TEDx Amsterdam: Waffen für eine friedliche Welt
Kann sich jemand vorstellen, dass ein Generalinspekteur der Bundeswehr auf einer TEDx-Konferenz auftritt – eher eine Art von Treffen, zu dem Militärs selten kommen – und in einer Rede über Guns for World Peace (Waffen für eine friedliche Welt) erklärt, warum er sich für das Gewehr entschieden hat?
Ladies and gentlemen, I share your goals. I too want to make a better world. I did not choose to take up the pen, the brush, the camera. I chose this instrument.
— I chose… the gun.
Der niederländische Generalstabschef Peter van Uhm hat genau das gemacht. Am gestrigen Freitag, auf der TEDx-Konferenz in Amsterdam.
Seine sehr interessante Rede zum Nachlesen hier. Oder zum Anhören:
Die niederländische Gesellschaft erstaunt mich immer wieder.
Haben wir hier in D einen GI, der den gleichen Schritt wagen würde und ein kritisches Publikum, welches auch gleichermaßen zum Zuhören bereit wäre?
Das war beeindruckend, wirklich authentisch und ein Erlebnis. Das Video zeigt auch, dass wir nicht immer für die tollen militärischen und strategischen Vorbilder bis nach Amerika schauen müssen. Holland, Schweden, Dänemark, auch Polen oder Österreich sind so viel selbstbewusster und doch bescheidener als unsere militärische Zwischenführungswelt.
Ich kann mir keinen einzigen deutschen aktiven Drei- oder Viersterner vorstellen, der zu solch einem Auftritt und zu solch einer Ausstrahlung und Aussage fähig wäre. Leider.
Ich bin schwer beeindruckt. Gleichwohl sehe ich erneut eine deutsche Fähigkeitslücke, denn ich kann mich an keinen deutschen General erinnern, der bei einer äquivalenten Veranstaltung so, geschweige denn ähnlich, aufgetreten ist. Leider vermute ich auch, dass man sich solcher Plattformen auch in Zukunft verschließen wird. Das es bei den Niederländern gleich der ranghöchste Soldat selbst durchführt, zeigt mir, dass die militärische Führung der Bw noch einen langen Weg vor sich hat.
@TW:
Vorschlag.
Streiche: http://http//www.tedxamsterdam.com/2011/peter-van-uhm-guns-for-world-peace/
Setze: http://www.tedxamsterdam.com/2011/peter-van-uhm-guns-for-world-peace/
Zu General van Uhms Auftritt bei TEDxAmsterdam: Seine Haltung, die Rede (auch wenn sie nicht aus seiner Feder stammen sollte), die von ihm glaubwürdig dargestellte Philosophie des bewaffneten und – technisch wie mental – bestgerüsteten Kämpfers als Friedensbewahrer oder Friedenserzwinger im humanitären Sinn ist vorbildlich. Ein beeindruckender Rhetor und Armeeführer.
Meiner Ansicht nach zur Adaption nicht nur auf der Ebene goldener Sterne zu empfehlen. Übernächste Woche führe ich in meiner Einheit zwei Veranstaltungen zur Rolle der und dem Umgang mit traditionellen und digitalen Medien durch. Jetzt weiss ich, mit welchem Beispiel ich „AugenGeradeaus“ als ausgezeichnetes Internet-Projekt (nicht nur) für Soldaten vorstellen werde.
Vielen Dank @ TW für den Hinweis auf diese Rede.
Vom lesen des Textes: Interessant, allerdings kann ich mich auch an solche Argumente erinnern. Änliches haben auch schon andere hohe Tiere und Kommandierende gesagt. Ohne jetzt abwerten zu wollen: Im Prinzip nichts neues.
Was aber eine Wucht ist ist
a) das Forum in dem er spricht
b) wie er spricht und seine Präsenz
da kann ich mich meinen Vorrschreibern nur anschließen – beeindruckend.
So etwas würde ich mir auch mal von einem meiner Vorgesetzten, Abgeordneten oder Regierenden wünschen. Ich bezweifle aber, dass hier jemand in Uniform mit Waffe und ohne sich hinter einem Rednerpult zu verstecken eine solche Rede halte würde/dürfte…
Gute Show, aber letztlich nur Floskeln, die den Kern der Sache vernebeln. Ich behaupte: Waffen schaffen keine „bessere Welt“ oder andere rosafarbene Dinge, sondern machen nur ihre Träger stärker. Das reicht als weltanschauliche Legitimation für ihren Besitz und Gebrauch doch vollkommen aus. Da es immer jemanden geben wird, der stärker sein will als andere, und man sich ggf. nur gegen ihn durchsetzen kann (egal vor welchem moralischen Hintergrund, ob in Angriff oder Verteidigung), wenn man selbst stärker ist, wird es vollkommen unabhängig von sonstigen Moralvorstellungen („bessere Welt“, „Frieden“, „Stabilität“ etc.) auch immer zwingende Gründe dafür geben, Waffen zu führen.
Man macht sich zudem etwas vor, wenn man so tut, als seien „Frieden“, „Stabilität“ oder „internationale Rechtsordnung“ objektive, universell gültige Werte. Die Stabilität des einen kann die Unterdrückung des anderen bedeuten, und solange es unterschiedliche Interessen in der Welt gibt, wird es auch kein universelles Verständnis von Frieden geben, das die Menschen vereinen könnte. Das gleiche gilt für den Begriff der „besseren Welt“: Der Vorstellung einer „besseren Welt“ z.B. der individualistischen Menschenrechte, des unbeschränkten Konsums und der Auflösung traditioneller Bindungen stehen andere, ebenso absolut vorgetragene Weltanschauungen gegenüber, deren z.T. sehr zahlreiche Anhänger für ihre Vorstellungen meist größere Begeisterung aufbringen als es die Masse der Menschen in westlichen Staaten für die Sache ihrer Staaten tun, die sich und die Ideologie, auf die sie gründen, möglicherweise voreilig für den Gipfel der historischen Entwicklung halten.
Immerhin dieser Punkt kam beim General vor: Das wärmende Gefühl, auf der besseren Seite zu stehen (das vermutlich übrigens auch viele der angreifenden deutschen Soldaten hatten), ist wertlos, wenn die eigene Waffe nichts taugt.
Auch ohne die Hilfe von Wikipedia wusste ich, das sein Sohn in AFG gefallen ist. U.a. auch deshalb glaube ich nicht, das General van Uhm in dem Beitrag mit Floskeln um sich geworfen hat, zumal es ja auch aktuelle Studien zu diesem Thema angeschnitten hat.
@Voodoo
„Auch ohne die Hilfe von Wikipedia wusste ich, das sein Sohn in AFG gefallen ist. U.a. auch deshalb glaube ich nicht, das General van Uhm in dem Beitrag mit Floskeln um sich geworfen hat…“
Ich habe dafür höchsten Respekt, aber es wäre m.E. ein Fehler, aufgrund der persönlichen Betroffenheit des Generals seine Aussagen nicht zu hinterfragen. Warum ich viele seiner Aussagen für Floskeln halte, habe ich ja begründet, und z.B. die stark unterschiedlichen Wahrnehmungen von Menschen darüber, was eine „bessere Welt“ denn genau ist, bleiben unabhängig vom persönlichen Verlust des Generals bestehen. Möglicherweise dachte und fühlte der afghanische Kämpfer, der den Sohn des General tötete, ja ganz ähnliche Dinge wie der Vater des Generals beim Anblick der einmarschierenden Deutschen? Ist das Opfer seines Sohnes weniger anerkennenswert, wenn es nicht für eine „bessere Welt“ gegeben wurde, sondern „nur“ im Rahmen seiner soldatischen Pflichterfüllung bis zur letzten Konsequenz? Ich meine, dass man sogar das Risiko der Demoralisierung eingeht, wenn man Angehörigen Gefallener erzählt, Soldaten würden in Afghanistan für eine „bessere Welt“ ihr Leben geben, denn dies könnte als bitterer Hohn verstanden werden. Es soll umgekehrt Angehörigen aber Trost und Stolz gegeben haben, wenn sie erfuhren, dass z.B. die tapfere Tat ihres Sohnes einigen seiner Kameraden das Leben gerettet hat.
@Orontes and @all: Die Wahl, die der moderne Krieger wirklich treffen muss, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ist die, die Waffe zu wählen und sie einer zivilen Führung unterzuordnen. Das ist die eigentlich historische Leistung – trotz bzw. gerade wegen des teilweise unglaublichen Unsinns, den die zivile Führung produziert.
@Sascha Stoltenow
„Die Wahl, die der moderne Krieger wirklich treffen muss, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ist die, die Waffe zu wählen und sie einer zivilen Führung unterzuordnen.“
Es gab in der deutschen Geschichte m.E. Situationen, in der es (gemessen an der Pflicht des Soldaten gegenüber seinem Volk) die bessere Wahl gewesen wäre, die Waffen gegen die zivile Führung zu richten. Das Resultat wäre vielleicht nicht eine utopische „bessere Welt“ gewesen, aber auf jeden Fall ein besseres Deutschland.
»Bisher wurde unser Anspruch auf Macht immer nur begründet mit der Sicherung des Daseins und der Lebensinteressen Deutschlands. Hierbei wurde vorausgesetzt, daß die Welt an diesen Lebensinteressen und an diesem Dasein besonderes Wohlgefallen hätte. Das war ein Fehlschluß. Eine so ungeheure Kraft, wie wir sie in diesem Krieg entfaltet haben, muß sich vor der Welt ethisch begründen, will sie ertragen werden. Darum müssen wir allgemeine Menschheitsziele in unseren nationalen Willen aufnehmen.«
tja, ja….die Wiedererfindung des Ethischen Imperialismus im germanisch-protestantischen Kulturraum ……
@Klabautermann
Carl Schmitt: „Wer Menschheit sagt, will betrügen“.
Dazu interessant z.B. dieser Beitrag:
„Die Reaktionen Pekings auf solche Forderungen nach einem einheitlichen Weltdiskurs münden, so unterschiedlich sie im Einzelnen sind, in eine zentrale These: Die Ungleichheit in der Welt sei so groß, dass die Anmahnung von Universalität ein manipulativer Trick sei von denen, die den Status quo der jetzigen politischen und kulturellen Machtverhältnisse erhalten wollen.“
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/chinesische-universalismuskritik-wer-menschheit-sagt-will-betruegen-1939346.html
Vielen Dank für diesen Beitrag.
@Mitwisser
Bei aktiven Generalen vielleicht nicht, aber haben Sie mal Gen Naumann erlebt? Der fällt definitiv in solche Kategorien…
@Orontes: Man lese genau – „der moderne Krieger“ vs. „es gab in der Geschichte“, wobei es da in der Tat eines militärischen Mutes bedurft hätte.
@ Koffer, @ Mitwisser
Leider laufen manche von unseren Generälen erst zu einer solchen Höchstform auf, wenn sie pensioniert sind also nicht mehr die jederzeitige grundlose vorzeitige Zurruhesetzung fürchten müssen, wenn sie irgend etwas öffentlich äußern, was der Regierung gegen den Strich geht.
Menschen, die sowenig zu ihren eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen eines Berufsleben stehen können, sind oftmals aus vermeintlichen Loyalitätsgründen charakterlich deformiert. Genau das Gegenteil von diesem Bild vermittlelt der niederländische GI.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich seit der Pensionierung des Generals Schneiderhan irgend etwas richtungsweisendes, Kraft und Zuversicht gebendes vom jetzigen deutschen GI gehört habe. Ein unscheinbare graue Maus eben.
@ Georg
Zustimmung. In der Tat ist die Bereitschaft frei, kreativ und kritisch zu sprechen in der deutschen Generalität vor Pensionierung nicht besonders ausgeprägt.
Aber das haben die deutschen Generale seit dem II. WK gut gelernt. Primat der Politik wird heutzutage so verstanden, dass Generale gar keine eigene Meinung haben dürfen und sich Politiker auch in Dinge einmischen, die sie gar nichts angehen (Fachfragen z.B.).
Spätestens seit der Amtszeit von VM Schmidt ist jedem General klar was mit ihm passiert, wenn er nicht kuscht… (und das Schmidt als BK sich dann große Meriten erworben hat ändert hieran gar nichts).
Bei Gen Schneiderhahn bin ich über sein Schweigen allerdings eher erfreut als betrübt, denn er hat die Bw meiner Meinung nach in seiner Amtszeit nicht unbedingt in die richtige Richtung geführt.
Und bei Gen Naumann waren ehrliche Worte übrigens auch bereits vor seiner Pensionierung hörbar…
@ Koffer
By the way…. „Primat der Politik“
Dies galt und gab es auch schon in der Wehrmacht und de facto waren die Vorgänge des 20.Juli 1944 der erste und meines Wissens einzige Versuch gegen das oder den Primat der Politik anzugehen.
Insofern hat die Generalität im II. WK schon den Primat der Politik vor dem eigenen Gewissen gestellt !
Person Gen Naumann, Zustimmung, ich habe ihn erst kürzlich wieder erlebt. Brilliant !
Das mit den aktiven Generalen hatte ich durchaus mit Absicht so formuliert. Obwohl Klaus Naumann – den ich oft erlebte – weniger im Auge hätte als Egon Ramms. Aber das ist Geschmackssache. Ganz sicher unerreichbar hoch ist die hier gelegte Latte aber wohl für den amtierenden General Wieker. Charismafrei ist da fast schon eine Beschönigung, fürchte ich.
Deshalb heißt er im BMVg ja auch das „Flurgespenst“ ;-)
@ Mitwisser
Ramms hat sicher das notwendige Rückrat um auch unangenehme Dinge zu sagen, aber hat er auch das Charisma? Ich habe ihn nie persönlich erlebt, von daher frage ich…
Danke für diesen Beitrag. Der Wahnsinn. Ich finde die Rede im Kontext gar nicht so floskelhaft, wie angemerkt wurde. Mit dem Kontext meine ich den eines Oberbefehlshabers der niederländischen Armee. Als dieser, wird er sich nicht hinstellen und sagen, dass es keiner Waffen bedarf. In seiner Analogie werden sie momentan noch benötigt und das Argument überzeugt sehr.
Abgesehen vom Inhalt, finde ich die Performance sehr gelungen.
Es ist schon erstaunlich wie selbstverständlich im Ausland über die Bedeutung des Militärs diskutiert wird. Das größte Problem der Deutschen im Kontext einer solchen Diskussion (falls es sieh überhaupt giebt), ist dabei denke ich die Tatsache, dass den Soldaten selbst die Beteiligung daran Verweigert wird, ganz besonders dann wenn es um den Knackpunkt Waffen/Töten—> „Gutes tun“ geht.
Denn eine Rede, wie von mijnheer van Uhm könnte ich mir Inhaltlich zwar in Deutschlnad vorstellen, allerdings nie direkt aus dem Munde eines Soldaten.
Besonders das Einfordern von Solodarität direkt durch einen Soldaten scheint mir in DE undenkbar.
@ Ziege
Genau aus den von Ihnen angeführten Gründen, muss ein deutscher Soldat schizophren sein, wenn er in der Öffentlichkeit sich zu dem Thema „Soldaten töten für den Frieden“ äußert.
Solidarität mit Soldaten gibt es in der deutschen Öffentlichkeit nur für THW-Maßnahmen.
Dieses falsche Grundverständnis der deutschen Bevölkerung zu „ihren“ Soldaten wird auch von allen Parteien kräftig geschürt. Das die absolute Forderung „nie wieder Krieg“ für deutsche Soldaten auch bedeuten kann zu töten und getötet werden, geht in die deutschen Köpfe nicht hinein.
Das ist das Grunddilemma der Bw nach der Landesverteidigung, nach dem Kalten Krieg !
„My father was a hardworking baker.
But when he had finished work in the bakery, he told me and my brother stories.“
Das ist ein Kreuz mit den Autoren in Kontinentaleuropa. Für jeden englischsprachigen Text kopieren sie mindestens einmal aus seichten US-Drehbüchern.
Im Übrigen sind Rede und Rhetorik äußerst gelungen und lenken mit ihren leicht zugänglichen, banalen Betrachtungen zur praktisch irrelevanten und faktisch beantworteten Frage nach der Bedeutung von Waffen für die menschliche Zivilisation gut von ihrem eigentlichen Gegenstand ab, den Grenzen der Legitimität von militärischer Intervention im Ausland. Dass man dem Libyen-Krieg nachträglich einen so spektakulären PR-Unterbau verpasst, lässt für die Zukunft des Völkerrechts allerdings nicht Gutes erwarten.