8.000 Amisom-Soldaten, keine Chance
Diese Geschichte des Kollegen Johannes Dieterich, die in verschiedenen Zeitungen erscheint/erschienen ist, heute in der Basler Zeitung, kann ich nur zum Lesen empfehlen:
Das Stalingrad von Afrika – wie 8.000 Soldaten im UN-Auftrag in Mogadischu praktisch keine Chance haben.
Der Bericht ist in den verschiedenen Medien in unterschiedlicher Form erschienen, in dem hier verlinkten Stück fehlt leider ein Zitat, das ich in der Druck-Fassung der Berliner Zeitung (bislang nicht online) finde: „Es blieb uns gar nichts anderes übrig, als in Mogadischu einen Häuserkampf zu führen, wie die Russen einst in Stalingrad“, sagt Mbuusi. „Nur, dass es hier rund sechzig Grad heißer ist.“ (Pardon, hatte ich in dem Stück übersehen.)
(Und ich bewundere neidlos den Mut des Kollegen. Nach Mogadischu würde ich mich in diesen Tagen nicht trauen.)
Ein bedrückendes und beschämendes Bild davon was ein miserables Mandat der UN, ein schlecht durchdachter Einsatz ohne politische und zivile Konzepte, geschweige denn einer Strategie angerichtet haben. Gleichzeitig ein mahnendes Beispiel dafür was nach dem übereilten Abzug von internationalen Truppen droht. Könnten wir das wirklich verantworten genauso aus Afghanistan abzuziehen und damit in der Nachbarschaft einer chaotischen Atommacht Pakistan und eines Grossmachtfantasien spinnenden Iran ein Machtvakuum zu hinterlassen, dass geeignet ist Verhältnisse wie in Somalia zu produzieren? Sind wir bereit in Libyen diesmal koordinierter vorzugehen und eine ähnliche Entwicklung dort von vornherein zu vermeiden?
„«Alle Welt schaut nach Libyen und Afghanistan. Aber keiner weiss, was hier passiert.»“
Was natürlich nichts damit zu tun hat, dass es ja „nur“ Schwarze sind, die dort sterben.
“ Schon jetzt behaupten die Islamisten, Amisom würde den Markt regelmässig mit Mörsern beschiessen – ein Vorwurf, den Oberstleutnant Anthony vehement dementiert: «Das ist die übliche Propaganda.» “
Wurde schon längst belegt, dass dem tatsächlich so ist.
Weitere Informationen zu den Verlusten von AMISOM: http://en.wikipedia.org/wiki/African_Union_Mission_to_Somalia#Casualties
Ein paar mehr Bilder wären gut gewesen – wenn man sich schon mit Kamera dort runter traut.
Auch von mir alle Hochachtung an Johannes Dieterich.
@Wiegold: doch, die passage ist mit drin. Unter „Ein Häuserkampf wie in Stalingrad“, erste Abschnitt.
Zitat: „(Und ich bewundere neidlos den Mut des Kollegen. Nach Mogadischu würde ich mich in diesen Tagen nicht trauen.)“
Damit hat Herr Wiegold treffend zusammengefasst, warum der sicherheitspolitische Diskurs in Deutschland vollkommen an der Realität vorbeigeht.
In Deutschland berichten primär Journalisten. Direkte Berichte von Kombattanten oder sonstigen Dritten aus Krisengebieten sind eher die Ausnahme. Diese Reporter stammen aus einem Land, indem sie viele Alternativen zu ihrem Job haben. Große Gefahren eingehen muss daher niemand.
Damit scheiden Einsatzgebiete wie Somalia, Südsudan, bestimmte Bereiche Afghanistans, Zentralafrikanische Krisengebiete, ja selbst Soweto bei Johannesburg als Recherchegebiet für „investigativen Journalismus“ aus. Das ist jetzt gar nicht mal ein Vorwurf. Es ist das schlichte Ergebnis einer Risiko- Nutzenabwägung. Man schreibt halt lieber seine Geschichten im luxuriösen und sicheren israelischen Hotel und fährt zwischendurch mal auf „Safari“ in den doch ach so gefährlichen Gaza- Streifen – um abends wieder im israelischen Hotel- Whirlpool von seinen Heldentaten zu berichten. Gäbe es diese sichere und komfortable Infrastruktur für Journalisten in Israel nicht, würden wir von Gaza genau so wenig hören, wie von Gharb Bahr al-Ghazal im Südsudan.
Da es für die Tantiemen eher aufs rhetorische Talent, als auf korrekte Lagebildeinschätzung ankommt, diese ist manchmal sogar eher hinderlich für die Schlagzeile, ist der Chefredakteur mit dem so zustande kommenden Produkt zufrieden.
Man darf jetzt nur nicht den Fehler machen, und glauben, diese lyrischen Produkte hätten was mit der sicherheitspolitischen Realität der Welt zu tun. Weil man das aber in der deutschen Öffentlichkeit tut, hat man jegliche Relationen verloren und kann Qualität und Quantität, sowie die Relevanz der verschiedenen Pulverfässer in der Welt, überhaupt nicht mehr korrekt einschätzen und bewerten. Fatal wird das dann, wenn die mediale Einschätzung zu Rückwirkungen in die Politik führt. Dann kommt es eben zu Fehlentscheidungen.
PS: So schlimm ist Mogadischu auch nicht, wenn man keine Fehler macht … Sie können ja mal in den Kelley Barracks nachfragen, ob die Sie mal mitnehmen, wenn nicht gerade wegen anderer Krisenherde in Afrika so viel zu tun ist …
Man hätte 2006 die ICU an der Macht lassen sollen. Islamisten aber ohne Aussenagression. Statt dessen haben die Amerikaner die Ethiopier bezahlt um das Land zu besetzten. Das ging schief. Dann hat per UN Uganda dort hingebraucht und bezahlt (auch mit EU Geldern) dort aufzuräumen. Das geht auch schief. Lasst doch endlich das Land in Ruhe und die Leute sich zusammenraufen. Da wird dann wieder irgendetwas ICU ähnliches an die Macht kommen und sich statt mit Krieg mit regelmäßiger Müllabfuhr beschäftigen können.
@b: Kennen Sie Shaykh Hassan Dahir Aweys? Informieren Sie sich mal.
@b
“ Da wird dann wieder irgendetwas ICU ähnliches an die Macht kommen und sich statt mit Krieg mit regelmäßiger Müllabfuhr beschäftigen können.“
Ihre Skepsis gegenüber dem Interventionismus in allen Ehren, aber dass solche Bewegungen im Umgang mit Alltagsthemen scheitern oder sich mäßigen würden, halte ich für Wunschdenken. Die Taliban sind auch nicht daran gescheitert, und es könnte durchaus sein, dass die ICU gegenüber der aktuellen Anarchie gerade bei solchen Themen erfolgreich gewesen wären. Ein funktionierendes militant-salafistisches Somalia wäre wesentlich gefährlicher als ein anarchisches Somalia voller Clankonflikte.
Wunschdenken ist vermutlich auch die Annahme, dass die Salafis gegen die Piraten vorgehen würden. Es spricht einiges dafür, dass sie sich so damit arrangieren würden wie die Taliban mit dem Drogenhandel, sobald sie die entsprechenden Räume unter Kontrolle hätten.
Die damalige ICU hatte davon abgesehen durchaus eine offensive Agenda bzgl. Ogaden (Äthiopien) und Kenia und war internationalen militanten salafistischen Netzwerken gegenüber aufgeschlossen.
Was soll die UN auch machen? Die hat AIDS nach Kambodscha gebracht… Immerhin war das eine dauerhafte Konsequenz aus ihrem Erscheinen in einem Krisengebiet.
Ob die UN mit ihren üblichen Drittlandskontingenten vor Ort ist und „don’t clear but hold anyhow“ betreibt oder peng, das ist scheißegal. Vielleicht nutzt es ja den Geldbeuteln der „Truppen“stellern.
Das Grundproblem ist, dass die vorhandenen Kräfte kraftlos sind und zweitens, überhaupt kein Momentum in irgendeine Richtung besteht. Wo soll es hin gehen? Und wer kämpft in diese Richtung? Alles eine Alibiveranstaltung.
@Nico – ich habe einiges über den Mann gelesen. Ein Wahabbi, na und? In Saudi Arabien gibt es Millionen davon.
@orontes – „Ein funktionierendes militant-salafistisches Somalia wäre wesentlich gefährlicher als ein anarchisches Somalia voller Clankonflikte.“
Nein wäre es nicht. Es wäre ein armes Land mit wenig Resoucesn, aber es würde dort Ruhe herrschen. Weniger Menschen würden sterben, es gäbe weniger Auswirkungen auf Nachbarländer und man bei Bedarf hätte man einen Ansprechpartner der auch etwas bewegen kann wenn man entsprechende Anreize gibt. Beendet die Piraterie und ihr bekommt 100 Millionen um Mogadischu wieder aufzubauen. Ist ein schöner, einfacher und zudem billiger Deal.
Ihnen ist doch wohl bekannt das die Taliban im Jahr 2000 die Drogenproduktion gestoppt haben um Entwicklungshilfe zu bekommen. Die UN hatte bestätigt das das Verbot erfolgreich war. Das Schema kann also gut funktionieren.
@b
„Ihnen ist doch wohl bekannt das die Taliban im Jahr 2000 die Drogenproduktion gestoppt haben um Entwicklungshilfe zu bekommen.“
Ich hörte als Begründung für diese Maßnahme, dass die Preise nach zuvorigem Produktionsrekord so tief gefallen waren, dass man das Angebot vorübergehend verknappen wollte.
Ansonsten spricht m.E. grundsätzlich natürlich nichts dagegen, finanziell Einfluss zu nehmen, wo dies möglich ist. In Afghanistan versucht man es ja auch nicht anders, wobei man dort auf einige begrenzende Faktoren stieß. Es ist z.B. gar nicht einfach, Personen finanziell zur Zusammenarbeit zu bewegen, wenn es keinen Machtfaktor gibt, der sie ggf. vor Exekution durch ihre eigene Seite oder deren radikalen Flügel wegen „Kollaboration“ schützen kann.
@b: Ehemals einer der Anführer UIG (ICU), heute Führer bei al-Shabaab (was übrigens „die Jugendlichen“ heißt und nicht „die Jungs“….). So viel dazu, dass die ICU angeblich auf Somalia beschränkt gewesen sei…
@Orontes: Wessen Begründung war das? ;-)
@Sun Tzu: Meinen Sie nicht, dass der Fakt, dass Sie den Artikel eines deutschen Journalisten aus Somalia kommentieren, Ihre These etwas aushebelt?
Auch ansonsten halte ich – als Journalist, der seit Jahren regelmäßig aus Afghanistan berichtet und sich mitnichten nur in Isaf-Feldlagern aufhält – ihre Einschätzung für falsch. Gerade in diesen Tagen gehen auch deutsche Reporter nicht unerhebliche Gefahren ein, um etwa aus Libyen zu berichten. (Einen Whirlpool habe ich übrigens weder in Afghanistan noch in Pakistan jemals gesehen.)
@Nico
„“«Alle Welt schaut nach Libyen und Afghanistan. Aber keiner weiss, was hier passiert.»”
Was natürlich nichts damit zu tun hat, dass es ja “nur” Schwarze sind, die dort sterben.“
Das sich hierzulande niemand für die Vorgänge in Somalia interessiert, kann man spätestens seit der Piratenproblematik eigentlich nicht mehr behaupten. Aber was gibt es zu berichten? Es wird gekämpft. Es sterben unzählige Menschen. Ein Ende ist nicht absehbar.
Es wird sich für Somalia aber nur unter dem Gesichtspunkt der Piratenproblematik interessiert. Den Bürgerkrieg lässt man laufen, weil man nicht weiß, was man machen soll.
@b
> Man hätte 2006 die ICU an der Macht lassen sollen. Islamisten aber ohne
> Aussenagression.
Reine Schutzbehauptung. Kaum hatte die ICU ein wenig Macht gesammelt gab es regelmässige Grenzverletzungen und Übergriffe auf die Bevölkerung Äthiopiens durch marodierende Banden mit ICU-Bezug. Im 20 Tagekrieg haben die Äthiopier die ICU-Streitkräfte daher zurückgedrängt und relativ schnell kehrte wieder Ruhe entlang der äthiopischen Grenze ein. Ein revolutionärer Gedanke ist in der ICU sehr wohl vorhanden und gerade Äthiopien mit seiner relativ liberalen Mischethnie hat davor grosse Angst.
Die restlichen Behauptungen ihrerseits fasse ich als nicht diskussionswürdigen Defätismus zusammen.