Von wegen Ossi-Armee

Ein bis zwei gängige (Vor)Urteile lauten: Die Bundeswehr wird von jungen Männern aus dem Osten Deutschlands zahlenmäßig dominiert – und in einer Freiwilligenarmee werden es noch viel mehr werden. Das böse Wort von einer Ossifizierung der Bundeswehr machte schon die Runde, ein Begriff, der den Verteidigungsminister Thomas de Maizière ziemlich erboste.

Nun scheint sich das offensichtlich erledigt zu haben. Ganz schlicht deshalb, weil nach der Wende vor gut 20 Jahren die Geburtenrate im Osten Deutschlands im Vergleich zur DDR drastisch gefallen ist. Einen ersten Hinweis darauf gab die Anfang Oktober vom Verteidigungsministerium veröffentlichte Übersicht über die Herkunft der Freiwillig Wehrdienstleistenden. Und da war der Osten im Vergleich zum Beispiel zu Bayern und Baden-Württemberg gar nicht so stark vertreten.

Der Kollege Seven Siebert von der Sächsischen Zeitung hat das zum Anlass genommen, mal nachzuhaken. Sein Recherche-Ergebnis: Die Zahl ostdeutscher Rekruten ist von gut einem Drittel auf gut ein Fünftel zurückgegangen.

Dresden – Die Zahl junger Ostdeutscher, die sich für einen Dienst in der Bundeswehr entscheiden, geht dramatisch zurück. Nach Informationen der in Dresden erscheinenden „Sächsischen Zeitung“ ist der Anteil ostdeutscher Rekruten an der Gesamtzahl der einberufenen Freiwilligen und Zeitsoldaten seit 2008 von 34 auf 22 Prozent zurückgegangen.

Der Anteil junger Männer und Frauen aus den fünf ostdeutschen Ländern (ohne Berlin), die sich seit Mai für den neuen Freiwilligendienst entschieden haben, liegt sogar nur bei 16 Prozent. Das ist weniger als der Anteil der Ostdeutschen an der Gesamtbevölkerung. Die Bundeswehr führt diese Entwicklung vor allem auf den starken Geburtenrückgang im Osten zu Beginn der 90er-Jahre und die Abwanderung zurück.

In den vergangenen Jahren waren Ostdeutsche in der Bundeswehr deutlich überdurchschnittlich vertreten. Bei rund einem Fünftel Bevölkerungsanteil stellten sie rund ein Drittel der Soldaten. In den niedrigeren Diensträngen ist die Zahl der aus Ostdeutschland stammenden Soldaten sogar noch höher. Die höheren Rekrutierungszahlen werden vor allem auf die höhere Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern zurückgeführt. Der Münchner Historiker Michael Wolffsohn hatte daraus die These von der „Ossifizierung der Bundeswehr“ und einer „ostdeutschen Unterschichtenarmee“ abgeleitet.

Allerdings erlebte der Osten nach der Wiedervereinigung einen beispiellosen Geburtenrückgang. In Sachsen wurden 1989 fast 56.000, 1994 nur noch knapp 23.000 Kinder geboren. Diese Jahrgänge kommen nun ins wehrdienstfähige Alter.