal auch höchstens Kommunal- oder Landesebene, aber tatsächlich – Höchste Staatsebene! Bund! Kanzler hat sich schon wieder nicht geäußert und wieder nicht drölf Dutzend Milliarden bereitgestellt, um den Eltern endlich mal klarzumachen, wie man Kinder großzieht!
Irgendwie muß ich von zu Hause auf Arbeit kommen und zurück.
Meine Sache? Weit gefehlt!
BUNDESPOLITIK!
Rettung der Welt steht an!
Ich möchte mich gerne mit Freunden treffen und Räuber und Gendarm spielen –
Ja, ohne Gerichtsprozesse mit penibler Auswertung des Grundgesetzes darf ich das nicht. Noch nicht einmal auf dem eigenen Gundstück.
Und so weiter und so fort…
Und Ihr fragt Euch ernsthaft, warum die Bundesregierung IM KRIEG kein Micromanagment betreiben sollte?
@ Elahan
5 Tote Zivilisten nach einem NATO Luftangriff zur Unterstützung der griechischen Regierung wären viel und würden einen Aufschrei erzeugen! 5 Tote Kinder in Afg, durch NATO Bomben, interessieren nur wenige Bürger in der BRD.
Das hat aber nichts mit der Art der Kriegsführung zu tun, sondern ist schlichter „Rassismus“: Das eine sind halt Europäer (aus einem Land, das man sowohl aus Schulunterricht und Urlaub kennt), das andere „nur“ Zentral-Asiaten UND Muslime UND arm UND hinterwäldlerisch.
Wobei, so groß wäre der Aufschrei da auch nicht – siehe die Bombardierungen von Belgrad oder Tiblissi. (Interessant wäre, ob sowas wie das Massaker vom 17. Oktober 1961 mitten in Paris heute noch möglich wäre).
@ califax
Ich möchte mich gerne mit Freunden treffen und Räuber und Gendarm spielen –
Ja, ohne Gerichtsprozesse mit penibler Auswertung des Grundgesetzes darf ich das nicht. Noch nicht einmal auf dem eigenen Gundstück.
Doch, dürfen Sie. :)
Könnte man es nicht einfach so zusammen fassen, daß Auftragstaktik eine Denkschule ist, die nur funktioniert, wenn man ihr Prinzip verinnerlicht hat? Damit wäre klar, daß das Vorwegtragen eines Plakates alleine eben nicht reicht.
Und wer von denen, die über Einsatzregeln bestimmen, tragen das Prinzip der Auftragstaktik dann auch im Herzen und nicht nur auf den Lippen?
@J.R.
In jedem Fall hat es was mit der Art der Kriegsführung zu tun, ja und es ist Rassismus!
Der zitierte Absatz ist jedoch auch nur im Kontext des ganzen Kommentars und als Antwort auf den Beitrag von -Politikverdruss- zu lesen!
Doch es hat in jedem Fall etwas mit vernetzt denken in alten Strukturen zu tun!
Denn hätte man vernetz in neuen Strukturen gedacht, hätte man den Einsatz in AFG anders geführt!