Crowdsourcing: „Krieg im Netz“ auf der re:publica
Wie schon angekündigt: auf der re:publica 2011 (Die Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft) in der kommenden Woche in Berlin reden Bendler-Blogger Sascha Stoltenow und ich über den Krieg im Netz – weniger im Sinne von Cyberwar (das passiert direkt im zeitlichen Zusammenhang im Vortrag von Sandro Gaycken, wobei irgendwie die Abfolge umgedreht wurde, eigentlich hatte Sandro vor uns reden sollen), sondern um die Frage: Wie verändert das Netz die Sicherheitspolitik, die Nachrichten von der Front, den Blick auf militärische Auseinandersetzungen.
Für die re:publica haben wir das so angekündigt:
Krieg im Netz – Stuxnet, WikiLeaks und Bloggen von der Front
Wie das Netz die Sicherheitspolitik verändert
Das Internet hat nicht nur eine militärische Vergangenheit (ARPANET) sondern auch in Gegenwart und Zukunft spielt das Internet bei Fragen der inneren und äußeren Sicherheit eine zentrale Rolle. Im militärischen Kontext wird die Nutzung offener und geschlossener Netzwerke zur eigenen Operationsführung zunehmend wichtiger.
Mit Blick auf den gesellschaftlichen Diskurs spielen vor allem inhaltliche Aspekte eine zentrale Rolle. Akteure in Kriegen und Krisen versuchen gezielt, Medien zu nutzen, um ihre Ziele durchzusetzen. Gleichzeitig können heute Soldaten quasi live von der Front bloggen, und das Netz bietet zivilgesellschaftlichen Akteuren die Chance sich gegenüber staatlicher Kommunikation und den klassischen Medien zu emanzipieren.
Ziel des moderierten Panels ist es, das vorstehend skizzierte Spannungsfeld zu vermessen und gemeinsam mit dem Publikum eine möglichst umfassende Fragensammlung zu erstellen und erste Antworten/Hypothesen entlang der folgenden Leitfragen zu entwickeln.
– Cyberwar, wie empfindlich ist das Netz?
– Medienkrieg, wie empfindlich sind Gesellschaften? (inkl. Politik und Wirtschaft)
– Der Mensch im Krieg, wie empfindlich ist das Individuum?
Und jetzt das Crowdsourcing: Auch die, die kommenden Freitag in Berlin nicht dabei sind, möchten wir mit ihren Fragen beteiligen. Was ist euch/Ihnen in diesem Zusammenhang wichtig? Welche Fragen müssen gestellt werden – aus der Sicht des Interessierten in Deutschland genau so wie aus der Sicht derjenigen im Einsatz? Natürlich kann man auch die Frage stellen, ob sich überhaupt etwas verändert hat durch das Netz. (Was ich massiv bejahen würde.)
Also: Im Bendler-Blog oder hier in den Kommentaren die Fragen posten. Wer es lieber ganz vertraulich möchte, kann mir auch eine Mail schicken, Mailadresse steht im Impressum.
– Wo sollte die Grenze liegen, zwischen OPSEC/PERSEC und dem öffentlichen Anspruch über militärische Operationen aufgeklärt zu werden, die ja immerhin demokratisch mandatiert werden?
– Wo liegt diese Grenze derzeit in der BRD?
@Sebastian S. | 09. April 2011 – 18:13
Ein Informationsanspruch, für einen auserwählten Kreis von schweigepflichtigen Abgeordneten, bezüglich militärischer Operationen besteht frühestens, wenn diese bereits Geschichte sind, sonst wäre jede Operation gefährdet. Die Öffentlichkeit wird niemals korrekt informiert werden.
Zumindest wird mit diesem Totschlagargument reflexartig jegliche Verschleierung begründet. Inwiefern das immer der militärischen Sicherheit dient, oder eher der politischen, steht auf einem ganz anderen Blatt.
In dem von Sebastian erwähnten Zusammenhang sollte die Frage also lauten: Wie kann man Information gestalten, ohne dabei Menschen zu gefährden?
Was zu weiteren Fragen führt: Wie urteils- bzw. kritikfähig ist die Öffentlichkeit überhaupt bei solchen Themen, nachdem diese jahrzehntelang so gut wie nicht vorkamen? Was ist in dem Zusammenhang von Whistleblowing zu halten (das es definitiv gibt)? Und: Wie weit kann sich ein Journalist dabei aus dem Fenster lehnen, ohne sein Ansehen zu gefährden? (Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen ich einen Unterschied zwischen Journalisten und ‚unbekannten‘ Bloggern machen würde, weil letztere hier unleugbar im Vorteil sind.)
In der Februar-Printausgabe der Zeitschrift der „Association for Computing Machinery“(ACM) gibt es einen interessanten Artikel zum Thema Cyberwar von Maura Conway. Darin wird für mich relativ überzeugend argumentiert, warum Cyberterrorismus in absehbarer Zeit kein Problem sein sollte:
1. Die Technologie ist zu komplex(inkl. Analyse der radikalen Kräfte und nötigem Kräfteansatz für eine Bedrohung vergleichbar mit Stuxnet)
2. Image-Factor fehlt. Die Bilder, die durch eine solche Attacke erzeugt werden, sind zu unspektakulär im Vergleich zu z.B. 9/11
3. The Accident-Issue: Solange sich eine Terroranschlag, mit welchen Folgen auch immer, als Unfall des Systems tarnen lässt, ist es ein Schlag ins Wasser.
Natürlich ist das jetzt keine komplette Zurückweisung der Bedrohung. Aber wenn führenden Experten die Möglichkeiten nichtstaatlicher Akteure als unzureichend einschätzen, dann findet das Wettrüsten derzeit ja auf staatlicher Ebene statt. Und zwar gegeneinander. Keine Überraschung für aufmerksame Leser, aber es wäre schon interessant wie die neue eWacht am Rhein in Richtung Asien und Südamerika aufgestellt wird.
Vielleicht etwas OT, aber das waren meine Gedanken dazu.
Mich würde interessieren, wie „hypermoralische Gesellschaften “ (um den Soziologen Arnold Gehlen zu zitieren: http://de.wikipedia.org/wiki/Moral_und_Hypermoral) unter den Bedingungen netzbedingter Transparenz künftig noch in der Lage sein werden, Krieg zu führen bzw. den dafür erforderlichen Rückhalt in ihren Bevölkerungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Wie kann der für Kriegführung erforderliche moralische Konsens aufrechterhalten werden, wenn auch das kleinste mutmaßliche oder reale Fehlverhalten der eigenen Seite kaum im Verborgenen gehalten werden kann und von Medien aggressiv vermarktet wird?
Braucht man zur Aufrechterhaltung des moralischen Konsenses für die Vermittlung der eigene Kriegführung neue Strategien, oder reichen alte (Dämonisierung des Gegners, „Verhinderung eines weiteren Auschwitz“, „Hilfe für arme Libyer“ oder „entrechtete afghanische Frauen“ etc.) aus?
Wie vermittelt man unter den genannten Bedingungen die unschönen Seiten des Krieges, die die Öffentlichkeit früher vielleicht nicht in diesem Maße zu sehen bekam?
Wie können Entscheidungsträger Vertrauen und Kooperationsbereitschaft aufbauen und somit handlungsfähig bleiben, wenn sensible Absprachen etc. früher oder später bei Wikileaks auftauchen? Wie wirkt sich maximale Transparenz auf Entscheidungsbereitschaft aus bzw. führt diese eventuell zu maximalem Absicherungsdenken?
Kann es in hypermoralischen und transparenten Gesellschaften noch sicherheitspolitische Diskurse jenseits des Moraldiskurses geben?
Ist es eine Lösung, Krieg an kleine private Akteure delegieren, die sich besser vor Transparenzforderungen abschotten können, oder können dies auch staatliche Institutionen (KSK etc.) erfolgreich leisten?
Führt netzbedingte Transparenz in Verbindung mit Hypermoral möglicherweise zum Gegenteil des von Optimisten Erwarteten, z.B. zur vollständigen Abschottung eines kleinen Kreises von Entscheidungsträgern und ihren Exekutivorganen, die in weitgehender Isolation von einer um sich selbst kreisenden und nur scheinbar vollständig informierten gesellschaftlichen Diskussion agieren?
@Orontes
Die Debatte ist – allerdings unter anderen tags – bei netzpolitik.org nachzulesen, wo sie regelmäßig immer wieder geführt wird (z.B. http://www.netzpolitik.org/category/e-democracy/, http://www.netzpolitik.org/category/digitalkultur/).