#94 Große Leerstellen und kleine Stellschrauben, aka: der Koalitionsvertrag | Klima und Sicherheit
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 94 diskutieren Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich die einschlägigen Kapitel im neuen Koalitionsvertrag. Spoiler alert: ein großer Wurf im Lichte der epochalen Herausforderungen ist der Vertrag nicht. Aber ein paar interessante Nuggets identifizieren wir dann doch. Insbesondere über die Wehrpflicht und wie es mit ihr – oder auch nicht – weiter gehen kann und müsste, wird debattiert.
Im zweiten Teil wendet sich die Crew der Klimakrise zu und erörtert, warum man Sicherheit nicht denken kann, ohne auch Klima zu denken. Abschließend wie immer der Sicherheitshinweis, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit der Heron, neuen Loitering Munitions, dem Taurus und noch mehr Waffen. Uff.
Koalitionsvertrag 00:02:25
Klima und Sicherheit 01:01:22
Fazit: 01:15:45
Sicherheitshinweise: 01:17:30
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Thema 1: Neue Koalition, neues Glück
“Verantwortung für Deutschland”, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 21. Legislaturperiode – zu finden bei: CDU, CSU, SPD
Verteidigung im Koalitionsvertrag: Langjährige Beschaffungsvorhaben, zunächst freiwilliger Wehrdienst, Pistorius dürfte bleiben, Augen geradeaus!, 09.04.2025
Koalitionsvertrag: Die Analyse der Außenpolitik mit Claudia Major, Politico Podcast, 11.04.2025
Bundeswehr, Abwärtstrend beim militärischen Personal ist gestoppt, 26.02.2025
Die aktuellen Personalstärke-Zahlen der Bundeswehr
Thema 2: Klima und Sicherheit
Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko-Einschätzung – Scrollytelling
Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko-Einschätzung – Bericht
BMVg, Strategie „Verteidigung und Klimawandel“, 14.03.2024
Beaufíls T. Jakob M. Kalkuhl M. Richter P.M. Spiro D. Stern L. Wanner J., Die sicherheitspolitische Dividende von Klimapolitik, Kiel Policy Brief, 187, 04/2025
Allie Maloney, How climate change could disrupt the construction and operations of US nuclear submarines, Bulletin of the Atomic Scientists, 14.04.2025
Andrea Gilli and Mauro Gill, The hunt for Red October in warmer oceans – Climate change and anti-submarine warfare, NDC Outlook 04-2025, 19.03.2025
Sicherheitshinweise:
Rike: Heron TP-Drohne der Bundeswehr: Erster Einsatz über der Ostsee
Frank: Bundeswehr beschafft Loitering Munitions im Eiltempo, siehe auch AugenGeradeaus
Carlo: Taurus Diskussion
Thomas: Krieg in der Ukraine: Deutsche Waffensysteme nicht kriegstauglich?
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Rike: @rikefranke.bsky.social
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Carlo: @carlomasala1.bsky.social
Thomas: @wiegold.de
Lieber Herr Wiegold, ich erdreiste mich einmal, an dieser Stelle eine OT-Frage an Sie zu stellen, sozusagen eine „Kleine Anfrage“, vielleicht haben Sie ja Bock, sie zu beantworten. Wann erscheint eigentlich der 20. Rüstungsbericht des Verteidigungsministeriums, wissen Sie da vielleicht was? Der ist ja eigentlich längst überfällig. Wartet man da vielleicht mit der Veröffentlichung, bis eine neue Regierung vereidigt ist? Ansonsten: Schöne Feiertage und setzen Sie Ihre erfolgreiche und informative Arbeit bitte fort.
[Oh weh, ziemlich OT – und leider weiß ich wirklich nicht, wann er kommt. Dass es mit der neuen Regierung zusammenhängt, halte ich allerdings auch für recht wahrscheinlich. – Und danke für die Blumen!. T.W.]
Danke für Ihre hervorragende Arbeit!
Richtig gesehen: Zum sicherheitspolitischen Verhältnis zu den USA wurde offenkundig Kreide gefressen.
Deswegen steht nichts drin zum NATO-Gipfel in Den Haag, immerhin schon Ende Juni. Und immerhin soll da die in den letzten Jahren konsensual erarbeitete Fähigkeitenbedarf verabschiedet werden.
Vorher aber wird wohl nicht verkündet werden, dass die USA 10.000 oder 20.000 Kampftruppen aus östlichen europäischen Staaten zurückziehen werden. Dann ist die vorbereitete Fähigkeitenplanung für die Tonne.
Ich vermute einmal, der Hausherr möchte keine Diskussion über die Klimapolitik als solche. Deshalb zum zweiten Teil und der Metis- Studie nur zwei Bemerkungen:
In der Abbildung 4 Klimavulnerabilität kann man erkennen, dass alle großen und relevanten Akteure vom Klimawandel relativ wenig betroffen sind. In anderen Studien wird den nördlichen Ländern (Russland, Skandinavien, Grönland, Kanada, Alaska) sogar ein Gewinn aus den Klimaänderungen vorhergesagt, z.B. Verschiebung der Anbaugrenze für Getreide um 100 km nach Norden. Diese Länder haben keine großen Handlungsdruck. Deshalb ist m.E. die Aussage zum Pariser Klimaabkommen (S. 38) wohl eher Wunsch statt Realität. (Nebenbei, das Abkommen formuliert keine völkerrechtlich verbindlichen Regeln, sondern unverbindliche Absichtserklärungen).
Das Ende des Anstieges des Öl- und Gasverbrauchs (S. 35) wurde schon so oft prognostiziert (z.B. Club of Rome); bisher ging es immer nur bergauf.
[Im Gegenteil, prinzipiell will ich unbedingt eine Diskussion über Klimapolitik – aber nicht in diesem Blog, in dem geht es eben wenn um den Zusammenhang von Klimawandel und Sicherheit. Schade eigentlich, denn Ihre recht simple Ableitung „sogar ein Gewinn aus den Klimaänderungen“ ist recht eindimensional und berücksichtig allzuviele Faktoren nicht. Aber diese Debatte sollte woanders stattfinden. T.W.]
@Ökonom
„Dann ist die vorbereitete Fähigkeitenplanung für die Tonne.“
Na ja, die Fähigkeitsplanung i.w.S. nicht, nur die Truppensteller müssen die Beiträge neu aushandeln, es ist ja bekannt, was die Partner insgesamt liefern müssen.. Für die Bw sind ja bereits jetzt 6-7 zusätzliche Brigaden gefordert (äh, gewünscht), bei Fortfall der USA vielleicht noch zwei oder drei mehr.
Vielen Dank an den Hausherren und seine Mitstreiter(in) für den wieder sehr informativen Podcast! Die, hm, ich nenne sie mal Kommentare von Franke junior erheitern doch das zuhören ungemein – gerne beibehalten, solange es geht!
Zum Inhalt zwei Kommentare:
Patriotismus, Wille zur Verteidigung: Auf einer Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik am 07.03. in Karlsruhe sagte Oberst Vollmann CdS LKdo BW in diesem Kontext: „Wenn es darum geht, ob sie zur Verteidigung ihrer Heimat bereit sind eine Waffe in die Hand zu nehmen, stellen sie sich zwei Fragen: 1. Glauben Sie das Leben in unserem Land und in unserer Gesellschaft ist lebenswert? 2. Glauben Sie das Leben in unserem Land und in unserer Gesellschaft ist Leben wert?“ Das bringt es aus meiner Sicht auf den Punkt. Diese Fragen sollte sich jede(r) stellen und ehrlich beantworten.
Eisenschwein vs. Hightechpanzer: Selbst wenn wir von der Goldrand- zur 80%- Lösung kämen: Das Eisenschwein kommt nicht wieder. 1994 habe ich BCE-Führerschein auf Mercedes 1017 gemacht. Die kompliziertes Elektrik in dem Bock war das Blinkerrelais. Im damaligen U1200 Unimog war das genauso. Die Böcke konnten wir Fahrer am Leben halten. Danach Axor und U5000: Dank Elektronik nix mehr mit Start per Hammerschlag auf den Anlasser. LKW Multi 1: Zwei Hydraulikzylinder – zwei Handhebel, keine Elektrik. Funktioniert immer. LKW MULTI FSA: Zwei Hydraulikzylinder – jede Menge Sensoren und Elektronik, Knöpfe statt Hebel. Funktioniert oder halt nicht. Kaum eine Chance für feldmäßige Instandsetzung ohne Kfz-Mechatroniker. Das ist das Ergebnis der Ableitung von zivilen Baumustern mit Bedienerkomfort, Einhaltung von Vorschriften zur Arbeits-/Maschinensicherheit und Umweltschutzanforderungen. Es gibt keinen Motor ohne Elektronik mehr. Die Bordsysteme sind alle vernetzt. Ein Segen, wenn alles funktioniert. Ein Fluch, wenn eine Macke drin ist. Stichwort gehackter Killswitch in der F35…
Wie sehen denn die Szenarien aus, wenn die Hightech-Truppen durch sind und SatCom tot ist? SEM25/35/52, FFOB/ZB? Dann gilt wieder back to the roots, people in boots. Wer schneller schießt und besser trifft gewinnt den Feuerkampf. (Erwin Rommel, Infanterie-Offizier in WK1). Aber es sind ja nicht einmal 120.000 neue Gewehre bestellt (wann kommen die?). Will sagen/fragen: Gibt es auch Pläne für die zweite oder dritte Welle? Oder glauben die Strategn „wenn ich schon untergehe, gehen die anderen mit“ – und machen die künstliche Sonne an…
Alles keine tollen Aussichten.
@Thomas Melber
merci. Aber eine reine arithmetrische Rechnung ist das vermutlich dann doch nicht nur.
Hintergrund sind ja nicht die US-Truppen-Abzugspläne als solche lediglich, mit dem Motiv, Mittel für die Umschichtung gen CHN und pro US-Navy freizubekommen (von Elbridge Colby und Austin Dahmer im Pentagon so zu vollziehen). Hintergrund dürfte zugleich sein, dass es zum Interessen-Ausgleich in Stationierungs-Regionen mit RUS kommt, d.h. die Truppen werden vermutlich im Schwerpunkt „vorne“, auf den Territorien der Neu-NATO-Staaten ab 1999, zurückgezogen werden. D.i. (aufgestockt um Nicht-Kampftruppen) gemäß einer Übersichts-Karte vom Council on Foreign Relations in „Where Are U.S. Forces
Deployed in Europe?“: Polen: 14.000, Estland: 700; Litauen: 1.000; Rumänien: 2.150; Bulgarien,Ungarn,Slowakei: zusammen knapp 500. Dazu erhebliche Abzüge aus DEU und ITA. Es stellt sich dann doch die Frage, ob Polen dem zustimmen wird, dass dann die Truppen anderer europäischer NATO-Staaten die bislang mit US-Soldaten besetzten Kasernen übernehmen. Das wird noch schwierig werden, sowohl im Verhältnis zu Polen als auch im Verhältnis zu USA/RUS, weil deren gemeinsames regionalisiertes Konzept von Sicherheit in Europa damit unterlaufen würde.
Will sagen: Das alles wäre eine Thematisierung im Podcast wert, und zwar prospektiv, nicht erst, wenn der Konflikt da ist. Also vor Bekanntgabe der Rückzugsentscheidung der USA.
An anderer Stelle schrieb ich schon, dass die Folge wieder sehr hörenswert war, insbesondere in Bezug auf die Studie von Frank Sauer, die ich inzwischen halb geschafft habe und sehr lesenswert finde!
Habe ich es richtig verstanden und in Erinnerung, dass die Frage gestellt wurde und unbeantwortet blieb, wie all der nötige Bevölkerungs- und Zivilschutz finanziert werden solle?
Das ist doch gerade einer der Punkte, die die Grünen reinverhandelt haben. Die Art. 109, 115 GG enthalten doch jetzt auch die Ausnahme von „Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz“ von der Schuldenbremse.
Oder bezog sich das auf die KatS-Ausgaben der Länder oder habe ich sonst etwas falsch verstanden?
[Wir haben schon die Finanzierung von Zivil- und Bevölkerungsschutz erwähnt, ich habe ja auch den entsprechenden Satz im Koalitionsvertrag
Wir werden den Zivilschutz und den ergänzenden Katastrophenschutz des Bundes stärken und die neuen Finanzierunginstrumente für die Gesamtverteidigung von Bund und Ländern nutzen. (Zeile 2687)
wörtlich zitiert…
T.W.]
@Ökonom: Wundert es noch Jemanden? Seit 3 Jahren ist Krieg in der Ukraine und hierzulande wird der Ernst der Lage immernoch ignoriert.
Vollausstattung und hohe Einsatzbereitschaft beim Material würden imho die Attraktivität der Bundeswehr wesentlich erhöhen.
Wenn junge Menschen sich für den Dienst bei der Truppe interessieren, aber aus den Medien immer wieder zu hören bekommen, dass es an allen Ecken mangelt, wirkt das mit Sicherheit abschreckend.
Ich hätte eine Frage an Frank Sauer oder Carlo Masala zum 2+4 Vertrag und seiner Auslegung. Aber vielleicht weiß es auch jemand anderes hier? Der 2+4 Vertrag legt eine Höchststärke der Bundeswehr von 370.000 Soldaten insgesamt und davon höchstens 345.000 Heeres & Luftwaffensoldaten fest, was im Umkehrschluss bedeutet, die Marine müsste 25.000 Soldaten umfassen. Die Bundeswehr hat die Stärke von 370.000 Soldaten nie erreicht, sondern nur 366.000 aktive Soldaten ausgewiesen & 4.000 Wehrübungsplätze. Da der 2+4 Vertrag keine Definition enthält, ob Reservisten zu den Soldaten mitgezählt werden müssen oder nicht, ist meine Frage, ob andere Abrüstungsverträge Reservisten Zählen oder eine Anrechnung von Wehrübungsplätzen auf die Personalstärke verlangen oder ob nur aktive Soldaten zählen? Denn nachdem die NATO angeblich im Juni 395.000 Soldaten von Deutschland fordern soll, könnte die Vertragsauslegung eine Rolle spielen. 395.000 Soldaten wären zuviele, wenn die Reservisten voll mitzählen würden, weil mehr als 370.000 Soldaten. Wegen den Wehrübungsplätzen in der BW gehe ich davon aus, das Reservisten höchstens als Wehrübungsplätze mitzurechnen sind oder gar nicht. Dann könnte die BW sagen wir weisen 200.000 aktive Soldaten aus und 195.000 Reservisten. Die 195.000 Reservisten entsprechen aber nur 20.000 Wehrübungsplätzen, Vertrag eingehalten. Oder die BW könnte sagen, wenn nur aktive Soldaten zählen, wir weisen 370.000 aktive Soldaten aus und die 25.000 (oder mehr); Reservisten zählen nicht. Dies würde sich vor allem beim Modell des Reservisten Verbandes auswirken, der ja eine Million Soldaten einschließlich Reservisten fordert.
Im übrigen muß man die dann auf dem Hof stehenden Kameraden auch unterbringen (Kaserne, „im Feld“ am Einsatzort) und verpflegen und betreuen (insb. auch sanitätsdienstlich).
Man darf gespannt sein wie das umgesetzt werden wird.
@Closius
Meine Interpretation ist, daß die 370k die Tagesantrittsstärke ist, d.h. die zu einem beliebigen Zeitpunkt in Dienst befindlichen (i.w.S. im Soldatenstatus, also auch Urlauber und kzH), unabhängig ob aktiv oder Reserve.
„20000 Wehrübungstage“ (heißt, glaube ich, inzwischen „Resevedienstleistungstage“, oder auch RDL-Tage, kommt aber auf´s Gleiche raus) bedeutet, dass an jedem Kalendertag 20000 Reservisten üben, das heißt „im Dienst“ sein können. Und nur diese dürften zählen, weil sie eben für eine begrenzte Zeit aktiv Dienst leisten. Die Gesamtzahl der Reservisten der Bw liegt deutlich darüber, weil jeder, der mal Dienst geleistet hat, automatisch als Reservist zählt, egal ob beordert oder unbeordert – und das solange, bis die Wehrüberwachung gem. WPflG greift. Damit können mMn Reservisten, die nicht gerade einen Reservedienst ableisten, nicht in der Obergrenze mitzählen, weil sie eben keine Soldaten sondern Zivilisten sind.
@KlausP: Die Berechnung stimmt so nicht. 20.000 RDL Tage bedeutet, dass ich diese als „Mann-Tage“ haushälterisch hinterlegt habe. Also entweder lasse ich damit 4000 Mann eine Woche Reservedienst leisten, das wäre zum Beispiel eine nichtaktive Brigade eine Woche auf dem Truppenübungsplatz => 4000 x 5 Tage RDL = 20.000 RDL Tage verbraucht. In vielen Verbänden und Stäben tobt seit Jahren ein Richtungsstreit, wie mit den zugewiesenen RDL – Tagen umgegangen wird. Option A: Ich verbrauche die RDL Tage auf möglichst wenige Reservisten (Pensionäre, Selbstständige, Lebenskünstler mit viel Zeit) konzentriert und schließe damit über Monate Lücken im aktiven Personal. Option B: Ich setze meine RDL-Tage so ein, dass ich möglichst viele Reservisten angemessen einbinde, qualifiziere und für den Tag X einen breiteren Pool an Reservisten habe. Und jetzt die Frage: Woran denkt ein Kommandeur eher: Akute schmerzhafte Vakanzen für einige Monate durch „Dauerwehrübende“ schließen oder für einen fernen Tag X / V-Fall seine Reserve in Breite und Tiefe vorbereiten. Von den haushälterischen RDL – Tagen in der Praxis zu trennen ist die im Umfang der Streitkräfte vorgesehene Anzahl von RDL-Plätzen, d.h. gleichzeitig herangezogener Reservisten. Ursprünglich (!) hätten diese beiden Zahlen korrespondieren müssen, d.h. 1000 WÜ-Plätze x 365 = 356.000 WÜ-Tage… für die ganze Bundeswehr! Aber diese Tage sind wegen Sparmaßnahmen immer wieder gekürzt worden, dann gingen viele Tage für die Auslandseinsätze drauf oder die besagten Dauerreservisten in Stäben und Ämtern. Aber eben nicht in die eigentlichen Strukturen. Und es gab immer wieder „Nachschläge an Tagen“ z.B. während COVID19. Neben der „Doppelten Freiwilligkeit“ müssen sie also noch die Tage im Haushalt haben und auch noch ein sinnvolles dienstliches Vorhaben, das sich in einer RDL von einer oder zwei Wochen abschließen lässt. Höher als Zugebene kommen sie da heute (!) schwer… In den 90ern waren wir in einem Divisionsstab eine StabsAbt. mit ca. 50% ResOffz – die aber Minimum fünf bis sechs Mal im Jahr einrückten, sei es für einige Tage oder einige Wochen und auch Lehrgänge besuchte. Nur diese eine Abt. hat damals also hunderte „WÜ-Tage“ verbraucht – war aber stabsmäßig „combat ready“ für Großübungen mit NATO-Partnern.
Zur EU Erweiterung. Die Zurückhaltung ist angesichts der inneren Probleme der EU mehr als angebracht. Jede weitere Erweiterung würde erstmal nur die Probleme vergrößern.
Hinsichtlich der Ukraine ist das, was im Koalitionsvertrag steht, ein Widerspruch in sich. Wir wissen alle, was die Ukraine am nötigsten braucht. Aber Soldaten will niemand schicken. Es besteht wohl auch Konsens, dass wir den Ausfall der USA beim Liefern von Munition, Waffen und Intel, nicht kompensieren können.
Der einzige Weg, der Ukraine noch mal zu einer „Position der Stärke“ zu verhelfen, wäre die Mitgliedschaft in der NATO oder zumindest in der EU in Verbindung mit der Aktivierung der Bündnisklausel, bzw. dem Artikel 47.
Eine Aufnahme in die NATO erfordert Einstimmigkeit. Die gibt es aber nicht, weil Donald Trump (wie schon Joe Biden) eine NATO Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen hat.
Eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU erfordert auch Einstimmigkeit und die existiert ebenfalls nicht. Da die Polen und Ungarn, und noch ein paar andere, das ablehnen.
Die Ünterstützungserklärung ist de facto ein leeres Versprechen.
Zur Wehrpflicht: Unsere Medien geben sich doch schon alle Mühe, die „Bedrohungsperzeption“ in der Bevölkerung zu erhöhen. Aber da es keine solche Bedrohung für die Bundeserepublik Deutschland gibt, gehen diese Bemühungen zwangsläufig ins Leere. Die Grenze zwischen Patriotismus und Nationalismus ist leider fließend. Und das ist nicht nur bei uns so. Länder, wie Schweden, den Niederlanden oder Dänemark, die eigentlich viele Jahre einen ‚gesunden‘ Patriotismus gepflegt haben, sind im Verlauf der letzen 20 Jahre immer mehr in Richtung Nationalismus unterwegs. Rechte Parteien haben in allen EU-ropäischen Staaten Zulauf und immer mehr von diesen Parteien gelangen in Regierungsverantwortung. Jeder Versuch den Patriotismus zu stärken, der stärkt die Parteien am rechten Rand.
Was den Anwerbeerfolg erhöhen würde, wäre, da stimme ich zu, das wäre ein besseres Ansehen unseres Staates und unserer Werte, damit Menschen zu dem Schluss kommen, sie verteidigen zu wollen.
An Bemühungen fehlt es nicht, aber wie das Erstarken der AfD zeigt, sind diese nicht sehr erfolgreich. Natürlich liegt das auch am Verhalten jener Parteien der sogenannten liberal-demokratischen Mitte. Gibt es eigentlich noch in der Politik und Gesellschaft jene Vorbilder, die unsere Werte nicht nur predigen sondern auch leben?
Das Problem Klimawandel wird natürlich zwangsläufig die Felder Wirtschaft, Verkehr u.s.w. beeinflussen. Jedes Hochwasser und jede Dürre mit Waldbränden wird das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen.
Zum Thema Gas möchte ich nur anmerken, dass wir Gas nicht nur zum Heizen oder zum Stromproduzieren brauchen. Das Methan im Erdgas ist ein wichtiger Rohstoff zur Düngerproduktion für die Landwirtschaft.
Zur Zuverlässigkeit deutscher Waffensysteme in der Ukraine. Grundsätzlich sind die Bedingungen in der Ukraine nicht viel anders, als sie es wären, wenn wir die Aussengrenze der NATO mit unseren Waffensystemen in Finnland, Polen oder Rumänien verteidigen müssten. Auch dann hätten wir lange Wege für unsere Logistik und auch dann würden diese Waffensysteme mehr Schüsse abgeben, als dies auf der Schießbahn normalerweise der Fall ist. Die Ausrede würde ich so nicht gelten lassen. Ich hätte auch Zweifel, ob unsere Instandsetzungseinheiten sehr viel besser darin wären, verschlissene Waffensysteme schnell wieder einsatzbereit zu bekommen.
Ich danke für die Auswahl dieses Themas für den Podcast. Was mir dabei zu kurz kam, dass sind die Umstände, unter denen dieser Koalitionsvertrag zustande gekommen ist. Ja, die internationale politische Lage, vor allem die Beziehungen zu den USA, ist schwierig und ihre Entwicklung ist unberechenbar. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass das Ergebnis der Bundestagswahl zwei Parteien, deren politischen Positionen auf vielen Gebieten nicht weiter auseinanderliegen könnten, quasi alternativlos, dazu zwingt, eine Regierung zu bilden. Diese beiden Parteien sind auch noch zum Erfolg verdammt, weil, das zeigen aktuelle Umfragewerte, eine Neuwahl zu noch schwierigeren Verhältnissen führen würde. Zwei Drittel der Wahlberechtigten hatten und haben Zweifel, was die Fähigkeiten und die Glaubwürdigkeit von Herrn Merz anbetrifft.
Fast alle Projekte, die jetzt nicht direkt mit der Bundewehr zu tun haben, stehen unter Finanzierungsvorbehalt, weil ein Finanzierungsloch von 40 Milliarden Euro entstehen würde, wenn alle Vorhaben so umgesetzt werden würden.
Wir leben in interessanten Zeiten und es wird niemanden geben, der uns hilft unsere Welt zu erhalten, ausser uns selbst.
Frohe Ostern, wo immer ihr seid.
@Windlicht
Nein, das ist nicht korrekt. Aktuell gibt es, soweit ich weiß, 8.000 „RDL Tage“ (die Bezeichnung ist nicht ganz korrekt) – d.h. zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Jahr können 8.000 Reservisten üben, es gibt also quasi 8.000 Stellen zusätzlich zum aktiven Umfang.
@Windlicht: ja, da habe ich mich etwas „vergaloppiert“. Peinlich für einen ehemaligen Reservistenbearbeiter… Das kommt dann davon, wenn man die inkorrekte Verwendung von Begriffen übernimmt.
@Thomas Melber: die 8000 sind dann WehrübungsPLÄTZE. Jeder WehrübungsPLATZ entspricht 365 WehrübungsTAGEN. Ob die 8000 WÜbPl dann aber auch haushälterisch hinterlegt sind so mit Wehrsold und Leistungen nach Unterhaltssicherungsgesetz? Ich wage das zu bezweifeln.
@Schlammstapfer
„Wir wissen alle, was die Ukraine am nötigsten braucht. Aber Soldaten will niemand schicken.“
Hier lebende Gestellungspflichtige kann man durchaus der UKR Wehrverwaltung zuführen, wenn man wollte:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/4ars1124-bgh-kriegsdienstverweigerung-russischer-angriffskrieg-ukraine-auslieferung
Juristische Würdigung hier:
https://verfassungsblog.de/kriegsdienstverweigerung-kriegsfall-bundesgerichtshof/
Nota: ich selbst halte es für zielführender daß die UKR auch einen Ersatzdienst anbietet.
Aus meiner Sicht ist das Sich-Entziehen der Wehrpflicht ebenfalls eine Straftat, zumindest gem. UKR Rechts. Bei uns übrigens auch gem. WStG (§16, Fahnenflucht).
„Unsere Medien geben sich doch schon alle Mühe, die „Bedrohungsperzeption“ in der Bevölkerung zu erhöhen.“
Es wird ja bereits berichtet (WELT Online), daß RUS ggf. bereits 2027 zuschlagen könnte. Falls man RUS den grundsätzlichen Willen hierzu unterstellt halte ich das auch für realistisch: RUS betreibt Kriegswirtschaft, das kann man nicht auf Dauer durchhalten, und: warum warten bis die NATO / bis DEU kriegstüchtig ist ? Wenn es bis Ende d.J. einen Waffenstillstand in der UKR gibt (wie auch immer der aussieht) hat RUS 24 Monate Zeit seine auf Hochtouren laufende Rüstung fortzusetzen, und bis dahin ist bei uns der Zulauf an neuen Systemen und Munition noch überschaubar, bei Personal ebenso.
Zu Ihren anderen Punkten: die bedürfen eher eines direkten Austauschs.
@Thomas Melber; Ich habe nur ein Rechenbeispiel mit „1000“ gewählt und mich nicht auf ein konkretes Jahr bezogen. Über die Jahre und Jahrzehnte ist der Wert immer wieder nach oben oder unten geändert worden. Genauso wie die tatsächliche „Deckung“ durch „RDL-Tage“. Damit sollte auch deutlich werden, dass es hier im System eine klare politische Gestaltungsmöglichkeit mit relativ schneller Wirkung gibt – vorausgesetzt, man hat in der Truppe Strukturen und Bewußtsein für die sinnvolle Dienstleistung von Reservisten. Vielen Leuten ist übrigens nicht klar, dass die reine Anzahl von besetzten Beorderungsdienstposten nichts über die Möglichkeiten der realen Aktivitäten darauf aussagt. @TW: Wie sieht es eigentlich seit 2022 und der Zeitenwende mit einer „Statistik der Reserve“ aus? Wurden die bereitgestellten Tage ausgeschöpft? Wie groß ist eigentlich die Anzahl der Individuen, die pro Jahr tatsächlich einberufen wurden? Haben wenige Individuen viele Tage verbraucht oder hat es auch mehr (!) Reserveübungen ganzer Einheiten oder Truppenteile mit Volltruppe gegeben? Kann man sehen, wie die TSK Tage anteilig verbraucht haben? Im Koalitionsvertrag ist zur Reserve ja nur der schwache Satz „Wir unterstützen eine starke Reserve“ drin. Da hätte auch das Verb „wir schaffen“ stehen können! Die harten politischen Punkte Ressourcen für die Reserve, doppelte Freiwilligkeit, Attraktivitätssteigerung/Prämien, Staat als Arbeitgeber der Reserve haben es ja nicht in den Vertrag geschafft.