Keine Soldaten, wo sie nicht nötig sind
Natürlich haben die Kollegen des Bonner General-Anzeigers ihr langes Interview mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière in der Absicht geführt, herauszufinden, was denn nun mit Bonn und der Hardthöhe ist. Von diesem regionalen Interesse abgesehen, hat der Minister auch darüber hinaus Interessantes gesagt. Mir fiel auf:
Oft war es sehr bequem, dass sich Soldaten an einem internationalen Einsatz beteiligt haben, der in Wahrheit nicht zum Kern eines militärischen Auftrags gehört. Ingenieure in Uniform sind hoch angesehen, vor allem aber entlasten sie andere Politikfelder, selbst Ingenieure zu schicken. Die Bundeswehr kann so etwas, aber es nicht ihr Kernauftrag. Deswegen werden wir die deutsche Öffentlichkeit daran gewöhnen müssen, dass die Bundeswehr nicht zur Verfügung steht, Aufgaben zu übernehmen, die andere nicht erledigen wollen.
Eigentlich eine Binsenweisheit, die aber in deutschem Ressortgezerre verloren gegangen zu sein scheint. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob de Maizière diese Aussage nur im Hinblick auf internationale Einsätze getan hat. Innerhalb Deutschland gilt ähnliches – ob die Länder nun die Bundeswehr als günstige, weil nicht länderfinanzierte Katastrophenschutzorganisation sehen oder aber insgeheim immer noch darauf hoffen, den Abbau ihrer Polizeikräfte auf diesem Weg ausgleichen zu können.
@Herr Wiegold
International mag dies wohl zutreffend sein, im Rahmen von ZMZ I sehe ich immer weniger Interesse der Länder an einer Zusammenarbeit, weil die Leistungen der Bw durch die Länder und Kommunen zu zahlen sind. So wurden angeforderte Hilfeleistungen aufgrund der hohen Kosten wieder „abbestellt“.
Zivile große Katastrophenschutzübungen bei denen sich die
Bw hätte beteiligen können, wurden ohne die Bw durchgeführt, wir wurden
noch nicht einmal gefragt.
Mag wohl auch daran liegen, das der ganze ZMZ-Kram von Anfang an eine schwachsinnige Totgeburt war und noch ist. Da forciert man eine Fähigkeit, die eh schon jahrzehntelang erfolgreich auf Bundesebene durch eine andere Institution abgedeckt ist und hält dafür noch nicht einmal eigene Mittel in vernünftigem Ausmass bereit. Hauptsache man hat ein paar greise ResStOffz aus dem Kalten Krieg gebauchpinselt, in dem man ihnen Posten in VerbindungsKdos gebastelt hat… Aber fangen wir jetzt lieber nicht mit dem derzeitigen Reservekonzept an…
Der Bereich der Unterstützung in Katastrophenfällen ist aber in der Tat eine durch das GG zugewiesene originäre Aufgabe der Bundeswehr, im Gegensatz zum Brückenbauen am Hindukusch.
Aus meiner ganz persönlichen Erfahrung vor Ort scheiterte die von happy_pepe angesprochene ZMZ im Regelfall an einer abschreckenden Bürokratie, weil jede angedachte Mitwirkung, die unter dem Stichwort „ZMZ“ angedacht wurde bis auf höchste Ebenen gereicht wurde, wo das Ansinnen dann totverwaltet wurde.
Ich habe ein sinngemäßes Zitat im Ohr: „Sagen Sie bloß nicht ZMZ, nennen Sie es anders, sonst wird das nichts!“
Wie in großen Zusammenhängen schon angesprochen, es war nie der Unwillen der Kommandeure vor Ort, es war immer Bürokratie, die diese Dinge auf der untersten Ebene verhindert hat.
Sonst stimme ich dem Minister aber zu: die Bundeswehr ist keine uniformierte Baubrigade, die unattraktive Aufgaben zum Nulltarif übernimmt. Spezielle Fähigkeiten werden wir durchaus nur im militärischen Kontext verfügbar halten können (Lufttransport), aber auch ich halte es für richtig, da Andere nicht bequem aus der Verantwortung zu entlassen.
Bedeuten die Aussagen des Ministers also, dass deutsche Soldaten also unnötiger Weise eingesetzt werden? Eine aktuelle Spiegel-Geschichte spricht dafür: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/a-784255.html
Was ich daran aber wirklich bemerkenswert finde sind die Aussagen der damaligen politischen Entscheider, man habe das völlig falsch eingeschätzt. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder wir wurden und werden von außen- und sicherheitspolitisch vollkommen unqualifiziertem Personal regiert – ich kenne keinen Soldaten, der glaubt, er könne in Afghanistan blühende Landschaften schaffen, auch damals nicht -, oder, und dass ist wahrscheinlicher, die Demutsgeste dient der persönlichen Geschichtsklitterung sowie der Neudefinition des „desired endstates“, der einen baldigen Abzug erlaubt.
@ happy_pepe
ZMZ I lebt von dem Miteinander sämtlicher Beteiligter im Katastrophenschutz(KatSch). Hier gibt es regional z.T. gravierende Unterschiede. In meinem Kreis klappt es allerdings hervorragend. Allerdings gibt es auf der administrtiven Ebene innerhalb der Bw noch eine Menge an Punkten, die es zu klären gilt. Problematisch daran ist, dass diese Punkte bereits bei den Modellerprobungen im WBK I/ III in den Bundesländern SH, MV und RP erkannt worden. Nur leider hat es die politische Führung der Bw noch nicht geschafft, diese Punkte umzusetzen. Der Modellversuch ist ja auch erst 6 Jahre her.
@ Voodoo
Für eine Totgeburt halte ich ZMZ I nicht, nur muss die Ausgestaltung richtig stimmen, aber daran hapert es in vielen Dingen (siehe oben). Zustimmen kann ich allerdings dabei, dass die Reservistenkonzeption völlig überarbeitet werden muss. Das Beispiel der Regionalen Initiativen im KatSch durch den VdRBw und Absegnung durch die Führung SKB ist z.B so eine Stilblüte der vollkommen mißratenen bisherigen Reservistenkonzeption. Seien wir gespannt was da kommen möge.
Naja, und ein paar greise StOffze schleppt ja auch die aktive Truppe mit sich herum.
@McKenzie RP = WB II
Abschieben von Zivilpersonal an andere Verwaltungen um die Statistik zu schönen, weil man das angepeilte Ziel nicht erreichen kann ?!?
Link vom VBB (Verband der Bundeswehrbeamte)
http://www.vbb.dbb.de/aktuelles/archiv_2011/110830_ausverkauf.html
Zu dem was der Minister ausführte:
1. Originär sind Zivilschutz und Katastrophenschutz zwei unterschiedliche verfassungstheoretische Begriffe.
So war und ist Gefahrenabwehr im Katastrophenfall Aufgabe der Länder (in direkter Folge des Artikel 70 des Grundgesetzes). Im V-Fall ist der BUND nach Artikel 73 für den Zivilschutz zuständig-dieser kennt dann BMVg und BMI als federführende Ministerien. Auch wenn man Zivilschutz und Gefahrenabwehr im Katastrophenfall sprachlich (und auch organisatorisch), berechtigt in meinen Augen, kaum noch trennen möchte, so bleibt der Grundsatz doch bestehen.
In der tagesaktuellen Umsetzung wird es vor allem immer in einer Frage interessant: wenn es um Haushaltsmittel geht bzw. um deren Verteilung.
So unterstützt der Bund die Länder monetär, aber auch ständig organisatorisch (THW, ehrenamtliche und hauptamtliche Kräfte des Katastrophenschutzes, etc.). Darüber hinaus werden z.B. mit NGO`s und Unternehmen Verträge geschlossen (hier insbesondere bei medizinischen Belangen) für den Bereich der Vorsorge, Gefahrenabwehr und Nachsorge.
Genau hier muss nun aber auch die Diskussion beginnen. Da hat der Minister vollkommen Recht. Und Grundlage muss dann in meinen Augen aber auch das GG sein, dass Aufträge für die Bw eben auch nach Art 35 GG kennt. Aufträge, die die Bw auch schon ausführte im Bereich der nichtbewaffneten legitimen Einsätze im Innern-und das, nebenbei bemerkt, ganz hervorragend. Das weiß jeder.
Doch diese Kräfte kosteten und kosten im Bereich des Personals und Materials Geld. Dazu kommt auch hier die Demographie zum Tragen, sprich der Wettberwerb darum seine Stellen auch besetzen zu können.
-Anmerkung: leider gibt es keine Umfrage ob ein ziviler Arbeitgeber „lieber“ an die FFw, die NGO`s wie DRK, ASB, usw. bzw. allgemein: den „Katastrophenabwehrer auf lokaler Ebene“, an das THW und den Katastrophenschutz (originärer Katstrophenabwehrer auf Landesebene schaut man sich die Einsatzstatistiken an, was ja die Wahrnehmung prägt, um die geht es hier) oder an die Bundeswehrreserve als „Bundesplayer“ abstellt und welche Attraktivität die einzelnen Institutionen auf die jungen Menschen haben bzgl. eines Engagements in diesen Institutionen-jetzt da die Wehrpflicht jüngst wegfiel.-
Um es kurz zu machen: Es ist in den letzten Jahren viel Geld in alle Ebenen des „zivilen“ Katstrophenschutzes geflossen. Geld, was der Amtsbereich BMVg nicht bekam. Es ist also eine vollkommen legitime Frage, inwieweit man hier Kräfte „abzurechnen“ gedenkt.
2. Zum Auslandseinsatz: Es setzt sich immer mehr der „vernetzte Ansatz“ als Konzept durch. D.h. nicht nur Bw-Kräfte zu entsenden, sondern sie in ein Paket aus BMI-, BMZ, AA-Kräfte „vernetzt“ einzubinden. Die policy ist klar: langfristig und tragfähig nicht nur die Symptome fehlender Sicherheit zu bekämpfen (Bw), sondern auch die Gründe zu beseitigen bzw. Ursachenbekämpfung zu leisten.
Hier gibt es durchaus gute Erfahrungen, dies zunächst unter einem militärischen Primaten durchführen zu lassen (Nachkriegsdeutschland, Nachkriegs-Japan, Nachkriegs-Italien, Nachkriegs-Österreich). Und es gibt Beispiele, wo dies eher nicht funktionierte.
Doch auch hier die Legitimität der Anmerkung: Soll die Bw diesen Primat sicherstellen können, so muss sie Kräfte dafür ausbilden und vorhalten können, sprich: bezahlt bekommen-oder aber zur Verfügung gestellt bekommen von denen, die dafür Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt bekommen.
3. Zunächst ist „vom Einsatz her denken und handeln können“ für mich nicht verengt auf Auslandseinsätze wie KFOR, ISAF, UN-Missionen wie in Georgien und dem SUDAN, sondern alle Einsätze. Bei letzteren ist der Klassiker V-Fall und Bündnisverteidigung genauso dabei wie Einsätze nach Art. 35.
Zum einen muss das personell, infrastrukturell, materiell und auch finanziell unterlegt werden. Zum anderen vernetzt werden mit anderen Bereichen-die dann aber eben auch „dabei sein“ müssen.
Darüber hinaus geht es wieder einmal um die Frage: Was wollen wir mit welchen Kräften können?
Und wenn man die Bw in den Bereich Katastrophenschutz vernetzen, einbinden will, dann muss man sie dafür bezahlen; andere Kräfte daran messen wie sie ihre Haushaltsmittel einsetzen um seinerseits Partner in der Gefahrenabwehr sein zu können.
Wenn man die Bw für Aufgaben im „vernetzten“ Auslands-Einsatz bereit halten möchte, so muss man sie einerseits konzeptionell dazu befähigen -IMHO ist sie das im Grundsatz- andererseits die anderen Endpunkte des Netzes dazu zwingen -zwingen können- ihre Endpunkte auch personell und materiell zu besetzen oder aber über die Verteilung von HHM neu zu beraten.
4. Es wird immer gern kolportiert, dass wir ja bei einer ach so großen Gesamtzahl „nur“ einen Bruchteil in die Auslandseinsätze schicken können-die dann als Einsatzkräfte „politisch abgerechnet“ werden.
Hiervor warne ich. Die Stichworte V-Fall, Bündnisverteidigung und Art 35 -alles Aufträge, für die die Bw HHM berechtigt verbraucht, die Verfassung „zwingt“ sie ja dazu, – hatte ich genannt. Es sollte uns gelingen, die Leistungen, die die Bw auch in diesem Einsatzbereich tagtäglich bzw. ganzjährig erbringt endlich auch mal in die „politische Bewertung“ einzubeziehen.
@ skiffle | 04. September 2011 – 19:44-
Aus Ihrem Link: […]Werden diese Vorstellungen umgesetzt, betreibt der ehemalige Verfassungsminister die schleichende Aushöhlung des Artikels 87b Grundgesetz und der dort festgelegten eigenständigen Bundeswehrverwaltung.[…]
Ganz unabhängig wie ich zur Reform im Bereich der Wehrverwaltung stehe:
Diese Feststellung seitens des VBB würde ich mir als IBUK verbitten. Es wird hier nicht weniger als Verfassungbruch vorgeworfen und dies lediglich mittels „Stellenbesetzungsschlüssel“ begründet. Das ist einer sachlichen Diskussion unwürdig, meine ich.
Außerdem steht der gesamte Link im Duktus einer die Streitkräfte „kontrollierenden“ Wehrverwaltung. Das ist nicht der Fall. Kontrolliert wird die Bundeswehr, und mit ihr die Streitkräfte, „zivil“. Das ist richtig und bzgl. des Links nicht zu beanstanden. Die Kontrollfunktion übt aber nicht die Wehrverwaltung, sondern der IBUK und das Parlament aus.
Insofern der IBUK, oder sein Vorgänger, auch der Wehrverwaltung Anweisung erteilt ihre Aufgabe mit dem dann zur Verfügung stehenden Personal und Organisationsstrukturen umzusetzen. Erklären, im Sinne von sich rechtfertigen, muss er das gegenüber dem Parlament bzw. grundsätzlich in einer politischen Diskussion. Bleiben wir doch bitte auch sprachlich sauber.
Tschüß CIMIC
Die Aussagen sind ja nun deutlich. Das CIMIC Btl Nienburg wird nicht mehr gebraucht. So spart man viele Dienstgrade ein. Das die BW ihre CIMIC-Kräfte meist dort einsetzt, wo es der Sicherheit der eigenen Kräfte dient und sich andere Organisationen nicht hintrauen (zuwenig Medienaufmerksamkeit) scheint dem IBUK niemand gesagt zu haben.