Bundeszentrale für Krieg und Frieden
Wahrscheinlich bin ich wieder der Letzte, der das mitbekommt, und ich hab‘ das nur über Facebook-Links von Freunden entdeckt: Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein Informationsportal Krieg und Frieden gestartet. (Vielleicht schon länger, keine Ahnung – warum erzählen die so was nicht offensiv den einschlägig Interessierten?)
Wie auch immer: ist noch im beta-Stadium. Sieht aber viel versprechend aus.
Danke für den Hinweis.
Das sieht für mich eher aus wie eine weitgehend langweilige Netzübertragung diverser SIPRI-Publikationen. Keine Analysen, keine Bewertungen, statt dessen nur Rohdaten, die zudem in den 80ern relevanter für die wichtigen sicherheitspolitischen Fragen waren als sie es heute sind. Wieviele Panzer der Russe hat, ist doch momentan eher nachrangig. Zumal die friedensbewegte Wortwahl („Militarisierung“) und auf entsprechende Kampagnen ausgelegte Selektion der Daten (Verhältnis zu Sozialausgaben, Reservisten pro Lehrer/Arzt etc.) ungutes für den Fall befürchten lässt, dass irgendwann doch noch Analysen folgen.
@ Orontes
Richtig.
Das Portal referiert die Themen zurückliegender Jahre. Das erklärt sich, wenn man sich die Zulieferer ansieht. Fazit: stehengeblieben und die veränderten außen- und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht mal im Ansatz aufgegriffen. Schade.
@J. König
„Das Portal referiert die Themen zurückliegender Jahre.“
Aktuell ist das Portal insofern, als dass es bei der stärkeren Verankerung von „Friedenserziehung“ an den Schulen ggf. nach den nächsten Bundestagswahlen zur Begründung dafür beitragen kann, warum die BPB weiterhin nicht unbeträchtliche Steuergelder erhalten sollte. Mit der Entfernung „rechter“ Autoren aus dem Angebot, Erziehung der Bevölkerung zu richtigem Geschlechterbewusstsein und dunkelrotgefärbten Lobreden auf Rosa Luxemburg und linke Umerziehungspolitik (http://www.bpb.de/presse/OO07NM,0,Das_flexible_Geschlecht%3A_Gender_Gl%FCck_und_Krisenzeiten_in_der_globalen_%D6konomie_Berlin_28_30_Oktober_2010.html) macht die BPB ja deutlich, wohin die Reise gehen soll. Ein Informationsangebot gegen „Militarisierung“ passt da absolut ins Programm.
Wieso? Es sind die gleichen Themen und Maßstäbe, wie sie auch in der Rüstungsindustrie und den Verteidigungsministerien angelegt werden.
Auf der letzten Münchner Sicherheitskonferenz konnte man das doch wieder gut sehen.
Einer sicherheitspolitischen „Debatte“, die sich am anderen Ende auf „Die Militärausgaben der europäischen Nato-Staaten sind zu niedrig“ erschöpft ist, ist die Seite traurigerweise mehr als angemessen.
Davon ab: Die Datensätze sind bisher ziemlich „standard“ (Budget- und Waffensysteme halt), aber in dieser ushahidi-ähnlichen Karte trotzdem besser aufbereitet als man sie sonst so vorfindet.
@J.R.
„Es sind die gleichen Themen und Maßstäbe, wie sie auch in der Rüstungsindustrie und den Verteidigungsministerien angelegt werden.“
Möglicherweise verengte Wahrnehmung auf der einen Seite zu spiegeln wertet die Scheuklappen der anderen Seite nicht auf.
Warum kommen Module wie z.B. Strategie und Taktik, Bedrohungen und Risiken oder Geopolitik und nationale Interessen (so macht man das pädagogisch auf wertvolle Weise: http://www.youtube.com/results?search_query=mit+offenen+karten&aq=f) nicht vor? Sind diese Themen irrelevant? Oder passen Sie nur nicht ins friedenspolitische Erziehungskonzept, das sich lieber mit Modethemen wie „natürliche Ressourcen und Konflikte“ (in der Praxis: Man sucht angestrengt nach Bezügen von Konflikten zum Klimawandel) beschäftigt?
Das Portal ist gestern (also am 11.04.) offiziell gestartet worden, siehe Presseerklärung unter http://www.bpb.de/presse/L9DEZX,0,Anzahl_Schwerer_Waffensysteme_in_Libyen%3A_5_655.html
Es sind noch acht weitere Themenmodule in Vorbereitung, bis zum Ende der Beta-Phase wird sich noch vieles ändern. Für Anregungen und natürlich auch Kritik gibt es ein Feedback-Formular auf der Seite.
@Orontes
Ich verstehe nicht wo das Problem liegt. Die Betreiber weisen explizit daraufhin, dass es sich bei diesem Modul um das erste von insg. 9 handelt. Insofern ist eine Bewertung dessen, so wie Sie sie vorgenommen haben, eher schwierig.
„Das Modul „Militärische Kapazitäten und Mittel“ liefert als erstes von neun geplanten Modulen eine Übersicht an Grundinformationen zu den Themenfeldern Militärische Ressourcen, Militarisierung und Waffenhandel“
und weiter…
„Weitere Module (z.B. Gewaltkonflikte und Krieg, Frieden und Wiederaufbau und Natürliche Ressourcen) werden zurzeit bearbeitet und in der Zukunft bereit gestellt.“
Auch die Ihnen kritikwürdig erscheinende Wortwahl „Militarisierung“ wird auf einer eigenen Seite, die Sie ja offenbar auch besuchten, ausführlich und m.E. nach entideologisiert erklärt.
Wenn Sie nun schreiben: „Warum kommen Module wie z.B. Strategie und Taktik, Bedrohungen und Risiken oder Geopolitik und nationale Interessen (…) nicht vor?“ Dann kann man eigentlich nur sagen: Abwarten, da ja noch alles möglich ist.
Wenn Sie dann weitergehen und die BPB an den Äußerungen Ihres derzeitigen Chefs messen, tun Sie allen Autoren und Mitarbeitern dieser nicht eben kleinen Organisation unrecht. Oder wollen Sie, dass man jeden Kommentar des Ministers auf Sie anwendet und als Ihre Meinung darstellt?
Mal Off-Topic: „Erziehung der Bevölkerung zu richtigem Geschlechterbewusstsein“ Das ist ja erkennbar kritisch formuliert. Haben Sie vor, potentielle Töchter zu Hausfrauen zu erziehen und Ihnen Schwule als unnormal zu erklären?
Also ich gebe ihnen recht wenn sie sagen Daten (anderer) werden nur präsentiert aber nicht analysiert. Dennoch würde ich diese Daten nicht einfach als altbacken abtun. Ich persönlich halte nicht allzuviel von diesen ganzen new security leuten, die nichts von state-centric warfare halten (Ich möchte mich an dieser Stelle schon mal für meine ganzen Anglizismen entschuldigen!). Ich finde gerade der Lybienkonflikt zeigt, dass es sich nicht mehr alles nur noch um organisierte Kriminalität, Terrorismus oder Insurgencies dreht sondern man schon auch noch den klassischen Staat als Akteur beachten muss. Dazu gehören auch die militärischen Mittel eines Staates. Das IISS gibt ja auch immernoch die military balance raus, allerdings hat deren Inhalt sich verändert. Da gibt es halt nicht mehr die Anzahl von Panzern sondern die Anzahl und Typen an Drohnen.
Wie gesagt ich finde diese Angaben sind durchaus noch wichtig und auch wenn OK, Terrorismus etc. sehr wichtig geworden sind, heißt das nicht das sie Staaten sicherheitspolitisch komplett ersetzt haben.
@Chris
„Wenn Sie nun schreiben: “Warum kommen Module wie z.B. Strategie und Taktik, Bedrohungen und Risiken oder Geopolitik und nationale Interessen (…) nicht vor?” Dann kann man eigentlich nur sagen: Abwarten, da ja noch alles möglich ist.“
Ich finde es doch sehr auffallend, dass die „harten“ sicherheitspolitischen Aspekte bei den angekündigten Themenblöcken bislang gar nicht vorkommen.
„“Erziehung der Bevölkerung zu richtigem Geschlechterbewusstsein” Das ist ja erkennbar kritisch formuliert. Haben Sie vor, potentielle Töchter zu Hausfrauen zu erziehen und Ihnen Schwule als unnormal zu erklären?“
Ich würde mir wünschen, wenn der Staat sich aus Privatangelegenheiten ganz heraushalten würde. Was meine Kinder beruflich machen wollen, oder was ich von Homosexualität halte, geht diesen Staat nichts an. Ich lehne es zudem grundsätzlich ab, wenn irgendwelche Bürokraten oder Ideologen mir gegenüber mit irgendeinen bevormundenden Erziehungsanspruch erheben, egal ob es um Frieden oder andere Utopien geht.
Zwei Hauptzielgruppen des Portals sind Schüler und Studenten, insofern halte ich es persönlich für richtig, mehr Präsentation (vorhandener Daten) als Interpretation zu betreiben. Ansätze für mögliche Interpretationen liefern die Erklärungs- und Hintergrundtexte, aber jeder soll primär die Möglichkeit haben, sich selbst ein Bild (und eine Meinung) zu machen.
@Orontes:
„…mit Modethemen wie “natürliche Ressourcen und Konflikte” (in der Praxis: Man sucht angestrengt nach Bezügen von Konflikten zum Klimawandel) beschäftigt?“
„Natürliche Ressourcen und Konflikte“ wird ganz sicher nicht den Bezug zwischen Konflikten und Klimawandel suchen, sondern sich mit durchaus politisch (wie auch soziologisch) relevanten Themen auseinandersetzen: Finanzierung von (Bürger-)Kriegen durch „Blutdiamanten“, durch Erzgewinnung und Ölförderung, Auswirkungen auf bestehende Konflikte et cetera.
Zu natürlichen Ressourcen zählen aber nicht nur obe genannte Rohstoffe für die Erste Welt, sondern auch Weide- und Wasserrechte, was aktuell zum Beispiel bei der angestrebten Unabhängigkeit des Südsudan ein ernstzunehmendes Thema ist.
“ sondern sich mit durchaus politisch (wie auch soziologisch) relevanten Themen auseinandersetzen: Finanzierung von (Bürger-)Kriegen durch “Blutdiamanten”, durch Erzgewinnung und Ölförderung, Auswirkungen auf bestehende Konflikte et cetera. “
Das ist als Unterthema des wesentlich umfassenderen Komplexes Geopolitik teilweise wirklich relevant. Ich habe aber auch hier den Eindruck, dass man sich aus diesem großen Komplex nur den modischen Ökoaspekt oder Aktivistenthemen herausgreifen will. Wenn man nicht von Geopolitik als solcher sprechen will, wird man es jedoch schwierig haben, so wichtige Themen wie Geostrategie, Fördergebiete/Rohstoffbedarf/Kartelle, Abhängigkeit/Verwundbarkeit von Handelswegen, ethnische Konflikte, Demographie/Migration, „Clash of Civilizations“ etc. zu behandeln.
Alles Themen, die zufällig auch nicht auf der Agenda der Politik stehen. Es ist eben leichter, Moralthemen wie „Blutdiamanten“ anzusprechen (bei denen es niemand etwas kostet sich dem Betroffenheitskonsens anzuschließen) als „harte“ Themen, bei denen sich schon mancher Bundespräsident verbrannt hat. Wer aber das seichte Wasser des Konsenses nicht verlassen will, ist m.E. als Diskussionsteilnehmer entbehrlich.