Afghanen übernehmen formal Kontrolle über die Sicherheit des Landes
Afghanistan hat am (heutigen) Dienstag formal die Verantwortung für die Sicherheit im ganzen Land übernommen. Die NATO-geführte Schutztruppe ISAF übergab bei einer Zeremonie in Kabul die Zuständigkeit für die letzten 95 Distrikte, die noch nicht unter afghanischer Kontrolle waren:
Afghan forces have formally taken over security for the whole of the country from Nato-led troops, completing a process begun in 2011.
President Hamid Karzai announced the move at a ceremony during which Nato forces handed over control for the last 95 districts.
(…)
Both President Karzai and Nato chief Anders Fogh Rasmussen described as historic the ceremony marking the handover of security responsibility.
„Our security and defence forces will now be in the lead,“ President Karzai said in a speech.
berichtet die BBC.
Die formale Übergabe lenkt natürlich den Blick auf die Fähigkeiten und Möglichkeiten der afghanischen Sicherheitskräfte, wie auch das afghanische Online-Medium Khaama Press hervorhebt:
The transition of combat operations to Afghan national security forces takes place amid concerns regarding the lack of modern military equipments which threats Afghan security forces to properly control the security situation across the country after NATO combat troops leave Afghanistan.
Bei der offiziellen Zeremonie kam es den Afghanen offensichtlich darauf an, dass das nach wie vor bestehende Übergewicht von ISAF optisch nicht so auffällt, wie BBC-Korrespondent David Loyn via Twitter meldete:
Presidential palace asks many senior ISAF staff to attend handover event in civilian clothes, reducing foreign uniforms
Nachtrag: Dazu die Erklärung des deutschen Außenministers Guido Westerwelle:
Der Beginn der letzten Phase der Übergabe der Sicherheitsverantwortung in ganz Afghanistan ist ein Meilenstein. Die heute von Präsident Karsai verkündete Entscheidung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur vollen Souveränität und Eigenverantwortung Afghanistans. Die Transition bis hin zum vollständigen Abzug der internationalen Kampftruppen bis Ende 2014 liegt damit weiter im Plan. Trotz aller Rückschläge und Problemen auch bei der Sicherheitslage sind es immer mehr die Afghanen selbst, die für ihre Sicherheit verantwortlich sind, und unser Engagement wird immer ziviler. Diese Neuausrichtung nach über 10 Jahren des internationalen Militäreinsatzes bleibt mit Schwierigkeiten verbunden, ist aber richtig und notwendig.
Das Grußwort von ISAF-Kommandeur General Joseph Dunford:
(Foto: An Afghan National Army soldier assigned to the Mobile Strike Force Kandak prepares to fire a RPG-7 rocket-propelled grenade launcher during a live-fire exercise supervised by the Marines with the Mobile Strike Force Advisor Team on Camp Shorabak, Helmand province, Afghanistan, May 20, 2013 – U.S. Marine Corps photo by Staff Sgt. Ezekiel R. Kitandwe via Flickr unter CC-BY-Lizenz)
War jetzt nun der ISAF Einsatz und das Mandat ein Erfolg?
Was wären die Kriterien, um Erfolg(e)? intersubjektiv „messen“ zu können?
Fragen über Fragen, die sich mit dem jetzt abgeschlossenem Teil stellen.
Ich denke, die Frage nach dem Erfolg ist gar nicht die wesentliche Frage.
Denn natürlich ist es auch ein Erfolg, weniger als das gesteckte Ziel zu erreichen. Es ist sogar ein Erfolg, weniger als das gesteckte Ziel nur für 10 Jahre erreicht zu haben, auch wenn nachher alles wieder den Bach runtergeht. Viele Afghanen in einigen Teilen Afghanistans konnten 10 Jahre lang friedlicher und sicherer leben als vorher, konnten erstmals zur Schule gehen. Das ist natürlich ein Erfolg.
Die entscheidende Frage ist: War dieser (regional begrenzte und temporäre) Erfolg den Einsatz wert? Und zwar den materiellen Einsatz als auch den Einsatz der Soldaten?
Beim materiellen Einsatz habe ich gar keine so großen Zweifel, denn wenn das Geld nicht nach Kabul und Faisabad gegangen wäre, dann wäre es eben an die Commerzbank und die Hypo Real Estate oder nach Zypern gegangen.
Und die verlorenen Leben und erlittenen Verwundungen unserer Soldaten? Ich finde, auch vor dem Hintergrund daß wir eine Freiwilligenarmee haben und für Auslandseinsätze auch schon vor Aussetzung der Wehrpflicht faktisch hatten, daß selbst dieser Einsatz gerechtfertigt sein kann. Es wurde wesentlich mehr Menschen geholfen als Soldaten gestorben sind. Und grundsätzlich ist ja mal ein deutsches Leben nicht mehr wert als ein afghanisches.
@ Andreas Moser
Nun die Definition von Erfolg ist umstritten, vor allem bei militärischen Aktionen.
Meiner Meinung nach war und ist dieser Einsatz kein Erfolg, denn Erfolg darf kein Strohfeuer oder nur temporäres Wesen sein. Langfristig sehe ich diesen Einsatz als Erfolglos, der das Land eventuell noch wesentlich schlechter darstehen lassen wird als damals unter den „Taliban“. Das ist meine Meinung dazu.
Zitat: „Es wurde wesentlich mehr Menschen geholfen als Soldaten gestorben sind. Und grundsätzlich ist ja mal ein deutsches Leben nicht mehr wert als ein afghanisches.“
Soweit, so richtig, aber trotzdem wiegen sie Menschenleben gegeeinander auf. Die Gegenfrage dazu wäre: Wenn wir nicht einmarschiert wären (denn de facto sind die westlichen Staaten in Afghanistan ja Invasoren, so wie die Russen es damals auch schon waren), wären dann vielleicht weniger Menschen zu schaden gekommen? Hätte man dann nciht auf anderen Wegen eine Besserung erreichen können(Grenzüberwachung, Wirtschaftsembargos, wirkliche „Unterstützerstaaten des Terrors“ ins Visier nehmen etc) ?
Die Geschichte kennt kein Konjunktiv. Was wäre wenn….
Was wäre gewesen wenn wir nie in Afghanistan einmarschiert wären. -Können wir heute leider nicht mehr mit Gewissheit sagen- -Ein Embargo? Hätte das etwas gebracht? Wir hätten natürlich auch alle Wasserbrunnen in Afg. mit Sanktionen belegen können, dann hätten die Taliban nichts mehr zu trinken gehabt oder sie das Opium nicht mehr ausführen lassen. Aber ob da Pakistan mitgespielt hätte. Den Einsatz nach einem militärischen Erfolg oder Misserfolg zu messen halte ich nicht für angemessen. Afg. war mehr als Engagement, zwar ein kriegerisches und blutiges, als eine militätische Operation, im klassischen Sinne. Mit der Besetzung Afg. war das beendet, was wir unter Erfolg und Misserfolg einortnen können. Alles danach bedarf einer neuen Definition, wie messe ich in welchem Maße wir das Afg, Volk beeinflusst haben, in Bezug auf die heranwachsende Bevölkerung. Was nehmen die Kinder die Jugendlichen aus dieser Zeit mit, wenn sie merken das Vater meint ihnen geht es jetzt endlich wieder besser sie wären frei von den Ungläubigen, aber das Land geht vor die Hunde. Winning hearts and minds wurde immmer sehr belächelt, da haben wir aber auch keinen Index der uns sagt wir hätten versagt. Vielleicht merken sie ja, woran sie waren, sobal ISAF weg ist. Diesen Effekt kennen wir doch selber! Ist es ein Teil des Erfolges das wir in Deutschlan keine Islamistischen Terroranschlägen hätten? War das gute Polizeiarbeit, Glück und unsere Prävention in Afg.? Oder ist nichts davon auf den Einsatz in Afg, zurückzuführen? Vielleicht wären Anschläge in Madrid und London nur der Anfang gewesen? Wie können wir soetwas in bezug auf Afg. einortnen, oder haben wir gänzlich versagt weil die Taliban wieder erstarken, unabhängig davon was man im Einzelnen hätte besser machen können?
Passend zum nahen Ende des Krieges (für uns) wird, laut bundeswehr aktuell von dieser Woche (http://tinyurl.com/l7g9u85, S. 5), auch die ad-hoc Arbeitsgruppe „Ausrüstung im Einsatz“ bald aufgelöst.
Die Aufgaben werden nun bald im nachgeordneten Bereich bearbeitet.
Der politische Druck ist damit endgültig weg – eine schlechte Nachricht für die kämpfende Truppe. In Kombination mit dem neuen Planungs- und Rüstungsprozess wird das koninuierliche Lernen aus dem Einsatz weiterhin ein Lippenbekenntnis bleiben.
Ein Überwinden bürokratischer Blockaden ist ohne die ad-hoc-Arbeitstgruppe nicht mehr möglich. Auch hier zeigt sich der Gesaltungswille und die Einstellung von TdM (analog zum Planungstab). Man muss den eigenen Apparat kontrollieren, anstatt ihm zu vertrauen.
Auf der gleichen Seite in der aktuell findet sich ein schönes Beispiel für die Trägheit des Systems. Im Jahr 2013 beschafft die Bundeswehr erstmals „flammenhemmende Unterwäsche“.
Das Problem war seit mehr als 5 Jahren dringlich.
Die TL-konforme Beschaffung ist weitaus weniger aufwendig als eine UAV-Zulassung.
Trotzdem hat die militärische Führung ihre Energie weitaus stärker in Belehrungen und Verbote zu privat beschaffter Bekleidung gelegt, anstatt zügig das Problem zu lösen.
Laut FAZ haben die Taliban im afghanischen Fernsehen (nochmals) erklärt, dass sie keine außerafghanischen Ziele haben. Angeblich sind nunmehr die USA zu direkten Friedensgesprächen bereit.
@ chavez. anderes szenario: hätte es den europäischen home grown terrorismus überhaupt gegeben wenn „wir“ uns herausgehalten hätten ?
ähnliches gilt für pakistan. da gilt es auch noch zu klären ob die drone strikes nicht kontraproduktiv wirken und die „rekrutierungsbüros“ von taliban und al-quaida füllen …
Interessantes Interview mit GenMaj Vollmer zu Lage, Transition und Umgliederung:
http://tinyurl.com/lht4zsb
Wenn die NRU aufgestellt ist, kann man ja mal schauen was seit Aufstellung der QRF und Umgliederung zu ASB und PATF gelernt wurde.
5 Jahre später – und welche Fortschritte gibt es bei Führungsunterstützung, Wirkung, Aufklärung, pers. Ausrüstung/ Bekleidung?
Der Epilog ist ja oft interessant.