Debatte über Wehrpflicht nimmt Fahrt auf – Grünen-Vorschlag für Dienstzeit für alle bis 67
Die Debatte über eine Wehrpflicht nimmt wieder Fahrt auf – sicherlich vor allem, weil dieses Thema auch in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD eine Rolle spielt und, soweit bekannt, heftig umstritten ist. Die Wehrbeauftragte des Bundestages sieht irgendeine Art von Pflicht als unvermeidbar an, und die bayerischen Grünen schlagen eine Dienstzeit für alle vor. Bis zum Alter von 67 Jahren.
Dass sich die Wehrbeauftragte Eva Högl als frühere SPD-Politikerin bei ihrem Interview im Deutschlandfunk am (heutigen) Montag am Wehrdienst-Vorschlag des amtierenden Verteidigungsministers Boris Pistoris (SPD) orientiert, überrascht nicht: Fragebogen für alle jungen Deutschen ab 18 Jahren, egal welchen Geschlechts, eine Antwortpflicht – aus verfassungsmäßigen Gründen zunächst nur – für Männer und ansonsten vorerst weitgehende Freiwilligkeit. Dagegen steht, nach den bislang aus den Koalitionsverhandlungen bekannt gewordenen Details, die Forderung der Union nach einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht alten Stils.
Der Vorschlag, den die bayerischen Grünen am Wochenende vorgelegt haben, würde dagegen eine Grundgesetzänderung voraussetzen und ist schon aus dem Grund wenig wahrscheinlich. Der Kern des Vorstoßes der Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und des innenpolitischen Sprechers Florian Siekmann für einen so genannten Freiheitsdienst sind drei parallele Säulen:
• Der Wehrdienst kann aus den bestehenden freiwilligen Wehrdiensten aufwachsen. Die Organisationen im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes werden massiv gestärkt und die Freiwilligendienste des Bundes endlich ausfinanziert. Hinzu kommt das breite gesellschaftliche Engagement in den gemeinnützigen und mildtätigen Vereinen.
• Im Bevölkerungsschutz legen wir einen neuen Schwerpunkt auf die kritische Infrastruktur. Innerhalb der Strukturen von Zivil- und Katastrophenschutz bilden wir zusätzliche fachlich versierte Einheiten zum Schutz und zur Aufrechterhaltung kritischer Infrastrukturen. Somit kann auch nach erfolgreicher Ausbildung bzw. Studium der Bevölkerungsschutz mit beruflichem Hintergrund geleistet werden.
• Der Gesellschaftsdienst baut auf den vielfältigen Freiwilligendiensten des Bundes auf: Bundesfreiwilligendienst, Freiwilliges Soziales und Ökologisches Jahr, Internationaler Jugendfreiwilligendienst. Wir wollen ihn um solches Engagement erweitern, das zu unserer gesellschaftlichen Widerstandskraft beiträgt und den Zusammenhalt fördert. Das reicht von der ehrenamtlichen Trainerin beim Sport über den Jugendleiter in der Jugendarbeit bis zu Lesebegleitung von Großeltern in Schulen.
Nach Ablauf der Vollzeitschulpflicht findet eine allgemeine Musterung statt. Neben der Prüfung der gesundheitlichen Eignung wird umfassend über die Zweige des Freiheitsdienstes informiert. Die Mindestdauer des Freiheitsdienstes für Deutschland beträgt einheitlich 6 Monate, sie kann am Stück oder zeitlich gestreckt erfüllt werden. Angerechnet werden Ausbildung, Fortbildung sowie Übungs- und Einsatzzeiten. Der Dienst ist zwischen dem 18. und 67. Lebensjahr zu leisten, er gilt für alle mit festem Aufenthalt in Deutschland unabhängig von Staatsbürgerschaft oder Geschlecht. So bauen wir eine Brücke zwischen den Generationen, ermöglichen Flexibilität in der modernen Arbeitswelt und berücksichtigen die individuelle Lebensplanung. Wer bisher schon Wehr- oder Zivildienst geleistet hat, ist befreit. Ehrenamtliches Engagement, das dem Gesellschaftsdienst entspricht, wird angerechnet.
Auch ohne große Chance auf Verwirkklichung: Interessant ist dieser Vorstoß, oder besser Gedankenanstoß, aus gleich zwei Gründen. Zum einen wird anerkannt, dass auch und gerade für einen Krisenfall nicht nur Militär gebraucht wird, sondern auch andere, zivile Hilfsdienste – wie sich gerade in der Ukraine immer wieder zeigt, wenn russische Luftangriffe Wohnviertel weit hinter der Front treffen.
Und zum anderen ist es, ausnahmsweise, nicht der übliche Reflex, bei dem ältere Männer die Wehrpflicht für junge Männer fordern. Sondern eine gesellschaftliche Verpflichtung, auch in höherem Alter. Wer das, wie manche Medien in Deutschland, ganz schnell als üble Grüne Bevormundung geißelt, kann ja nach Schweden gucken. Dort gilt im Sinne der Totalverteidigung im Kriegs- und Krisenfall eine Dienstpflicht für alle – bis zum Alter von 70 Jahren.
(Dass die Grünen es Freiheitsdienst nennen und sich damit den Rechten einen Begriff wegnehmen, ist auch eine… interessante Volte dabei.)
Dkblu35 sagt ***Das ist alles so altbacken. Heutzutage wird ein militärischer Konflikt vor allem durch automatische Drohnen, Luftwaffen und kleine taktische Kampftruppen geführt. Wozu muss man also die allgemeine Truppenstärke erhöhen? Ich würde also eher Investitionen in neue Technologien und entsprechende kritische Infrastruktursicherheit tätigen, statt Menschen zu verheizen.***
Am Ende bringt die Infanterie den Sieg. War immer so und wird so bleiben. Ohne die gehts wirklich nicht. Noch nicht.
@DKblu35: Ich glaube, keine Armee der Welt – mit Ausnahme von Russland oder China vielleicht – hat wirklich Interesse daran eigene Truppen zu „verheizen“. Auch nicht die Ukraine, die ja nun gezwungenermaßen mit Druck arbeiten muss, um ihre Truppenstärke so zu halten, dass Verluste überhaupt ausgeglichen werden können. Aber auch dort ist man sich bewusst, dass der einzelne Soldat in der Einheit das Wertvollste ist, was man hat. „Live to fight another day“, ist da die Devise, ganz entgegen der (post-)sowjetischen Doktrin: „Egal, wie viele мо́бики es kostet, solange nur das operative Ziel erreicht wird.“
Wenn man allerdings erst dann damit anfängt, Ersatz auszubilden, wenn man sehr dringend welchen braucht, ist das nicht wirklich klug. Sie tanken ja bestimmt Ihr Auto auch gemeinhin, bevor Sie auf der Straße trockenen Tankes stehen bleiben, oder? So ist das auch mit Personal im Allgemeinen und Soldaten im Speziellen. Rechtzeitige Planung verhindert zerrissene Hosen.
@Frank: „Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder engagierte junge Leute, die bei uns ihr FSJ abgeleistet hatten. Auch diese sollten nicht mehr zu einer allgemeinen Dienstpflicht herangezogen werden, da Sie schon mehr als das geforderte halbe Jahr Dienst für die Gesellschaft geleistet haben und das für sehr wenig Geld. Aber es war eben kein Ehrenamt, was die Grünen alleine anrechnen wollen.“
Ich verstehe den vom Hausherren zitierten Diskussionsbeitrag so, dass das FSJ sehr wohl angerechnet würde:
„Der Gesellschaftsdienst baut auf den vielfältigen Freiwilligendiensten des Bundes auf: Bundesfreiwilligendienst, Freiwilliges Soziales und Ökologisches Jahr, Internationaler Jugendfreiwilligendienst.“
Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war es in den 2000ern möglich, mit Verweigerung ein FSJ anstelle des Wehrdienstes zu machen. Warum sollte das künftig dann anders sein…
ant65 sagt: 01.04.2025 um 18:41 Uhr
„Um es kurz zu machen: Es gibt in D kein verbindendes Element was über allem steht, und ‚Steuerzahler‘ und ‚Klimaretter‘ ist für sowas einfach zu wenig.“
Da möchte ich mich anschließen. Jede Wehrpflicht basiert auf einer Grundeinstellung breiter Kreise der Bevölkerung zur Notwendigkeit, ob nun positiv (z.B. Eroberung des Platzes an der Sonne) oder negativ (Abwehr des Franzosen/Russen) und staatlichem Zwang für den Rest. Nur staatlicher Zwang allein recht nicht. Die Motivation kann ich beim besten Willen nicht erkennen, obwohl sich die Medien schon kräftig Mühe geben. Beim Teil der Bevölkerung, bei dem die Bedrohungsszenarien fruchten, realisiert sich die Kehrseite der Globalisierung. Sie können ausweichen, ob nun nur nach Portugal oder gleich nach Australien. Es gibt m.E. keine Alternative zu einer Freiwilligenarmee.
Die Politik sollte sich in der heutigen unübersichtlichen Zeit nicht von solchen – wenn auch interessanten Diskussionen – wie Dienst für alle bis 67 ablenken lassen.
Es sollten schnelle Maßnahmen zur deutlichen Erhöhung der Mannschaftsstärke, wie die verbindliche Musterung und die Rekrutierung der Freiwilligen und Einberufung der darüber hinaus noch gebrauchten und geeigneten Männer erfolgen. Wichtig ist, dass hier schnell ein Prozess eingeleitet wird, der zu einer deutlichen Zunahme der Mannschaftsstärke führt.
Die breite Diskussion über Dienst bis 67, Musterung von Frauen etc. ist zwar vielleicht wichtig aber im Augenblick politisch nicht durchsetzbar (Grundgesetzänderung etc.).
Es sind aber schnelle Lösungen notwendig, besonders weil wir in absehbarer Zeit „allein zu Hause sind“.
Hinsichtlich dem Dienst bis 67: Gemäß Paragraph 59, Absatz 3 Soldatengesetz, gehört man bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zum Kreis der wehrrechtlich verfügbaren Personen. Ist, wenn es hart auf hart kommt, bereits jetzt geregelt.
Ich hoffe nicht, dass meine Mithilfe (Wehrdienst als Panzergrenadier in Ellwangen 1982), in nächster Zeit benötigt wird.
Angesichts des, auch mit millionenteuren Werbemaßnahmen und eingem an finanziellen Anreizen, inkl Beförderung im Geschwíndschritt, immer noch nicht erfolgten Erreichens des alten Minimums von 185000 Sdt, bin auch ich sehr gespannt, wann diese Brigade „echt“ aufgestellt sein wird. Also nicht nur durch ledigliches Verschieben von Vbd aus D.
Die aktuelle Stärkevorstellung von 20×000 wird wohl vorerst ein Traum bleiben.
Und ausgerechnet die „Grünen“ – obwohl vmtl ja nicht einmal „Minderheitskoalitionär“ – kommen jetzt mit dem Dienst-bis-67 Vorschlag aus der Kurve – da müßte dann ja „im Falle des Falles“ sogar Campino nochmal ´ran. Und wie wir wissen, würde er ja auch nicht „verweigern“, müßte sich eigentlich freiwillig melden, stünde er zu seinen Worten… ;-)
Für weiterhin interessant halte ich die Betrachtung der materiellen Ausstattung, nicht nur, aber bei dieser „Frontbrigade“ vlt mit ein wenig Vorrang, mit auch und gerade angesichts der UKR-Erfahrungen im modernen Gefecht, mit Gerät, das „wir“ ja gar nicht haben und mit der „Esken-SPD“ als immerhin „tonangebendem“ Koalitionär auch nicht bekommen werden, wie den so bösen „bewaffneten Drohnen“!
Womit man dann auch ganz fix beim „Verheizen“ eigener Truppe landet. Nichts weiter ist es, wenn man „seine“ Soldaten zwar in kriegerische Handlungen zu schicken gewillt, es aber kategorisch ablehnt, diese mit „Stand-der-Technik“-Material auszustatten. Von „Kanonenfutter“ steht mEn NICHTS im GG.
War und ist die menschenverachtende „Führung“, das Bewußtsein, mit mehr Soldaten, als Patronen beim Feind schon irgendwann zu gewinnen, wie wir auch in der „lupenrein-demokratisch“ geführten „Spezaloperation“ feststellen können, eigentlich ein Zeichen „der anderen“.
Zitat:“Vorschlag für Dienstzeit für alle bis 67″
Habe ich das falsch verstanden oder haben die Grünen nun wirklich den Kontakt mit der Realität verloren? Viele Menschen schaffen es ja nicht mal bis 67 in ihrem Beruf zu bleiben.
Heutztage sind doch viele schon mit Mitte 50 kaputt. Vor allem jene, die in körperlich antrengenden Berufen wie dem Handwerk tätig sind.
Ich schaue bei dem Thema immer gerne ans andere Ende der Welt zum „little red dot“, und muss ehrlich sagen: deren Konzept gefällt mir bis jetzt mit am besten und konsequentesten. Die dortige Interpretation von „Total defence“ als allumfassende Aufgabe der Gesellschaft und die daraus resultierende Dienstpflicht die 2 Jahre lang in einer Institution der Inneren-, Äußeren-, oder Zivilen- Sicherheit geleistet wird, mit einer Pflicht bis zum Alter von 45 (bei Offzen 50) regelmäßig eine Wehrübung zu machen.
Es nützt im V-Fall recht wenig wenn die örtliche Jugendherberge mal einen billigen Hausmeister gehabt hat. Und eine Dauer von 6 Monaten ist zu wenig. Das ist gerade mal die Dauer der Basisausbildung, Abbau Mehrarbeit, Jahresurlaub, und Ausscheiderwoche kommen da noch oben drauf, da wären wir schon Minimum bei 7 Monaten. Dinge wie Fahrzeugeinweisungen, weiterführende oder dienstpostenspezifische Ausbildungsinhalte hat der Rekrut dann aber noch gar nicht gesehen.
Der Vorschlag ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber ein viel zu kleiner.
Andere Punkte:
Ältere entscheiden über Jüngere? Echt Jetzt?? Die waren doch schon alle dran, das ist ein künstlich herbeigeredetes Problem was vom Inhalt der Diskussion ablenken soll weil der ein oder andere in meiner Generation einfach „kein Bock hat“. Tut mir leid aber nach „Bock haben“ fragt im Krieg leider niemand.
@Wehrpflichtiger_90 zu den von ihnen erwähnten Punkten gibt es recht viel beim BFD, nur wie alles in der BW muss man das erstmal wissen, und da ist der Informationsfluss eben sehr dürftig.
Das mit dem Personen da einsetzen wo es sinnvoll wäre wünscht sich glaube ich jeder in der BW, warum man es nicht macht ist mir leider ein Rätsel dessen Antwort vermutlich nur die wohl meist gehasste Behörde der BW (BAPers) kennt. (falls hier einer von denen sich outen möchte kann er es mir gerne erklären)
Falls wir die 350.000 Marke irgendwann knacken sollten, könnte man evtl auch den Heimatschutz an einen wieder aufgestellten BGS auslagern.
Es tut mir Leid, aber ein Dienst bis 67 finde ich un um setzbar. Ich bin jetzt 52 und mir hat die Dienstzeit ein Halswirbelsyndrom, einen doppelten Halswirbelbandscheibenvorfall und eine Kniearthose Stufe 4 im linken Knie beschert. Trotzdem möchte man das ich den AVU-IGF mache, vielleicht wirds ja wieder besser , kommentiert man. Ich bin froh, wenn ich in drei Jahren fertig bin und dann eventuell noch etwas sinnvolles machen kann. Wenn ich jetzt eine Entscheidung bekäme bis 67 oder welche Erhöhung auch immer, würde ich kündigen, egal welche Nachteile dies bringt. Meine Gesundheit und meine Familie sind mir wichtiger ! Allen anderen wünsche ich Gesundheit !
@H-J.K.: Es tut mir auch leid, aber haben Sie den Originalvorschlag der Grünen überhaupt gelesen? Da ist überhaupt nicht die Rede davon, dass (Berufs)Soldaten bis 67 dienen sollen sondern dass Jeder bis zu diesem Alter irgendeinen Dienst für das Gemeinwesen geleistet haben soll – bei der Bw, der Feuerwehr, dem DRK, dem THW oder sonstigen Organisationen.
@HG-Butte:
Sie wissen schon, dass der Bundesgrenzschutz nie aufgehört hat, zu existieren, oder? Er heißt freilich heute anders, nämlich: „Bundespolizei“.
Nach dem geplanten neuen Koalitionsvertrag wird es nichts mit einer Wehrpflicht. Nur eine Wehrerfassung soll kommen. Aber Umsetzung nur mit Freiwilligkeit erstmal. Dies entspricht dem Pistoriusmodell, so dass die SPD sich gegen die Union durchgesetzt hat. Der Koalitionsvertrag verkennt den Ernst der militärischen Lage. Es werden nur Gefahren durch Putin benannt, die Bedrohung durch Trump aber ignoriert! Positiv ist, dass die 25 Millionenvorlagen an die Inflation angepasst werden sollen, aber leider werden diese nicht ganz abgeschafft und keine neuer Höchstbetrag genannt.
[Zum Koalitionsvertrag gibt’s einen eigenen neuen Eintrag jetzt; bitte ggf. die Debatte dort fortsetzen. T.W.]
Die meisten 67jährigen haben bereits ihren Wehrdienst geleistet.
@Metallkopf
Allerdings hatte der BGS Kombattantenstatus und war entsprechend ausgestattet. Ich habe den BGS selbst in MUNSTER 1985 beim Mörserschießen gesehen.
Diesbezüglich kein Vergleich zur BPOL heute, auch von den Aufgaben her nicht. Seinerzeit gab es ja auch eine Bahnpolizei deren Aufgaben auf die BPOL übergegangen ist.
@Thomas Melber
wäre noch die frage ob er mit Kombattantenstatus nicht doch unter die Begrenzung des 2+4 Vertrages fällt.