Beginnt mit Cablegate der Cyberwar?

Die Aufmerksamkeitspirouetten um Wikileaks, die geheimen Botschafts-Depeschen der USA und den Wikileaks-Gründer Julian Assage drehen sich immer schneller (obwohl, wie schon erwähnt, derzeit gar nicht Wikileaks die entscheidende Organisation bei der sukzessiven Veröffentlichung dieser Depeschen ist, sondern die beteiligten Medien in mehreren Ländern…). Jenseits des Streits um den Inhalt der Kabel, jenseits des Streits um Geheimnisverrat oder nicht, jenseits des Streits um die Person Assange sehe ich eine für die Öffentlichkeit in praktisch allen Ländern ein viel größeres Problem: Beginnt mit dem Streit um Wikileaks und Cablegate eine Art Cyberwar?

Sicherlich nicht in dem Sinne, wie er bislang immer vorhergesagt wird – mit dem Angriff auf IT-Systeme oder auf die Computersteuerung kritischer Infrastrukturen. Aber die Abschaltung erst von wikileaks.org und mittlerweile offensichtlich auch von wikileaks.ch (letztere als Durchleitungsadresse für die numerische wikileaks-Internet-Adresse 213.251.145.96) zeigt die Verwundbarkeit des angeblich so robusten Netzes: Wenn einige entscheidende Stellen blockiert werden, fließen die Informationen nicht mehr. Auch wenn die numerische Adresse bleibt – sehr viele Nutzer werden beim Aufruf von wikileaks.org eine Fehlermeldung Server nicht gefunden bekommen und achselzuckend daraus schließen, dass wikileaks offline wäre.

Genau aus diesem Grund gibt es ja auch die Domain inzwischen mit .de, .nl und .fi-Landeskennung. Aber der Schwachpunkt bleibt das Domain Name System, das 213.251.145.96 in eine merkbare Adresse übersetzt – und diese Übersetzungs-Server mit den so genannten Top Level Domains .com und .org (und übrigens auch .net, wie in augengeradeaus.net) liegt im Zugriffsbereich des U.S.-Handelsministeriums.

Mit anderen Worten: Wenn die amerikanische Regierung es will (und innenpolitisch durchsetzen kann), können sehr plötzlich sehr viele Domain-Namen nicht mehr erreichbar sein. Auch Internetadressen, die irgendwo ganz anders in der Welt liegen, deren Daten auf Servern in anderen Ländern liegen und die eigentlich keine Berührungspunkte zu den USA haben. Wikileaks hat übrigens diese Erfahrung bereits früher machen müssen: auf Antrag einer Schweizer Bank soll ein kalifornisches Gericht die Adresse wikileaks.org schon mal gesperrt haben.

Nun gut, wenn Regierung, Behörden oder Gerichte in den USA die Sperrung von Seiten irgendwo in der Welt durchsetzen, ist das nicht das klassische Konzept des Cyberwar. Aber dafür eine Variante, die offensichtlich funktioniert. Und auch der Definition der Wikipedia entspricht: Cyberwar ist ein Kofferwort aus den englischen Wörtern Cyberspace und War und bedeutet zum einen die kriegerische Auseinandersetzung im und um den virtuellen Raum mit Mitteln vorwiegend aus dem Bereich der Informationstechnik. Wer den Zugriff auf die Domain Name Server hat, braucht sich um Umwege wie Denial of Service Attacks und ähnliches ja nicht mehr so sehr Gedanken zu machen.

(Das war meine heutige Portion Verschwörungstheorie, ich bitte um Nachsicht, falls es zu weit hergeholt erscheint. Wer diese Überlegungen nicht als abstrus abtut, kann sich ja vorsichtshalber milinfo.de merken- diese Adresse beim deutschen (!) Netzwerk-Verwalter denic habe ich noch für den Fall, dass die .net-Adresse mal abgeschaltet wird…)