Die Grobstruktur steht

In vielen Details mag es für die Kundigen keine allzu große Überraschung sein, aber es ist ein Meilenstein auf dem Weg zum Umbau der Bundeswehr: Die Grobstruktur der künftigen Truppe steht. Jedenfalls in den Bereichen, die für die nächste große – und von mehr Menschen mit mehr Spannung erwartete – Entscheidung von Bedeutung sind: Für die Festlegung der künftigen Standorte. So weit ist es noch nicht, diese Entscheidung will Verteidigungsminister Thomas de Maizière am 26. Oktober bekannt geben. Aber was die Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf und Generalinspekteur Volker Wieker jetzt verkündet haben, ist die entscheidende Vor-Festlegung. Um es mit Beemelmans‘ Worten zu sagen: Wir sind jetzt am Basislager, die Spitze steht klar vor Augen.

Von den jetzt verkündeten Ausgangspunkten, der Grobstruktur, ist vor allem  Größe, Zusammensetzung und Gliederung der Teilstreitkräfte (TSK) und Organisationsbereiche von Interesse. Die Zahlen und Organigramme kursierten teilweise schon, jetzt sind sie aber mehr oder weniger fix (mit dem Vorbehalt, wie Wolf sagte, dass der Minister im Hinblick auf die Stationierung auch Eingriffe in diese Strukturplanung machen könne).

Zunächst also die Zahlen – ausgehend von einem Streitkräfteumfang, wie bekannt, von bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten einschließlich 2.500 Reservisten. Die sich zusammensetzen, auch das ist bekannt, aus bis zu 170.000 Zeit- und Berufssoldaten (SaZ/BS), 5.000 Freiwillig Wehrdienstleistenden (in den Tabellen als FWD fix bezeichnet) und möglicherweise 10.000 weiteren Freiwillig Wehrdienstleistenden (FWD flex).

Runtergebrochen auf die TSK und Organisationsbereiche:

Heer: 55.320 BS/Saz, 2.250 FWD fix = 57.570; ggf. 3.750 FWD flex, 1.740 zivile Dienstposten

Luftwaffe: 22.050 BS/SaZ, 500 FWD fix = 22.550; ggf. 450 FWD flex, 3.980 ziv. DP

Marine: 12.550 BS/SaZ, 500 FWD fix = 13.050; ggf. 800 FWD flex, 1.670 ziv. DP

Sanitätsdienst: 14.120 BS/SaZ, 500 FWD fix =14.620; ggf. 500 FWD flex, 2.700 ziv. DP

Streitkräftebasis: 35.500 BS/SaZ, 1.250 FWD fix = 36.750; ggf. 2.000 FWD flex, 8.610 ziv. DP

Ausbildungsumfang + OrgBereiche wie Personal, Infrastruktur, Rüstung, IT: 30.460 BS/SaZ

unterm Strich: 144.540 Soldatinnen und Soldaten in der eigentlichen Truppe; rund 25.000 auf Ausbildungsstellen, gut 5.000 in anderen Bereichen und stehen in dieser Zeit für Einsätze nicht zur Verfügung.

Zusammen mit dieser Zuordnung der Soldaten auf die TSK und OrgBereiche wurde auch die Zuordnung von Fähigkeiten festgelegt – auch hier keine große Überraschung (auch wenn manche in einigen Punkten vielleicht bis zuletzt gehofft haben, dass es anders kommt):

– Die Hubschrauber CH53 mit ihrem taktischen/operativen Lufttransport gehen vom Heer zur Luftwaffe; der taktische Lufttransport mit NH90 wrd beim Heer konzentriert

– Das Heer bekommt die Counter-IED und die Kampfmittelbeseitigung

– Die Luftwaffe ist zuständig für die bodengebundene Luftverteidigung und Flugabwehr

– Die ABC-Abwehr wird der Streitkräftebasis zugeordnet

– Die Weitverkehrsanteile der Führungsunterstützung übernimmt ebenfalls die Streitkräftebasis, ebenso die zusammengefasste Militärmusik.

Und die geplante Gliederung, die beliebten Kästchen:

 

 

Aus dem Vergleich dieser Gliederungen, meinte Staatssekretär Wolf lächelnd, könne vielleicht ein Kundiger schon mal ableiten, was das für die künftige Stationierung bedeute – aber sicher sein, dass es so komme, könne er natürlich nicht. (Und ehe jemand fragt: wo künftig die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte sitzen, ist Teil der Stationierungs- und nicht der Strukturentscheidung. Ich habe nämlich gefragt.)

Der Generalinspekteur wehrte sich übrigens dagegen, in den neuen Zahlen nur die Schrumpfung der klassischen Teilstreitkräfte zu sehen – im Gegenteil, die Deutschen, sagte er, nähmen es viel zu genau. Denn auch künftig werde es rund 100.000 Heeresuniformträger geben, davon rund 60.000 im Heer, 25.000 in der Streitkräftebasis und 15.000 in Ausbildungsstellen. Verbündete Länder würden so was ganz anders verkaufen: The strength of the army exceeds 100k. Und wer Aufgaben von Soldaten auf zivile Mitarbeiter verlagere, müsse auch die Verlagerung von Dienstposten akzeptieren..

Vor allem aber, betonte der Vier-Sterne-General, gebe es auch in der kleineren Bundeswehr keinen qualitativen Fähigkeitsverzicht gegenüber den bisherigen Strukturen. Allerdings gehe Breite vor Tiefe.

Neben der Grobstruktur der Truppe sind auch weitere Bereiche schon weitgehend festgelegt – unter anderem das Projekt Rüstung, Nutzung, IT. Da würden alle beteiligt, sagte Staatssekretär Beemelmans, die ein Interesse an dem Ergebnis haben – Planer, Rüster und Nutzer. Ein neues Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung als neue Bundesoberbehörde der Wehrverwaltung mit eigenem Geschäftsbereich und – nach derzeitiger Planung – rund 9.450 zivilen und militärischen Dienstposten soll künftig die Verantwortung für die ganzen Projekte für Ausstattung und Ausrüstung von Streikträften und Wehrverwaltung bündeln. Das Organigramm:

Da ich weiß, dass gerade dieser Punkt einige meiner Leser interessiert, ein Auszug aus der Beschreibung:

Ziel des Projektauftrags „Rüstung, Nutzung, IT“ ist ein neues, effizientes und einheitliches Ausrüstungs-, Beschaffungs- und Nutzungsmanagement (einschließlich IT und Bekleidung). Auf Basis neu konzipierter Prozesse wurde die Grobstruktur einer neuen Organisation entwickelt, in der Aufgaben der Rüstung und der Nutzung zusammengeführt werden. Der Dienstpostenumfang beläuft sich nach heutiger Planung auf rd. 9.450 zivile und militärische Dienstposten. Im Rahmen der anstehenden Feinausplanung kann sich dieser Umfang durch die erforderliche Konkretisierung von Schnittstellen zwischen den Organisationsbereichen und damit verbundene Aufgabenverlagerungen noch geringfügig verändern.

Beschreibung der Grobstruktur

Der künftige Organisationsbereich besteht aus einer dem BMVg unterstellten neuen Bundesoberbehörde der Wehrverwaltung mit eigenem Geschäftsbereich. Das beigefügte Organigramm gibt eine Darstellung der Grobplanung des neuen „Bundesamtes für Ausrüstung und Nutzung“ und seiner Dienststellen. Das Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung und seine Dienststellen sind zentraler Dienstleister für Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung. Sie nehmen durchgängig die Verantwortung von der Lösungserarbeitung und Realisierung über die Nutzung bis hin zur Verwertung wahr. Hierzu realisiert es Projekte zur Ausstattung und Ausrüstung der Streitkräfte und der Wehrverwaltung mit Produkten und – nicht liegenschaftsbezogenen – Dienstleistungen. In der Nutzungsphase übernimmt es die „Materialverantwortung für die Einsatzreife“.
Die Struktur des Bundesamtes für Ausrüstung und Nutzung orientiert sich an seinem komplexen Aufgabenspektrum. Dieses stellt die notwendige enge Verzahnung der Aufgaben des Projektmanagements und des Nutzungsmanagements, verbunden mit querschnittlichen Unterstützungsaufgaben, in gemischt zivil-militärischen Strukturen sicher. Unterhalb der Leitung gibt es sechs Abteilungen, in denen jeweils verwandte Geschäftsfelder zusammengefasst sind. Sie nehmen Aufgaben des Projekt- und Nutzungsmanagements wahr (Abteilungen: Land-Kampf, Land-Unterstützung, Luft, See, Informationstechnik, Informationstechnik -Unterstützung). Dem Leiter Projektbereich obliegen die abteilungsübergreifende Projektkoordination, strategische sowie einsatzbezogene Aufgaben. Drei Abteilungen sind zuständig für zentrale administra-tive, querschnittlich technisch-logistische und querschnittlich technisch-wirtschaftliche Aufgaben (Abteilungen: Einkauf, Qualität/Logistik, Zentrale Angelegenheiten). Weitere spezifische Fachaufgaben sind temporär ausgebrachten Organisationseinheiten zugewiesen: Wesentlicher Aufgabenschwerpunkt der „Sonderorganisation HERKULES“ ist die Steuerung des bundeswehrseitigen Auftraggebermanagements HERKULES. Aufgabe der „Sonderorganisation Realisierung SASPF“ ist die Realisierung und die Unterstützung der Einführung einer Standard-Anwendungs-Software- Produktfamilie (SASPF).

Unterstützt wird das Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung durch Wehrtechnische und Wehrwissenschaftliche Dienststellen sowie dem Zentrum für Informationstechnik der Bundeswehr (IT-ZentrumBw). Diese erledigen ihre Fachaufgaben entweder eigenständig oder in Zuarbeit zum Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung im Bereich des Projekt- und Nutzungsmanagements. Als weitere Dienststelle im nachgeordneten Bereich stellt das Marinearsenal Wartungs- und Instandsetzungsleistungen für die Marine sicher. Eine Verbindungsstelle in Reston/USA vertritt die wehrtechnischen
und rüstungswirtschaftlichen Belange gegenüber amerikanischen und kanadischen Stellen des Amts- und Industriebereichs.

Was die Rüstungsplanung, die Beschaffung und letztendlich die Ausstattung der Truppe mit Großgerät angeht, gibt es zwar damit eine neue Struktur, aber in vielen Bereichen noch keine Klarheit. Weil ein Großteil des Investitionshaushalts bereits durch langfristige Beschaffungsverträge gebunden ist. Da wird entscheidend sein, wie die geplanten Gespräche des Ministers mit der Industrie verlaufen.

Und es gilt auch, was der Generalinspekteur betonte: Die Einheiten werden künftig nicht zwingend schon in der Heimat mit dem Gerät ausgerüstet sein, dass sie auch im Einsatz brauchen – vor allem geschützte Fahrzeuge. Für den Level of Ambition, das Ziel, bis zu 10.000 Soldaten durchhaltefähig in zwei größere Operationen zu schicken, werde es eine Ausstattung zu 100 Prozent geben müssen; für die vorbereitende Ausbildung 80 Prozent – aber nicht für den Normalbetrieb. Eine Ausnahme seien dabei natürlich die Schnellen Eingreifkräfte, die in der Regel mit ihrem Material in einem Einsatz verlegten. Und bei Kampfpanzern könne man ebenfalls die Ausbildung nicht auf die Einsatzvorbereitung verengen.

Eine weitere neue Behörde wird das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (wenn wirklich Interesse besteht, reiche ich das Organigramm gerne nach…). Zum Bereich der Infrastruktur gehört auch die Überlegung, die Personalabrechnung und das Travel Management ins Bundesinnenministerium auszulagern – nach den Worten von Beemelmans keine grundsätzlich problematische Entscheidung (Die Bundesländer haben längst für alle Ministerien eine zentrale Abrechnung), endgültig entschieden ist das aber noch nicht.

Auch im Personalmanagement und der Nachwuchsgewinnung wird die Struktur neu gefasst, unter anderem mit einem Organisationsbereich Personal und einer einheitlichen Organisation zur Personalgewinnung – um Schluss zu machen mit dem Nebeneinander von Kreiswehrersatzämtern (aus den Zeiten der Wehrpflicht) und der bislang davon getrennten Nachwuchsgewinnung.

Zu den hier nicht genannten Details der neuen Grobstruktur wird es sicherlich in den nächsten Tagen mehr geben – und bestimmt auch eine Diskussion. Ich glaube aber, für einen ersten Überblick reicht es… (auch wenn ich wahrscheinlich irgendwas Wichtiges vergessen habe).