Bundeswehr, Online-Journalismus, Social Media: Langsame Annäherung
Das ist sozusagen ein Eintrag in eigener Sache: Erfreulicherweise mehren sich die Signale, dass das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr, wenn auch langsam, eine andere Haltung zu Social Media einnehmen…
Gerade bekomme ich die Mail vom Internet-Radiosender detektor.fm: Der Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière wird am Mittwoch, den 21. September im Interview bei detektor.fm sein. Im Gespräch wird es vor allem um den geplanten Truppenabzug aus Afghanistan und die allgemeine Zukunft der Bundeswehr im Hinblick auf die Herausforderungen der Personalgewinnung gehen. Das Interview wird zwischen 17 und 18 Uhr in der täglichen Live-Sendung „detektor.fm – Der Tag“ ausgestrahlt.
Das freut mich nicht nur für die Kollegen (die ebenso wie ich in diesem Jahr für den Grimme Online Award nominiert waren), sondern es ist auch was Neues: ein Interview mit einem reinen Online-Sender, so weit ich das überblicken kann, gab es bislang von keinem deutschen Verteidigungsminister.
Ebenso erfreulich ist aus meiner Sicht, dass ich beim jüngsten Trip von Thomas de Mazière an den Hindukusch dabei war – schließlich ist auch meine Kombination aus freiem Journalismus (unter anderem gelegentlich für den Spiegel) und vor allem Bloggen nach den herkömmlichen Medien-Kategorien nicht so einfach zuzuordnen…
Vielleicht ist das aber auch Teil eines Sinneswandels, der generell in der Wahrnehmung von Berichterstattung stattfindet. Wie ihn der European beschreibt: Warum man auf Blogger nicht scheißen sollte.
Dazu noch eine Zahl, die mich selbst überrascht hat: Ein O-Ton von Verteidigungs-Staatssekretär Stéphane Beemelmans, den ich vor knapp einer Woche online gestellt habe, ist mittlerweile fast 5.400 mal angehört worden. Wohlgemerkt: Ein Redeausschnitt von einem Staatssekretär, nicht von einem Minister. Und hat damit deutlich mehr Interesse gefunden als die – ebenfalls von mir eingestellten – Hörfunk-Werbespots der Bundeswehr mit knapp 2.000 Zuhörern.
Alles nur positiv? Nicht ganz. Heute hat die Bundeswehr ihre neue App für iPhone und Android-Smartphones freigeschaltet.
(Nachtrag für die Interessierten: entwickelt von BWI). Ich selber besitze weder noch und kann das deshalb nicht bewerten, sehe aber auf Twitter die erste Kurzrezension des Kollegen Pascal Ziehm, die nicht so erfreulich ausfällt…
(Dazu noch eine Zahl vom 20. September, einen Tag nach Bekanntgabe der neuen App: Bis zum Dienstagabend wurde die iPhone-App 2.400 mal, die Android-App rund 930 mal heruntergeladen, sagt das BMVg.)
de Maizière traue ich zu, das Verteidigungsministerium in dieser Hinsicht in die richtige Richtung zu lenken. Immerhin wissen sie ja auch, dass sich mögliche Rekruten im Social Web tummeln und Fachleute jenseits der klassischen Redaktionsanbindung wichtig sind.
Die App ist ein weiterer Schritt in eine richtige Richtung, einer von vielen. Die Entscheidet im BMVg bemühen sich zaghaft. Interessant wäre vor allem die Frage, wer hinter der App steckt: Eine Agentur oder doch eine Inhouse-Produktion?
Egal wie gut oder schlecht diese ist: Der Bundeswehr dringend geraten, mehr eigene Kompetenzen zu nutzen. Eine blinde Agenturengläubigkeit hat in der Vergangenheit allzu oft Kommunikate hervorgebracht, die selten der Wirklichkeit der Truppe entsprechen. Innerhalb der Bundeswehr gibt es genügend pfiffige, innovative und kompetente (junge) Menschen, die eine Chance verdienen – auch wenn längst nichts so gut ist, dass man es nicht noch besser machen kann.
Sollte die App also wirklich aus einer internen Produktion stammen, wäre dies somit sogar der größere Schritt in die richtige Richtung als eine High-End-App, die keine Wünsche offen lässt.
@T.W.: Waren Sie vom Verteidigungsminister eingeladen worden? Das wird nicht ganz klar.
Agentur vs. Inhouse-Produktion:
Konzeption, Gestaltung und Inhalte entstammen dem Pr. / Infostab, die Umsetzung hat die BWI Systeme vorgenommen.
@Magnus
Pardon, dachte das wäre klar – die Begleitung eines Ministers auf einer Reise geht eigentlich nur auf Einladung…
Die technische Umsetzung durch die BWI ist allerdings nichts das, wie ich sie als kluge Inhouse-Lösung vorschlagen würde. Weshalb nicht pfiffiger Informatik-Student der Bundeswehr-Uni? Definitiv ist das kein Produkt, worauf die BWI stolz sein kann! Und die Bundeswehr verpasst so einmal mehr vorhandene Kompetenzen aus den eigenen Reihen zu nutzen!