Rüstungsexporte: Bundessicherheitsrat ändert Geschäftsordnung – aber Voranfragen bleiben geheim
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch die Geschäftsordnung des geheim tagenden Bundessicherheitsrats geändert: Wie schon zuvor in der schwarz-roten Koalition beschlossen, soll künftig innterhalb von zwei Wochen nach abschließenden Entscheidungen dieses Kabinettsgremiums über Rüstungsexporte der Bundestag unterrichtet werden. Bislang war das nur einmal jährlich im so genannten Rüstungsexportbericht vorgesehen. Außerdem kann das zuständige Wirtschaftsministerium den Abgeordneten mündlich die Gründe für diese Erlaubnis vortragen. Entscheidungen über Voranfragen von Unternehmen bleiben aber weiterhin geheim; auch über abgelehnte Anträge wird das Parlament nicht direkt unterrichtet.
Unmittelbar nach diesem Kabinettsbeschluss informierte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Wirtschaftsausschuss des Bundestages über Exportentscheidungen, die der Bundessicherheitsrat bei seiner jüngsten Sitzung Mitte Mai gefasst hatte. Die geänderte Geschäftsordnung erlaube jedoch nicht, die Informationen über die abgelehnten Exportanträge zu veröffentlichen, schrieb der SPD-Politiker den Parlamentariern. Allerdings werden die Ablehnungen zusammenfassend im Rüstungsexportbericht aufgeführt, der wie ebenfalls von der Koalition vereinbart künftig zwei Mal jährlich vorgelegt werden soll – über den nächsten Bericht dieser Art will das Kabinett am 11. Juni entscheiden; er soll noch vor der Sommerpause veröffentlicht werden.
Von seiner Absicht, auch Voranfragen öffentlich zu machen, ist Gabriel vermutlich aus rechtlichen Gründen abgerückt. Noch Mitte April hatte er in der Bundespressekonferenz gesagt, dass er sich das durchaus vorstellen könne. Allerdings war von Seiten der Industrie damit argumentiert worden, dass das allein schon aus Wettbewerbsgründen ein Problem sei.
Die vom Wirtschaftsminister aktuell bekanntgegebenen Exportentscheidungen betreffen vier Staaten im Nahen Osten:*
Dennoch hält der SPD-Minister an seinem Ziel fest, die Rüstungsexportpolitik künftig restriktiver zu handhaben – wenn es um so genannte Drittstaaten außerhalb von NATO und EU (und der ihnen gleichgestellten Länder Australien, Japan, Schweiz und Neuseeland) geht. Eine Änderung der Exportrichtlinien, so offensichtlich die Einschätzung in seinem Ressort, ist dafür nicht erforderlich. Da die Entscheidungen über die Ausfuhr von Kriegswaffen und Rüstungsgütern an Drittstaaten immer eine Einzelfallentscheidung ist, wird auch keine schwarze Liste mit Staaten angelegt, an die es keine Exporte mehr geben soll.
Die Opposition kritisierte die Koalitionsvereinbarung wie die konkrete Informationspolitik zu Rüstungsexporten. Nicht überraschend, da ja dagegen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht läuft. Mit-Klägerin Katja Keul, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, verlangte ein Ende der Entscheidungen im Bundessicherheitsrat: Damit bleibt der Bundessicherheitsrat ein intransparentes Gremium, das sich der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle entzieht – es sollte in seiner jetzigen Form abgeschafft werden. Das Grundgesetz überträgt die Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexporten der Bundesregierung als Gesamtorgan. Ein geheimes Untergremium ist dort nicht vorgesehen.
Nachtrag: Das ist jetzt wirklich mal was Neues – Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats (nicht nur die heute geänderte Passage) komplett zum Nachlesen als Bundestagsdrucksache:
(Korrektur: Habe heute abend gelernt, dass die Geschäftsordnung des Bundesicherheitsrats schon seit Monaten auf der Webseite der Bundesregierung gestanden habe. Hat nur keiner gemerkt, ich auch nicht…)
*Ehe jemand Schnappatmung bekommt: Das Schreiben des Wirtschaftsministers an den Wirtschaftsausschuss und damit auch diese Liste tragen keinerlei Einstufung.
(Foto: Die deutsche Panzerhaubitze 2000, auch ein begehrtes Exportgut)
Werden wirklich „Ablehnungen“ als solche bezeichnet und veröffentlicht? Zumindest bei den Exportvoranfragen gab es keine Ablehnungen, sondern nur den dezenten Hinweis, dass man mit keiner Zustimmung/Zusage rechnen könne – damit man eben nicht schwarz auf weiß einem anderen Staat „quasi offiziell“ mitteilt, dass er nicht gerade zu den Lieblingen gehört…
Ich müsste noch mal in den Rüstungsexportbericht schauen… So hat es mir jedenfalls ein Experte heute erklärt; ich gebe zu: geprüft habe ich das auf die Schnelle nicht…
Wollte ja auch nur auf die – meiner Meinung nach (kann mich ebenso täuschen) – vorhandene Diskrepanz hinweisen. Bei den Voranfragen jedenfalls gibt es keine offiziellen Absagen, sondern eben „nur“ keine Zusage…
Jetzt habe ich mal in den Rüstungsexportbericht 2012 geschaut. Da gibt es in der Tat, z.B. in Anlage 7, eine Spalte Ablehnungen. Aber die beziehen sich in der Tat nicht auf Voranfragen, sondern auf abschließende Genehmigungen.
Es gibt bei Voranfragen einen Bescheid mit Brief und Siegel in Prosaform. Dort steht dann, dass bei Beantragung der vorangefragten Konstellation entweder eine Aussicht auf Genehmigung bestehe oder eben keine Aussicht auf Genehmigung. Hinzu kommt dann eine je nach Verhandlungsgeschick und der Geschäftsform unterschiedliche Bindefrist. Das alles gilt natürlich und rechtlich nur, solange sich relevante Umstände nicht ändern. Ein arabischer Frühling hat zwar wohl nicht zu Aufhebungen geführt, wurde hier aber als relevant gesehen. Sollte auch für Kriegsrecht in Thailand oder die „kleinen“ Probleme in der Ukraine gelten.
Eine Voranfrage hat also durchaus eine gewisse Bindungswirkung und auch Bestandskraft, sie ist aber nicht das Stück Papier, mit dem exportiert werden kann. Das ist nur die Exportgenehmigung, die sieht aus wie der Antrag plus Siegel und ggf. Auflagen.