Deutsch-britische Entwicklung für Langstreckenwaffen mit 2.000 km Reichweite vereinbart (2. Neufassung)
Zur Abschreckung Russlands haben Deutschland und Großbritannien die Entwicklung weit reichender Distanzwaffen mit einer Reichweite von mehr als 2.000 Kilometern vereinbart. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Kollege John Healey schlossen diese Vereinbarung als Teil einer europäischen Initiative zur Entwicklung dieser Waffensysteme. Darüber hinaus verständigten sich beide Länder auf konkrete Zusammenarbeit zum Beispiel beim Einsatz von Seefernaufklärern zur U-Boot-Jagd.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Deutschland und Großbritannien im so genannten Trinity House Agreement eine weitgehende Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich vereinbart. Auch der Plan, die Deep Precision Strikes mit der Reichweite von mehreren tausend Kilometern als europäische Abschreckungsfähigkeit zu entwickeln, war darin bereits angelegt. In der gemeinsamen Erklärung, die Pistorius und Healey bei ihrem Treffen am (heutigen) Donnerstag in Berlin abgaben, wird dieser Punkt gesondert erwähnt:
Through Trinity House, we agreed to start work on a new Deep Precision Strike Capability. For the first time, we can confirm that we will aim for this system to have a range of over 2,000km, and are jointly leading a programme of work within the European Long Range Strike Approach.
Der European Long Range Strike Approach (ELSA) ist eine gemeinsame Initiative von Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Großbritannien und Schweden, die damit diese Waffensysteme für Europa entwickeln und beschaffen wollen. Damit soll auch die Abhängigkeit von den USA und deren Waffensystemen verringert werden – im vergangenen Jahr hatte Deutschland kurz nach dem Abkommen mit den USA über eine Stationierung weit reichender Waffen in Deutschland diese Initiative gestartet.
Pistorius verwies bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Healey nach dem Treffen darauf, dass Deutschland und Großbritannien (KORREKTUR, nicht: Frankreich) die Entwicklung der Systeme für Deep Precision Strikes beginnen wollten, dieses Vorhaben aber für alle an ELSA beteiligten Nationen offenstehe. Zu dem Projekt gehörten auch Überlegungen, solche Waffensysteme sowohl land- als auch seegestützt zu entwickeln.
In der gemeinsamen Erklärung (s.u.) legten beide Minister unter anderem auch fest, dass Deutschland für seine Seefernaufklärer vom Typ Boeing P-8 Poseidon britische Torpedos kaufen wird. Großbritannien, das dieses Flugzeugmuster bereits fliegt, werde zudem die Deutsche Marine bei der Einführung unterstützen – und für den britischen Einsatz bei der Ostsee-Überwachungsmission Baltic Sentry die deutsche Marinefliegerbasis Nordholz als Zwischenstopp nutzen.
Die gemeinsame Erklärung gibt es hier und hier und als Sicherungskopie:
20250515_Trinity_House-Erklärung_Berlin
Zum Nachhören die Pressekonferenz der beiden Minister (Audio wurde vom BMVg zur Verfügung gestellt und enthält für Healeys Aussagen nur die Übersetzung):
(Foto: Pistorius, r., und Healey vor der Villa Borsig in Berlin – Tom Twardy/Bundeswehr)
Liest man das „Agreement“ wird absolut nichts Konkretes zur Art der „deep strike capabilitys“ genannt. Ausser der Reichweite über 2000 km.
Hat man aber im Hinterkopf das UK derzeit von den USA abhängig ist bei seinen U-Boot-gestützten (Atom)Raketen bekommt man eine wage Ahnung um was es gehen könnte…
Der Kreml wird (mal wieder) nicht begeistert sein..
Deutsche strategische Shortfalls sind unverändert:
– Strategische Luftverteidigung: Patriot, IRIS-T SLM, ARROW 4, von allen zu wenig
– Deep Strike Capability
Eine „Deep Precision Strike Capability“ im Anschluss an die Taurus-Reichweite stärkt EUROPÄISCHE Unabhängigkeit von U.S. assets, bedeutet zeitgleich mehr faire Lastenteilung mit den USA, könnte Trump entgegen kommen.
Es kann in FRA und GBR Überlegungen zu nuklearer Bestückung der künftigen Distanzwaffe geben? In einer Rolle als Zweitschlagswaffe kann der Gedanke verlockend sein, naturgemäß mit Akzeptanzproblemen für die deutsche Teilhabe.
– Softskills
Üblicherweise apostrophiert als Glaubwürdigkeit hinsichtlich von Wehr- und Verteidigungswille der Bevölkerung – ein weites Feld gesellschaftlicher Herausforderung -.
– Counter Force Targeting
„Counterforce Targeting“, dass auf die militärische Infrastruktur (und die Nuklearstreitkräfte) eines Gegners zielt und nicht auf dessen Städte. Ziel dieser Doktrin ist die Neutralisierung der strategischen militärischen Fähigkeiten des Feindes.
Ein System mit 2.000 km wirksame Reichweite wird auch in diesem Spektrum Ziele zugewiesen bekommen können.
Sehr gut – bitte schnell, und davon viel.
Das wäre dann für die Bundeswehr das erste System, dass Pershing 1 von anno dazumal in der Reichweite übertrifft. Und außerdem ideal auf europäische Bedürfnisse zugeschnitten. Für strategische Langdistanzen gibt es ja immerhin in Frankreich und bei Ariane bereits die State-of-the-Art Fähigkeiten der M51.
@ Apollo11
Die Briten waren die wohl treuesten Verbündeten im Verbund der 5-Eyes Staaten. Angesichts der von Ihnen treffend beschriebenen Abhängigkeit stehen die Briten, seit die 5-Eyes praktisch tot sind, noch nackter da als wir. Eigentlich hätte man in Downingstreet No. 10 gewarnt sein müssen.
Das ist das zweite mal, seit die USA nach WK II entschieden hatten die britischen Wissenschaftler vom US Atomwaffen-Entwicklungsprogramm auszu schließen, dass die USA den Briten die kalte Schulter zeigen.
Angesichts der Tatsache, dass die Briten praktisch jede selbstständige Forschung bei der Entwicklung von Raketensystemen eingestellt haben, frage ich mich, welchen Beitrag die Briten zu so einem gemeinsamen Projekt leisten wollen.
Was hilft ein brilliantes Waffensysthem, wenn die Entscheider sich aus der Melange von Russen-Ralle, Moskau-Mütze und anderen verblendeten SPDlern bestehen. Solange in Deutschland noch kein signifikanter Schaden entstanden ist steckt doch der deutsche Michel lieber weiterhin den Kopf in den Sand. Gebe zu sehr polemisch,. aber allein die gestrige Miersche Taurus-Krakeelerei bereitet mir nur noch Übelkeit.
@Azza
M51 – Modernisierung des französischen Atomwaffenarsenals, sechs Sprengköpfe mit einer interkontinentalen Reichweite: damit keine Ergänzung eines konventionellen Systems, zudem allein der FRA Präsident über den Einsatz entscheidet.
https://www.forum-sicherheitspolitik.org/showthread.php?tid=6177
@KPK – Unbestritten ist dass man in der Lage ist das System zu bauen, weiterzuentwickeln ind regelmäßig zum Test-Einsatz zu bringen. Meinetwegen könnte man aus M51-3 auch eine „Euro-Oreschnik“ mit konventionellen MIRV entwickeln, für Frankreich würde es mit mehr Stückzahl wohl eher billiger.
Hauptsache der Gegner versteht dass man es ernst meint mit der gegenseitigen Bedrohung.
Nochmal zu dieser sehr detailarmen Ankündigung:
Die französische M51 kostet lt. offenen Quellen irgendwi um 150 Mio. Euro bei einer Reichweite von vermutlich 8000+ km und einen Streukreisradius von 150 – 200 m.
Das ist weit oberhalb von sinnvoller konventioneller Bestückung.
Was D und UK da jetzt planen wird wohl eher auf einen Marschflugkörper hinauslaufen.
Wenn das neue Nav-System gut wird sollte es ähnlich zielgenau sein wie derzeit beim Taurus in den alten Hochglanzprospekten. Was realistisch beim Taurus wohl auch Experten heute anzweifeln… ein Nachfolger wäre sinnvoll. Der könnte dann auch britische Atomsprengköpfe tragen, zumindest in der UK-Version.
Ist aber natütlich alles Spekulation..
Mit der „Golden Horizon“ geht’s am schnellsten, ich meine- zack zack! Oder Lizens. 2000 km. „5M“, CEP: 3-5 m. (EO) programmierbare Flugbahn, etc, etc…Eine Entwicklung bis 2040, optimistisch… IMO. Schönes Wochenende, Schabbat Schalom!
Mal über den Tellerrand der Rüstungsbeschaffung hinaus gedacht die Hoffnung, dass die Nachbarn von der Themse lange genug an der frischen Luft waren. Zeit wieder in die warme Stube zu kommen.
Zu den Marschflugkörpern: Die Luftwaffe bekommt die JASSM-ER mit der F-35. Die Marine bekommt für die vorhandenen und bestellten VLS Tomahawks. Und das Heer bekommt LCMs(Land Cruise Missiles) samt Starten. Mit diesem Szenario lässt sich in wenigen Jahren eine Erstbefähigung Deutschlands jenseits der Taurus-Reichweite aufbauen. Diese Beschaffungen würde ich auch so lange kontinuierlich ausbauen bis die Neuentwicklungen zu den Deep Precision Strikes anfangen zuzulaufen.
Die P-8 Zusammenarbeit begrüße ich ausdrücklich. Perfekt wäre es wenn auch Norwegen gleich trilateral mit eingebunden würde. Das sind die drei europäischen Betreiber. Das wäre nicht nur sehr effizient sondern auch ein starkes Zeichen. Neben den britischen Torpedos würde ich auch gerne die JSMs an den Poseidons sehen.
@ Nachhaltig und F-35 Enthusiasten
> Zu den Marschflugkörpern: Die Luftwaffe bekommt die JASSM-ER mit der F-35.
Die F-35 hat nur ein einziges Triebwerk. Fällt dieses aus, ist die Maschine verloren, und über feindlichem Gebiet in aller Regel auch der Pilot. Da Triebwerke von Luftfahrzeugen immer wieder mal ausfallen, sind zwei Triebwerke kein Luxus, und schon gar nicht über Wasser und bei militärischen Lfz. Piloten reißen sich in aller Regel nicht darum, mit single-engine fliegen zu müssen, denn sie kennen dieses Risiko. Diese weitgehend in der Diskussion unbeachtete Achillesferse hat die F-35, und deswegen macht es außerordentlich viel Sinn dieses Kampfflugzeug mit sehr(!) weitreichenden Marschflugkörpern zu bestücken, um Risiken zu minimieren.
Bleibt zu bemerken, dass das Risiko eines Triebwerksausfalls von single-engine Lfz über Heimatgrund nicht nur zum Totalverlust des überaus teuren Geräts führt, sondern auch (Personen)-Schaden am Boden verursachen kann.
[Nee, „Topgun“, haha, wir lassen jetzt nicht das Thema Deep Precision Strike zur Debatte über single engine Flugzeuge verbiegen. T.W.]
Anhand des Partners würde ich mal meinen das wird ein Marschflugkörper.
Wir könnten auch den Taurus in einer XL oder XXL Variante entwickeln und damit auf sehr hohe Reichweiten kommen. Aber der Taurus wird halt seit über 20 Jahren sehr stiefmütterlich behandelt.
@Schlammstapfer
Großbritannien produziert immer noch fast alle Typen von Lenkflugkörpern und forscht an Antriebskonzepten der Zukunft. Nur bei ballistischen Raketensystemen ist die Luft raus.
@Nachhaltig
Tomahawk muss man erstmal bestellen und dann darf man warten.
Lange warten.
Die US Industrie skaliert teilweise extrem schlecht seit 2022.
Alternative wäre die NCM von MBDA aber…
Macron regt sich auch gerne darüber auf das die französische Industrie nicht in die Gänge kommt.
Egal was man nun bestellt, fast alles braucht ewig bis es mal geliefert wird.
Rheinmetall plant deshalb eine Flugkörperproduktion mit Lockheed in Deutschland aufzubauen, für insgesamt etwa 10.000 Einheiten pro Jahr.
10k… pro Jahr… bei 5Mrd Euro Umsatz…
„Man könne als Beispiel die Flugkörper ATACMS, GMLRS, Hellfire, JAGM sowie PAC-3 gemeinsam herstellen.“
Rheinmetall will auch die gesamte ATACMS Fertigungslinie aus den USA kaufen und in Deutschland wieder aufbauen.
Hieße also Artillerieraketen mit knapp 300km Reichweite von Lockheed kämen aus Deutschland.
Neben den vintage GEM-T, die MBDA für Patriot herstellen wird, würden wir dann eventuell auch PAC-3/PAC-3 MSE herstellen. Und die will Lockheed ja auch im MK41 VLS und im AEGIS integrieren. Wir könnten damit also eventuell die SM-2 bei der Marine ablösen. PAC-3 soll im Viererbündel in das VLS passen, die MSE Variante als einzelener Flugkörper. Laut Lockheed werden aktuell keine PAC-3 mehr gefertigt. Wenn dafür noch Anlagen in den USA stehen, könnte es sein das diese auch nach Deutschland wandern.
Es würde mich nicht wundern, wenn man da auch irgendwann die JASSM-ER Produktion für den europäischen Markt starten möchte.
Lockheed hatte auch einen Lenkbombensatz namens Paragon entwickelt, der günstiger in der Produktion sein soll als die JDAM von Boeing, aber niemand wollte ihn kaufen. Da könnte sich eine Restverwertung anbieten.
Die Frage ist halt, wie frei kann man die hierzulande produzierten Systeme exportieren und einsetzen?
Rheinmetall sagt, dass man auch gemeinse Entwicklungasarbeit leisten will, womit dann deutsche IP generiert wird.
Und auch wenn nichts davon in die 2000km Richtung geht, es passiert gerade sehr viel und das teilweise schneller als man denkt.
Es gibt halt keine 2000km Waffen, die man einfach in Lizenz bauen könnte.
Was so weit fliegt ist in der Regel nuklear bestückt oder ist so wichtig für die strategische Abwehr, das es niemand rausrückt.
Beispielsweise die südkoreanischen Hyunmoo-3D als Marschflugkörper und Hyunmoo-5 als ballistische Raketen.
Zu dem Thema deutsche Langstreckenwaffen hier noch ein überaus interessanter „Blick hinter die Kulissen“ von MBDA Deutschland:
https://www.youtube.com/watch?v=uae1nTum4OE