Dokumentation: Keine Auflagen für ukrainischen Einsatz von Waffen aus Deutschland

Die Ukraine kann aus Sicht der Bundesregierung die aus Deutschland gelieferten Waffensysteme ohne Auflagen einsetzen, so lange dabei das Völkerrecht beachtet wird – offensichtlich auch für den aktuellen Vorstoß auf russisches Territorium. Das machte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin deutlich. Im Zuge des ukrainischen Vorstoßes hatte es Bilder vom Einsatz von Marder-Schützenpanzern und Lkw aus deutscher Produktion gegeben.

Zur Dokumentation die Aussagen in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Montag – nachdem der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner zunächst klare Angaben vermied, kamen die dann vom stellvertretenden Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Arne Collatz:

Frage: Herr Büchner, es geht um das Thema Ukraine. Wie bewertet die Bundesregierung die Rechtmäßigkeit, aber auch das Eskalationspotenzial des ukrainischen Vorstoßes auf russisches Staatsgebiet?

Büchner: Wie wir alle mitbekommen und wie Sie auch wissen, ist die militärische Lage vor Ort noch sehr im Fluss. Es gibt widersprüchliche und manchmal auch absichtlich verfälschte Informationen über die offenbar sehr geheim und ohne Rückkopplung vorbereitete Operation. Alles sieht bisher nach einem räumlich begrenzten Einsatz aus. Es wäre deswegen unklug, sich jetzt auf dieser Grundlage öffentlich zu äußern und vom grünen Tisch aus die aktuelle militärische Entwicklung zu kommentieren oder zu bewerten. Das gilt auch für den Einsatz spezifischer Waffensysteme. All dies wird in einen intensiven Austausch einfließen, den wir mit unseren engsten Partnern und der Regierung in Kyjiw haben.

Zusatzfrage: Sie haben also keine Information darüber, ob deutsche Waffen, zum Beispiel Marder-Panzer, eingesetzt worden sind? Inwiefern wäre die Ukraine darin frei, deutsche Waffensysteme auf russischem Staatsgebiet einzusetzen?

Büchner: Ich habe mich jetzt zu dem Thema ganz bewusst so zurückhaltend eingelassen, wie ich es gerade getan habe.

Frage: Herr Büchner, hat die Ukraine in der letzten Zeit die Bundesregierung gefragt, ob sie deutsche Waffen außerhalb der unmittelbaren Grenzregion ‑ wie es ja im Mai hieß ‑ bei Charkiw einsetzen darf?

Büchner: Ich habe Ihnen ja gerade vorgetragen, dass es bei dieser Operation offenbar um eine sehr geheim und ohne Rückkopplung vorbereitete Operation ging. Darüber hinaus möchte ich hier über detaillierte Abstimmungen und Gespräche nichts sagen.

Zusatzfrage: Was heißt „Rückkopplung“?

Büchner: Das heißt Rückkopplung.

Zusatzfrage: Das heißt, die Ukraine hat die Bundesregierung gar nicht darüber informiert, was sie vorhat?

Büchner: Das heißt das, was ich gerade vorgetragen habe. Diese Operation ist offenbar geheim und ohne Rückkopplung vorbereitet worden.

Frage: Herr Büchner, wie kommentieren Sie die Aussage des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der unter anderem gesagt hat, dieser Vorstoß sei geeignet, um Druck auf den Aggressor aufzubauen? Ist solch ein Vorstoß auch aus Sicht der Bundesregierung die richtige Maßnahme zu diesem Zeitpunkt?

Büchner: Auch das möchte ich jetzt nicht kommentieren, sondern einfach noch einmal darauf verweisen, dass wir einen intensiven Austausch mit unseren internationalen Partnern haben, vor allem natürlich mit den USA und unseren engsten Partnern in Europa, und auch einen Austausch mit der Regierung in Kyjiw.

Frage: Herr Büchner, ich versuche es noch einmal: Inwieweit ist dieser Vorstoß der Ukraine aus Sicht der Bundesregierung vom Völkerrecht gedeckt?

Büchner: Es tut mir leid, aber mehr als das, was ich zu diesem Thema heute hier gesagt habe, kann ich nicht beitragen.

Frage: An Herrn Collatz: Ich weiß, dass Sie mir die Frage, wie Sie im Verteidigungsministerium diese Operation bewerten, wahrscheinlich nicht beantworten werden, aber ist das generell ein Thema im Verteidigungsministerium?

Collatz: Unser Austausch mit unseren ukrainischen Freunden ist eng und vertrauensvoll, und das gilt für alle Unterstützungsmaßnahmen, die wir geleistet haben und noch leisten werden. Außer Frage steht für uns die Frage nach der Rechtmäßigkeit; die ist hinlänglich auch durch viele Rechtsexperten beantwortet. Das Völkerrecht sieht das so vor, dass sich ein verteidigender Staat auch auf dem Gebiet des Angreifers wehren darf. Das ist auch aus unserer Sicht eindeutig, und es gibt keine darüber hinausgehenden Auflagen für die Nutzung von Waffen ‑ zumindest was Abgaben aus dem Bestand der Bundeswehr angeht ‑, die dort erteilt worden sind oder die zu beachten wären. Da gibt es keinerlei Hindernisse und da ist die Ukraine frei in der Wahl ihrer Möglichkeiten. Das Einzige, worauf wir achten, ist, dass die Ukraine zusagt, dass sie Waffen nur im Rahmen des Völkerrechts einsetzt, und das ist gegeben.

Zusatzfrage: Herr Collatz, heißt das, dass deutsche Waffen auch dann eingesetzt werden dürfen, wenn es nicht um ein Aufmarschgebiet an der Grenze zu der Ukraine auf russischen Territorien geht, sondern um einen Vorstoß ‑ ich fantasiere einmal ‑ in Richtung Moskau?

Collatz: Das sind ukrainische Waffen.

Frage: Nur eine kurze Nachfrage, Herr Collatz: Deutschland hat unter anderem 58 Leopardpanzer, glaube ich, in die Ukraine geliefert. Könnten diese Panzer seitens der Ukraine eingesetzt werden, um auf russisches Gebiet vorzudringen?

Collatz: Es gibt verschiedenste Lieferungen von Leopardpanzern, wie Sie es nennen, also von Panzern vom Typ Leopard 1 und 2 in unterschiedlichsten Konfigurationen. Ich glaube, die Zahl ist auch nicht ganz korrekt. Schauen Sie bitte in die aktuelle Liste hinein.
Ansonsten gilt das, was ich eben gesagt habe: Wenn Waffen aus Deutschland der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, dann sichert uns die Ukraine zu, diese im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen, und weitere Auflagen gibt es nicht.
Eine politische Frage ist immer noch damit verbunden, weitreichende Waffen einzusetzen, aber das ist ja hier außer Frage.