Unbestätigt: 395.000 Bundeswehr-Personalstärke als NATO-Vorgabe?
Es hat unter den Leser:innen hier schon Aufmerksamkeit ausgelöst, deshalb erstmal nur als – unbestätigter – Hinweis: Die NATO-Vorgaben, die auf dem Gipfel der Allianz im Juni in Den Haag festgezurrt werden sollen, sehen angeblich eine Personalstärke von 395.000 für die Bundeswehr vor, wie das Fachjournal CPM Defence Network berichtet.
Aus dem Bericht auf der Webseite, der das Datum vom (gestrigen) Karfreitag trägt:
Im Juni ist es so weit, die neuen Verteidigungsplanungen der NATO werden vorgelegt. Wie CPM Defence Network aus gut informierten militärischen Kreisen erfahren konnte, wird die Forderung der Allianz an Deutschland bei 395.000 Soldaten liegen.(…)
Für Deutschland hält diese Zukunft allerdings eine Bundeswehr in der Stärke von mindestens 395.000 Soldaten bereit, denn so viele gilt es einzumelden, um die Bündnispflicht zu erfüllen, wie CPM Defence Network erfahren konnte.
Für diese Zahl gibt es bislang keine weitere Quelle, und sie unterscheidet sich stark von den bisher genannten. So war bislang als Folge der NATO-Forderungen ein möglicher Aufwuchs auf rund 250.000 bis 270.000 aktive Soldaten und Soldatinnen kolportiert worden, schon das ein Kraftakt im Vergleich zur aktuellen Personalstärke. Von Generalinspekteur Carsten Breuer war zudem eine Zahl von 460.000 genannt worden, die allerdings eine – deutlich aufgestockte – Reserve einschließen soll.
Zudem wären 395.000 militärische Angehörige der Bundeswehr eine praktische Aufkündigung des Zwei-plus-Vier-Vertrags, der eine Obergrenze von 370.000 vorsieht. Schon das weckt Zweifel an der genannten Zahl. Mal sehen, ob/was dazu noch kommt.
@Metallkopf: Einspruch. Wenn Sie eine Wehrpflicht umsetzen und möglichst wenig Verweigerer haben wollen, dann müssen Sie einen Dienst anbieten und umsetzen, der den Charakter „gleichberechtigt“ erfüllt. Mich interessiert dies sehr wohl – Eichenblatt hat es diesbezüglich schon sehr treffend geschrieben.
Wenn bei der Generation Z und der Generation alpha, denen seit zwei Jahrzehnten eingetrichtert wird, dass M/W/D gleichberechtigt sind (Was sie auch sein sollen!), das Gefühl hochkommt, dass der Staat sie eben *nicht* gleich behandelt da nicht in der Lage, die Gesetzeslage von Anno Tobacco auf heute anzupassen, dann sind hohe Verweigerungszahlen vorprogrammiert. Und damit werden eben auch aktiv die handelnden Parteien hinterfragt, wie ernst sie es tatsächlich mit der Gleichberechtigung und Gleichheit (immerhin Artikel 3, Absatz 2 im Grundgesetz, erster Satz… ). Öffnet extremistischeren Ansichten und Parteien Tür und Tor.
Aus meiner Sicht führt kein Weg an einem für alle verpflichtenden Dienstjahr entlang. Alle oder keiner. Schwedisches Modell um die Bundeswehr auf die notwendige Stärke aufzufüllen, alle die dort nicht zum Einsatz kommen, sind im zivilen Bereich verpflichtet. Und solange sich die Politik nicht auf eine solche Diskussion einlässt und eine gerechte Lösung findet, wird dieser Teilbereich für den Aufwuchs der Bundeswehr einen massiven Stoplerstein darstellen.
Die Kommentare, die hier wieder in Richtung GenZ-Bashing gehen, sind wirklich schwer zu ertragen. Das sagt an einer Stelle ein Vertreter der „ältere Generation“ der GenZ: „Sie erkennen den Erst der Lage nicht“. Ernsthaft? Welche Generation sitzt denn seit den letzte 1-2 Dekaden an Deutschlands Schalthebeln? Wohl nicht die GenZ!
Wie bewertete denn diese Generation, die die Politik maßgeblich bestimmt und gestaltet, den „Ernst der Lage“, der sich seit 2014 (im Grunde aber schon seit dem Georgienkrieg 2008) abzeichnete?
Wohin sind denn die „Erträge“ der Friedensdividende, erwirtschaftet u.a. aus dem offen sichtbaren Niedergang der Bw, geflossen? In die Infrastruktur? In die Bildung? In die Gesundheitsversorgung? In die soziale oder innere Sicherheit? Sicher nicht! Ich vermute mal eher in die Sicherung des Rentenniveaus und in den Erhalt von Subventionierungen, von denen die GenZ am wenigsten profitiert.
Diese Generation macht und machte hauptsächlich Politik für sich selbst und wirft nun auch noch der GenZ Desinteresse und Egoismus vor. Irgendwo vermisse ich da den gesunden kritischen Blick in den Spiegel und auf die eigene Rolle am Zustandekommen der gegenwärtigen Situation.
Und vor diesem Hintergrund zu fordern, die GenZ möge sich doch bitteschön zum Schutze Deutschlands ohne viel tamtam verpflichten lassen: was glauben Sie (@PioFritz, Metallkopf u.a.) wie das in den Ohren den GenZ ankommt?
Und damit ja nicht genug. Zwei Vertreter der GenZ (@ Polarlicht, Eichenblatt) melden sich hier. Und ihre Anliegen sind so einfach, wie nachvollziehbar: Wehrgerechtigkeit (Männer + Frauen), gesunde Ernährung, und: naja lieber mal gechillt kiffen als lautstark zu saufen.
Und was ist die Antwort an diese GenZ?
Wehrgerechtigkeit: nehmt bitte mal die verfassungsrechtlichen Realitäten zur Kenntnis, die wir alten weißen Männer vor Urzeiten unabänderbar zementiert haben und irgendwie haben die Linke + AfD ja auch von euch viele Stimmen erhalten. Aber pssst: wir haben zwar vor kurzem noch alte Mehrheitsverhältnisse genutzt, um verfassungskonform künftig kräftig Schulden für Verteidigung und Infra zu machen (die ihr zurückzahlen müsst, doppelpssst), aber die Gunst der Stunde einen an die gesellschaftlichen Erwartungen der jungen Generation angepassten Wehrdienst verfassungsrechtlich zu reformieren, dafür hat unser Mut und unser Verständnis vom „Ernst der Lage“ nicht gereicht.
Gesunde Ernährung: heißt bei uns Fitnesskost ist zwar (nach meiner Wahrnehmung) eher der Ladenhüter in der Truppenküche und hat da irgendwie den Charakter eines Nischenprodukt, aber „ham wa im Anjebot“
Cannabis: Das müsst ihr schon verstehen: für uns ist es in Ordnung, wenn du verkatert zum Dienst kommst (und auch dort zu allerlei Gelegenheiten „Prost“ sagst), denn das ist ja irgendwie gesellschaftlich akzeptiert im Alkoholhochkonsumland Deutschland. Aber die Beförderung abends mit nem anderen Suchtmittel, wie einem Joint feiern, also das geht für uns gar nicht. Wo kommen wir denn dahin, wenn jeder kifft? Wir greifen nach wie vor zur Flasche! Das kennen wir, das hat sich bewährt!
@Pio-Fritz: Moin, ich drösel es mal etwas auf, was aber bestimmt nicht abschließend ist, sondern nur eine erste Ideensammlung darstellt.
Ich beziehe mich vorwiegend auf die Anwerbung von Mannschaften, welche studieren möchten, wobei ich hier mit SaZ 2 planen würde.
Grundsätzlich halte ich zwei Jahre sinnvollen, gut bezahlten Dienst im Ausland bei annehmbaren Bedingungen aber für viele Menschen für attraktiv, wobei aber auch andere Zeiten und Laufbahnen betrachtet werden können.
Wenn man sich explizit auf die Panzerbrigade 45 bewerben könnte, hätte dies u.a. diese Vorteile:
Da davon auszugehen ist, dass die Brigade materiell gut aufgestellt wird, könnte der Bewerber sicher sein, dass er dort angesichts vorhandenen Materials „richtig“ als Soldat dienen kann, was wiederum die richtigen Bewerber anzieht.
Mit dem Auslandsgehalt könnte für die Zeit nach der Bw geplant werden. Ein Studium mit geringeren Geldsorgen ist ein Anreiz. Dies gilt natürlich auch für eine Meisterschule und Vergleichbares.
In Sachen Anerkennung von Prüfungsleistungen sehe ich angesichts der einheitlichen Creditpoints (ECTS) innerhalb der EU kein Problem.
Zunächst sollte die Grundausbildung und ggf. auch die DPA an einem einzigen Standort in Deutschland stattfinden, um bereits früh einen inneren Zusammenhalt der Truppe herzustellen, wobei hier sicherlich noch Kandidaten abspringen können.
In Sachen Studium vor Ort wären u.a. verschiedene Optionen möglich:
– Erfahrungsgemäß erlaubt der Dienstplan oftmals das Durchführen eines Fernstudiums, was vom Dienstherrn mit Infrastruktur und Flexibilität unterstützt werden kann.
– Bei einem möglichen Wiedereinsetzen der Wehrpflicht wäre folgendes möglich: Der Wehrpflichtige absolviert zunächst sein Grundstudium, verpflichtet sich auf SaZ 2, absolviert die militärische Ausbildung, dient dann in Litauen und wird in diesem Zeitraum für ein Erasmus-Semester an der Uni Vilnius o.ä. frei gestellt, wäre aber noch vor Ort und stände so zur Verfügung. So hätte er bei einem Ansatz von zwei Jahren seinen Grundwehrdienst geleistet, sein Erasmus absolviert und auch noch eine Rücklage gebildet.
– Man könnte junge Reservisten jeglicher Verwendungen dabei unterstützen, ein Erasmus/Studium/etc. in Litauen zu absolvieren und regelmäßig bei der Brigade zu üben.
– Eventuell könnte man auch Studenten der UniBw ein kombiniertes Auslandssemester in Litauen ermöglichen.
– Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich ein Aufenthalt an einer ausländischen Universität aus beruflichen, aber auch privaten Gründen, verlängern kann.
Natürlich sind diese Ideen nicht abschließend, aber wenn man will, kann man sich hier durchaus etwas einfallen lassen.
@Stubenviech: Große Zustimmung zu Ihren Gedanken! Mit dem heutigen europäischen ECTS Studienpunktesystem und modularen Qualifikationen lässt sich da ganz viel machen. Die Lebenswege junger Leute sind heute nicht mehr so starr wie vor dreißig Jahren. Ich kenne etliche Leute, die nach dem Abitur erst einige Jahre Geld und Lebenserfahrung gesammelt haben und dann ins Studium sind. Und genau wie sie geschrieben haben: Ziel muss es sein, einen lebendigen „Reservekosmos“ rund um die Litauenbrigade zu schaffen. Studienförderung mit allen NATO – Ostseeanrainern (NATO-Baltic-ROTC) , zivile Arbeitsplätze für Reservisten vermitteln, dienstbegleitende Bildungsmaßnahmen, Studienvorbereitende Programme für Mannschaftssoldaten in Kooperation mit litauischen Hochschulen (Sprachnachweise, Vorkurse MINT), Partnerschaften geeigneter deutscher Univ. / Lehrstühle mit der Brigade und lit./poln. Institutionen. Und völlig unabhängig von Litauen: Solche Maßnahmen müssten für alle Fachrichtungen bzw. Regionen geprüft und dann für die ganze Bw eingerichtet werden. Denn einige der „GWDL-Dinos“ scheinen auch nicht zu sehen, dass der Anteil der Abiturienten an den Jahrgängen seit den 1980er sich fast verdoppelt hat. In einigen Bundesländern liegt er bei 60% eines Jahrganges. Das bedeutet, dass eine moderne Wehrpflicht attraktive Mannschaftsverwendungen oder ResUffzVerw auch für Abiturienten schaffen muss. Sei es im Auftrag, sei es im Rahmenprogramm. 3M Quartale für die Jägertruppe wird es so kaum noch geben…Na ja, auch die Schulabbrecherquote hat sich verdoppelt.
Stubenvieh schrieb: „Da davon auszugehen ist, dass die Brigade materiell gut aufgestellt wird, könnte der Bewerber sicher sein, dass er dort angesichts vorhandenen Materials „richtig“ als Soldat dienen kann, was wiederum die richtigen Bewerber anzieht.
Mit dem Auslandsgehalt könnte für die Zeit nach der Bw geplant werden. Ein Studium mit geringeren Geldsorgen ist ein Anreiz. Dies gilt natürlich auch für eine Meisterschule und Vergleichbares.“
Wäre auch mein Ansatz. Das könnte natürlich auch in Deutschland stattfinden, Hauptaugenmerk sollte auf sinnvolle Ausbildung ohne demotivierendes Herumhängen sein. Finanzielle Rücklagen + Bafög wären sicherlich für einige junge Menschen sehr attraktiv, man kann danach natürlich auch Wehrübungen gut bezahlen und körperliche Fitness honorieren.
Y-998201 sagt: „Ulenspiegel Um die keinen Einschränkungen unterliegenden Franzosen 1940 zu besiegen und die Briten vom Festland zu vertreiben, hat es gereicht.“
Ja, weil es im Winter 1939/40 ein intensives Training gegeben hat, das Führungsprobleme reduzierte. Die Leistung in Polen war nämlich nicht gut. Wird in Friesers „Blitzkrieglegende“ sehr gut dargestellt, oder etwas weniger deutlich von Zetterling in „Blitzkrieg: From the Ground Up“.
Und das Ganze ändert nichts am grundsätzlichen Problem, dass eine lange Dienstzeit kein Feature, sondern ein durch die Franzosen gewünschter Bug war. :-)
Moin,
vielen Dank für das Feedback. Hier weitere Ansätze:
Man könnte die ohnehin unterfinanzierte Gesundheitsämter mit Bundesmitteln ertüchtigen und mit der Musterung beauftragen und bei der Gelegenheit neben ohnehin anfallenden arbeitsmedizinischen Untersuchungen auch die Bereitschaft zur Organ- und Knochenmarkspende, etc. abfragen. Dies geht auch gut mit den Grundsätzen der Subsidarität und Auftragstaktik zusammen; zudem wäre es schnell umsetzbar und auch eine Vorbereitung für die nächste Pandemie.
Als historisches Beispiel halte ich die Wehrkreise bei großen Streitkräften für bedenkenswert. Diese nahmen alle territorialen Aufgaben wahr, stellten die Truppenteile (vorwiegend Divisionen) auf und betreuten diese:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ersatzheer
Das Resultat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstellungswelle
Ferner finden sich auch vergleichbare Probleme:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aufr%C3%BCstung_der_Wehrmacht?wprov=sfti1#
Auch wenn es über den Charakter und die Intention des Regimes keine zwei Meinungen geben dürfte, sollte man dennoch aus Erfahrungen lernen.
Laut Werbung kann man bei der Bundeswehr nahezu jeden Beruf erlernen. Man könnte folgerichtig eine Praktikumsbörse für Reservisten einrichten, die vom Bedarf der Truppe unabhängig ist. Ferner könnte man hier auch HIL, BWI, etc. betrachten.
Grundsätzlich haben an Praktika Interessierte einen gewissen beruflichen „Anstellwinkel“, weshalb es eine gute Zielgruppe ist. Ablauf:
– Die Sache wird beworben.
– Der Dienst wird geleistet.
– Im Studium/Ausbildung ist der Reservist auch Multiplikator.
– Besagte Praktika für Studium/Ausbildung in der Truppe sorgen für ein Halten der Verbindung und nutzen beiden Seiten.
– Nach dem Abschluss sind aufgrund der gehaltenen Verbindungen Wiedereinstellungen, Laufbahnwechsel in der Reserve und allgemeine RDLn deutlich wahrscheinlicher.
So können günstig geeignete Bewerber gewonnen und gleich mehrfach genutzt werden.
BAPersBw könnte einzelne Reservisten, am besten Bekannte der Mitarbeiter, einberufen und sämtliche Schritte, Laufzeiten und auszufüllende Formulare dokumentieren und daraus Konsequenzen ziehen.
Bei meiner letzten einwöchigen RDL etwa übertraf die Anzahl der von mir ausgefüllten Seiten mit den immer gleichen, bereits x-fach bekannten Daten die Anzahl der geleisteten Stunden.
Vielleicht könnte man beorderte Reservisten auch einfach als „geringfügig Beschäftigte“ ohne Stunden führen, einfach um sie „im System“ zu halten.
Als positives Beispiel kann alleine schon der Internetauftritt der Schweizer Armee dienen, wo der Milizionär die meisten Dinge online erledigen kann:
https://www.armee.ch/de/militaerdienst
Freundliche Grüße und noch einen schönen Tag der Arbeit.
@Stubenviech: Viele dieser guten Gedanken sind in den letzten Jahren versucht oder vorgeschlagen worden, aber „am System“ gescheitert oder nur in Einzelfällen von starken Vorgesetzten durchgesetzt worden. Die Reichswehr hatte in den 1920er Jahren „Angestellte“, die in Wirklichkeit Reserveoffiziere waren. In den 1970ern gab es in Niedersachsen einen ähnlichen Versuch in der TerrRes, der aber nicht fortgesetzt wurde. Das ResWDV nach §4 ResG geht in eine gute Richtung, wird aber viel zu wenig angewendet. Besonders die Bindung von (hoch-)qualifiziertem Personal im Bereich Feldwebel bis Oberstleutnant wäre dann viel einfacher, weil kontinuierlicher. Das Modell, eine längere „Wehrübung“ / RDL pro Jahr klappt heute nicht mehr, auch wegen der kurzen Veränderungszyklen in IT und Organisation und dem enormen bürokratischen Aufwand. Außerdem scheuen viele Aktive den Einarbeitungsaufwand für Reservisten, die man nur einmal im Jahr sieht… Auch ein Faktor: Viele Fachaufgaben fallen einfach in zwölf von zwöf Monaten an und nicht nur in den drei Wochen einer RDL, wo häufig nicht die Zeit aussreicht, einen Auftrag auch abzuschließen. Wie schon mehrfach geschrieben, habe ich sehr gute Erfahrungen mit gemischten Teams aus allen Statusgruppen gemacht. Auch, weil die Bundeswehr, besonders in Stäben, auf vielen Dienstposten einfach nicht die (fachliche/wissenschaftliche) Qualifikationshöhe mancher Reservisten aktiv dauerhaft vorhalten könnte, besonders bei Fachaufgaben, die im Jahresschnitt, bzw. im Frieden, nur einen kleinen Teil der wöchentlichen Dienstzeit ausmachen. Für den Bereich meines Kommandos fallen mir auf Anhieb etwa zwanzig-fünfundzwanzig Dienstposten ein, die man als „Fachreservist“ vertraglich stärker anbinden könnte, um dauerhaft „im Stoff zu bleiben“ und auch kleinere Daueraufgaben, Aufträge geplant oder auf Zuruf abarbeiten zu können, wenn man halt DER Fachmann, DIE Fachfrau ist. So ließen sich bestimmt bundesweit viele Dienstposten besser besetzen und die aktive Truppe wäre entlastet.
Was? ECTS? Erasmus? Fernstudium, weil es in der Panzerbrigade 45 ja auch sonst nix zu tun gibt für „Mannschaften, die studieren wollen“? RDL für/ vs „Fachaufgaben“ (Vulgo: Es wiehert der Amtsschimmel)? Die Streitkräfte an sich, und Kampfbrigaden im Besonderen, sind doch keine AB-Maßnahme oder Fortbildungseinrichtung für Nachwuchs aus akademisch geprägtem Umfeld. Die Bundeswehr, die hier einigen vorschwebt, wollen wir nicht (mehr)! Soldatinnen und Soldaten sollen es sein, die tapfer das Recht und die Freiheit verteidigen wollen, und nur für diesen Zweck wird aus- und fortgebildet; wenn erworbene Kenntnisse und Qualifikationen dann nach Dienstzeitende nützlich sind, schön! Und ReservistInnen verbraten zu wollen, um „die vollendete Karikatur der deutschen Bürokratie“ weiter zu zeichnen: So machen wir es garantiert nicht, liebe Freunde, wenn wir kriegstüchtig sein sollen und wollen!
@J10: Sie haben schon mitbekommen, dass Länder, die WESENTLICH kriegstüchtiger als Deutschland sind, solche Programme zur Personalbindung und – entwicklung haben? Besonders bei Auslandsstationierungen für einige Jahre… Sie wollen dann wohl den SAZ 12 Mannschafter, der abgesehen von einem Heimaturlaub im Jahr, die Kaserne in Litauen nur für Übungen verlässt? Oder gar wie bei den Römern? Nach 20 Jahren Dienst an den Grenzen der Zivilisation einen Acker im Süden und einen Sack Sesterzen? Und ansonsten Drill, Straßen bauen und am Abend in die Therme?
Ich merke schon, bei den ganzen Schreibtisch-Bürokraten hier ist so etwas wie eine soziologisch-gesamtgesellschaftliche Perspektive nicht wirklich erwünscht. Das gibt aber wahrscheinlich die Realität ziemlich gut wieder: Dann entwerfen eben irgendwelche Fachkommissionen neue Konzepte (auf Wunsch einiger hier wahrscheinlich mit maximaler RDL-Mobilisierung) und die „Betroffenen“ werden die Anordnungen dann schon erfüllen. Sehr deutsch.
Ein letzter Kommentar zur gewünschten großen Mobilisierung, die sich hier einige wünschen: Die Lehrpläne sollten dann auch dringend wieder mehr Jünger als Remarque enthalten. Der Postheroismus hat schon gereicht, um in den vergangenen Jahren mehr oder weniger die SaZ-Stellen zu füllen (bezahltes Studium/Ausbildung) und es gab und gibt auch immer Reservisten, denen der Zweitjob viel Erfüllung gibt. Er dürfte aber nicht reichen, um die Jugend davon zu überzeugen, im Namen der Rumpf-NATO jetzt wieder ganz vorne dabei zu sein. Also wenn einige schon die Zeit zurückdrehen wollen, dann müsste das durchaus gründlicher geschehen. Das ist und bleibt nämlich schon ein signifikanter Unterschied zwischen Deutschland, den USA, Frankreich, Polen, Norwegen, etc.
Im Ernst, wenn man einige Kommentare hier liest, kann es einigen scheinbar nicht schnell genug mit den neuen Lagen gehen.
@ Windlich
@ J10
Ich finde, Sie überspitzen beide.
Die Ausführungen von @Stubenviech ehrlich gesagt auch. Die sind mir zu einseitig.
Was mir in der Diskussion immer noch fehlt, ist die Art und Weise, wie der Wehrdienst zielführend organisiert wird und wie wir Wehrpflichtige im Bündnisfall einsetzen wollen.
Zielführend, auch im Sinne eines personell qualifizierten Aufwuchses heisst für mich, der Wehrdienst endet nicht im Dienstgrad Haupt-/Obergefreiter, sondern da schliesst sich eine Höherqualifizierung als Uffz/Fw an. Möglicherweise durch freiwillige Verlängerung des Wehrdienstes und/oder für Wehrpflichtige, die bereits eine Berufsausbildung o.ä. mitbringen.
Und für diese Fälle können wir gerne eine Art BFD/“Studien-/Bildungsbooster“ für Wehrpflichtige entwickeln.
Und dann ist die entscheidende Frage, wie und wo Wehrpflichtige im Bündnisfall eingesetzt werden.
Nur im Inland? Oder dort, wo dann gekämpft wird?
Wir können ja nicht warten, bis die Oder überschritten wird.
Durch diese Frage (und insbes. auch durch die Stationierung der LTU-Brigade) bekommt die Causa Wehrpflicht eine neue Dimension. Deutschland wird dann auch in LTU verteidigt werden, so wie UK ehedem in Niedersachsen.
Die Frage für mich ist: ist DEU schon reif für diese Wahrheit?
WehrPFLICHTIGE wurden in der Vergangenheit nur Inland bzw. nicht in Einsätzen etc. eingesetzt. Wer damals zu KFOR, ISAF wollte musste einen Statuswechsel zum FREIWILLIG Wehrdienstleistenden vollziehen.
Ich will damit sagen: bevor es zur Landesverteidigung in größerem Umfang (auf deutschem Boden) kommt, wird DEU zuerst in der Bündnisverteidigung auf EU/NATO-Territorium gebunden sein.
Moin,
danke für die Rückmeldungen:
@J10: Warum sollten motivierte und wissbegierige Soldaten eine geringere Kampfkraft haben? Sie wissen schon um die Komplexität von Systemen und warum die ukrainische und israelische Armee über eine derartige Schlagkraft und Fähigkeit zur Improvisation verfügen? Sie wissen schon, dass diese beiden Armeen sich auf ihre Reservisten abstützen?
Vom Geist des Staatsbürgers in Uniform, bei welchem der Bildungsgedanke inhärent ist, ganz zu schweigen.
Davon abgesehen: Wie gedenken Sie denn, eine entsprechende Anzahl geeigneter Interessenten anderweitig zu gewinnen?
Und ja, auch in Litauen gibt es trotz voller Dienstpläne Freizeit, für welche es sinnvoller Angebote bedarf; wir befinden uns schließlich nicht wie im letzten Jahrzehnt in Afghanistan, sondern in einem Land, bei welchem wir mit der Ausnahme von Staatsdienst und nationalem Wahlrecht die Rechte von Inländern genießen.
@Windlicht/all: Gerne diese Ansätze an Kameraden weitergeben, die es interessiert.
Schönes WE!
@snappy sagt: 02.05.2025 um 23:38 Uhr
„WehrPFLICHTIGE wurden in der Vergangenheit nur Inland bzw. nicht in Einsätzen etc. eingesetzt. Wer damals zu KFOR, ISAF wollte musste einen Statuswechsel zum FREIWILLIG Wehrdienstleistenden vollziehen.“
Sie verkennen die rechtliche Lage und vergleichen Äpfel mit Birnen.
Die von Ihnen erwähnten Einsätze waren im tiefsten Frieden Deutschlands. Einzige Ausnahme bisher war OEF, da nach dem Terrorangriff auf das WTC etc. in 2001 der Bündnisfall gem. Art. 5 ausgerufen wurde. Allerdings hat der Bundestag seinerzeit nicht den Verteidigungsfall nach §115a GG festgestellt.
Dieser würde mit Sicherheit bei einem Angriff RUS auf das Bündnisgebiet festgestellt werden, egal, wo das ist. Und dann ist es mit der Freiwilligkeit passé. Die Wehrpflicht gilt dann weder automatisch.
Das heißt, es werden Wehrpflichtige eingezogen, nach dem derzeit ruhenden Artikel des GG, und nach Kurzausbildung auch eingesetzt, und nicht nur in Deutschland, wir sind nicht mehr der Frontstaat.
Dessen muss man sich bewusst sein, gerade Angesichts der bestehenden gesellschaftspolitischen Verweigerungshaltung zu einer allgemeinen Dienstpflicht.
Mir wäre es lieber, mit ausgebildeten und trainierten Soldaten ins Gefecht zu ziehen, als mit kurzausgebildeten Rekruten.
Ich kann auch alle Diskussionspunkte und Einwendungen hier im Thread bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Auch ich hätte lieber die Wehrpflicht oder allgemeine Dienstpflicht für alle Geschlechter, attraktiven Dienst , ordentliche Bezahlung und andere Benefits. Leider hat die deutsche Bevölkerung nicht so gewählt, dass das im Bundestag und Bundesrat mit einer Grundgesetzänderung durchsetzbar wäre. Das ist nicht der Bundeswehr anzulasten, da muss sich schon jeder selber fragen, warum er denn gerade diese und jene Partei gewählt hat. Gerade als jüngerer Mensch sollte man das tun und sich auch mal hinterfragen.
[Kurze Frage an den Staatsrechtler: den Beleg für die Behauptung, der Verteidigungsfall „würde mit Sicherheit bei einem Angriff RUS auf das Bündnisgebiet festgestellt werden, egal, wo das ist“, liefern Sie bitte noch nach. T.W.]
@Stubenviech 02.05.2025 um 23:52 Uhr:
Ich weiß nicht, wann und wo ich irgendwas über Kampfkraft geäußert habe in diesem Faden, aber geschenkt. Genauso wie Ihre Vorschläge, die mehr oder weniger im öffentlichen Dienst und bei der Bw im Ansatz umgesetzt und vorhanden sind. Dennoch: Es ist und bleibt ein Irrweg zu glauben, die Streitkräfte könnten über attraktive Fortbildungsangebote während und nach der Dienstzeit darüber hinwegtäuschen, was das „Kerngeschäft“ im Militär ist: Kämpfen, töten, und sogar sterben (Siehe: Tapferkeit). Darauf geistig, körperlich und technisch vorbereitet zu sein, ist Kern von Abschreckung. Der Auftrag der Panzerbrigade 45, die Sie als Schleuse für Erasmus-Studierende zweckentfremden wollen, ist, im Zweifelsfall das Stück Eisenerz zu sein, das zwischen Hammer und Amboss gerät, wenn der Gegner dort seinen Plan in die Tat umsetzt, sich ein Stück NATO-Staat unter dem Nagel zu reißen. Diese Tatsache, von der auch die Sprösslinge wissen, deren Eltern Mitgliedsbeiträge im Philologen-Verband entrichten, können Sie mit Ihrer transaktionalen Verwertungslogik nicht übertünchen, will sagen: Wer zum Bund will, muss Soldatin/Soldat sein wollen, alles was dazu kommt, nice to have, ist Fürsorge, schadet nicht. Das soll es geben, auch hier auf ag wird immer wieder glaubhaft kolportiert, dass wir jederzeit 2-3 Brigaden Kampftruppe aufstellen könnten, wenn wir die Bewerberinnen und Bewerber gemäß ihrer Wünsche verwenden würden. Wollen wir aber nicht, wir wollen Rechnungsführende, Travel Manager und HR-SpezialistInnen in Uniform. Kommen Sie mir also bitte nicht mit Israel und Ukraine, da wären wir beide wohl Blinde, die von Farbe reden.
@T.W.
[Kurze Frage an den Staatsrechtler: den Beleg für die Behauptung, der Verteidigungsfall „würde mit Sicherheit bei einem Angriff RUS auf das Bündnisgebiet festgestellt werden, egal, wo das ist“, liefern Sie bitte noch nach. T.W.]
Moin Herr Wiegold, kein Problem. Hier der Link zur Abhandlung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 12.02.2025:
https://www.bundestag.de/resource/blob/1057690/33b55d31f37206e6a7ed43dffa7cf308/WD-3-007-25-pd.pdf
Für die Feststellung des Verteidigungsfalles reicht auch ein existenzgefährdender Cyberangriff:
http://www.bundestag.de/parlament/grundgesetz/gg-serie-14-verteidigungsfall-634560
(Abschnitt Feststellung des Verteidigungsfalls. Deutscher Bundestag)
Dafür muss man kein Staatsrechtler sein. Auch kein Prophet. Bei einem Angriff auf das Baltikum, Polen oder Rumänien ist, im ersten Schritt, ein großflächiger Cyberangriff auf die Logistikdrehscheibe Deutschland zu erwarten. Und das ist mit Sicherheit existenzgefährdend, die gesamte Versorgungssicherheit der Bevölkerung ist dann auch nicht mehr gewährleistet. Es muss nicht der erste feindliche Soldat am deutschen Schlagbaum stehen, um den Verteidigungsfall festzustellen.
[Äh, hallo? Ich frage nach dem Beleg, dass ein Angriff auf ein anderes NATO-Land angeblich automatisch den deutschen Verteidigungsfall nach sich zieht – und Sie antworten mit dem Verweis auf eine Ausarbeitung, in der wörtlich steht: „Der Verteidigungsfall tritt ein, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht.“ Und dann Ihre (!) Interpretation, dass ein Angriff anderswo natürlich automatisch mit einem Cyber-Angriff auf Deutschland verbunden sein müsste. Kann sein, aber daraus eine vorgebliche automatische Handlungsmaxime abzuleiten, ist eine Pseudo-Argumentation, bitte hier nicht. T.W.]
@J10: Unbestritten ist der Auftrag die Abschreckung und notfalls der Kampf mit allen Konsequenzen, was ich bei meinen vorherigen Kommentaren als gesetzt angesehen hatte.
Und dafür benötigen wir die besten, die nach Möglichkeit Remarque, Jünger und auch ganz viel Technisches gelesen haben und zudem physisch und psychisch fit sind.
Diese Staatsbürger müssen wir gewinnen und bis in die Reserve hinein binden.
Selbst bei einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht (was ich im Grundsatz befürworte) würden wir bei einem an der Kontaktlinie befindlichen Verband sinnvollerweise eine personelle Auswahl treffen müssen, da wohl niemand Kameraden mit Kurzausbildung dort haben möchte.
Noch einmal zur Frage: Wo gedenken Sie denn das Personal sonst gewinnen zu können?
@Windlicht hat es ja bereits erwähnt.
Außerdem stellt eine vertiefte persönliche Bindung zu einem EU-Partner, der als „Stück Eisenerz“ verteidigt werden muss, bestimmt keine „Zweckentfremdung“ dar.
(Hätte man etwa die einsatzbewährte Panzerbrigade 42 wieder aufgestellt, wäre das sogar ein noch stärkeres Zeichen des Willens und der Einheit gewesen.)
Zumindest sehe ich keine grundsätzliche Ablehnung dafür, dass man sich explizit für die Brigade bewerben können sollte.
@Pio-Fritz:
Können Sie freundlicherweise diese Aussage näher erläutern?:
„Leider hat die deutsche Bevölkerung nicht so gewählt, dass das [gemeint laut vorherigem Satz ist: Wehrpflicht oder allgemeine Dienstpflicht für alle Geschlechter, attraktiven Dienst, ordentliche Bezahlung und andere Benefits] im Bundestag und Bundesrat mit einer Grundgesetzänderung durchsetzbar wäre.“ (03.05., 10:32 Uhr).
Wie bzw. wen hätte denn die deutsche Bevölkerung wählen müssen, damit diese Grundgesetzänderung durchsetzbar wäre? Die Frage ist ernst gemeint. Über eine sachliche Antwort ohne persönliche Polemik würde ich mich freuen.
@T.W.
Verstehe Ihre Anwürfe nicht. Seit Beginn des UKR-Krieges wird doch ausschließlich über das Szenario des RUS-Angriffs auf NATO-Gebiet gesprochen. Auf nichts anderes beziehe ich mich.
Dazu die Ausführungen offizieller Stellen zum Operationsplan Deutschland. Sogar der GI hat sich dazu geäußert.
Und das funktioniert dann wie ohne Sonderrechte? Oder meinen Sie, man ( RUS) lässt uns hier in Ruhe in Frieden weiterarbeiten, wenn im Suwalki-Gap gekämpft wird? Das sind nicht meine „Interpretationen“, wie Sie das nennen. Das sind dann die Interpretationen offizieller Stellen, die Sie in Zweifel ziehen.
[Nein, es sind natürlich nicht die Interpretationen offizieller Stellen; die werfen nämlich den Bündnisfall und den Verteidigungsfall nicht durcheinander. Lesen Sie am besten noch mal die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die Sie doch verlinkt haben. Und nein, der OPLan DEU setzt nicht den V-Fall voraus, wo auch immer Sie das herhaben. T.W.]