RC N Watch: Al-Qaida gegen versöhnungsbereite Taliban in Kundus
Durch eine Analyse der Kollegen vom Long War Journal (Report: Al Qaeda disarms select Taliban commanders) bin ich auf diesen Bericht von Central Asia Online gestoßen. Der Kern: In der Provinz Kundus werden die Führer der Aufständischen, die zu Versöhnungs/Friedensgesprächen mit der afghanischen Regierung bereit wären, von ausländischen Kämpfern bzw. Al-Qaida-Führern auch mit Gewalt daran gehindert.
Wenn das so zutrifft, relativiert das Bemühungen um eine Gesprächslösung mit den Aufständischen (wie man die auch sonst bewerten mag).
Genau wie im Irak. Accidental Guerrillas.
Lieber Herr Wiegold – solche Meldungen müssen sie doch bitte mit einem ausdrücklichen Warnhinweis versehen.
1. Wo ist das erschienen?
Central Asia Online
2. Und was steht auf deren „About“ Seite?
3. Der Autor des Stückes ist zudem Farzad Lameh, ein gelernter Bauingenieur (FH), und der arbeitet angeblich für eine Moby Media Group die Saad Mohseni gehört. Dieser Mann wir von den USA finanziert.
Der New Yorker hat ihn mal porträtiert:
Also einfach nur als Hinweis. Was aus der Moby Media Ecke kommt ist nicht unbedingt recherchierter Jorunalismus sondern kann ebensogut in Langley produziert worden sein.
Und was auf einer USCENTCOM Site steht, steht dort weil es die PsyOps Abteilung des Kommandos so will und nicht weil es den Tatsachen entspricht.
Laut halbwegs glaubwürdigen Aussagen befinden sich weniger als 50 der al-Qaeda zugerechneten Personen in Afghanistan. Die entwaffenen dann mal soeben den Widerstand in Kunduz?
Bitte nicht solche Märchen in ihrem Blog.
@b
Ich könnte mich jetzt darauf hinausreden, dass ich wenn das so zutrifft geschrieben habe…
Aber ernsthaft: Was Sie anführen, stellt die Glaubwürdigkeit in ähnlicher Weise infrage, als wenn ich Meldungen von Bw-Seiten verlinke (was ich auch tue). Der Prüfung bedürftig, allerdings nicht, wie Sie suggerieren, auf jeden Fall falsch.
Ich räume aber auch ein, dass ich an dieser Stelle dem Ruf des Long War Journal vertraut habe. Und dass Sie Ahmed Rashid dann gleich mit in die U.S.-PsyOps-Ecke rücken… ist doch ein bisschen hart?
@b
Ihr Hinweis auf den Hintergrund der Moby Group trifft zu, aber Ihre Schlußfolgerung, dass es sich deshalb um ein „Märchen“ halten müsse, halte ich für voreilig. Professionelle Informationsoperationen (PSYOPS sind InfoOps mit dem Feind als Zielgruppe) erfinden die Inhalte von Meldungen nicht, wenn sie über eigene Kanäle verbreitet werden. Üblicherweise werden zutreffende Informationen verwendet und in einen Kontext gestellt, die Wirkung im Sinne des Einsatzes bei bestimmen Zielgruppen erzeugen soll. Hier lautet die Botschaft offenbar „es gibt verhandlungsbereite Taliban, also hat der Einsatz eine Perspektive“, und die Zielgruppe sind westliche Öffentlichkeiten.
Die Information als solche ist interessant und nicht unplausibel, da die Taliban in der Provinz Kunduz tatsächlich zuletzt stärker unter Druck geraten sind. Allenfalls kann man die Verwendung des plakativen Begriffs „Al Qaida“ für die diversen internationalen islamistischen Kämpfer kritisieren, die im Norden Afghanistans unterwegs sind.
@T.Wiegold –
Werter Herr Wigold, danke für die Antwort.
Es spricht überhaupt nichts dagegen wenn Sie zur Bundeswehr verlinken oder diese zitieren und darauf hinweisen das die Quelle eben die Bundeswehr ist. Der Leser kann das dann (hoffentlich) einordnen.
Einen Artikel einer verschleierten USCENTCOM Publikation aufzugreifen ohne auf die Hintermänner der Quelle zu verweisen ist erhöht aber nicht unbedingt die generelle Glaubwürdigkeit.
Passieren kann das natürlich schon mal. Ich bin da auch schon drauf reingefallen.
Misstrauisch wurde ich bei der Erwähnung des LongWarJournal. Sehen sie Bill Roggio etwa als glaubhafte Quelle an?
Der Mann wird vom U.S. Militär eingeladen und gesponsort weil er deren Propaganda verbreitet. Er wurde zudem vom American Enterprise Institute, einer hart-rechts stehenden Organisation die u.a. intensiv den Irakkrieg propagiert hat, unterstützt.
Siehe Washington Post Dezember 2005 Bloggers, Money Now Weapons in Information War
Komischerweise hat Bill Roggio immer „Informationen“ die andere nicht haben und diese „Informationen“ gehen komischerweise immer genau in die Richtung die das U.S. Militär gerade wünscht.
Wie kommt das bloss?
@b
Könnten Sie die Theorie etwas vertiefen: Inwiefern entspricht es dem Wunsch der US-Streitkräfte, die Information zu verbreiten dass al-Qaida eingliederungswillige Taliban von Gesprächen mit der Regierung abhält?
Hey, wenn ich mal so weit bin… ;-)
He raised more than $30,000 from his online readers to pay for airfare, technical equipment and body armor.
Aber ernsthaft: Jetzt können wir über Bill Roggio streiten. Aber wir – oder eher: ich – bewegen uns auf einem schmalen Grat. Wenn ich mit der Bundeswehr nach Afghanistan reise – bin ich da schon zu nahe dran? Weil die mich hinfliegen, unterbringen, umherfahren?
Es geht ganz schnell, dass man dann in eine bestimmte Ecke gestellt wird (was mir bisher zum Glück nicht passiert ist). Ich möchte mir nicht den Vorwurf einhandeln, ich würde vom deutschen Militär eingeladen und gesponsort, weil er dessen Propaganda verbreitet. Dass man mit Roggios Ansichten nicht übereinstimmen muss, ist klar.
Ich möchte eben eine schnelle Verurteilung vermeiden… und sehe Transparenz als Voraussetzung dafür an. Und immerhin macht Central Asia Online keinen Hehl daraus, dass es eine vom Militär gesponsorte Webseite ist.
@T.Wiegold „Und dass Sie Ahmed Rashid dann gleich mit in die U.S.-PsyOps-Ecke rücken… ist doch ein bisschen hart?“
Rashid hat so seine ganz eigenen Agenda. Gegen das pakistanische Militär (10 Jahre als militanter Aktiivist), gegen die U:S.A in Irak – aber nur weil sie darüber Afghanistan vernachlässigt haben – für eine weitere Besetzung Afghanistans durch die NATO.
Was genau dahintersteht kann ich nicht sagen, aber genauer hingucken muss man bei dem Mann auch.
Gideon Rachman von der FT
Oder etwas deutlicher von Tariq Ali: Ahmed Rashid’s War
@Benjamin – „Inwiefern entspricht es dem Wunsch der US-Streitkräfte, die Information zu verbreiten dass al-Qaida eingliederungswillige Taliban von Gesprächen mit der Regierung abhält?“
Na stellen sie sich mal vor wohin der US Wehretat sinkt wenn der Konflikt in Afghanistan beendet wird. $100 Milliarden weniger im Jahr die verteilt werden können …
Petraeus und die ihn Fördernden wollen eine Fortsetzung des Konflikts.
Sichtbar ist das z.B. in den vielen Berichten über Widerstand im U.S. Militär gegen Obama’s Abzugsdatum und für weitere Truppenaufstockungen. Die US Militärs haben die Talibanführer mit denen man sprechen muss um einen Kompromiss zu erreichen auf ihrer Abschussliste. Karzai hat mehrfach darum gebeten sie davon zu entfernen da es unmöglich ist zu verhandeln wenn der Verhandlungspartner, sobald er denn erscheint, tötlich bedroht ist.
@T.Wiegold
He raised more than $30,000 from his online readers to pay for airfare, technical equipment and body armor.
Aber ernsthaft: Jetzt können wir über Bill Roggio streiten. Aber wir – oder eher: ich – bewegen uns auf einem schmalen Grat. Wenn ich mit der Bundeswehr nach Afghanistan reise – bin ich da schon zu nahe dran? Weil die mich hinfliegen, unterbringen, umherfahren?
Ich weiss nicht wer Bill Roggio die angeblichen $30.000 überwiesen hat – wissen sie es? Gibt es Blog das unabhängig $30.000 Dollar produzieren kann?
In militärischen Konflikten ist es ist ein schmaler Grad den echte Journalisten gehen müssen. Solange der Journalist schreibt wer wie die jeweilige Reise gesponsert oder sonstwie unterstützt hat ist in meinen Augen erstmal nichts zu beanstanden. Wenn diser Journalist dann aber fragwürdige Aussagen des Sponsors ohne kritisches Hinterfragen als Wahrheit darstellt habe ich meine Bedenken.
Ja, so deutlich das Sie es nicht bemerkt haben ….
@b
Moment, die $30,000 stehen in dem WP-Artikel, auf den Sie hingewiesen haben. Wieso fragen Sie mich, wenn Sie diese Quelle eingeführt haben?
Und zwischen kein Hehl machen und es vor sich hertragen gibt’s kleine Unterschiede. Wenn Sie mich hier vorführen wollten, haben Sie Ihr Ziel erreicht, ist’s damit gut?
(Sie erklären mir dann noch, warum Sie eine Quelle wie die WP erst als Beleg heranziehen und dann infrage stellen.)
@b
„Die US Militärs haben die Talibanführer mit denen man sprechen muss um einen Kompromiss zu erreichen auf ihrer Abschussliste.“
Da Sie die „Abschussliste“ und die Namen der kompromissbereiten Führer offensichtlich genau kennen würden mich Details sehr interessieren.
@T.Wiegold – ich will sie sicher nicht vorführen. Sie sind einer der wenigen deutschen Journalisten die, nach meiner Ansicht, neutral berichten. Wenn das denn mal nicht so klappt, reagiere ich schnell gereizt – das ist eher ein Kompliment denn Kritik. :-)
Zu dem WP Stück – mit den $30.000 gibt WP eine Aussage Roggios wieder, nicht eine Information die anderweitig erlangt wurde. Ich bezweifele nicht die Richtigkeit der Wiedergabe in der WP von Roggios Aussage, noch bezweifele ich Roggios Aussage ansich das seine „Blog Leser“ $30.000 aufgebracht haben. Ich wunder mich, in Kenntnis von Einkünften anderer sehr bekannter Blogs (3% der Leser zahlen im Schnitt $10 pro Spendenaufruf), welche „Leser“ von Roggios Seite $30.000 zusammenbringen konnten. Eine Aufteilung in Einzelspenden und deren Herkunft würde mich da schon sehr interessieren.
Und nun zurück zu den Ursprüngen:
Das US Militär gibt, nach eigenen Angaben, jährlich viele zig-Millionen aus um Medien selber zu führen oder zu beeinflussen. Das man als Medienkonsument dann ALLE Veröffentlichungen kritisch auf solche direkte oder indirekte Einflusnahme untersucht ist nur die natürliche Konsequenz. Das ein rechtschaffender Journalist mal auf die eine oder andere solche Einflussnahme hereinfällt auch.
Aber man lernt ja daraus und CentralAsiaOnline.com wird hier wohl zukünftig nicht mehr als ohne Vorbehalte glaubwürdige Quelle genannt werden.
P.S. Ansonsten halte ich Ihre Schlussfolgerungen fast immer für zu gewagt, auch im letzten Kommentar: Sowohl der Hinweis auf die negative Wirkung der Festlegung auf ein Abzugsdatum als auch die Forderung nach mehr Kräften muss man nicht mi einer Verschwörung zur Verlängerung des Einsatzes erklären, wenn COIN-Grundsätze als viel naheliegendere Erklärung zur Verfügung stehen. Das Rückzugsdatum wurde z.B. 2009 sofort von den Aufständischen propagandistisch genutzt, die damit ihre Kämpfer motivierten. Und wäs hätte Petraeus persönlich davon, wenn er in Afghanistan nicht rasch Erfolge zeigt? Die ihm nachgesagten politischen Karrierepläne wären dann erledigt, und den amerikanischen Streikräften war schon 2009 bewusst, dass sie den Einsatz innenpolitisch ohnehin nicht mehr lange durchhalten können und schnelle Erfolge brauchen.
@Baticada – „Da Sie die “Abschussliste” und die Namen der kompromissbereiten Führer offensichtlich genau kennen würden mich Details sehr interessieren.“
Ich kenne die List natürlich nicht. Aber ich kann lesen: Karzai ’seeks terror list revision‘
@b
Die VN-Liste hat fast nichts mit den diversen Ziellisten von ISAF und der Amerikaner zu tun. Die VN-Liste enthält größtenteils nicht mehr relevante Personen aus der Zeit der TB-Herrschaft bis 2001, die weiterhin Sanktionen unterliegen, während die Ziellisten mit Masse taktisch und operativ aktive Führer enthalten.
Ich finde ansonsten Ihr grundsätzliches Hinterfragen jeder ISAF-Äußerung ja im Kern richtig, auch wenn ich die Schlußfolgerungen oft für übertrieben halte. Aber warum hinterfragen Sie nicht mal auf gleiche Weise Äußerungen von afghanischer Seite (Sie übernehmen z.B. fast jede CIVCAS-Behauptung unkritisch)? Auch Karzais Äußerungen haben im von Ihnen zitieren Beispiel m.E. nicht die Bedeutung, die Sie vermuten.
Davon abgesehen sind die von Karzai namentlich genannten Personen auf der VN-Liste nicht durch ISAF oder US-Kräfte „tödlich bedroht“, wie Sie behaupten, sondern sitzen z.T. im Parlament. Es handelt sich, wie gesagt, nicht um potentiell verhandlungsbereite Taliban, sondern um seit langem nicht mehr aktive Taliban, die sich nach 2001 auf die Seite der neuen Regierung stellten oder zumindest mit dieser kooperierten.
@b
Mir scheint, Sie haben den Textauszug, den Sie zitiert haben, nicht verstanden. Im Grunde sagt er nämlich nur aus, dass Karzai bis zu 50 Taliban von der Liste entfernen lassen möchte. Außerdem wird berichtet, dass die USA manche Talibanführer, wie Mullah Omar, nicht von der Liste streichen lassen wollen.
Ob nun andere Taliban von den 50, oder außerhalb der 50, von der Liste genommen werden und wenn ja, wie viele – darüber wird nichts ausgesagt.
Ist Mullah Omar Ihrer Meinung nach kompromissbereit?
@b
Ich denke, Sie interpretieren die Meldung falsch. Sie stellen es so dar, als würde es zu einer Verlängerung des Konflikts führen, wenn al-Qaida Talibanführer zum weitermachen zwingt. Das Gegenteil ist m.E. der Fall. Die Erfahrungen im Irak (und anderen Konflikten) haben gezeigt, dass viele lokale Gruppen schlicht zwischen die Fronten zwischen Regierung/externer Akteur und al-Qaeda/hardcore-insurgents geraten und sich schlicht der stärkeren Seite anschließen. Die Tatsache, dass die Qaida intervenieren muss um ihre „Koalition“ beisammen zu halten, spricht für eine Verschiebung der Kräfte in Afghanistan zugunsten der ISAF.
Wie ich im ersten Kommentar angedeutet habe.. schauen Sie sich mal die „Accidental Guerrilla“-Theorie an. Bevor Sie wieder die Quelle anzweifeln: Natürlich ist Kilcullen mit dem US-Militär verbunden. Aber sein Ziel ist eine Lösung für diese Konflikte zu finden, nicht sie zu verlängern. Er ist erklärter Gegner solcher Interventionen.
Überhaupt erkenne ich nicht, dass die US-Streitkräfte einheitlich hoffen, mehr Krieg führen zu dürfen. Es gibt innerhalb der Community eine sehr starke Bewegung, deren Agenda irgendwo zwischen Isolationismus und klassischer (koventioneller) Abschreckungs- und Balance-of-Power-Politik anzusiedeln ist. Counterinsurgency wird von vielen US-Militärs als etwas angesehen, dass man zur Beendigung der aktuellen Konflikte benötigt und danach lieber vermeiden sollte.