Lesetipp: IISS zur Afghanistan-Strategie
Das sollte man sich doch in Ruhe anschauen: At present, the COIN strategy is too ambitious, too removed from the core security goals that need to be met, and too sapping of diplomatic and military energies needed both in the region and elsewhere.
Sagt das renommierte Londoner International Institute for Strategic Studies zum Vorgehen in Afghanistan.
Ein Bericht dazu bei Zeit Online: Analysten bestätigen „langwieriges Desaster“ in Afghanistan
Wenn ich die Zusammenfassung richtig verstehe, versetzt diese Studie der deutschen Taliban- Kuschelei den letzten Todesstoß. Es waren schließlich die Deutschen, die die gegenwärtige inkonsistente Strategie wesentlich mit gestaltet haben. Der „Dank“ gebührt hier Joschka Fischer, Gerhard Schröder, Heidemarie Wieczorek-Zeul und ihrer Gender- Politik etc.
Man gab sich eben der Lebenslüge hin, dass alte Erkenntnisse nicht mehr gelten und hatte offenbar Standardwerke wie Clausewitz: Vom Kriege; nicht gelesen. So ist das nun mal, wenn sich Zeitgeist- Ideologie über sicherheitspolitischen Sachverstand stellt.
„Abschreckung und Eindämmung“ bedeutet nun mal, entweder jemand ist Feind oder Freund. Damit verbietet sich jegliche Aufbauhilfe in Taliban-Gebieten, damit müssen sich NGOs entweder der ISAF-Doktrin unterwerfen oder werden nicht als Freund gesehen. Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ könnten also nicht mehr so ohne Weiteres den Sanitätstrupp der Taliban stellen.
Man tritt also wesentlich robuster auf, geht auch gegen Mitläufer auf allen Ebenen wesentlich schärfer vor.
Dass man trotzdem massiv versucht, zu kommunizieren, ist logisch und richtig. Denn oft ist es schlicht Unwissenheit, was Leute zu den Aufständischen treibt. Nur muss hier eben auch kommuniziert werden: „Wer gegen uns kämpft, ist schnell tot!“
Zusammengefasst: Man erkennt wieder an, dass ein bisschen Krieg genau so wenig möglich ist, wie ein bisschen schwanger.
Es wäre die Rückkehr zu klassischer Aufstandsbekämpfung, weil man erkennt, dass der Versuch, Aufstandsbekämpfung human zu gestalten, nur zu mehr Krieg und mehr Inhumanität geführt hat.
Vielleicht geht nun das Zeitalter weltfremder Gutmenschen zu Ende und es kehrt wieder sicherheitspolitischer Sachverstand ein.
Vielleicht wird auch mal wieder eine sinnvolle Normenhierarchie eingeführt.
Wenn man Militär entsendet, muss es zuerst um die eigene Sicherheit gehen, dann um die Sicherheit von Bündnispartnern. Erst wenn das erfüllt ist, kommen Sekundärziele wie Aufbauhilfe etc. z. B. in Afghanistan.
Wenn man feststellt, dass Entwicklungshilfe, Brunnen bohren etc. der eigenen Sicherheit nachhaltig dient: Gut, dann ist das ein sinnvolles Sekundärziel und sollte unter Ressourcenabwägung fortgesetzt werden.
Wenn man jedoch feststellt, dass Entwicklungshilfe und sauberes Trinkwasser lediglich zu mehr feindlichen Kämpfern in 20 Jahren führt, die dann mit großer Wahrscheinlichkeit zu toten deutschen und verbündeten Staatsbürgern führen, so sollte man überlegen, was man denn da tut.
@ Sun Tzu:
„“Abschreckung und Eindämmung” bedeutet nun mal, entweder jemand ist Feind oder Freund. Damit verbietet sich jegliche Aufbauhilfe in Taliban-Gebieten, damit müssen sich NGOs entweder der ISAF-Doktrin unterwerfen oder werden nicht als Freund gesehen. Organisationen wie “Ärzte ohne Grenzen” könnten also nicht mehr so ohne Weiteres den Sanitätstrupp der Taliban stellen. “
Die Neutralität von Organisationen wie dem Roten Kreuz und Ärzte ohne Grenzen ist ihr wichtigstes Gut. Das ist ja gerade die Idee. Hilfe für JEDEN. Keine westliche Macht, niemand der möchte, dass man in der internationalen Gemeinschaft noch mit ihm spricht, wird dem Roten Kreuz verbieten irgendwo aktiv zu werden um das Leid der Menschen, welcher Couleur auch immer, zu mindern. Und das ist auch gut so.
@Christobal
Gegnerische Streitkräfte (mit deutschen Geldern und aus verbündeten Staaten) gesund zu pflegen, damit diese dann anschließend deutsche und verbündete Soldaten verwunden und töten können, mindert nicht das Leid der Menschen. Deutsche und verbündete Soldaten sind auch Menschen. Da nicht sichergestellt werden kann, dass die genesenen Aufständischen zukünftig Kampfhandlungen unterlassen, handelt es sich dabei um feindselige den Krieg verlängernde, und damit strafbare, Handlungen. Darum sollten die Handlungen der NGO’s im Kampfgebiet vom Militär koordiniert und kontrolliert oder unterbunden werden. Es darf nicht sein, dass die NGO’s den Gegner stärken und z. B. im Machtbereich der Taliban die Lebensbedingungen verbessern. Dies ist nicht nur ein falsches Signal an die dortige Bevölkerung. Die Alliierten haben in Deutschland auch nicht während des Krieges Schulen gebaut, sondern diese bombardiert. Wer dem Feind hilft ist unser Feind und muss bekämpft werden.
@Stefan
„Es darf nicht sein, dass die NGO’s den Gegner stärken und z. B. im Machtbereich der Taliban die Lebensbedingungen verbessern. Dies ist nicht nur ein falsches Signal an die dortige Bevölkerung. Die Alliierten haben in Deutschland auch nicht während des Krieges Schulen gebaut, sondern diese bombardiert. Wer dem Feind hilft ist unser Feind und muss bekämpft werden.“
NGO’s sind nicht die Alliierten. Das Rote Kreuz hat auch im Zweiten Weltkrieg versucht das Leid eines JEDEN Menschen zu lindern. Wir sprechen hier nicht vom Häuslebauen und Süßigkeiten verteilen. Es geht darum das Leben von Menschen, was sie auch immer getan haben, zu retten. Dabei geht das Rote Kreuz, das ich so beharrlich erwähne, da die ja auch Taliban in Erste Hilfe unterrichten, absolut unterschiedslos vor. Wenn wir Hilfe benötigen würden, wäre es genauso.
Der Gedanke, den Henry Dunant nach der Schlacht von Solferino ereilte, gilt jetzt noch wie vor 150 Jahren. Sie können gerne versuchen die NGO’s daran zu hindern irgendwelche „andersartigen“ Hilfsprojekte in Feindgebiet durchzuführen, aber die Arbeit des Roten Kreuzes verhindern zu wollen und sogar als „feindselige den Krieg verlängernde, und damit strafbare, Handlungen“ zu bezeichnen ist ein Unding.
Für den geneigten Leser habe ich hier die passende Lektüre zur Debatte in der Kommentarleiste: Die Geschichte des IKRK als Comicversion. http://www.drk.de/aktuelles/themen-kampagnen/150-jahre-solferino/das-rote-kreuz-entsteht.html?no_cache=1&cid=21169&did=7622&sechash=eb0905da
@SunSzu
– Die COIN Strategie ist nicht auf deutschem Mist gewachsen.
– Was sie „klassische Aufstandsbekämpfung“ nennen ist Massenmord.
Für uns geht es doch in Afghanistan um garnichts.
Das ist:
a. Ein Bürgerkrieg in dem wir zufällig auf einer Seite mitmischen und versuchen eine vom „Westen“ eingesetzte überaus korrupte Regierung am Leben zu erhalten.
b. Ein Proxykrieg zwischen Indien und Pakistan.
Egal was es ist – uns kann das und sollte das am A….. vorbeigehen. Es gibt keinen guten Grund warum auch nur ein Deutscher dafür sein Leben lassen sollte.
—
Darf ich noch zwei Lesetips hinzufügen?
Prof. Polk mit seinen Eindrücken aus Kabul (das er seit 1962 kennt): Impressions of Afghanistan und seien Vorschlägen wie man dort herauskommt: Elements of a U.S. Strategy Toward Afghanistan
Der heute veröffentlichte Bericht einer Afghanistan Study Group (hauptsächlich Demokraten aber auch einige Hard-core Republikaner) zu einem Plan B in Afghanistan: A New Way Forward: The Report
@Christobal @Stefan
Ich finde diese Diskussion wichtig und gut und möchte nicht eingreifen, aber eine Frage stellen: Was unterscheidet die Ansicht, die Arbeit von Hilfsorganisationen sei kriegsverlängernd und damit eigentlich strafbar, von der Taliban-Ansicht, das Schutzzeichen des Roten Kreuzes auf SanFahrzeugen sei eine legitime Zielmarkierung, weil Sanitäter nur deren Feind helfen, den Krieg weiter zu führen?
@TW
Das es unsere Ansicht wäre. Und das darf sie nie sein, wenn wir uns nicht mit denen, die alle Errungenschaften der Moderne, also das was unser Leben in Freiheit und Würde erst ermöglicht, ablehnen und bekämpfen, auf eine Stufe stellen.
Die Ansichten unterscheiden sich nicht. Das ist das Problem. Wir sind keine Taliban.
@Christobal
„Dabei geht das Rote Kreuz, das ich so beharrlich erwähne, da die ja auch Taliban in Erste Hilfe unterrichten, absolut unterschiedslos vor. Wenn wir Hilfe benötigen würden, wäre es genauso.“
Ich habe nichts gegen die Hilfe des Roten Kreuzes und begrüße diese. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Genesenen bzw. die Menschen, denen anderweitig geholfen wird, nicht gestärkt an zukünftigen Kampfhandlungen gegen unsere Soldaten und an Greultaten, wie Bombenanschläge, an ihren Landsleuten teilnehmen können. Dies würde nur noch mehr menschliches Leid bedeuten und ist gewiss nicht im Sinne humanitärer Hilfe. Darum gehört die Arbeit der NGO’s unter die Kontrolle des Militärs, welches entscheidet wann, wo und wie geholfen wird und was mit den Geholfenen anschließend geschieht, damit diese anschließend nicht gegen uns kämpfen und weiteres menschliches Leid, auch bei den eigenen Landsleuten, erzeugen können. Die NGO’s sind dazu nicht fähig. Darum benötigen sie Führung, unter der sie ihre Arbeit tun können.
@T.Wiegold
Die eine Ansicht beschreibt die Wahrheit und die andere Ansicht ist schlicht falsch, denn das Rote Kreuz hilft beiden Seiten und vordergründig den Taliban und ihren Helfern, weil sie sich im Gegensatz zur NATO nur unzureichend selbst helfen können.
@T.Wiegold
Die Taliban beschießen nicht die Helfer des zivilen Roten Kreuzes, sondern den Sanitätsdienst der NATO, der lediglich unter dem Schutzzeichen handelt. Dies ist möglicherweise die Logik der Taliban.
@T.Wiegold
Was glauben Sie? Wem hilft der NATO-Sanitäter bei stets begrenzter Kapazität? Dem gleich schwer verwundeten Taliban, oder seinem Kameraden, mit dem er morgens noch gefrühstückt hat und mit dem er sich abends einen Film ansehen wollte? Diese Frage werden sich die Taliban ebenfalls stellen, wenn sie auf die bewaffneten Sanitäter der NATO schießen. Der militärisch Sanitätsdienst ist nicht das Rote Kreuz, auch wenn er dessen Schutzzeichen verwendet. Darum ist unter Militärs, schon seit längerer Zeit, unabhängig von Afghanistan, die Verwendung dieses Schutzzeichens auf grünem Untergrund umstritten. Schon in den Weltkriegen half dieses wenig.
Stellt es sich nicht theoretisch so dar, dass die Taliban und ähnlichen Funktionen in AFG sich nicht, im Gegensatz zum klassischen Krieg zweier Staaten, respektive zweier Armeen gegeneinander, um solche Sachen wie ein Rotes Kreuz scheren?
Daraus resultiert dann doch ein erheblicher theoretischer Schluss im Bezug auf einen Bürgerkrieg/asymetrischen Krieg.
NGOs müssen sich dann einer Partei anbiedern, sie geben ihre ‚Neutralität‘ auf, da Funktionen wie eben die Taliban nicht auf die Standardregel achten (Rotes Kreuz = kein Ziel), um überhaupft aktionsfähig zu sein.
Das konterkariert in einem Bürgerkrieg dann nicht gesetzte Ziele, wie der generellen Befriedung?
Ganz davon ab, dass das ganze NGO-System aus Abhängigkeiten besteht, die mal mehr mal besser kaschiert sind, ist es doch erheblich für den Ausgang und Wohl aller Personen, ob tatsächlich! geholfen wird oder eben nicht.
Wer in einem asymetrischen Konflikt Unbeteiligten helfen möchte, hat ein wahrlich großes und hehres Vorhaben, doch zu welchem Preis, wenn er dadurch Aufständische direkt oder auch indirekt unterstützt? Zweifelsohne gilt es Unbeteiligte zu schützen und ihnen, im Sinne der NGOs und deren Spender, zu helfen aber es kann doch niemand bestreiten, dass das nur aufrichtig funktioniert wenn Sicherheit in gesicherten Räumen herrscht.
@Stefan
Was soll das den werden ?
Talibanversteher oder Grundsatzdiskussion ?
Für jeden Soldaten sind die internationalen Schutzzeichen, nicht nur das rote Kreuz verbindlich zu respektieren.
Was Sie fordern ist auf einer Seite strikte einhaltung der „RegelN“ und auf der anderen Verständniss für die „Freiheitskämpfer“ die keine anderen Möglichkeiten haben.
Sehr erheiternd. :-)
@StFwdR
Genau dies habe ich nicht getan.
Das Thema waren NGO’s insbesondere das zivile Rote Kreuz. Davon zu unterscheiden ist der bewaffnete militärische Sanitätsdienst (der von den Taliban beschossen wird), der zwar das Schutzzeichen verwendet, andererseits nichts mit dem Roten Kreuz zu tun hat und keinesfalls eine NGO ist. Das wissen natürlich auch die Taliban, die sind nicht dumm, denn sie wurden ja mal von den USA und Pakistan gegen die Russen ausgebildet. Auch damals haben sie militärische Sanitätsdienste unter Anleitung ihrer Militärberater angegriffen. Dieses Schutzzeichen an militärischen Einrichtungen wurde auch in der Vergangenheit, selbst von regulären Streitkräften in Europa, nur selten ausreichend geachtet. Und was man in Afghanistan von europäischen Werten und Gesetzen (jeder Art) hält, muss ich wohl nicht näher erläutern. Dort leben die Menschen nach eigenen Regeln. Daran können wir nichts ändern. Das hat nichts mit Verständnis zu tun. Als ehemaliger Militär bin ich Realist und kein Träumer.
@StFwdR
Das war auch keine Grundsatzdiskussion, sondern eine Antwort, auf eine Frage von T.Wiegold.
@StFwdR
Der Hintergrund von Stefans Punkt ist doch recht simpel:
Wenn die Taliban humanitäre NGOs angreifen machen sie sich bei der Bevölkerung unbeliebt, ohne dabei Regierung/ISAF zu treffen.
Wenn die Taliban Sanitäter angreifen schadet das der Bevölkerung erstmal nicht, erhöht aber die wahrscheinlichkeit toter ISAF-Soldaten deutlich.
Das ist einfach eine rationale Denkweise und hat mit Taliban-Sympathien oder Völkerrecht doch null zu tun.
Und jetzt können einige hier auch gerne mal darüber nachdenken, welche Auswirkungen auf die „Hearts and Minds“ es andererseits hätte, wenn die ISAF versuchen würde humanitäre NGOs (oder NGOs generell) aktiv aus Gebieten fernzuhalten.
Und da haben wir noch gar nicht das moralische Fass aufgemacht. Ärzten die unzähligen Patienten das Leben retten das Praktizieren zu verbieten weil da auch mal ein Taliban drunter ist, ist moralisch kaum zu rechtfertigen. Oder ist ein womöglich toter ISAF-Soldat wirklich ein Vielfaches an toten Afghanen „wert“?
Nicht dass solche Ärzteverbote in Afghanistan nicht versucht worden wäre. Unter den Russen mussten Ärzte sich registrieren und durften nur in den Städten arbeiten – wer als Mediziner auf dem Land unterwegs war galt als Spion und wurde bei Ergreifung hochwahrscheinlich hingerichtet. Will man in diese düstere Zeit wirklich zurück?
Die Arbeit der NGO’s sollte mindestens eng mit dem Militär abgestimmt sein, schon damit deren Mitarbeiter nicht zu Kollateralschäden der NATO oder gar zu menschlichen Schutzschilden der Taliban werden. In einem Kriegsgebiet kann nicht jeder nach eigenem Ermessen tun was er will, ohne sich und andere in Gefahr zu bringen. Möglicherweise wird dabei noch ungewollt das Leben von Soldaten gefährdet, weil diese ihren Auftrag nicht planmäßig erfüllen können, weil irgendwo Helfer herumlaufen. Die NGO’s können auch nicht erwarten in streng geheime Operationspläne eingeweiht zu werden, damit sie ihre Arbeit gefahrlos danach selbständig ausrichten können. Wer in einem Kriegsgebiet zwischen die Fronten gerät muss sich nicht wundern, wenn er dabei durch unsere Soldaten ungewollt sein Leben verliert. Das wäre Propaganda für die Taliban.
@Stefan
Auf einen ISAF-Soldaten kommen 6 km². Wenn man bedenkt dass grob 80% der Soldaten auf FOBs rumhängen sogar deutlich mehr. Die Wahrscheinlichkeit über die eh recht seltenen zivilen Helfer zu stolpern ist also ziemlich gering, und ihr Punkt daher irgendwie etwas verfehlt. Dass in afghanistan je Ausländer als menschliche Schutzschilde genommen worden wären wäre mir auch neu.
Allerdings kommen auf jeden ISAF-Soldaten etwa 250 Afghanen. Und da die in diesem Land tatsächlich wohnen und herumlaufen geraten die sogar in die Schusslinie. Können ja auch nicht erwarten in streng geheime Operationspläne eingeweiht zu werden… Ist in Afghanistan zu leben wirklich ein Fall von „selbst Schuld wenn die ISAF einen dann tötet“?
Noch ein Lesetip: Anatol Lieven, Professor am renommierten Kriegsinstitut des King’s College in London: Insights From the Afghan Field
Ich möchte noch einen Aspekt zum Thema NGO`s nennen der noch nicht erwähnt wurde. In meiner Verwandtschaft habe ich zwei Leute die für NGO`s gearbeitet haben (auf der ganzen Welt in verscheidenen Krisengebieten)
1.Hilfsorganisationen sind nicht die heiligen, selbstlosen Helfer für die man sie in Deutschland gerne hält. Hilfsorganisationen sind in erster Linie gewinnorientierte Unternehmen (Wer es nicht glaubt, dem rate ich nach Genf zu fahren und sich einmal das Rot Kreuz Hauptquartier anzuschauen). Das Produkt welches verkauft wird, ist das gute Gefühl welches sich westliche Bürger, die meinen am gesamten Elend sei der böse Westen schuld, erkaufen.
Deshalb steht für die Hilfsorganisationen an erster Stelle der Fluß von Spendengeldern. Die Hilfe an sich besitzt intern nur eine nachrangige Priorität. Die Beendung eines Konfliktes ist sogar der „worst case“.
Aus dieser Feststellung ergibt sich.
2. a)Hilfsorganisationen wissen um das ausgeprägte schwarz/weiß Verständniss von gut und böse der meist links orientierten Zielgruppe der Spender. Deshalb muss jede Zusammenarbeit bzw. der Anschein einer Zusammenarbeit mit westlichen Militärs vermieden werden.
b.) Aus erster Hand weis ich das Hilfsorganisationen einen bedeutenden finanziellen Anteil Ihrer Hilfsleistungen zum erkaufen der örtlichen Miliztruppen aufwenden, um überhaupt in vielen Regionen arbeiten zu können. D.h Hilfsorganisationen unterstützen diese Konflikte finanziell.
c.)An der nachhaltigen Lösung eines Konfliktes hat eine Hilfsorganisation keinerlei Interesse. Primärziel ist das heilige Erscheinungsbild, welches unter allen Umständen gewahrt werden muss, damit weiterhin Spendengelder ausreichend fließen und viele Leute die in diesem Industriezweig beschäftigt sind, ihre Jobs behalten.
Der Kommentar von Bang50 spricht nochmal deutlich die Punkte an, die die Arbeit der NGOs nicht immer so ‚einfach‘ macht. Seine genannten Punkte in Bezug nehmend auf den Kommentar von J.R. bringt es doch auf eine einfache Formel, die ein nicht unerhebliches moralisches Dilema eröffnet.
Wenn NGO abc eine Partei (Warlord,Miliz,Terrorgruppe) in einem Konflikt in irgendeiner Art um Hilfe, Assistenz (Benzin,Schutz, freies Geleit) bittet, um im Ort YXZ zu helfen, geben Sie nicht nur ihre propagierte Unabhängigkeit auf ,sondern unterstützen aktiv eine Partei in einem Konflikt.
Wenn jetzt die NGO abc im Ort YXZ Kindern und Frauen hilft – wunderbar. Wenn die Partei, finanziert durch die NGO, nun Waffen kauft um im Ort RQS zu kämpfen oder auch nur aktiv verhindert, dass im Ort RQS geholfen wird, haben wir doch eine moralisch unglaublich verwerfliche Situation.
Denn, der Einwand von J.S., dass NGO mehr Unterstützung in der Bevölkerung genießen muss nach obiger Formel nicht unbedingt stimmen. Denn wenn A geholfen wird, B aber nicht, fragt sich C warum dieses so ist und schließt daraus Konsequenzen, die in einem asymetrischen Konflikt nicht immer rational darstellbar sind. (Zumal NGOs wohl kaum Daten über die Aufklärung des Feindes/nachrichtendiensliche Informationen haben, geschweige denn Selbstschutz)
Und das Ärzte sich in einem ethisch-beruflichen Konflikt befinden, akzeptiere ich durchaus. Doch die Frage ist doch schlicht, helfe ich tatsächlich? Das Problem liegt doch darin, dass ich als Arzt den einzelnen Patienten einer Gruppe vorziehe oder eine Gruppe vor einzelnen Patienten vorziehe und das wahrscheinlich unter in Kauf nahme, dass mein ärztliches Handeln indirekt Schaden an anderen Personen begünstigt, dadurch das es eben kein symetrischen Verhalten aller beteiligten Konfliktparteien gibt.
Zur NGO-Problematik ist auch dieses Buch von André Glucksmann interessant:
http://www.amazon.de/Politik-Schweigens-Andr%C3%A9-Glucksmann/dp/3421063605/ref=sr_1_15?ie=UTF8&s=books&qid=1284015284&sr=8-15
Es thematisiert die Instrumentalisierung westlicher Hilfe durch das äthiopische Regime während der Hungerkatastrophe in den 80ern. Glucksmann nutzt das Beispiel, um exemplarisch auf Schwächen der Diskussion in westlichen Gesellschaften anzusprechen.