Ein bisschen weniger Parlamentsarmee
Wenn der Unions-Sprecher im Verteidigungsausschuss, der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Ernst Reinhard Beck, sich Gedanken zum Thema parlamentarische Billigung von bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr macht, sollte man genau hinhören.
Beck äußerte sich im heutigen Sonntag aktuell (leider ist der Text nicht online, aber ich habe mir von einem Leser aus Baden-Württemberg die Zitate mal in die Tastatur diktieren lassen):
Um die Funktionsfähigkeit von gemeinsamen Nato- und EU-Verbänden zu gewährleisten, könnte der Bundestag für bestimmte vertraglich festgelegte Aufgaben im Bündnis ein allgemeines Mandat erteilen, ohne dass im Einzelfall ein nochmaliger Beschluss erforderlich würde.
Auch wenn der Bundestag zu der Meinung käme, die jeweilige Mission nicht zu billigen, gälte das sofortige Rückholrecht. Es geht nicht um eine Generalermächtigung, sondern um die verlässliche Teilnahme an eng umgrenzten Aufgabenbereichen, für die wir uns international verpflichtet haben.
Wenn die Bundeswehr verstärkt eine Armee im internationalen Einsatz ist, müssen wir unsere Teilnahme an der EU-Kampfgruppe, der Schnellen Eingreiftruppe [gemeint ist offensichtlich die NATO Response Force, NRF; T.W.] und an AWACS auch politisch handhabbar organisieren. Dann braucht diese spezielle Mission eine entsprechende Mehrheit. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir auch herausgehen aus diesen NATO- und EU-Strukturen, sonst wird deren Instrument stumpf.
Nun ist dieser Ansatz in der Tat bedenkenswert – das innenpolitische Trauerspiel um die deutschen Besatzungsmitglieder in AWACS-Überwachungsflugzeugen (erst: nein über Afghanistan, dann: nein über Libyen, ja über Afghanistan) hat gezeigt, dass es in NATO und EU gemeinsam beschlossene gemischte Einheiten gibt, deren Handlungsfähigkeit in konkreten Fällen aber unter Umständen sehr stark von der innenpolitische Lage in Deutschland abhängt. Obwohl die deutsche Beteiligung an diesen Einheiten grundsätzlich gebilligt wurde. Was für diese Allianzen ja auch nicht unbedingt gut sein kann.
Auffällig ist allerdings eines: Beck wirft den Stein zu einer Zeit ins Wasser, in der die Rechte des Bundestages bei der Beschlussfassung über Bundeswehreinsätze im Ausland ohnehin unter Druck geraten sind. Die Bundesregierung, also die Exekutive, hätte gerne mehr Entscheidungsfreiheit ohne parlamentarische Debatte, wie der Streit um die Libyen-Evakuierungsmission zeigt: Die wird von der Exekutive kurzerhand nicht als Einsatz angesehen, womit aus Sicht der Regierung die Pflicht zur – nachträglichen – Billigung durch den Bundestag entfällt. Mal sehen, ob das vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, wo die Grünen dagegen klagen.
Und jetzt der Ansatz von der anderen Seite. Vom führenden Verteidigungspolitiker der größten Regierungsfraktion. Ist vielleicht ein Zufall.
Ohne zu viel in die Sache hineininterpretieren zu wollen und es ist auch nur meine LEsart: Es klingt nach einer vorfühlenden/vorbereitenden rein politischen Äußerung ohne echten praktischen Aspekt hinsichtlich einer auch sicherheitspolitischen Integration Deutschlands in Europa. Oder mit anderen Worten: Der Auflösung Deutschlands (auch in sicherheitspolitischen Belangen) und seiner Demokratie (Europarecht bricht bereits deutsches Recht). Vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein, aber ich kann nicht anders.
Dass Einsätze der deutschen Streitkräfte besser politisch „handhabbarer“ zu machen liest sich hier eindeutig als ein Demokratieabbau, der auf gar keinen Fall stattfinden darf. Es ist eben auch einfach nicht angemessen, bewaffnete Einsätze (bis auf unmittelbare Lagen, die aber geregelt sind) mal eben so durchzudrücken.
Falls die deutsche Demokratieform hinderlich für die aufgezählten Politprestigeprojekte ist, dessen operativer Nutzen durchaus fraglich ist, dann sollte man nur eines tun: Aufhören seine Kräfte organisatorisch zu verzetteln und aus den NRF’s usw. aussteigen. Ein Ende der Nato bedeutet das nicht.
Nun ja. In Zeiten, in denen Unionspolitiker offen davon sprechen, dass das Endziel de facto die Abschaffung der demokratischen Grundordnung in Deutschland ist (ist das nicht schon ein Straftatbestand?), wundert mich auch keine Zunahme der dahingehend intonierten Äußerungen in vermeitlichen Randbereichen keineswegs.
So les ich seine Worte.
@Niklas: Ich glaube Sie interpretieren dort etwas viel hinein. Ich habe Herrn Beck kennengelernt und kann Ihnen versichern, dass es hier nicht um den Abbau von Demokratie geht.
Im Prinzip sagt er doch nichts weiter, als „Wir müssen auch mal den Arsch in der Hose haben, wirklich was zu unternehmen, anstatt immer nur zu meckern, blockieren und den Gutmenschen heraushängen zu lassen“ – Und verdammt, er hat recht. Man rühmt sich in Deutschland der „Taktik“ in Afghanistan, welche ja so Friedlich ist – Bewaffnetes THW hört man doch in der Politik recht gern… Aber, dass Deutschland bisher auf ganzer Linie in A-Stan versagt hat traut sich keiner zu sagen. Und dieses Versagen liegt nur an den Rahmenbedingungen und ewigen Diskussionen, welche unter anderen unseren Soldaten das Leben kosten… Na Gut, die von zivilen Stellen blockierte Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen im deutschen Verantwortungsbereich tut ihr Übriges…
@Patrick
Sie vergessen bei ihrer berechtigten Einlassung die Militärs selbst … Welcher General stand denn vor 10 Jahren oder danach auf und hat mal laut gesagt, das die Bundeswehr für solch einen Einsatz nicht ausgestattet und ausgebildet ist? Denken Sie mal dran mit welcher Technik und mit welchem Ausbildungsstand die Soldaten nach AFG geschickt wurden, ohne das ein Fachkundiger interveniert hat.
Irgendwie ist das komisch, weil wie hier auch beim Thema Libyen-Rettungsmission breit diskutiert, läßt das ParlBetG sehr großen Spielraum für schnelle und flexible Mandate.
Dieser Spielraum wird jedoch von der Exekutive nicht genutzt.
Warum?
@ Heiko Kamann
Sie haben da einen kleinen Logikfehler in ihrer Argumentation: Es wusste auch auf militärischer Seite anscheinend nicht viele Leute, auf was man sich bei Afghanistan einlassen würde. Da man schlicht von einem ausschließlich humanitärem Hintergrund ausging, war man schon ausgerüstet – schließlich hatte man ja schon Erfahrung aus Somalia, wo man nichts anderes machte (daher ja die Mär vom Brunnenbohren etc.). Desweiteren hatten wir mit Scharping kein Glanzlicht seiner Zunft, der, so hört man jedenfalls, ganz nebenbei auch beratungsresistent gewesen sein soll. Da machen sie auch als General nichts.
@Voodoo
Das mag ich für den Anfang der Mission (Kabul) gelten lassen; aber wir wurden ja nicht durch „handauflegen“ Lead-Nation im Norden … hat denn da keiner genau hingeschaut? Wenn das verneint wird, ist es traurig genug … aber lassen wir das, ist ja schon Geschichte. Alles wird gut!
@Heiko Kamann:
Um es mal deutlich zu sagen: Wer seine Karriere nicht ohnehin beenden will, sagt nichts, was der politischen Führung nicht in den Kram passt… Mal abgesehen davon, dass ein Grossteil der Offiziere im Einsatz nicht mehr sind als Gefechtsfeldtouristen – Die bleiben in der Regel gerade lang genug, um die Einsatzmedaillie zu erhalten. In dieser Zeit werden ihnen Dienstposten zugeteilt, welche NICHT wahrgenommen werden. Ein Offizier der als Kraftfahrer eingeteilt ist, macht ja diesen Job nicht wirklich… Den können die Unteroffiziere und Mannschaften zusätzlich zu ihrem normalen Dienst bewältigen… Und das sichere Lager verlassen? Wahnsinning? Da könnte man erschossen werden oder auf eine Mine fahren…
Wie Reinhold Robbe schon sagte: „Wer goldene Sterne links und rechts trägt, der muss auch mal den Mund aufmachen.“ Leider ist dem nicht so…
Ansonsten haben sich Soldaten ausserhalb der Stäbe an den Wehrbeauftragten gewandt und dieser (R.Robbe) hat dies auch weitergeleitet – Aber wer Unfähige Personen in Spitzenämter wählt, muss damit leben, dass alles was grad nicht in den (politischen) Plan passt gekonnt ignoriert wird…
Ansonsten haben alle Soldaten, welche Probleme ansprachen oder auch nur ihren Dienst nach Vorschrift versehen haben (Oberst Klein z.B.) mit einem kräftigen Tritt in den Hintern bedacht…
Ich möchte dazu das Buch „Endstation Kabul“ vom Kameraden Achim Wohlgetan empfehlen – Interessante Eindrücke aus A-Stan und vor allem über das deutsche Engagement dort…
@Patrick
Wenn sie Achim Wohlgetan bei einer wissenschaftlichen Arbeit verwenden würden, dann würde diese mit Sicherheit nicht mehr wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen genügen – der Mann ist m.M.n. ein Scharlatan, der seine eigenen Erlebnisse geschickt vermarktet, jedoch nie wirklich einen Einblick in die Hintergründe seiner Aufträge hatte. Was wer er doch gleich, StUffz??
Und um für einzelne Goldträger mal eine Lanze zu brechen: Zu Zeiten von Herrn Rühe gab es mal einen, der in einer Morgenlage gewagt hat, sich kritisch über eine Sachlage zu äußern und somit indirekt den Minister zu kritisieren. Er wurde des Saales verwiesen und mit den Worten „Den will ich hier morgen nicht mehr sehen.“ stillgelegt, sprich auf einen anderen Dienstposten versetzt…
Nun ich schreibe hier keine wissenschaftliche Arbeit. Abgesehen davon, sind einige der geschilderten Erlebnisse doch keine Einzelfälle? Natürlich muss man die Hintergründe im Kopf behalten. Ich habe auch nie behauptet, dass das Buch alles 100% korrekt darstellt. Aber die Lage in A-Stan wird darin recht gut beschrieben. Und die Art, wie die deutsche Regierung den Einsatz in A-Stan durchführen lässt, ist schlichtweg blauäugig und nicht zielführend. Von „Dauerhaft friedensschaffend“ kann nicht einmal im Ansatz die Rede sein…
Aber eine Frage hätte ich noch: Wollen Sie wirklich sämtlichen Nicht-Offizieren die Fähigkeit zu denken absprechen? Also den Menschen, welche täglich ihr Leben ausserhalb der Camps riskieren? Oder geht’s einfach nur darum, dass nicht sein kann, was nicht sein darf?
Zum Thema „Hintergründe“: Ich bezweifel, dass diese überhaupt irgendwo verstanden werden… Und wenn der „Grunt“ am Boden diese nicht versteht, also nicht weiss wofür er sein Leben riskiert hat die Führungsebene schlicht versagt.
Zu Ihrer „Lanze“: Das hab ich ja quasi auch geschrieben ;-)
[…]Wollen Sie wirklich sämtlichen Nicht-Offizieren die Fähigkeit zu denken absprechen? Also den Menschen, welche täglich ihr Leben ausserhalb der Camps riskieren? Oder geht’s einfach nur darum, dass nicht sein kann, was nicht sein darf?“[…]
Naa, jetzt missverstehen sie mich – ich will gerade diesen Soldaten nicht die Fähigkeit zu denken absprechen! Eher bekommt man von diesen die realistischsten Lageeinschätzungen. Ich tue mich aber schwer damit, das ein Autor, der unter der Ebene der Zugführer angesiedelt war, meint, er könne mal eben so die strategische Gesamtlage bewerten. Da hapert es ja schon auf der taktischen… Aber lassen wir das, ich sagte ja, es ist meine ganz eigene Sicht der Dinge ;-)
Was ihre Beschreibung der Führungsebene und deren Probleme betrifft, so stimme ich ihnen zu. Dabei möchte ich aber die Ebene der Chefs und darunter weitgehend ausklammern, habe ich doch zu oft erlebt, wie die Ebene darüber plant und Aufträge vergab… Und da war ein „Sprechen sie mal mit Dem und Dem und fahren sie mit denen mal daunddahin, das wird schon – für wie lange wissen wir noch nicht, aber keine Panik“ keine Seltenheit. Ohne Feindlage, ohne Absicht der übergeordneten Führung, quasi ohne Alles – man durfte sich alles zusammenklauen, um seinen Besatzungen ansatzweise Informationen geben zu können. Das schafft Vertrauen nach allen Seiten… :-)
@ Voodoo
Verstehe ich Sie richtig? Wir sollten das „Augen zu und durch“ der Ebene B6 + als gut und richtig erachten … läßt ja tief blicken.
@ Patrick
Ich gönne Achim Wohlgetan die verdienten Euros … aber der Ebene Stuffz fehlt warscheinlich wirklich die „Draufsicht“.
Ansonsten möchte ich zu dem Thema nichts mehr schreiben … ist ja reichlich OT in diesem Threat.
Beste Grüße
@Voodoo:
OK, dann hab ich das in den „falschen Hals“ bekommen. Mir geht es im Buch auch weniger um die Schlussfolgerungen des Autors, sondern viel mehr um die Lagebeschreibungen aus Sicht der Soldaten. Und diese werden leider von vielen Soldaten bestätigt.
Was die Offiziere angeht, beziehe ich mich da auch hauptsächlich auf die Herren mit „Arbeitsbefreiungskranz“… ;-) Dies ist auch die Ebene mit den Touristen. Deren „Eingebungen“ konnte man schon im Kosovo nicht folgen… Auf der anderen Seite gibt es wieder höhere Offiziere, welche sich trauen auch schwierige Entscheidungen zu treffen und dafür leider dann angegangen werden – siehe Oberst Klein. Das ist eben das Problem. Nicht nur die Karriere steht heute auf dem Spiel, nein nun auch noch die Freiheit…
Mal wieder was zum Thema:
Wenn auch schon etwas älter, trotzdem lesenswert: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2007A10_ntz_srr_ks.pdf
Im Rahmen der NRF ist es sicherlich schwierig das Parlament einzubinden, auch wenn es der Legitimation des Einsatzes sicherlich gut tun würde. Fallen solche Einsätze grundsätzlich unter das ParlBG oder sind die aufgrund Art 24 Abs 2 abgedeckt?
1. Ich halte von Becks Vorschlag nichts-wohlgemerkt von seinem Vorschlag!
Warum?
Weil ich meine, dass wir ganz hervorragende Regelungen haben. Man muss sie nur anwenden, notfallls ad hoc.
Sprich: wenn ein Auslandseinsatz, der über die Entscheidungsebene der Bundesregierung liegt, „schnell“ angeordnet werden muss, dann solle das Parlament dem auch Rechnung tragen und „schnell“ zusammenkommen. Das geht nicht? Doch, das geht, sogar ganz hervorragend schaut man in die Geschäftsordnung des BT.
Die Begründung, dass die Vorlage „ja nicht so schnell erarbeitet sein könne“, lasse ich nicht geleten. Denn wenn man Soldaten entsendet, dann ist ja wohl die rechtliche wie politische Grundlage geprüft, zusammgefasst und „beschlussreif“ auf dem Tisch. Sollte es nämlich anders sein, dann Gute Nacht.
2. Herr MdB Beck spricht ja noch einen -auch bzgl. Lybieneinsatz, Stichwort: dt Beteiligung am NATO-Stab in Neapel- Punkt an. Wir erinnern uns an die AWACS-Urteile des BVerfG: http://www.welt.de/politik/article1972950/Karlsruhe_staerkt_die_Rechte_des_Bundestags.html und http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/die-folgen-des-awacs-urteils/1228914.html Diese bezogen sich auf die Entsendung von Soldaten in das konkrete Einsatzgebiet, nicht aber die Unterstützungsmöglichkeit von Bündnispartnern -im Rahmen nach Art 24 GG geschlossenen Bündnisverpflichtungen- bzgl. eines Einsatzes (Nost Nation Support, Mitarbeit in internationalen Stäben auf Grundlage permanent bestehender Geschäftsgrundlagen, usw.) .
Darum nochmal: Mal abgesehen von der Frage, was an dem AWACS-Einsatz seinerzeit so zeitkritisch war, dass man das Parlament nicht beteiligen wollte bzw. hätte können, so solle das Parlament bitte seine Geschäftsgrundlage so anwenden, um auf solche Dinge, die ja durchaus auch mal zeitkritisch sein können, zeitnah reagieren zu können. Das hielte ich für geeigneter, als sich selbst quasi abzuschaffen bzw. der öffentlich artikulierten Rolle Deutschlands in der Welt nicht gerecht werden zu können..
3.@ Patrick: Ich meine, das Buch ist bei den empirischen Schilderungen, die natürlich „nur“ einen Ausschnitt darstellen-das ist aber bei allen „Korrespondentenberichten“ so- durchaus stark. In dem Teil, wo er Schlüsse zieht, wäre ich dem Autor dankbar gewesen, wenn er Wissenschaftler zu Rate gezogen hätte. Das hätte die Mächtigkeit des Buches erhöht. So bleibt ihm die Legitimität der freien Meinungsäußerung und diese ihm unbedingt zu zugestehen, aber eben auch nicht mehr.
Dazu halte ich es aber für vermessen, die Bundeswehr -noch dazu alleinig- in die Verantwortung dafür stellen zu wollen, sie würde in AFG „konzeptlos“ agieren.
Ich meine die Frage, wer wobei warum und in welchem Umfang in AFG Ziele nicht erreichte (von „versagen“ möchte ich bewusst nicht sprechen, darin wohnt immer ein recht unsachlicher Sprachduktus inne) ist sehr wohl eine die auch „der Bürger von der Straße“ beantworten darf und soll, aber wünschenswert für eine gesamtpolitische Bewertung ist es in meinen Augen, AUCH auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Themenkopmlex zurück zu greifen.
Weil hier die Generalität angesprochen wurde, passt der Hinweis evtl.: (GenLt a.D., zuletzt BefH SKUKdo) Krause, Ulf von: „Die Afghanistaneinsätze der Bundeswehr –
Politischer Entscheidungsprozess mit Eskalationsdynamik“, erschienen im VS-Verlag: http://www.vs-verlag.de/Buch/978-3-531-17855-4/Die-Afghanistaneinsaetze-der-Bundeswehr.html , Dissertationsschrift die zur Promotion führte an der FernUni Hagen: http://www.fernuni-hagen.de/imperia/md/content/presse/medieninformationen/dissertation-von_krause-ergebnisse.pdf und http://wissen.dradio.de/afghanistaneinsatz-wir-sind-da-reingeschlittert.33.de.html?dram:article_id=8111
@ Limpo | 05. September 2011 – 15:26 –
[…]Im Rahmen der NRF ist es sicherlich schwierig das Parlament einzubinden…[…]
Ich meine nein. Wenn das Parlament keine Entscheidung „über Nacht“ herbeiführen kann, dann verdient es den Namen nicht bzw. wird seiner Verantwortung nicht gerecht.
[…] Fallen solche Einsätze grundsätzlich unter das ParlBG oder sind die aufgrund Art 24 Abs 2 abgedeckt?[…]
Das ist wohl solange das BVerfG noch nicht, quasi höchstinstanzlich in diesen Belangen -zumindest ist es von Parlamentariern selbst zu diesem de facto gemacht worden-, darüber befand, nicht final zu bewerten, bzw. es kommt es auf die Auslegung des jeweiligen Rechtsgutachters an.
Oder anders: Im Falle der AWACS Angelegenheit hat das BVerfG entschieden wie es entschied, niemand weiß aber deshalb wie es bei NRF entscheiden würde-höchstens die Bewertung: wie es entscheiden könnte, erscheint mir möglich. Und da meine ich, dass es so entscheiden würde, dass die Entsendung bewaffneter SK alleinig aufgrund der NRF- (und dazu ja auch im Rahmen der European Headline Goals) Verpflichtungen unzulässig wäre.
Grundsätzlich natürlich: die Beteiligung ist legitim, auch die Unterstützung der NRF-Kräfte, sollten die ohne dt Beteiligung gehen -nicht vorzusehen, ich weiß- ist ohne Parlament möglich (Stichwort Art 24 GG).
Über die unmittelbare Beteiligung an einem bewaffneten exterritotalem Einsatz (Entsendung und Einsatz von bewaffneten Kräften) hat im Grundsatz das Parlament zu befinden, notfalls eben nachträglich, aber das „immer“.
Das ist aber lediglich meine Meinung!
@sachlicher
1. Die Kritik verstehe ich nicht ganz. Wird das Parlament seinem Auftrag nicht gerecht, nur weil es länger als eine Nacht braucht? Darüber hinaus kommt doch auch wieder §5 ParlBG zum Tragen: (1) Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Aufschub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für Einsätze zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, solange durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet würde.
2. Da verstehe ich die Rechtslage nun auch so, dass hier das Parlament die Entscheidung tragen muss, egal was die Regierung vorher beschlossen hat.
@ Heiko Kamann
Verstehe ich Sie richtig? Wir sollten das “Augen zu und durch” der Ebene B6 + als gut und richtig erachten … läßt ja tief blicken.[…]
Noch einmal kurz OT, da es ja an mich gerichtet war: Ich finde, das sollten wir keinesfalls tun – Duckmäusertum wird ja seit jeher ab bestimmten Besoldungsstufen und Karriereabsichten vorausgesetzt, so zumindest der subjektive Einblick… Ich wollte aber ergänzt wissen, dass es allerdings ab und an auch mal unmöglich für die militärische Seite ist, Bedenken und Warnungen „an den (richtigen) Mann“ zu bringen.
@ Limpo | 05. September 2011 – 16:33-
[…]1. Die Kritik verstehe ich nicht ganz. Wird das Parlament seinem Auftrag nicht gerecht, nur weil es länger als eine Nacht braucht?[…]
Bitte gestatten Sie mir die Formulierung „über Nacht“ als plakative Illustrierung. Es ist nichts anderes als „rechtzeitig, zielgerichtet, sowie in geeigneter für den Einzelfall vorzusehender Art und Weise“ gemeint.
Zu §5 ParlBG: Sie schreiben korrekt: bedarf keiner v o r h e r i g e n Zustimmung. Ich schrieb: […]hat im Grundsatz das Parlament zu befinden, notfalls eben nachträglich, aber das “immer”.[…] Ich sehe also keine gegenteilige Bestimmung bzw. darin keine meiner Ansicht widersprechende Regelung.
[…]2. Da verstehe ich die Rechtslage nun auch so, dass hier das Parlament die Entscheidung tragen muss, egal was die Regierung vorher beschlossen hat.[…]
Sagen wir es so: Sind die Truppen erstmal dort tätig (gewesen), kann man es mißbilligen aber nicht in seiner Gesamtheit rückgängig machen.
Worin besteht also der Sinn? 2 Dinge, wie ich meine, sind zu erwähnen:
1. Die Bundesregierung wird normativ dazu verpflichtet die Entsendung so zu planen, zu gestalten und letztlich durchzuführen, dass der BT nachträglich „ruhigen Gewissens“ zustimmen kann-kann, weil der BT eben nicht „muss“.
2. Stimmte der BT nachträglich gegen den Einsatz, so ist, neben rechtlichen Konsequenzen, vor allem eines zu nennen: Es wird nachträglich klar gestellt, dass es zukünftig einen solchen Einsatz nicht mehr geben könnte/ dürfte und das wiederum schon gar nicht (mehr) ohne Parlamentsbeteiligung im Vorfeld.
Es ist vollkommen normal, dass Exekutive und Legislative um die Verfeinerung der Definition streiten, was hier „Einsätze bei Gefahr im Verzug“ bedeutet oder bedeuten muss und welche Dimension dem inne wohnen darf. Gerade zu diesem Punkt nimmt ja auch nicht umonst das BVerfG des öfteren einmal eine „Schiedsrichterfunktion“ wahr. Das illustriert die Bedeutung dieser Fragestellung genauso, wie die Komplexität und Schwierigkeit bei deren Beantwortung.
Sie verlinkten ja auch die swp-Studie, die u.a. vorschlägt, dass zumindest ein Unterausschuß -wenngleich dann eben nicht öffentlich- des BT im Vorfeld beteiligt wird. Das ist sicher eine Möglichkeit und vor allem ein deutlicher Hinweis darauf, wie mannigfaltig „parlamentarische Beteiligung“ grundsätzlich ausgestaltet werden könnte und dürfte.
Aber nochmal: Ich schrieb meine Meinung, kein Rechtsgutachten bzw. kein Urteil im Range eines Urteils des BVerfG.
@ Voodoo
Zustimmung
@sachlicher
Jetzt ist einiges klarer. Ich stimme Ihnen zu, dass man über Details durchaus anderer Meinung sein kann. Grundsätzlich sind wir uns wohl einig. Das Parlament sollte hier eine gewichtige und entscheidende Rolle spielen.
Da hier jeder seine Meinung schreibt und wir keine Gutachten anfertigen, werde ich Sie für die Aussagen auch nicht haftbar machen. :) Aber Spaß beiseite, es ist ein wichtiges Thema. Deshalb hat die Fraktion der Grünen ja auch um Klärung beim BVerfG gebeten.
@Sachlicher:
Ich nehme keineswegs nur die Bundeswehr in die Verantwortung. In erster Linie ist die Politische Führung verantwortlich. Dann jedoch auch Bundeswehr und die zig zivilen Organisationen die in A-Stan sind. Die Bundeswehr bekommt so gut wie keine Rückendeckung von der Politik, was leider dazu geführt hat, dass sich hohe Offiziere versuchen aus unangenehmen Entscheidungen/Situationen rauszuziehen anstatt ihren Job zu machen. Das wiederrum setzt zur nächsten Ebene fort, usw.
Am Ende steht ein Mannschafter und schaut Dumm in die Röhre… Forh evtl. wieder Gesund nach Hause zu kommen, um festzustellen, dass es in Deutschland denkfaule Menschen gibt, die dir ins Gesicht sagen, dass sie gefeiert hätten, wenn man dich getötet hätte… – Das alles kann man sich sicher schön reden: Für mich ist es Versagen! – Tolles Deutschland!
Grüsse aus Finnland…
@ Patrick | 06. September 2011 – 9:00:
So, mal sehen, ob ich es noch hinbekomme, ich war schon eine Weile leider nicht mehr dort:
Hyvä Patrick! Hyvää päivää! (Werter Patrick! Guten Tag!)
[…]Ich nehme keineswegs nur die Bundeswehr in die Verantwortung. In erster Linie ist die Politische Führung verantwortlich.Dann jedoch auch Bundeswehr und die zig zivilen Organisationen die in A-Stan sind. […]
Ich hatte Sie nicht anders verstanden. Ich bezog mich lediglich auf das von Ihnen besprochene Buch.
@ Limpo | 05. September 2011 – 18:42-
[…]Da hier jeder seine Meinung schreibt und wir keine Gutachten anfertigen, werde ich Sie für die Aussagen auch nicht haftbar machen. :) […]
…was mich beruhigt.
[…]Ich stimme Ihnen zu, dass man über Details durchaus anderer Meinung sein kann.
[…]
Natürlich, ja.
[…]Grundsätzlich sind wir uns wohl einig. Das Parlament sollte hier eine gewichtige und entscheidende Rolle spielen.[…]
Ja, darin sind wir uns einig. Ich würde es sogar absoluter schreiben: Das Parlament sollte DIE gewichtigste und entscheidende Rolle spielen. Und der Souverän sollte das Parlament daran messen.