Diskussion über die neue Bundeswehr: Die Grünen

Die Debatte über die neue Bundeswehr, absehbar verkleinerte Streitkräfte, ein wahrscheinliches Ende der Wehrpflicht kommt in Fahrt. Nach Möglichkeit (und Posteingang) dokumentiere ich die Positionen der Bundestagsfraktionen. Da an diesem Wochenende die Grünen-Position nach einem Magazinbericht ein bisschen Aufmerksamkeit fand, hier das Papier der Arbeitsgruppe Sicherheit, Frieden und Abrüstung ihrer Bundestagsfraktion. (Ergänzend dazu gibt’s auch ein Papier des Grünen-Haushaltsexperten Alexander Bonde hier.)

Agnieszka Malczak, Omid Nouripour, Katja Keul, Tom Koenigs
Arbeitsgruppe Sicherheit, Frieden und Abrüstung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Für eine flexible Freiwilligenarmee!

Zusammenfassung: Die Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate ist eine gravierende Fehlentscheidung. Sie steht einer zukunftsgerichteten Weiterentwicklung und Modernisierung der Bundeswehr im Wege. Die Koalition aus Union und FDP blendet bei ihren Debatten die Frage nach der Zukunft der Bundeswehr aus und setzt mit faulen Kompromissen auf Gesichtswahrung der Koalitionspartner.
Wir fordern, die Wehrpflicht abzuschaffen. Die derzeit diskutierte Aussetzung wäre ein richtiger, wenn auch halbherziger Schritt in diese Richtung. Im Ergebnis muss auch sie zu einem Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee führen. Diese neue Bundeswehr darf sich nicht nur aus langdienenden BerufssoldatInnen zusammen setzen – die Mischung macht’s! Daher fordern wir, dass die Bundeswehr attraktiver als Arbeitgeber und durchlässiger sowie flexibler für Seitenein- und -aussteigerInnen wird.
Männer und Frauen sollen außerdem die Möglichkeiten haben, einen freiwilligen militärischen Kurzdienst von 12 bis 24 Monaten abzuleisten. Gleichzeitig muss das Modell des/der SoldatIn auf Zeit flexibilisiert und entbürokratisiert werden. Insbesondere die bisher kaum genutzte Verpflichtung auf 2 Jahre (SaZ 2) muss attraktiver werden, da sie als guter Einstieg in die Offizierslaufbahn dienen kann.

Schwarz-gelbes Jeopardy mit der Wehrpflicht

Die Zukunft der Wehrpflicht hat weitreichende Konsequenzen für die zukünftige Ausrichtung der Bundeswehr. Umso bedauerlicher ist, dass die schwarz-gelbe Koalition mit dieser Frage wenig durchdacht umgeht. Die Fragen, welche Bundeswehr wir tatsächlich brauchen und welche Wehrform diesen Anforderungen gerecht wird, haben bei den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP im Herbst letzten Jahres keine Rolle gespielt. Um Gesichtswahrung für beide Seiten bemüht, wurde stattdessen ein fauler Kompromiss ausgehandelt: die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate. Drei weitere wichtige Fragen wurden dabei nicht beantwortet: Ist ein sechsmonatiger Wehrdienst noch sicherheitspolitisch sinnvoll? Was bedeutet er für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr? Was bringt er den RekrutInnen? Die Wehrdienstverkürzung ist somit eine gravierende Fehlentscheidung mit weitreichenden Folgen für die Bundeswehr.
Kaum war das Konzept ausgehandelt und begleitet vom Mantra der „Planungssicherheit“ für die kommenden RekrutInnen durchs Parlament gepeitscht, überraschte Verteidigungsminister zu Guttenberg Freund und Feind mit der Aussage, den allgemeinen Wehrdienst angesichts der knappen Mittel nun doch zu überdenken. Seither kann niemand mehr sagen, wofür der Minister eigentlich steht: die Beibehaltung der Wehrpflicht, ihre Aussetzung oder den sogenannten freiwilligen Wehrdienst – zu Guttenberg hat in den letzten Wochen abwechselnd jedes dieser Konzepte propagiert. Für die Bundeswehr, die Zivildienstträger und die Wehrpflichtigen bedeutet dieses Hin-und-Her ein größtmögliches Maß an Unsicherheit. Von Planungssicherheit keine Spur.

Die Wehrform muss der sicherheitspolitischen Situation und Herausforderungen gerecht werden

In der aktuellen Diskussion werden der Wehrpflicht viele Funktionen zugeschrieben: ihre historische Bedeutung für die Bundeswehr, ihr Beitrag zur Nachwuchsrekrutierung, für die Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft („Staatsbürger in Uniform“), sowie dasjenige, was Ersatzdienstleistende im sozialen Sektor leisten. Wer diese Aspekte aber als Argumente für den Erhalt der Wehrpflicht anführt, ignoriert, dass der Eingriff in die Freiheitsrechte junger Männer, den die Wehrpflicht nun einmal darstellt, nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsmäßig legitimiert ist. Nur die Gewährleistung der Sicherheit Deutschlands rechtfertigt diesen Pflichtdienst. Keine andere Funktion kann an die Stelle dieser sicherheitspolitischen Begründung treten.
Aktuelle und erwartbare Konflikte und Bedrohungsszenarien erfordern gut ausgebildete professionelle SoldatInnen. Deutschland ist von Freunden umgeben und in multilaterale Bündnisse eingebunden. Nationale Alleingänge oder gar die Verteidigung des nationalen Territoriums sind quasi ausgeschlossen. Die allgemeine Wehrpflicht lässt sich vor diesem Hintergrund sicherheitspolitisch nicht mehr begründen.
Wir fordern daher eine Beendigung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland. Eine Aussetzung, wie sie derzeit diskutiert wird, wäre ein richtiger, wenn auch halbherziger Schritt in die richtige Richtung. Ob die Wehrpflicht abgeschafft oder nur ausgesetzt wird, das Ergebnis muss in beiden Fällen die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee sein.
Der Wechsel zu einer Freiwilligenarmee ist Voraussetzung für eine umfassende Reform der Bundeswehr
Ein Festhalten an der Wehrpflicht behindert die Weiterentwicklung und Modernisierung der Bundeswehr, denn die Wehrpflicht bindet Ressourcen, die an anderer Stelle dringender benötigt werden. Wenn Verteidigungsminister zu Guttenberg von einem Einsparpotential in Höhe von 400 Mio. Euro spricht, umfasst dies gerade mal den Wehrsold. Nicht berücksichtigt sind die Kosten für Wehrerfassungs- und Musterungsapparat, für Ausrüstung, Unterbringung und Ausbildung der Grundwehrdienstleistenden. Hier kommt die Kommission „Europäische Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ auf ein Einsparpotential von etwa 3 Milliarden Euro pro Jahr nach einer gewissen Umstellungszeit Kommission „Europäische Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ am IFSH 2010: Einsparungen bei Staatsausgaben – Welche Spielraum gibt es bei der Bundeswehr?. Quelle: http://www.ifsh.de/pdf/profil/Einsparungen_Bundeswehr_2011_2015.

Die Mischung macht’s: Die Bundeswehr als Freiwilligenarmee

Um den Herausforderungen und Aufgaben der Gegenwart und Zukunft angemessen begegnen zu können, brauchen wir eine moderne, flexible und professionelle Freiwilligenarmee. Dabei treten wir aus verschiedenen Gründen nicht für eine Armee ein, die sich nur aus langdienenden Berufssoldaten zusammen setzt. Vielmehr sollten in der Bundeswehr BerufssoldatInnen, SoldatInnen auf Zeit und freiwillige Kurzdienende einen Platz haben.

BerufssoldatInnen

Die Bundeswehr muss dafür sorgen, den Dienst als BerufssoldatIn sowohl attraktiver als auch flexibler zu gestalten. Dazu gehört u.a., auf Wunsch des/ der SoldatIn den Dienst verlängern zu können sowie Angebote auszubauen, die eine Vorbereitung auf den Wiedereintritt ins zivile Leben nach Quittierung des Dienstes oder regulärem Ausscheiden ermöglichen.
SoldatInnen auf Zeit und Freiwilliger Kurzdienst
Die Bundeswehr muss flexiblere und unterschiedliche Verpflichtungsmodelle anbieten. Gerade auch für Hochqualifizierte muss es möglich sein, sich als QuereinsteigerInnen für eine gewisse Zeit und ihren fachlichen Qualifikationen entsprechend zu verpflichten. Dabei muss der Wechsel zwischen Bundeswehr und zivilem Arbeitsmarkt unkompliziert gestaltet sein. Verschiedene Verpflichtungsmodelle und die Möglichkeit zum Kurzdienst sind nicht nur für die Nachwuchsrekrutierung von Bedeutung. Sie tragen auch zum Transfer von Werten, Wissen und Fertigkeiten zwischen Gesellschaft und Bundeswehr bei.
Männer und Frauen sollten die Möglichkeit haben, einen freiwilligen militärischen Kurzdienst von 12 bis zu 24 Monaten zu absolvieren. Dieser soll attraktiv gestaltet sein, einen Einsatz im Ausland ermöglichen und ein realistisches Bild von einer Tätigkeit bei der Bundeswehr zu vermitteln. Darüber hinaus sollte auch das Modell des/der SoldatIn auf Zeit weiter flexibilisiert und entbürokratisiert werden. Insbesondere die bisher kaum genutzte Verpflichtung auf 2 Jahre (SaZ 2) muss attraktiver werden, da sie als guter Einstieg in die Offizierslaufbahn dienen kann.

Arbeitgeber Bundeswehr

Sicher erhöht sich für eine Freiwilligenarmee Bundeswehr noch einmal der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt. Hier wird sie nur bestehen können, wenn sie gute Rahmenbedingungen für Aus- und Weiterbildung und Ausübung des Berufes bietet und angemessenen Sold zahlt. Doch dies sind gleichzeitig die Voraussetzungen für eine moderne und professionelle Armee. Es ist bedauerlich, wenn in der derzeitigen Debatte deutlich wird, dass für manche EntscheidungsträgerInnen/Verantwortliche, die Wehrpflicht nur ein Instrument ist, um bei der Ausgestaltung des Arbeitgebers Bundeswehr zu sparen. Damit muss Schluss sein. Auch wenn der Spardruck groß ist – in Bereiche, die die Bundeswehr als Arbeitgeber prägen, muss investiert werden, statt Geld für unsinnige Rüstungsgroßprojekte zum Fenster hinaus zu werfen.