„Dragon Strike“ soll Kandahar den Taliban entreißen
Noch muss man sich die Details aus den verschiedenen Berichten ein bisschen zusammenreimen – aber ISAF scheint die lang erwartete Offensive um die Taliban-Hochburg Kandahar und die umliegenden Gebiete begonnen zu haben. In einer offiziellen Mitteilung der internationalen Truppen liest sich das zwar recht zurückhaltend: Afghan and coalition forces conducted another multi-day deliberate clearing operation aimed at disrupting the Taliban’s freedom of movement outside Kandahar City, Friday and Saturday. Diese offizielle Meldung erwähnt auch nicht, dass die Operation den martialischen Namen Dragon Strike trägt…
Die Berichte vor allem von U.S.-Medien klingen da schon ein bisschen anders:
American and Afghan Troops Begin Combat for Kandahar (New York Times, anscheinend für manche nicht direkt aufrufbar)
Operation in Taliban birthplace goes on, enters important phase: NATO (Xinhua – die auch als einzige darauf verweisen, dass diese Operation Thema der normalen Pressekonferenz war)
U.S. launches new offensive in Afghanistan (ABC News)
Und dazu ein Video von ABC (sorry, lässt sich nur mit Werbung einbetten…)
Nachtrag: bei den ISAF-Meldungen findet sich jetzt das Zitat des ISAF-Sprechers, des deutschen Brigadegenerals Josef Blotz: “Specifically Hamkari, our operation in and around Kandahar, has entered an important phase, Operation Dragon Strike,” he said. “Clearing operations around Zharay and Panjwa’i have begun, and we expect some hard fighting.”
Und die Taliban machen das was sie bei solchen Angriffen immer machen – ausweichen, umgehen und dann später wieder einsickern. Da sie sich, ausser im direkten Gefecht, nicht der Bevölkerung unterscheiden, kann man das auch wohl nicht verhindern.
Nach Marjah wird diese COIN Taktik auch in Kandahar versagen und damit das Ende dieser Modeerscheinung einläuten. Ade für Petraeus, CNAS und das restliche Coindinista Volk.
Die Counter-Insurgency Strategie scheitert nicht an den militärischen Akteuren. Die Operationen schaffen nur die Voraussetzung für den zivilen Aufbau. Da General Petraeus nicht die Aufbauhelfer kommandiert kann man ihm wohl kaum die Schuld zu weisen.
Vielleicht braucht die gesamte Afghanistan-Diskussion endlich auch einmal einen Fokus auf die wichtigen Teile der COIN Strategie, dem zivilen Aufbau und dem Schaffen funktionierender Verwaltungsstrukturen. Beides findet – immer noch – nur sehr unzureichend statt.
Darauf weist das Militär in der Person Befehlshaber ISAF (Gen Petraeus, aber auch sein Vorgänger Gen McChrystal), als auch Befehlshaber des Joint Force Commands in Brunssum, Gen Ramms seit Längerem gebetsmühlenartig hin.
Der Idee ist gut und erfolgversprechend, wird aber leider nur im militärischen Anteil (20-30% der Lösung) zu bahezu 100% umgesetzt.
Wer immer zurückweicht steht irgendwann vor einem Abgrund. Und ist kurz darauf einen Schritt weiter.
Hmm, das mit den Verwaltungsstrukturen ist so eine Sache. Das impliziert ja, dass die Bevölkerung sich quasi frei entscheiden kann, wer ihrer Ansicht nach die besseren öffentlichen Dienste anbietet – Taliban oder Regierung. Aber so lange die Taliban nach Belieben öffentliche Hinrichtungen zelebrieren und jeden umbringen, der mit der Regierung kooperiert, kann niemand sich entscheiden. Man bräuchte eine anständig bezahlte Polizei, die in der Fläche präsent ist. Aber dahin kommen wir wohl nie.
Übrigens: Mal wieder ist Augengeradeaus die einzige Quelle, aus der man solche wichtigen Neuigkeiten erfährt.
@Felix
Danke. Allerdings wundert es mich auch selbst, dass bislang keine anderen deutschsprachigen Medien auf die Operation Dragon Strike eingestiegen sind. Wo doch schon der Name für ne reißerische Überschrift gut ist…
@Felix
„Mal wieder ist Augengeradeaus die einzige Quelle, aus der man solche wichtigen Neuigkeiten erfährt.“
Na ja, die Quellen sind ja eigentlich Xinhua und die New York Times. Aber es stimmt: Ein oder zwei Fachleute und fachkundige Leser leisten in Weblogs bei Fachthemen oft mehr als die klassischen Medien. Diese bleiben als Quellen aber m.E. unverzichtbar, während die Stärke von Weblogs in der Selektion und Bewertung von Informationen liegt. Leider halten die wenigsten Weblogs langfristig durch.
Wir hätten die Operation vmtl. „BUTTERBLUME“ genannt… :-(
@S.W.
Na klar sind die klassischen Medien mit ihren Korrespondenten vor Ort die eigentlichen Quellen (und ich hab‘ schließlich lang genug für solche gearbeitet). Was aber erstaunlich ist: viele deutschsprachige Medien sind zwar sehr schnell bereit, die Berichte anderer deutschsprachiger Medien als Nachricht rauszublasen (siehe die fünf Euro Hartz-IV-Erhöhung am vergangenen Wochenende). Aber wenn NYT und andere aus Afghanistan berichten, wird’s schon sparsamer. Dabei hätte ich erwartet, dass die internationalen Agenturen die gestrige Pressekonferenz mit Blotz in Kabul als eigenen Bericht aufgegriffen und damit auch den deutschen Agenturen als Thema angeboten hätten… Ansonsten hätte ja die deutschen klassischen Medien genau so wie ich auf NYT etc. verweisen können. Dabei wären aber vermutlich die Links weggefallen.
@T. Wiegold
An „Spiegel Online“ kann man m.E gut verfolgen, nach welchen Kriterien ausgewählt wird. Dort erscheinen die Inhalte der NYT mit entsprechendem Themenbezug manchmal einen halben oder einen Tag später, aber fast nur, wenn man die Meldungen in Geschichtchen über „Killerkommandos“ oder den bevorstehenden Fall von Kabul etc. einbauen kann. Was nicht ins Schema passt, kommt wenn überhaupt nur am Rande vor oder wird erst gar nicht wahrgenommen. Nicht jeder schlecht bezahlte Praktikant hat das Thema Afghanistan z.B. lange genug verfolgt, um zu wissen, dass die Operation im Raum Kandahar seit 2009 als finaler Prüfstein für die neue Strategie gilt. Liest man die Meldung ohne Kenntnis dieses Kontexts, dann erscheint einem die Relevanz natürlich geringer.