Umstrukturierung der Bundeswehr: Reservisten mit Erfahrung müssen gehen (Nachtrag)
Die Zusammenlegung der bisher getrennten Bundeswehrkommandos für Auslandseinsätze und für das Inland zu einem neuen Operativen Führungskommando hat für zahlreiche Reservisten unvorhergesehene Folgen: Die bisher beim Einsatzführungskommando beorderten Reservisten und Reservistinnen, teilweise hochspezialisiert, wurden quasi rausgeworfen – obwohl die Bundeswehr händeringend am Aufbau der Reserve arbeitet.
Als Teil der Umstrukturierung der Bundeswehr zu mehr Einsatzfähigkeit vor allem in der Landes- und Bündnisverteidigung hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius vor gut einem Jahr die Aufstellung eines zentralen Führungskommandos für die Bundeswehr der Zeitenwende angekündigt. Dafür werden das bereits bestehende Territoriale Führungskommando (für das Inland) und das Einsatzführungskommando (für das Ausland) zu einem gemeinsamen Operativen Führungskommando der Bundeswehr (OpFüKdoBw) verschmolzen. Formal begann dieser Prozess zum 1. Oktober vergangenen Jahres, am 9. April wurde das Operative Führungskommando mit einem Appell formell in Dienst gestellt.
Als Folge der Zusammenlegung wurden nun die beorderten Reservistenstellen, die es bislang beim Einsatzführungskommando gab, aufgelöst – offensichtlich im Unterschied zu solchen Stellen aus dem Bereich des bisherigen Territorialen Führungskommandos. Die Soldaten und Soldatinnen, im Dienstgrad vom Stabsgefreiten bis zum Oberstleutnant, erhielten Anfang Mai ein Schreiben vom J1, der Personalabteilung.
Aus dem Brief, der Augen geradeaus! vorliegt:
Sehr geehrte Reservistinnen und Reservisten,
wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass trotz Ihrer Interessenbekundung, keine Beorderungsmöglichkeit im Operativen Führungskommando der Bundeswehr aufgezeigt werden kann.
Aufgrund der Auflösung des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, wird Ihnen zeitnah eine Aufhebung der Beorderung zugehen.
(Interpunktion aus dem Original)
Betroffen sind nach Informationen von Augen geradeaus! rund 150 Reservistendienstleistende, die zum Teil seit mehreren Jahren auf den immer gleichen Dienstposten eingesetzt wurden und sich damit auch eine gewisse Expertise erworben hatten. Schließlich, so heißt es in einer Erläuterung des Deutschen Bundeswehrverbandes, ist eine Beorderung die Einplanung eines Reservisten, der sich dazu freiwillig bereit erklärt hat, auf einem bestimmten Dienstposten.
In dem Schreiben wird darauf verwiesen, dass diese Reservistinnen und Reservisten jetzt im allgemeinen Stellenpool beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) geführt würden. Sie könnten deshalb unverändert für Reservedienstleistungen herangezogen werden, von einer Beorderung ist allerdings nicht die Rede.
Nachtrag: Nach Angaben des BMVg wurden alle Beorderungen in OFK und TFK zunächst aufgehoben, die meisten aber gefragt, ob Interesse an einer Beorderung bestehe. Nach Angaben eines Betroffenen wiederum wurde sein Interesse an einer neuen Beorderung zwar abgefragt – aber trotz Interesse habe er obiges Schreiben erhalten.
(Archivbild: Appell zur Indienststellung des Operativen Führungskommandos in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin am 9. April 2025 – Marc Tessensohn/Bundeswehr)
Da sind doch alle ehemaligen Reservisten, die beim EinsFüKdoBw eingeplant waren, fein raus, wenn sie die allgemeine Altersgrenze (65) überschritten haben…
Das möge auch die pensionierten Aktiven betreffen, die als Reservisten Urlaubs- und Lehrgangsvertretung gemacht haben, auf ihrem jeweiligen (alten) Dienstposten.
Das betrifft m.E. auch den Präsidenten des VdRBw P.Sensburg , der in der J1-Abteilung eingeplant war. Kollateralschäden ?
Man könnte sagen – überraschend. Ist es aber absolut nicht. Es zeigt sich, dass nicht nur die Zusammenführung dieser völlig unterschiedlichen Kommandostäbe sondern auch die Kultur, unter dies abläuft, total außer Kontrolle geraten sind.
Und es zeigt sich auch, dass das Desinteresse an bewährten und regelmäßig übenden Soldatinnen und Soldaten der Reserve auf Seiten vieler Aktiven bis in die Ebene der Abteilungen P, EBU nicht größer sein könnte. Und weil es eben so nebenher läuft und denen oben egal ist, kommt sowas wie hier zustande. Da lässt man lieber die Leute ins Ungewisse ohne militärische Heimat und hofft dann ggf noch, dass sie sich überhaupt später mal beordern lassen. Wahrscheinlich hat die Kleiderkammer aber vorher die Auskleidung veranlasst und damit einen echten mentalen Schlussstrich gezogen. Super Leistung, Bundeswehr!
Alles unter dem Motto „Personalführung für Anfänger“?! Sarc off
Hätte man diese Reservisten nicht z.B. für den Aufbau der neuen Heimatschutzdivision gewinnen können?
Dann hätte natürlich jemand mit denen reden müssen, statt einen Serienbrief zu schreiben der einen weiteren Serienbrief ankündigt.
Ein ARMUTSZEUGNIS
Warum nicht eine Umbeorderung erfolgt, ist erklärungsbedürftig, unterstellt, dass die Betroffenen gebraucht werden. In der zivilen Wirtschaft wird jemand aus unterschiedlichen Gründen entlassen z.B. weil der Arbeitsplatz wegfällt. Sollten die Betroffenen allerdings gebraucht werden, erschließt sich entsprechend nicht, warum man auf sie verzichtet.
Der Aufbau des Operativen Führungskommandos wird seit über einem Jahr vorbereitet und umgesetzt. Da wäre genügend Zeit gewesen auch das Thema Reservisten konstruktiv zu berücksichtigen.
Es ist allgemeiner Konsens, dass wir Reservisten und zwar mehr als 150 für die Bundeswehr brauchen. Die Außenwirkung ist mal wieder keine Eigenwerbung, sondern das Gegenteil. Die Betroffenen werden zu Negativ-Multiplikatoren. Der Reservist auf dem Verschiebebahnhof der Kommandos und des BAPers. Ähnliches trifft möglicherweise auch Reservisten, die bisher DP’s bei den Landeskommandos haben etc.
Warum spricht man nicht vorher mit den Reservisten und macht gemeinsam einen Entwicklungsplan? Wofür haben wir eigentlich Personalführer?
Macht nur so weiter…. Wer war doch gleich für Reservistenangelegenheiten zuständig ? Ach ja, der ist grade in den Ruhestand geschickt worden wegen diverser Problemchen…
[Offiziell bisher nicht, oder habe ich was übersehen? T.W.]
Ob Reserve oder aktiv, ich bekomme immer wieder Situationen mit, in denen Soldatinnen und Soldaten durch selbstgeschaffene Lücken aus dem System fallen. So wurde ein Kamerad, der sich in einer Einsatzverwendung befand, vor seiner Rückkehr eröffnet, dass sein Dienstposten im Rahmen einer Umstrukturierung wegfällt, ein Alternativposten aber schon nachbesetzt sei. Man müsse jetzt mal schauen, wo man ihn unterbringen könne (sowohl organistatorisch als auch räumlich – der Arbeitsplatz war schon neu vergeben worden).
Es betrübt mich immer zu sehen, wie hier mit Kameradinnen und Kameraden umgegangen wird und hat auch handfeste Nachteile: Wem vermittelt wird, nicht mehr als eine Zeile in einer Exceltabelle zu sein, wird draußen wohl kaum Positives von der Truppe berichten. Und wer einmal so behandelt wird wie die RDL aus dem obenstehenden Beispiel, wird wohl einen massiven Vertrauensverlust in den Dienstherrn erfahren.
Herzlichen Dank für Ihren Artikel, Herr Wiegold. Sehr treffend. Mit besten Grüßen.
Unfassbar, wie hier mit engagierten und dringend benötigten Reservisten umgegangen wird. Gibt es keine Beschwerdestelle, an die man sich wenden kann? Kann Herr Wiegold das Problem vielleicht auf einer Pressekonferenz ansprechen? Falls nicht noch kurzfristig eine Lösung erfolgt, ist dies auf jeden Fall eine Eingabe an den Wehrbeauftragten wert.
Das Ergebnis einer analytischen Betrachtung der Personalführung der Reserve muss sein: „In Auflösung begriffen“ oder „zerschlagen“ wenn nicht gar „vernichtet“. Da klappt derzeit fast nichts mehr und erfahrene und verdiente Reservisten werden rausgeworfen, weil „das System“ völlig überfordert ist. Eigentlich müsste der VtgA umgehend einen Unterausschuss „Zukunft der Reserve der Bundeswehr“ einsetzen und sein parlamentarisches Kontrollrecht durch etliche öffentliche (mit Generalität) und nichtöffentliche Anhörungen (mit Betroffenen und Fachleuten) straff durchziehen. Nur so kann man die Generalität ins Schwitzen bringen. Vor etlichen Jahren habe ich einem solchen Unterausschuss zwei Jahre lang zugearbeitet und war sehr beeindruckt, wie offen junge Truppenoffiziere und sogar Wehrpflichtige mit den Parlamentariern gesprochen haben.
@T.W.: Guten Urlaub und verdiente Erholung!
@T.W laut businessinsider bereits geschehen
@ Christian Bühring 20.05.2025 um 16:02 Uhr:
Ich würde vermuten, daß die Aufgabenabgrenzung des neuen OpFüKdo zu seinen Vorgängerorganisationen und den nun für die truppendienstlichen Führung der IKM-Einsätze verantwortlichen TSK und Organisationsbereichen die Ausplanung der Dienstposten weder seit über einem Jahr vorbereitet und umgesetzt wird. Bei Herausgabe des Osnabrücker Erlasses lag sicherlich nicht die Umsetzungsweisung des GI für den nachgeordneten Bereich noch entsprechende Personallisten in der Schublade eines BMVg-Schreibtisches. Eher hat man hier im Schweinsgalopp im Winter 24/25 Dinge ausplanen müssen. Und dabei sind dann die Resis des EinsFüKdo als Kollateralschaden wohl unter die Räder geraten.
Man kann sich jetzt gegenseitig die Verantwortung zuschieben, ob und wer, das BMVg, das seelige EinsFüKdo, das neue OpFüKdo oder die TSKs, die mit Übernahme der Aufgaben EFK ja ein vitales Interesse an der Übernahme von Fachexpertise haben sollten, hier ihre Hausaufgaben nicht oder nicht schnell genug gemacht haben… Hilft halt den Betroffenen erstmal nicht weiter und steigert auch nicht deren Vertrauen in den Dienstherren…
Das folgt einer gewissen Systematik. Älteres „Bestandspersonal“, um das man sich nicht mehr „kümmern“ muss wird mehr oder weniger wie Eigentum behandelt.
„Der Mensch im Zentrum“ ist ein Wunschtraum. Innere Führung 2025. Und da wundert sich die Führung, dass das Personal resigniert und innerlich kündigt.
Dysfunktionale Strukturen reformiert man, in dem man sie abräumt und neu aufsetzt. An die Stelle des Verteidigungsbeamten, der ohne mitzudenken seine Aufgaben verwaltet, muss wieder Soldat treten, der mit ganzem Einsatz bei jeder Aufgabe, die sich ihm stellt, seinem Land dient.
Das wird sich wohl alles aufklären lassen, und im Einzelfall einer einvernehmlichen Lösung zugeführt. Hoffe ich zumindest. Ob es allerdings der Weisheit letzter Schluss ist, nach Interesse und Neigung Dienstposten mit ReservistInnen zu spiegeln, wo dann oft nach Einzelvereinbarung mehr oder weniger regelmäßig, mehr oder weniger häufig, zusammenhangslos aktiv gedient wird: Das generiert gerade auf der Ebene Operatives Führungskommando doch keinen Mehrwert in Sachen Kriegstüchtigkeit! Das sind auch keine Kader, die für den Mobilisierungsfall in Übung gehalten werden, um dann entweder den gespiegelten Dienstposteninhabenden zu entsetzen, weil dieser dann Truppenteile führen muss, oder damit der/die Betreffende selber für eine nur im Fall der Fälle „scharfgemachte“ Funktion qualifiziert zur Verfügung steht. Insofern stimme ich der Einschätzung zu, dass es DIE Reserve in der Guttenberg/De Maizière/von der Leyen-Bundeswehr nicht gibt, und diese Bundeswehr sind wir ja in den Grundzügen weiterhin. Der hier beschriebene Vorgang sieht eher nach Folgendem aus: Wir trennen uns im Rahmen der Stabsfusion zur Reduktion von Komplexität und Koordinierungsaufwand von den Resi-Aushilfskräften, Ausnahmen bestätigen die Regel, jetzt wird ein Cut gesetzt. Da wohl niemand in der Streitkräfte-Gesamtschau bewertet, wo nun ohne Beorderung dastehende ReservistInnen mit ihrer jeweiligen Qualifikation und Erfahrung hinpassen würden, ist Schwund vorprogrammiert: Leute bleiben weg, Kompetenzen atrophieren. Es zerfasert alles in Einzelfälle der Individualschicksale. Wen interessiert‘s?
Das ist ein schlechter Scherz. Oder?
Bitte, bitte, sagt mir, dass das ein Scherz ist.
Ich habe genau nachgeschaut. Der 1. April war schon.
Das ist kein Scherz. Nicht war. Im VM ist man tasächlich so unfähig.
Langsam komme ich auch zu dem Schluss, dass Boris P. auch nicht wirklich eine Ahnung davon hat, was er da tut, bzw. was seine Leute so tun.
Warum sollen die Steuerzahler weiter Geld in die Verteidigung pumpen, wenn dessen Vertreter offenbar gar kein Interesse daran haben, die Situation der Bundeswehr zu verbessern?
Gut so, wir brauchen eine schlagkräftige Reserve mit Boots on the ground und keine beorderten Stabsoffiziere. Davon hat die aktive Truppe schon weit mehr als genug.
Als Reservist hat man viele Geschichten zu erzählen, Geschichten wie diese und andere. das Hauptproblem ist, dass immer Menschen über Menschen entscheiden die sie niemals gesehen haben. Und die Vorschrift als solches ist ein Schwert dass über jeden Soldaten aktiv/Reserve schwebt. Manchmal fragt man sich selbst weshalb man sich das eigentlich antut.
Wenn man sich dieses „operative „Kommando mit ca. 1400 Dienstposten, dabei allein 107 Dienstposten in der Personalabteilung unter Führung eines Abteilungsleiters aus dem Kompetenzbereich Führung und Einsatz ( zwingende Bedarfsträgerforderung gem. SollOrg und umgesetzt von „P“ , nicht Personalmanagenment, wie man im Personalwesen eigentlich erwartet hätte) anschaut wundert einen gar nichts. Nasenauswahl offensichtlich, fachfremd und unausgebildet braucht man sich nicht zu wundern das so mit den Reservisten, aber auch mit aktivem Personal, umgegangen wird. Territoriale Experten versuchen sich auf operativem Terrain. Der erste Dienstsitz Berlin,welcher einen Shuttlebus erfordert um operative Dinge in geschützten Räumen in Schwielowsee durchzuführen ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. Wo früher ein Soldat ausgereicht hat braucht man zukünftig vier aus den Dimmensionen,um für dieses Monsterkommando belastbare Ergebnise zu bekommen. Respekt. Das nennt man dann kriegstüchtig? Im Vergleich mit anderen Nationen und kleineren,verlegbaren Stabsabteilungen kann einem der BefH des OpFüKdo’s eher leid tun, führt er hier doch eher einen riesengroßen statischen Stab mit ganz ganzvielen Stabsoffizieren.
Es hat sich nichts geändert! Der engagierte Reservist ist so oder so der dumme. In nahezu 3800 Wehruebungstagen, davon allein 1380 im Auslandseinsatz, kann ich ein Lied davon singen.
Und dann will man mehr “ Freiwillige“ für den Dienst in der Truppe gewinnen. Wovon träumt die Führung nachts?
@all
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Ich bitte um Verständnis.