Krieg in der Ukraine: Drohnen als wichtigste Munition, deutsche Waffensysteme zu kompliziert
Der Vortrag, den der stellvertretende deutsche Militärattaché in der Ukraine an der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch bei Leipzig hielt, ist zwar schon fast zweieinhalb Monate her. Seine Schlussfolgerungen aus dem Krieg in der Ukraine dürften die deutschen Streitkräfte aufgeschreckt haben: Der Stellenwert von Drohnen auch und gerade als Munition ist noch höher als gemeinhin bekannt. Und: deutsche Waffensysteme sind, so das Fazit, zum großen Teil nicht uneingeschränkt kriegstauglich.
Über die Zusammenfassung des Vortrags hatten zuerst ARD und Süddeutsche Zeitung berichtet. Das Papier liegt Augen geradeaus! vor.
Als wesentliche Erkenntnis findet sich darin gleich zu Beginn die Einschätzung der Bedeutung unbemannter Systeme, insbesondere fliegender Drohnen (Unmanned Aerial Systems, UAV):
UAV ist eine beherrschende „Munitionsart“ (mit Trefferrate 50%) an der Front. … Ein vollständiges Behersschen des Raumes bis 6 km Tiefe durch UAV (LMS) [Loitering Munition Systeme, T.W.] liegt vor. Der tägliche „Verbrauch“ von UAV (FPV, Aufklärung, Electronic Warfare-Träger, „Mutter-UAV“) beträgt ca. 400 Stück, ca 4 Mio werden jährlich oft in Heimarbeit produziert, ca. 30.000 in Lagern weil durch Gegenmaßnahmen zurzeit nicht einsetzbar (oft hilft ein Softwareupdate in Bezug auf die Gegenmaßnahme). „KI übernimmt das Ruder“, da durch russische Electronic Warfare sehr oft weite Abschnitte gesperrt werden (GPS-denied areas).
Neben den fliegenden Drohnen werden allerdings auch unbemannte Transportfahrzeuge immer wichtiger. Dabei geht es um das Verlegen von Minen ebenso wie um elektronische Kriegführung und die Versorgung. Und um den Verwundetentransport. Der ist ohnehin eine große Schwachstelle, hieß es in dem Vortrag: die durchschnittliche Wartezeit auf den Transport vom Ort einer Verwundung (KORREKTUR, nicht Verwendung) zu einer Sanitätsversorgung zur Stabilisierung liege bei acht Stunden – sie könne aber auch drei Tage betragen.
Bei deutschen Waffensystemen, die an die Ukraine geliefert wurden, kommt der Vortrag zu dem Schluss: Kompliziertes Gerät bleibt ungenutzt, vor allem, wenn keine Instandsetzung durch die Truppe selbst vor Ort möglich ist. Das – bei der Bundeswehr übliche – System der Instandsetzung durch zivile Mitarbeiter sei in der Ukraine in Frontnähe praktisch ausgeschlossen. Damit seien vor allem die komplizierteren Waffensysteme Panzerhaubitze 2000 und Kampfpanzer Leopard 2A6 nur von geringem Gesamtnutzen.
Folgerichtig gilt denn auch der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard, der in der Bundeswehr vor mehr als einem Jahrzehnt ausgemustert wurde, als das beliebteste, effizienteste und zuverlässigste Waffensystem. Auch der Jahrzehnte alte Schützenpanzer Marder sei ein sehr beliebtes Gefechtsfahrzeug ohne Einschränkung.
Je moderner das Waffensystem, um so schwieriger ist angesichts der Herausforderungen an Front-Tauglichkeit und Instandhaltung der Einsatz in der Ukraine. So gelte die Panzerhaubitze 2000 zwar nach ihren Leistungsdaten als hervorragendes Waffensystem, habe aber so hohe technische Anfälligkeit, dass Kriegstauglichkeit stark in Frage gestelt wird. Beim Leopard 2A6 mache sich ebenfalls negativ der hohe Aufwand bei Instandsetzung bemerkbar, zudem sei oft keine Feldinstandsetzung möglich.
Neben der technischen Komplexität behindern offensichtlich auch andere Faktoren den Einsatz der von der Bundeswehr gelieferten Waffensysteme an der Front. So sei der Raketenwerfer MARS zwar vor allem wegen seiner Reichweite der „Gamechanger“ auf dem Gefechtsfeld – aber die deutschen Werfer dürften nicht mit Streumunition eingesetzt werden, was sie nur teilweise durch Ukraine nutzbar mache. Das Flugabwehrsystem Iris-T in den Varianten SLM und SLS habe sehr gute Wirkung – aber einen zu hohen Preis für die Munition.
Uneingeschränkt kriegstauglich ist kaum ein deutsches Großgerät, heißt es in der Zusammenfassung des Vortrags. Als unmittelbare Lessons Learned für die Truppe werden allerdings erstmal kurzfristige Schritte für die Ausbildung in Deutschland empfohlen: Unter anderem müsse die Truppe lernen, mit langfristigem Ausfall der Funkverbindungen zu leben, die durch gegnerische elektronische Kampfführung mit stundenlangem Sperren fast aller Funkkreise und Ausfall der Satellitennavigation blockiert würden. Und: der Anteil der Sanitätsversorgung in den Übungen, so ein Fazit des Vortrags, müsse erheblich verstärkt werden: mit mehr und besserer Ausbildung aller Soldaten.
Eine weitere Erkenntnis aus dem Vortrag Ende Januar ist längst beim Generalinspekteur angekommen. UAV-Kampf und Abwehr gehören zum Fähigkeitsspektrum jedes Einzelschützen, hieß es an der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch. Vergangene Woche ließ General Carsten Breuer im Bundeswehr-internen Podcast Auf Augenhöhe mit dem Generalinspekteur erkennen, dass diese Botschaft verstanden wurde: Ich glaube, dass wir dazu kommen müssen, dass wir Drohnen als Jedermannaufgabe verstehen. … Also wenn heute jeder sein Doppelfernrohr nutzt, um damit eben auf weite Entfernungen schauen zu können, wird genau das vielleicht in Zukunft eine Drohne machen …. Und so wie heute jeder von uns mit einer völligen Selbstverständlichkeit ein Doppelfernrohr nutzt, so muss man zukünftig dann auch Drohnen nutzen.
@Rohrputzer sagt:
16.04.2025 um 11:28 Uhr: Danke für die Info, auch wenn mir vieles davon auch klar ist – wir werden und können von den Ukrainern sehr viel lernen wie auch die Ingenieure und Firmen, die unsere Waffen herstellen. Mir ist auch klar, dass die Ukrainer unseren Einsatz im „verbundenen Gefecht“ so nie kennengelernt haben; sie setzen Panzer im Einzelgefecht ein, als Infanteriebegleitung usw. Auch die Anzahl an Geschützen und Panzern ist bei der langen Frontlinie viel zu gering.
Es wird interessant sein zu beobachten, wie lange die Umsetzung der Erkenntnisgewinne bei unserer überbürokratisierten Bundeswehr und der Industrie dauern wird. Immerhin sind einzelne hoffnungsvolle Ansätze ja vorhanden, vor allem in der Drohnentechnologie.
@Kettengesicht
„Das funktioniert nicht. Nicht mal auf kurze Entfernung.
Dazu brauchts auch keinen Anfängerkurs in „Innen- und Außenballistik für Anfänger“.
Da wäre jede Zwille besser zur Drohnenabwehr geeignet…“
Möchten sie uns Nichtballistikexperten vielleicht noch aufklären, warum das nicht funktioniert?
Ich hätte bei dem Konzept, Ein Sturmgewehr mit Schrot zu betreiben lediglich Zweifel, ob das immer zuverlässig funktioniert und nicht sehr bald den Lauf zerstört.
Aber das Grundprinzip, viele kleine Projektile mit hoher Schussfrequenz scheint mir dem Konzept überlegen, mit Muskelkraft und langsamer Schussfrequenz ein Projektil auf ein bewegliches kleines empfindliches Ziel abzufeuern.
@Thomas Melber
Sie sprachen von „vorgelagert“.
Was bedeutet das?
@lukan:
Da Flinten einen
glatten Laufpardon; ein glattes Rohr, haben, und die spezifische Härte von Blei-, oder auch bleifreien Schroten erheblich geringer ist, als die des Materials der Waffe, ist allenfalls die Schussfrequenz und die Zuführung der Munition von kritischer Bedeutung. Es gibt schon recht passable Selbstladeflinten am Markt, auch entsprechende Munition gibt es in verschiedenen Varianten und Kalibern. Es muss ja nicht immer 12/76 sein. Und das prinzip rotierender Revolverkanonen funktioniert bei Schrot genauso wie sonst auch. Das MG6 wurde ja auch aus der größeren M61 Vulcan adaptiert, um 7,62×51mm NATO zu verschießen. Es gab auch mal einen Flakpanzer mit der Vulcan, bis dann irgendwann das Phalanx-System zur Nahbereichsabwehr entstand. Noch dazu gibt es schon im Kaliber 20mm die AHEAD-Munition mit elektronischer Zerlegung und Submunitionen. Schrot macht das schon out-of-the-box, nur nicht verzögert.Warum sollte es nicht auch Schrot-Gatlings geben können? Hunter-Killer-Drohnen, die andere Drohnen verfolgen und selbständig bekämpfen, könnten sogar Munition mit Steinsalz verschießen, weil sie nah genug rankommen, um damit trotzdem noch das Ziel auszuschalten. Rohre könnten dort vergleichsweise kurz und leicht sein, weil ohnehin maximale Garbenstreuung auf kürzere Distanz gewünscht sein dürfte.
@KPK
Sie sind doch sonst auf der Höhe. „Vorgelagert“ bedeutet für mich „niederschwelliger“, und dies ergibt sich bereits daraus, daß eben kein Beschluß des BT erforderlich ist sondern daß ein Kabinettsbeschluß genügt. Ob auch der IBuK dies allein entscheiden kann weiß ich nicht, nehme ich aber nicht an.
Man wird ja in einer sich langsam abzeichnenden Krise nicht gleich den Spannungs- oder Verteidigungsfall ausrufen.
@Thomas Melber
Danke für die Blumen.
Ihre Vermutungen in allen Ehren, „bedeutet für mich“ ist aber keine IBuK-, Kanzleraussage.
Vor Spannungs- oder Verteidigungsfall mit klaren Regelungen im GG ist noch der Zustimmungsfall vorgeschaltet.
Ich will’s dabei belassen.
Metallkopf sagt: 17.04.2025 um 11:58 Uhr
„Warum sollte es nicht auch Schrot-Gatlings geben können?“
Ein gleichzeitig Angriff von zwei oder mehr Drohnen aus unterschiedlichen Richtungen überwindet kanonenbasierte kinetische Abwehr zu sehr niedrigen Kosten. Ein Abwehrsystem muss mit simultanen Drohnenangriffen umgehen können, ansonsten es ist nicht funktional. Ich sehe deshalb rohrbasierte Drohnenabwehrlösungen eher kritisch.
@Christian B.
Übersättigungsangriffe sind für jedes WaSys ein Problem.
Thomas Melber sagt 17.04.2025 um 22:53 Uhr
„Übersättigungsangriffe sind für jedes WaSys ein Problem.“
Nein. EloKa, Nebel, Tarnung, Täuschung, Deckung, Geschwindigkeit etc. sind nicht zu übersättigen. Da es sehr einfach und ökonomisch ist, mit 2 oder mehr Drohnen anzugreifen, darf hier keine klaffend offene Schwachstelle sein.
Tja. Wenn man hier von „Lauf“ statt „Rohr“ schreibt, dann outet man sich halt schon, gell?!
VG ng
@Christian B.
Also ggf. so etwas hier:
https://www.heise.de/news/Britische-Armee-schiesst-erfolgreich-Drohnenschwaerme-mit-Energiewaffe-ab-10356125.html
Man darf gespannt sein, der Versuch war wohl erfolgreich. Vielleicht ein kleiner game changer ?
[Wenn man die Originale des britischen Verteidigungsministeriums liest, gestern
https://www.gov.uk/government/news/british-soldiers-take-down-drone-swarm-in-groundbreaking-use-of-radio-wave-weapon
und bereits vergangenes Jahr
https://www.gov.uk/government/news/british-soldiers-successfully-test-drone-killer-radiowave-weapon-for-first-time
dann ist das nicht unbedingt neu, aber über Feiertage wird alles Nachricht.
und ich frage mich natürlich, inwieweit das das ist, was es in Deutschland bereits gibt?
https://www.janes.com/osint-insights/defence-news/air/diehl-defence-exports-hpem-skywolf-to-african-customer
T.W.]
@ Windlicht (vom 16.04.2025 um 11:56 Uhr)
Ich stimme ihnen zu. Die MINT Fächer müssten einen höheren Stellenwert im Unterricht haben. Aber leider ist die Situation in unseren Schulen nunmal so, dass man nicht mal für den Minimalstandard (Lesen, Schreiben, Rechnen) genügend Lehrer hat.
Für Brandenburg hat mal ein Schlaukopf berechnet, dass alle Studierenden, die derzeit an Brandenburger Hochschulen eingeschrieben sind, auf Lehramt studieren müssten, damit man den Bedarf decken kann. Nicht das wir nicht auch Ärzte und Ingenieure brauchen würden.
Lehrermangel ist auch in allen anderen Bundesländern ein seit gut dreißig Jahren anhaltender schleichender Prozess, auf den die Politik im wesentlichen mir homöopathischen Mitteln und viel leeren Versprechen reagiert. Die dazu durchgeführten Studien belegen die Defizite unserer Schüler.
Wie will man erreichen, dass Schüler, die in der vierten Klasse noch nicht fehlerfrei lesen können und die Schwierigkeiten mit den Grundrechenarten haben, die MINT Fächer lernen?
Nebenbei sollen die Schulen ja auch noch alles andere reparieren was der Einfluss gesellschaftlicher Fehlentwicklungen bei unseren Kindern so anrichtet.
Unsere Bundeswehr braucht auch qualifizierten bzw, qualifizierbaren Nachwuchs. So wie das Thema Bildung immer noch behandelt wird, wird unsere Bundeswehr auch weiterhin nicht genug davon bekommen.
Appropos, Ich erinnere mich da an eine Meldung über Bundeswehr eigene Schulen, die wegen Schülermangel geschlossen werden sollen.
Vielleicht sollte man die dort nicht benötigten Lehrer an öffentlichen Schulen einsetzen.
Aktueller Artikel in der Berliner Zeitung: (ohne Link. Googelt selber)
Bundeswehr bestätigt Abschuss einer Drohne über Militärgelände in Sachsen-Anhalt – Eine Drohne war über einer Schießbahn, wo ukrainische Soldaten ausgebildet werden, gesichtet worden.
Von Michael Maier und Raphael Schmeller; 18.04.2025 11:31 Uhr
Na. Es geht doch.
[Na. Vielleicht dazusagen, dass es ein Vorfall 2023 war. Wirkt sonst so, als sei das aktuell. T.W.]
Danke, beide Thomas, für die interessanten Links!
@Christian B.
„Ein gleichzeitig Angriff von zwei oder mehr Drohnen aus unterschiedlichen Richtungen überwindet kanonenbasierte kinetische Abwehr zu sehr niedrigen Kosten. Ein Abwehrsystem muss mit simultanen Drohnenangriffen umgehen können, ansonsten es ist nicht funktional. “
Drohnen sind keine Raketen und automatische Geschütztürme können sich sehr schnell drehen.
Ansonsten kann man auch 2 oder mehr davon hinstellen.
Mikrowellenwaffen ist natürlich eine andere Liga, braucht aber in der Version Starkstrom und ich wäre skeptisch, ob da dich nicht schnell noch alles andere gegrillt wird. Und dann am Ende gibt es 6 teure exemplare..
@Gepard65
Ging das an mich?
Ich habe meines Wissens nie behauptet hier Experte zu sein. Ich war nicht mal bei der Bundeswehr, bin nur interessierter Laie. Software ist mein eigentliches Gebiet. Und Physik habe ich auch etwas studiert. Darum kann ich aber wohl bei der Drohnenthematik mitreden. Und finde es da immer noch befremdlich, dass das Thema Schrot offiziell so gar keine Rolle spielt, wenn es um Drohnenabwehr geht. Aber vielleicht gibt es ja offizielle BW Untersuchungen die sich das angeschaut haben und zum Schluss kamen, geht nicht, lohnt sich nicht. Dann könnte man das ja erwähnen. Würde mich schon interessieren.
> [Na. Vielleicht dazusagen, dass es ein Vorfall 2023 war. Wirkt sonst so, als sei das aktuell. T.W.]
Och! Spielverderber !? :)
Das Ding ist sicherlich nicht pulverisiert zu Boden gekommen und zumindest Überreste dürften sichergestellt worden sein. Seit 2023 gab es zudem hinreichend Zeit, forensische Untersuchungen vorzunehmen, …, und die Erkenntnisse im Tresor verschwinden zu lassen.
Nun mag sich der medienkompetente Mensch fragen, was das BMV ausgerechnet jetzt dazu veranlasst hat, substanzlose Sprechakte vorzunehmen?
These 1: Das Thema ist nützlich, aber wofür?
These 2: Die Bevölkerung soll informiert, nö sensibilisiert, oder doch nur beruhigt werden?
These 3: Schaut her, wir können das?
These 4: War das eine Drohne bekannter Herkunft, die für journalistische Zwecke „geopfert“ wurde?
These 5: Nessie sind Flügel gewachsen, und das journalistische Sommerloch ist temperaturbedingt schon zu Ostern da.
[Lesen hilft: Da stand doch, dass der GI neulich erwähnt hat, dass eine Drohne abgeschossen wurde… Und wenn Journalisten nachfragen, passt Ihnen das auch nicht? T.W.]
lukan sagt: 18.04.2025 um 19:04 Uhr
„automatische Geschütztürme können sich sehr schnell drehen.
Ansonsten kann man auch 2 oder mehr davon hinstellen.“
Empirischer Fakt ist, dass die tatsächlich vorhandenen Hochwert-Systeme mit automatischen Geschütztürmen Gepard (UKR), Skyranger (UKR), ZSU-23-4 Shilka (RUS/UKR) und Pantsir S1 (RUS) aus ökonomischen Gründen in der Ukraine niemals in der Nähe der Front stehen. Und schon gar nicht paarweise oder noch mehr.
Na ja, die Feuerleitung ist immer ein Problem, egal ob der Schützentrupp, der Panzerzug oder die Fla. In der Bw war zumindest der absolute Grundsatz, dass die Flak-Batterie nur geschlossen eingesetzt wird. Das waren 7 Flakpanzer Gepard. Da steht nicht mal ein einzelner wo rum… Krieg ist kein Computerspiel.
Danke, VG ng
@Schlammstapfer von 18.04.2025 um 11:12 Uhr. grundsätzliche Zustimmung, aber es geht mir nicht um allgemeine bildungspolitische Notwendigkeiten, sondern um die politisch geförderte Verbreiterung der fachlichen Rekrutierungsbasis der Streitkräfte. Über das von mir Geschriebene hinaus, müssten wir sehr dringend an Reserve (Officer) Trainings Corps – Strukturen an den Universitäten und Hochschulen rangehen. Stipendien, Prämien, attraktive Zusatzausbildungen und Praktika, etc. etc. für ROA und RUA in Studium oder Ausbildung. Die Schweden hatten nach 9/11 z.B. ein solches vorbildliches Programm für das FGG2 aufgelegt. Quasi ein dualer Studiengang mit Sprachausbildungen und Praktika für (R)OA. Solche Programme und eine schrittweise aufwachsende Wehrpflicht könnten die nötige personelle Basis für eine hochtechnisierte Armee mit einer V-Stärke von ca. 600.000 Mann und Frau werden. Sonst stehen auf den Kasernenhöfen die Technik und die Mannschafter – ohne Offiziere und Unteroffiziere…..Und dann bringen die Milliarden in Hardware oder Massenproduktion von Drohnen garnix.
@Windlicht
Soweit ich weiß ist das Programm ROA adW (außerhalb des Wehrdienstes) derzeit nicht sehr populär beim BAPersBw, es gibt nicht allzu viele Stellen.
Ich kann mir vorstellen, daß bei fachspezifischer Verwendung in der Truppe das Programm durchaus auf Interesse bei Studierenden findet.
@Gepard65
„In der Bw war zumindest der absolute Grundsatz, dass die Flak-Batterie nur geschlossen eingesetzt wird.“
Ja, aber diese Prinzipien wurden meines Wissens entwickelt und erprobt, als es die Drohnenbedrohung noch nicht gab. Und in Teilen scheint mir, wird sich immer noch so verhalten, als hätte sich nichts geändert.
„Da steht nicht mal ein einzelner wo rum… Krieg ist kein Computerspiel.“
Und ich würde sagen, die Grenzen verwischen.
Es gibt übrigens auch einen gewaltigen zwischen „Spiel“ in Sinne von Arcade rumballern und Zeittotschlagen – und es gibt Spiele im Sinne von Simulationen. Die Realität gut als möglich abbilden. Viele Armeen verwenden das auch zu Ausbildungszwecken, die BW eher nicht, soweit ich weiß.
@Christian B.
Wie ich oben schonmal erwähnt habe, man kann sich mit Hobbywerkzeug sehr schnell selbst einen funktionierenden automatischen Geschützturm bauen. Dass die BW aber nur Zugriff auf sehr wenige, sehr teure Türme hat, ist mir bekannt, aber ich würde es halt kritisieren als Entwicklung verschlafen.
Schlussendlich wäre ein Schrot Geschützturm etwas mit rein lokalem Effekt. Da muss man nicht aufpassen, dass man die eigenen Flugzeuge weiter oben erwischt. Es braucht also vielleicht keine teure, langwierige Einbindung in vorhandene Feuerleitsysteme.
Sondern einfach ein System was man lokal vorne an die Front stellt, um die Truppe vor Kleindrohnenangriffen zu schützen.
Technisch einfach möglich, aber hier wird ja schon das Konzept Schrot belächelt.
lukan sagt: 19.04.2025 um 19:25 Uhr
„man kann sich mit Hobbywerkzeug sehr schnell selbst einen funktionierenden automatischen Geschützturm bauen“
Wenn der vollautomatische Schrot-Turm in der Realität so „technisch einfach“ und „schnell“ mit „Hobbywerkzeug“ herzustellen wäre wie in Ihrer technischen Fantasie, dann hätten die experimentierfreudigen Ukrainer und/oder Russen Ihre Wunderwaffe vermutlich bereits hergestellt und ausprobiert.
Schrot ist schon gut, egal ob aus einer privat beschafften Flinte oder als Hightech AHEAD! Merke: je mehr Blei in der Luft desto weniger Flugzeuge…
Ich kenne Ballerspiele (seit 1985 auf dem C64) und Simulationen und Simulatoren. Die Auftragstaktik der Bw wird i.d.R. nicht abgebildet, daher völlig ungeeignet.
Die Vorschrift sagte auch, dass die Stellungen der Flakpanzer so gewählt werden müssen, dass sich mehrere PzFlakGrp gegenseitig im Feuerkampf unterstützen können!
Hochgeschätzter lukan, mein Kommentar ging ja nicht „gegen Sie“! Aber Technik und Taktik gehen nun mal parallel. Die Bedrohung durch die Kleinstdrohnen ist sehr real und es müssen Lösungen gefunden werden. Die sehen auf dem Gefechtsacker sicherlich anders aus als über KRITIS, noch dazu im Nicht-Verteidigungsfall.
Im übrigen gab es eine Vergleichserprobung (Katar oder Brasilien) wo u.a. der Gepard gegen Drohnen als Flugziele wirken musste. Da sahen alle Systeme nicht gut aus. Bericht von OTL Schommer dazu im Web gerne googeln.
Also gerne Schrot und Laser!
Danke VG ng
@Gepard65
Ich weiß nicht wie ernst ihr „hochachtungsvoll“ gemeint war, aber ich habe jedenfalls tatsächlich großen Respekt vor ihrer militärischen Sachkenntnis, die die Qualität der Debatten hier stark erhöht.
„Ich kenne Ballerspiele (seit 1985 auf dem C64) und Simulationen und Simulatoren. Die Auftragstaktik der Bw wird i.d.R. nicht abgebildet, daher völlig ungeeignet“
Aber in dem Bereich kenne ich mich vermutlich besser aus. Nun habe ich zwar formal nicht gelernt, was Auftragstaktik bedeutet, aber anhand von Büchern und eben Spielen kenne ich es als: es wird nur das Ziel vorgegeben aber wie genau das Ziel erreicht wird, ist Sache des Truppführers.
Und genau das können Militärsimulationen aber hervorragend abbilden.
Ich habe in meiner Jugend etwa sehr intensiv Operation Flashpoint gespielt.
Und da lief eine typische Mission eben so ab:
Auftrag: Dorf X einnehmen und halten (gegen erwartete Gegenangriffe aus Richtung Y)
Einfach losstürmen funktioniert nicht, keine Chance. Man muss erstmal aufklären.
Dann entscheiden, wann und wie man seine Truppen einsätzt und wo man zuschlägt.
Also vorhandenen Truppen verteilen, MGs in gute Feuerposition bringen.
Vor allem schauen, ob es gegnerische gepanzerte Fahrzeuge gibt und die eigenen Antitank teams leise in Position gegen diese bringen.
Wenn das team meldet, alle in position und Feuerbereit. Dann Feuer frei.
Und dann sieht man sehr schnell, was funktioniert und was nicht.
Und muss dann ggbf neuladen und noch die Straßen verminen, wo gegnerische Verstärkung erwartet wird, usw.
Das ist ein ziemlicher Unterschied zu den CallofDuty kabumm, wo man linear herumläuft und einfach auf alles schießt.
Und es ist natürlich immer noch nur eine Simulation, aber in dem Falle Operation Flashpoint tatsächlich eine, die in einer modifizierten Variante bis heute auch für verschiedene Militärs für Ausbildungszwecke entwickelt und genutzt wird.
Das spielen alleine macht natürlich noch nicht fit für den echten Krieg, aber es bringt schon gute Grundlagen würde ich sagen – und Thema Drohnen und Grenzen verwischen:
Wenn ich das Spielinterface nehme und aber die Befehle und infoinput nicht an eine simulierte Welt, sondern an die Realität weiterleite – und dann nicht simulierte Pixel, sondern reale Drohnen oder Menschen die Befehle ausführen, dann ist auf einmal aus einem Spiel Realität geworden.
Und das passiert ja schon in der Ukraine, wo Gamer sehr schnell gute Drohnen Piloten geworden sind.
Denn ob ich auf einer digitalen Karte virtuellen oder realen Truppen Anweisungen gebe, ist für die Software egal.
Mein Punkt ist, es gäbe hier sehr viel Potential zum einen die Ausbildung zu verbessern, zum anderen Rekruten mit guten Vorkenntnissen zu gewinnen und letztlich, die realen Waffensysteme auf einen modernen, leicht erlernbaren Standard anzupassen. Computerspiele sind nämlich auf leichte Bedienbarkeit optimiert, es braucht keinen Drill, um die zu verstehen. Nun kenne ich die Software der BW nur vom Hörensagen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass da das volle Potential ausgenutzt wird.
@lukan
Möchten sie uns Nichtballistikexperten vielleicht noch aufklären, warum das nicht funktioniert?
Metallkopf hats eigentlich auf den Punkt gebracht. Ich wills nochmal am Beispiel von Panzerkanonen verdeutlichen:
Die Kanone des Leo 1 (105mm) hat ein gezogenen Rohr (Züge und Felder an der Innenseite) und verschießt Geschosse, der durch den Drall im Rohrinneren entsteht, im Flug stabilisiert.
Die Kanone des Leo 2 (120 mm) hat hat ein glattes Rohr. Die Geschosse sind flügelstabilisiert und in einen Treibkäfig eingebettet, der sich nach Verlassen des Rohres vom eigentlichen Geschoss trennt.
Es handelt sich also um zwei unterschiedliche innenballistische Abläufe. Beides funktioniert gut. Aber nur mit den richtigen Komponenten.
Das Beispiel ist auf Handwaffen übertragbar: Sturmgewehre wir das AK 47/74 usw. haben Züge und Felder, Schrotflinten in der Regel glatte Läufe (mil Rohre). Wenn man jetzt wie im Video versucht, Treibkäfiggeschosse in Rohren mit Zügen und Feldern zu verschießen, so führt die sehr schnell zur Instabilität der Geschosse (auch, wenn es Kugeln sind) und damit zur Unmöglichkeit, bei sinnvollem Einsatz von Munition ausreichende Wirkung zu erzielen.
Beispiel gefällig? Für den Gepard wurde eine HVAPDS-Munition entwickelt und beschafft. Unterkalibriges Geschoss mit Treibspiegel, das gegen gepanzerte Ziele eingesetzt werden sollte. Präzision und effektive Kampfentfernung waren ernüchternd.
OTL Schommer weiß dazu sicher mehr als ich ;)
Ist doch immer das selbe Problem: Armeen werden ausgerüstet für Kriege, wie man sie zuletzt geführt hat.
Ja, diese Munition war tatsächlich unbrauchbar…
Zum Führen mit Auftrag: die Ausbildung erfolgt immer auf der nächsthöheren Ebene. Erst dadurch ist man in der Lage entsprechend mitzudenken. Das ist das eigentliche Geheimnis. Das wird durch solche Computer-Programme nicht wirklich abgebildet. Im Offizierslehrgang führt man ein verstärktes Kampftruppen-Btl. Das ist so ziemlich die End-Verwendung für eine normale Offizierslaufbahn. Aber dadurch wird der Kampf der verbundenen Waffen ermöglicht.
Der momentanen Situation in UKR kann man durch elastische Verzögerung und stratgische Gegenoffensive entgehen. Dazu fehlt UKR leider Raum und Kraft. Aber dann wäre die Gefahr durch diese Kleinstdrohnen wesentlich weniger, und Kpz, mittlere Kräfte usw. könnten ihre Kräfte entfalten.
VG ng