Sicherheitshalber der Podcast #91: Schmuggel, Sabotage, “Schattenflotte” | Wiedervorlage: Geopolitik nach Covid
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 91 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich im ersten Segment mit Nele Matz-Lück. Die Seerechts-Expertin erklärt, was die Schattenflotte eigentlich ist, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen sind und weswegen es aktuell so wenig Handhabe gibt, um vermuteten Sabotageakten auf hoher See wirksam nachzugehen. Carlo fragt dann natürlich, warum man die verdächtigen Schiffe nicht einfach versenken kann … Im zweiten Teil rekurrieren wir auf eine beinahe 5 Jahre alte Folge, in der wir die Auswirkungen der Covid-Pandemie auf die internationale Politik diskutiert hatten. Wie stellt sich diese Diskussion in der Rückschau dar?
Abschließend wie immer der Sicherheitshinweis, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit dem E-X-odus des BMVg, dem HALFLOOP24-Hack, dem Ende der Drohnendebatte und dem Anfang der Drohnenabwehr.
Schattenflotte: 00:02:00
Wiedervorlage Covid: 00:50:43
Fazit: 01:26:31
Sicherheitshinweise: 01:28:41
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Thema 1: Schattenflotte
Unsere Gesprächspartnerin: Prof. Dr. Nele Matz-Lück, Professorin für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Völkerrecht, insbesondere Seerecht, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Live-Karte: Positionsdaten der russischen Schattenflotte
The Economist, Finland’s seizure of a tanker shows how to fight Russian sabotage, 01.01.2025
Sophia Besch and Erik Brown, Securing Europe’s Subsea Data Cables, Carnegie, 16.12.2024
Meaghan TobinMuyi Xiao and Amy Chang Chien, Taiwan Says It Suspects a Chinese-Linked Ship Damaged an Undersea Internet Cable, NYTimes, 07.01.2025
Nurlan Aliyev, The Mayhem of Russia’s “Research” Fleet, War on the Rocks, 07.01.2025.
Mike Schuler, Finnish Authorities Find Alarming Safety Deficiencies on Russian Tanker Suspected Cable Damage, gCaptain, 08.01.2025
Thorsten Benner, The Underwater Battlefield: Protecting Submarine Critical Infrastructure, IPQuarterly, 08.01.2025.
Michelle Wiese Bockmann, First signs of post-sanctions stranded Russia oil cargoes emerge at Chinese ports, LLoyd’s List, 13.01.2025
Joint Statement of the Baltic Sea NATO Allies Summit, 14.01.2025
Thomas Wiegold, „Baltic Sentry“: NATO startet neue Überwachungsmission für die Ostsee, Augengeradeaus, 1401.2025.
Julian Staib, Entern erlaubt?, FAZ, 15.01.2025
Thema 2: Wiedervorlage: Covid
Folge #25 Globale Machtverschiebungen durch Corona?
Recovery fund is a huge breakthrough for the EU, Financial Times, 21.07.2020
Bruce Gil, Bird flu mutations in the US’s first severe H5N1 case may boost the virus’s ability to infect humans, Quartz, 27.01.2025
Sicherheitshinweise:
Carlo: Verteidigungsministerium stoppt Präsenz auf Twitter, äh, X
Frank: NATO Funkverschlüsselung HALFLOOP-24 geknackt
Rike: Die Einsatzgrundsätze für die bewaffneten Drohnen der Bundeswehr sind da
Thomas: Bundeswehr soll Drohnen abschießen dürfen
BlueSky:
Sicherheitspod: @sicherheitspod.bsky.social
Rike: @rikefranke.bsky.social
Frank: @drfranksauer.bsky.social
Carlo: @carlomasala1.bsky.social
Thomas: @twiegold.bsky.social
Danke! Mit dieser ist Folge ist deutlich geworden: „Seerecht“ (Also ein Katalog von zwischenstaatlichen Übereinkünften, deren Einhaltung faktisch freiwillig ist) kann nicht helfen, wo indirekt zwischenstaatliche Konflikte ausgefochten werden, hier: Hybrider Krieg in / auf der Ostsee. Frau Professor steckt tapfer den Rahmen ab, über den sie verfügt, aber der Rahmen passt nicht zum Problem, welches nur politisch zu lösen ist. Rührend, dass dazu engagierte NATO-Staaten nun einen intergouvernementalen Arbeitskreis eingerichtet haben, um genau das gleiche Tänzchen nochmal aufzuführen. Die besonders in Deutschland als Realität verehrte Illusion, Pseudo-Verrechtlichung würde das schmutzige Geschäft der Machtpolitik ersetzten, ist somit erneut als naiv entlarvt. „Recht“, Übereinkommen aller Art, brauchen im Zweifelsfall durchsetzungsfähige Akteure, um diese Regelungen mit Leben zu füllen: Die mehr oder weniger störungsfreie Nutzung der für Exportweltmeister-Nationen essenziellen „sealines of communication“ vergangener Jahrzehnte war nicht zuletzt durch den „shadow of force“ ermöglicht, den die US-Navy auf alle Ozeane warf. Wer auf hoher See oder auf dem Meeresgrund Infrastruktur installiert, deren Schutz aber nicht gebacken kriegt, sei es durch Abschreckung oder „informativer“ Gegenmaßnahmen, muss dann eben damit leben, dass diese Investitionen im Zweifelsfall für die Hose waren. „The strong do, what they want – the weak suffer, what they must.“ Recht ohne Gewalt, welche dieses durchsetzt, ist keins.
Zur „Schattenflotte“ erst einmal zwei Sachfragen:
Gibt es irgendwelche qualifizierten Hinweise, dass über drei Briefkästen letztendlich die Eigner der Tanker russische Firmen bzw. Personen sind? Oder sind hier nur clevere Unternehmer des Globalen Südens unterwegs, die aus den Sanktionen einen Extraprofit ziehen wollen?
Wenn das Öl z.B. in Ust-Luga auf so einen Tanker gepumpt wurde, erfolgt dann schon die Bezahlung, egal in welcher Währung?
Unter den Billigflaggen laufen die meisten Handelsschiffe dieser Welt, auch die der deutschen Reeder. Irgendeinen dieser Flaggenstaaten zu sanktionieren, wäre ein großer Schuss ins eigene Knie. Die meisten der dort registrierten Schiffe halten mehr oder weniger noch die Standards ein. Aber schon lange vor dem Ukrainekrieg gab es die Seelenverkäufer, die mit fragwürdigem technischem Standard und schlecht ausgebildeten und bezahlten Besatzungen aus aller Welt vorrangig zwischen Häfen des Globalen Südens fuhren. Die tauchen nun in der Ostsee auf.
Wie muss ich mir denn den Ablauf einer einmal unterstellten geplanten Beschädigung eines Kabels vorstellen? Setzt der russische Geheimdienst einen Kapitän seines Vertrauens auf dem Tanker ein, oder kauft ihn nur, der dann die entsprechenden Befehle gibt? Gibt es von der Reederei plötzlich die Anweisung, jetzt in voller Fahrt den Anker auswerfen? Oder wie? Könnten diese Anweisungen auch von anderen Diensten oder sogar Privatinteressenten kommen?
Wie der Podcast schon deutlich gemacht hat, Recht haben und Recht durchsetzen sind zwei sehr verschiedene Paar Schuhe. Eine Radikallösung wäre die Blockade der Ostsee für alle Schiffe, die einen russischen Hafen anlaufen wollen. Wäre wohl ein kriegerischer Akt und der Beweis für den Globalen Süden – formal alles seine Schiffe – dass der Westen sich auch nicht an das Recht hält.
„Rührend, dass dazu engagierte NATO-Staaten nun einen intergouvernementalen Arbeitskreis eingerichtet haben, um genau das gleiche Tänzchen nochmal aufzuführen.“
Wie soll man sonst Patrouillenwege/Termine/Vorgehensweisen abgleichen? Über Twittermitteilungen bzw. Presseveröffentlichungen? Dieser besserwisserische, herablassende und gehässige Ton in den letzten Jahren hat echt überhand genommen.
„Pseudo-Verrechtlichung würde das schmutzige Geschäft der Machtpolitik ersetzten, ist somit erneut als naiv entlarvt. “
Nein, aber es hegt sie ein.
Man kann natürlich einen auf den groißen Macker machen, dass uns niemand was kann. Dann wird man aber ziemlich schnell auf den Boden der Tatsachen zurücklgeholt wie es z.B. GB erfuhr.
https://www.bbc.com/news/uk-49362182
https://www.bbc.com/news/uk-49053383
Und genau deshalb ließ man das chinesische Schiff auch ziehen. Maersk könnte einpacken, wenn China ähnlich reagiert.
Bzw. die Chinesen müssen gar nicht so hart reagieren. Reicht einfach, regelmäßig überflüssige und schikanöse Zollkontrollen in chenisischen Häfen durchzuführen und Maerskschiffe einige Tage länger im Hafen zu halten. Wird sich innerhalb kürzester Zeit rumsprechen, dass diese Reederei dann zu meiden wäre. Die Zollkontrollen würden natürlich nur durchgeführt „um sicherzugehen, dass westl. Sanktionen nicht gebrochen werden, und ein gedeihliches Verhältnis zwischen dem Westen und China erhalten bleibt“, oder so. Bei Billig- und Russlandfahnen sollte man trotzdem hart durchgreifen. Russland ist nicht China und ihre Interessen nicht deckungsgleich, auch wenn China gerne stichelt, aber das tut diue USA via Europa ja auch.
Yanks achten schon drauf, dass Europäer in amerikanischen Auseinandersetzungen die größere Last tragen. Sei es ASML (DER Hersteller von Chipfertigeungsanlagen), Skandalisierung chinesischer Hafenterminals in Europa (ALLE Westküstenhäfen in den USA haben chinesische Terminals), das Hinwegblicken über chinesische Chips in Iphones. GM, Tesla, Ford in China oder den Handelsvertrag, den Trump mit China schloss, während Merkels und Macrons Versuch gleichzuziehen von transatlantischen Think Tanks skandalisiert und zu Fall gebracht wurde. Vom Abfeiern des Terroranschlags auf Nordstream von transatlantischen Think Tankies fange ich besser gar nicht erst an. Ziemlich schockierend, wenn man mal drüber nachdenkt und einige werden in Medien immer noch als Sicherheitsexperten vorgestellt. Fand auch ziemlich schräg, dass FDP, Grüne und CDU uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine forderten um somit auf Kosten deutscher Interessen ein paar nette Kommentare von Transatlantikern einzuheimsen. Aber Tour läuft ja anscheinend: Donnerstag RCH-Haubitzen abgeliefert und Freitag mal locker drei neue Milliarden gefordert. Natürlich mit moralinsaurer Überhöhung. Man hats ja.
„Gibt es irgendwelche qualifizierten Hinweise, dass über drei Briefkästen letztendlich die Eigner der Tanker russische Firmen bzw. Personen sind? Oder sind hier nur clevere Unternehmer des Globalen Südens unterwegs, die aus den Sanktionen einen Extraprofit ziehen wollen?“
Ziemlich wilde Mischung. Aber private Profiteure, werden sich ungern in dieses „Cut the Cable“ einlassen. Insofern, wenn man die Frachtraten erhöht, ist es in unserem Interesse, die russischen Erdöleinnahmen zu redzuieren.
Man sollte sich natürlich nicht zuviel davon erhoffen, das hier ist nur stetiges gegenseitiges Nerven, das Russland schwächt (und ja auch uns schwächt). Irgendwann wird Putin das Zeitliche segnen, an die Wand gestellt oder ins Exil gehen (Rente ist wohl ausgeschlossen, hätte er mal 2011 tun sollen, wäre sowas russischer Schmidt geworden, aber konnte nicht loslassen.)
Priorität ist ja zunächst, dass Schiffe mit Ziel/Abfahrt russische Häfen aufhören. Kabel durchzuschneiden. Zwei Schiffe wurden nun festgesetzt (nebenbei krasser Respekt vor den Finnen; die haben über die Weihnachtstage nicht nur schnell geschnallt, welches Schiff ihre Kabel durchschnitt, sondern konnten das Schiff sogar noch schnell entern und festsetzen, so dass Beweise gesichert wrden können. Fiinen rule! Glaub Finnen!)
Und grundsätzlich muss man sich bis 2035 oder wann auch immer Putin das Zeitliche segnet auf solche Spielchen gefasst machen. Danach muss man weitersehen.
Wenn Infrastruktur intentional beschädigt/zerstört wird ist das ein feindlicher Akt, jenseits aller geltenden Vereinbarungen zu internationalem Recht. Wer geltendes See-/Völkerrecht so missachtet, darf nicht erwarten können, dass die Geschädigte dabei nur zusehen dürfen um sich danach juristisch auseinander zu setzen. Wenn es soweit gekommen ist, ist es zu spät.
Jedem dürfte klar sein, dass man vor die Lage kommen muss, um Schaden nach Möglichkeiten erst gar nicht entstehen zu lassen. Das bedeutet, verhältnismäßige Notwehr ist gerechtfertigt, auch mit begrenzter Gewalt.
Liegen zuverlässige Erkenntnisse vor, dass ein Schiff geeignetes Gerät auf Grund hinter sich her zieht, und auf Infrastruktur zusteuert, dann muss bei Gefahr im Verzug dagegen auch verhältnismäßig gewirkt werden können, mit dem Ziel einer forcierten Kursänderung bzw. Maschinenstopps oder der Durchtrennung von Schleppleinen/Ketten.
Auch hybride Angriffe berechtigen zur physischen Verteidigung, in angemessenem Rahmen wohlgemerkt.
Zuschauen und juristische Sanktionen, sind keine angemessenen Gegenmaßnahmen.
Danke für die Erläuterungen zum Seerecht, einiges habe ich aber noch nicht so ganz verstanden, deswegen hier die Fragen einer Landratte:
-Was ist mit diesen Flaggen wechseln, sind die dann in beiden Ländern registriert oder Führen die die andere Flagge unbefugt? kann man da etwas gegen machen? Zum Bespiel es sobald es in DK Gewässer fährt festhalten weil die Flagge nicht eindeutig ist? (flaggenloses Schiff etc.?)
– Wenn es jetzt einen Sabotageakt verübt hat und man es zb. mit Unterwasserdrohnen beobachtet hat dieses Schiff als unfriedlich klassifizieren und beim einfahren in DK, SWE oa. Gewässer festsetzen weil die Fahrt an sich ja unfriedlich war?
Ich finde es schade das sie der Frage mit dem Schiffe versenken mit dem Verweis auf Unverhältnissmäßigkeit einer Versenkung / dem Bsp. mit Wirtschaftlichen Gründen nicht so richtig beantwortet wurde.
-> Was hindert zB. die Dänen daran zu sagen wir betrachten die Sabotage gegen unsere verbündeten als Sabotage gegen uns und betrachten es deshalb als Unfriedlich, obendrein ist die Beflaggung unklar und deshalb setzen wir es solange fest bis die Vorfälle geklärt sind und lassen es erst danach ziehen?
-Nächste Sache die ich nicht ganz verstanden habe: Wenn der Eigentümer unbekannt, und der Absender ein Krimineller ist, von was für Entschädigungen wurde dann gesprochen als es um das mögliche Entladen des kaputten Tankers ging?
Danke im Voraus für den der sich die Mühe macht mir das zu erklären.
Interessante Diskussion:
Im Endergenis sind nach dem derzeitigen internat. Seerecht im Grunde keine effektiven Sanktionen möglich.
Es wird nur erschwert sanktionierte Waren zu verschiffen.
Die einzige Massnahme die ein wenig bringt ist die Sanktionierung einzelner Schiffe durch die USA bezogen auf die Zielhäfen. Seerechtlich ist das wohl zumindest zweifelhaft, zog bisher aber keine übermäsigen Proteste nach sich..
Ais wirtschaftl. Gründen halten sich dann etliche Länder daran, aber nicht alle…
Extrem spannend wird die noch zu beschliessende Handlungsweise der NATO in der Ostsee werden…
Aber wie gesagt, das Seerecht ist da nicht wirklich eine grosse Hilfe.
Ich denke, dass Baltic Sentry sich auch sehr stark gegen die russischen „Forschungsschiffe“, die zufälligerweise zwischen irgendwelchen Windrädern vor Rügen herumfahren, richten wird. Ich persönlich bin auch der Ansicht, dass diese Schiffe in Nord- und Ostsee die weitaus größere Bedrohung für die Kritische Infrastruktur ist. Ohne diese umfassende Aufklärung würde man wohl nicht so zielgerichtet agieren können. Sie ließen sich vermutlich auch besser „bekämpfen“, auch wenn dies vermutlich nicht das richtige Wort ist. Eine Fregatte, welche dir immerzu den Weg abschneidet und ihren Hubschrauber und ihre Beiboote immer um dich herumschwirren lässt, wird dich vermutlich auch irgendwann zum Aufgeben zwingen. Das ist jetzt einfacher „Whataboutismus“ aber die Chinesen machen diese Manöver doch auch im Südchinesischen Meer. Insbesondere dann wenn sich diese Schiffe in nationalen Gewässern befunden haben hat das Seerecht auch keine Handhabe für die Russen.
Wer sich bisschen mehr mit den russischen Spionageschiffen beschäftigen will dem lege ich die entsprechende ARD-Doku ans Herz. Arndt Gintzel (ZDF) hat zur Schattenflotte auch eine sehr gute Doku produziert.
Nachtrag Seerecht 1856:
In diesem Jahr wurde ein echter Durchbruch erreicht. Vorher mit Schwerpunkt um 1700 hatten Staaten Kaperbriefe ausgegeben um „legal“ Schiffe plündern zu können.
Das wurde 1856 geächtet, davor ging es teils zu wie im maritimen Irrenhaus, Kapitän 1 überfällt mit Kaperbrief der britischen Krone Kapitän 2. Ein Jahr später konnte es umgekehrt sein…
Ein grosser Fortschritt im internationalen Seehandel.
Evtl. sollte man in der Ostsee temporär wiedet Kaperbriefe ausstellen ;-)))
…danke für die viele Arbeit, höchst interessant!
Danke auch der lehrrechen, lebhaften Diskussion
Wir legen gerade eine hunderte Kilometer lange Leitung durchs Land, von der die süddeutsche Stromversorgung abhängig sein wird, fabulieren gleichzeitig über den Sabotageschutz eines 60-120km breiten Finnischen Meerbusens.
„Finland’s seizure of a tanker shows how to fight Russian sabotage“: Nein, gerade nicht. Es ist kein Nullsummenspiel! Der Angreifer hat klare Vorteile.
Gegenüber dem, der auf die Einhaltung geltenden Rechts achten möchte, und das ist nunmal hier die westliche Staatengemeinschaft (jedenfalls offiziell – abseits von sicher ebenfalls noch immer stattfindenden Black Ops), ist der, der sich nicht drum schert, zumindest kurzfristig immer im Vorteil.
Die Polizei greint ja auch nicht: „Unfair! Gilt nicht!“, wenn Räuber und Mörder nicht nach der Tat stehenbleiben und die Ermittlungen unterstützen, sondern macht ihre Arbeit und überführt Verbrecher trotz deren Bestrebungen, davonzukommen.
Langfristig weiß man auf internationaler Ebene eben, dass man, wenn man mit Russland Deals macht, diese Deals von Seiten Russlands nur so lange befolgt werden, wie der konkrete Nutzen für Russland überwiegt. Ist man lästig oder handelt nicht wie gewünscht, wird man beiseitegewischt, belogen und im schlimmsten Fall (siehe Ukraine) mit militärischen Mitteln gemaßregelt und mit Krieg und Terror überzogen. Zivile Akteure haben in Russland ja ohnehin schon keinen Rekurs mehr zu irgendetwas, was mit Recht und Gesetz zu tun hat. Wenn der Kreml nicht mehr will, dass man Geschäfte in Russland macht, dann landet man über Nacht auf der Liste feindlicher Agenten oder Terrororganisationen und die russische Erfüllungsjustiz erledigt den Rest.
Und Trump scheint ja dieses grundlegend zukunftsweisende(!) Modell nun auch außenpolitisch für die USA (wieder-)entdeckt zu haben, wenn man den lautstarken Unsinn, den er so über Grönland, Kanada und den Panamakanal erzählt, glauben mag.
Vielen Dank für die Folge, insbesondere den Teil zum Seerecht.
Allerdings habe ich daraus mitgenommen: Schön das es das Seerecht gibt, aber wenn sich jemand nicht daran hält können wir nun auch nichts machen.
Was ich – wirklich – nicht verstanden habe:
Schiff A ist suspekt, ich habe eh schon den Verdacht es sabotiert. Es fährt unter der Flagge von Antigua, macht den Transponder aus, wieder an und hat umgeflaggt auf Panama. Dann kann ich nichts machen außer in Antigua und Panama an zu rufen und sagen „also wissen Sie, das ist schon seltsam“ und drauf hoffen, dass die glorreiche antiguanische oder panamaische Marine sich der Sache annimmt?
Warum kann ich nicht ein Schiff – das willkürlich seine Beflaggung wechselt – stoppen und durchsuchen? Insbesondere wenn es sich in küstennahen Gewässern aufhält?
Ich bin für die regelbasierte Weltordnung, für Ausgleich und Abstimmung, aber wenn jemand die Lücken im System arglistig ausnutzt, dann ist es doch ziemlich blauäugig wenn wir sagen „kann man nix machen“.
Versenken ist sicher keine gute Lösung. Wie wäre diese:
Schiffe die ein Kabel oder Pipeline beschädigen werden beschlagnamt, die Ladung gelöscht (also verkauft), das Schiff abgewrackt (also Überreste verkauft) und aus dem Erlös wird der Schaden repariert. Bleibt Geld übrig bekommt der der nachweisen kann das ihm das Schiff gehörte, das Restgeld ausgezahlt.
Das macht man ein paar Mal, damit kann man evtl. die Eigentümer disziplinieren?
Jeder Vergleich mit innerer Sicherheit wird hinken, dass ist doch genau unser fehlgeleiteter Rechtspositivismus, der hybriden Akteuren mächtig dimensionierte Graubereiche zum Ausnutzen schenkt, da man dort weiss: Hier paralysieren sich im vorauseilenden Selbstbeschränkungsgehorsam geschulte VertreterInnen von Selbstverzwergungsländern eigenhändig; diese mögen zwar die Mittel haben, einzuschreiten, aber sie können den Willen nicht aufbringen, diese einzusetzen. Warum? Weil man z.B. befürchtet, die nächste Ladung Elektro-Klöterkram aus Fernost könnte in Europa verzögert ankommen : Auch hier im Faden wird ja für Zurückhaltung in der Ostsee geworben, um reibungslose Zollabfertigung in Fernost nicht zu gefährden. Wenn man sich schon vor eingebildeten Gegenmaßnahmen fürchtet, die zudem echt kleinstes Karo stechen, ist der Kanzler wohl auf dem richtigen Pfad, seinen inner- und außerparteilichen Zielgruppen daheim von Helsinki aus zu vermitteln: Wir machen nix ohne die Staatsanwaltschaft, ob das nun sinnvoll ist oder nicht. Dabei geht es doch am Ende nicht um eine Legalitäts-, sondern um eine Legitimitätsbasis, die möglichst viele Länder und deren Positionierung bildet. Die Legitimation kommt schon jetzt aus NATO, EU und der Position aller Ostseeanrainer außer Russland. Aber die Botschaft nach Hause war: Alles bleibt b.aw. wie es ist, legen wir uns wieder hin. Und in Moskau und / oder Beijing denkt man: Von Deutschland haben wir nix zu befürchten, die kann man weiter mit vermeintlich ungeklärten Rechtsfragen, möglichen Umweltschäden und eingebildeten Lieferkettenstörungen vom Handeln abhalten.
Volle Zustimmung beim Thema „starker Staat“ zu Rike:
In Corona hat der Staat sich stark hingestellt, um die Krise zu bekämpfen, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wurde sofort das Sondervermögen verabschiedet – in der aktuellen Rezession aber ist er wieder in die Trägheit des (vom Neoliberalismus beabsichtigten) „schlanken Staates“ zurückgefallen, obwohl nach Ansicht aller anderen Ökonomen ein Konjunkturpaket genau die richtige Maßnahme wäre, um die Nachfrage anzukurbeln.
Also ich buch schonmal keinen Ostseeurlaub mehr.
Man muss sich nur anschauen wie die Küsten im schwarzen Meer jetzt aussehen. Aber gut man wollte es so.
Die Alternative wäre ja, nicht nur Panama und co. können sich doof stellen. Andersherum würde das auch gelten, warum also nicht erstmal abwarten, was Panama und co. sagen, wenn man mal ein Schiff welches die Flagge wechselt, nicht sicher ist oder ähnliches wirklich aufhält. Wird man halt mal von Panama verklagt…
Vieles erinnert mit den zweifelhaften Besitzverhältnissen, Briefkastenfirmen etc. ja auch an Steuerparadise. Auf diese hat man, wenn man gerade mal wollte, auch deutlich Druck ausgeübt.
@ Dominik Wie sehen „die Küsten“ denn aus? Wieviel Prozent der Küstenlinie ist denn betroffen? Wie marode sind die Schiffe wirklich? Die Tanker im Schwarzen Meer waren für das offene Meer nicht wirklich ausgelegt.
GolfEcho83 sagt:
20.01.2025 um 8:34 Uhr
„Warum kann ich nicht ein Schiff – das willkürlich seine Beflaggung wechselt – stoppen und durchsuchen?“
Doch, das kann man, wenn man will. Schiff gälte dann als staatenlos, siehe Art. 92 Abs. 2 UN-Seetechtsübereinkommen UNCLOS. https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/oc/2009/416/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-oc-2009-416-de-pdf-a.pdf
Und staatenlose Schiffe sind ziemlich rechtlos und können geentert und aufgebracht werden, sogar auf hoher See, hat z. b. Prof. Nele Matz-Lück von der Uni Kiel schön herausgearbeitet.
Legales Loophole wäre der Verkauf des Schiffes oder Registerwechsel während es auf See ist. Siehe Art 92 Abs 1 UNCLOS. Man kann aber auch Käpt‘n anfunken und sagen „weis mal innerhalb der nächsten 5 Minuten nach dass Du zum Flaggenwechsel berechtigt bist, sonst kommen wir an Bord“.
@ Dönerbude sagt:
19.01.2025 um 11:01 Uhr
„Ich denke, dass Baltic Sentry sich auch sehr stark gegen die russischen „Forschungsschiffe“, die zufälligerweise zwischen irgendwelchen Windrädern vor Rügen herumfahren, richten wird.“
Das beköme man wohl besser in den Griff, wenn man die Möglichkeit zum Einrichten von Sicherheitszonen um seine Bauwerke in der ausschliesslichen Wirtschaftszone nach Art 61 Abs. 4 UNCLOS konsequent nutzt und diese Zonen dann – völlig legal -durchsetzt. In wie weit auch Kabel unter Bauwerke fallen, bei denen die Einrichtung von Sicherheitszonen in der AEZ möglich ist (da ist UNCLOS nicht gabz klar formuliert), wird in der nächsten Zeit wohl ein seerechtlich heiss diskutiertes Thema. Die ganze Ostsee ist von AEZ überzogen.
In den Hoheitsgewässern gibt es sowieso Durchgriffstechte. Die kann man ruhig mal robust wahrnehmen.
UNCLOS öffnet gerade bei „rostigen Seelenverkäufern“ Möglichkeiten zur Durchsuchung etc. Man muss nur wollen.
Und zum Nachweis – tja. So superviele verdächtige Dampfer sind es nun auch wieder nicht, die jeden Tag zwischen Russland und dem Kattegat hin- und herfahren. Da würde ich mir nun einfach abgestimmten Einsatz vieler Boote wünschen, die sowas beidseitig im Bereich der Kabel begleiten und Beweise sichern können. Bei festgestellter Beschädigung regelt UNCLOS schon das weitere.
Manchmal entlarven sich die Apologeten der Verrechtlichung selbst. So geschehen in diesem Podcast.
Es wird vergessen, dass auch Seerechtsabkommen nicht vom lieben Gott auf dem Berg Sinai an Moses übergeben wurden und immerdar unverändert zu bleiben haben … man könnte sie weiterentwickeln, und man könnte – kann – sie auch einfach nicht mehr anwenden, wenn eben diese Abkommen nicht mehr unseren Interessen dienen. Und das tun sie, in dieser Form, nicht mehr.
Ja, das mag Konsequenzen haben, auch anderswo. Dann müssen wir mit diesen Konsequenzen umgehen. Stark genug sind wir – wären wir – wenn wir denn den Mut hätten, unsere Interessen zu formulieren und unsere Mittel einsetzen würden.
Aber daran krankt es bei uns schon seit vielen Jahren. Auf vielen Feldern. Die Konsequenzen werden sichtbar.
(Fast) alle Anmerkungen hier zur stärkeren Durchsetzung von Kontrollen sind grundsätzlich nicht falsch.
Aber:
Wie viele Seerechtsexperten meinen würde das ganze möglicherweise gewisse Boomerang-Effekte nach sich ziehen. Von anderen Ländern die sich heute noch (weitgehend) zurückhalten.
„Die meisten Länder halten sich an die meisten Regeln die meiste Zeit“
(Zitat aus dem Podcast).
Man darf nicht vergessen wo alles begann. Mit der endgültigen Ächtung der Kaperbrief-Strategie mächtiger Staaten 1856.
Seitdem hat die Sicherheit der internationalen Seefahrt einen Riesensprung geschafft.
Der heutige zahnlose Tiger Seerecht mit Bezug auf die Ostsee-Vorkommnisse ist sehr ärgerlich.
Da kann es trotzdem eine weise Entscheidung sein die kreative Auslegung des Seerechts auf Einzelfälle zu beschränken…
@Landmatrose
Danke für ihren Beitrag, also so hilflos sind wir eigentlich gar nicht wie in der Folge dargestellt.
PS: Nur mal so zum Überlegen um was es teilweise geht:
Wenn weitere Stromleitungen von skandinavischen Ländern ins Baltikum beschädigt werden, geht z.B. in Estland schlicht das Licht aus.
Wenn die Gaspipelines von Norwegen zu uns umfangreich beschädigt werden, dann gibts bei uns eine Gasmangellage, im Winter mit kein heizen, kein Strom,….
Wer ernsthaft denkt, das ist dann halt so, wir haben ja in Panama angerufen, hm ok….alles wegen Befürchtungen, um die Seewege um Bab al-Mandab, Hormus und Taiwan?
Taiwan wäre kaum Umweg (noch dazu wenn man überlegt, was für Verhalten China um Taiwan und im Südchinesischen Meer an den Tag legt, könnten wir ja in der Ostsee, dann ist die für Russland praktisch auch zu), Hormus eh unsicher und Bab al Mandab für uns jetzt nicht so sehr von Belang, man muss ja keine eigenen LNG/Öltanker zum Einkauf schicken.
Ja, sehr ärgerlich, dass das Seerecht manche Fantasien (z.B. versenken von Schiffen) einfach nicht zulässt./ironie
Natürlich kann die Seerechts-Expertin nichts anderes aussagen, als das, was die Lehre z.Zt. als gesicherte Meinung ansieht. Ob die Politik sich darüber hinwegsetzt oder nicht, das kann sie auch nicht vorhersehen. Klüger wäre es, sich daran zu halten.
Ich erinnere an dieser Stelle mal an das Eingreifen der NATO in Serbien, das uns (dem Westen) völkerrechtlich immer wieder als Spiegelbild vorgehalten wird, wenn wir uns anderswo zu Wort melden. Das wird uns im internationalen Seerecht dann auch passieren. Das muss man dann eben mit einpreisen, wenn man so vorgeht, wie manche Foristen hier vorschlagen.
Internationales Recht entwickelt sich weiter bzw. wird durch handelnde Staaten weiterentwickelt. Interessant dazu der Caroline Zwischenfall und die Caroline Kriterien. Seinerzeit (1837 bzw. 1845) ging es darum, warum ein bewaffneter britischer Angriff auf das Territorium der USA gerechtfertigt gewesen war und keinen casus belli darstellte. Akte der Verwüstung (depredation) sind im UNCLOS als Akte der Piraterie definiert (Artikel 101 ff.). Dort sind auch die gesetzten Grenzen erkennbar. Eine Herausforderung ist natürlich die Notwendigkeit, daß ein Piraterieakt eine Bereicherungsabsicht erfordert. Beim Verdacht auf Piraterie dürfen z.B. die Anrainerstaaten durchaus unbegleitete Schiffe auch ohne Mandat des Flaggenstaates anhalten, durchsuchen etc. Erforderlich wäre sicherlich eine zeitnahe Feststellung der Verwüstung von Privateigentum und die Zuordnung zu einem Verursacher. Danach müsste dann zeitnah die Absicht der Schädigung und die darauf basierende Gewinnabsicht ermittelt werden. Sowas müsste im Recht des bzw. der Anrainerstaaten verankert werden. Das könnte die EU anstreben, in einem Ansatz ähnlich der Cybercrime Direktive (2013/40). Damals sollte unter Anderem das Problem angepackt weden, wenn Täter, Tat, Tatwerkzeug und Opfer nicht dem gleichen Rechtsraum angehören. Einige Mitgliedsstaaten taten sich z.B. schwer damit, in solchen Situationen eine strafrechtliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte zu konstruieren. Selbstverständlich muß ein ausreichender politscher Wille vorhanden sein, Zwangsmassnahmen vorzusehen. In einem Rechtsstaat heisst das nämlich, dass sie irgendwann auch durchgestzt werden. Der Podcast hat – wie die Kommentare zeigen – die Problematik ausreichend angerissen um Appetit auf Me(e/h)r zu machen. Eine europäische Bürgeriniiative zum Beispiel. Natürlich kann man das Thema auch gerne den zuständigen Stellen überlassen.
@Pio-Fitz: Ich stimme z, es ist nur die unter Juristen gesicherte Meinung wiedergegeben worden – und dies im typischen Juristensprech, der schnell in die „wir beraten doch nur und entscheiden nicht“-Ebene wechselt. Und so zahnlos sehe ich uns ehrlich gesagt nicht. Final ist bestehendes Recht auch anpassbar und an Entwicklungen anzupassen – ansonsten hätten wir uns die Idee des „Gesetzgebers“ schenken können und könnten dauerhaft im Status Quo leben.
@42EUV: Aus meiner Sicht sind die Erika I – III Pakete Präzesdenzfälle, auf denen man hier aufbauen könnte. Hier hat die EU eben auch für alle verpflichtende Regelungen für die AWZ und die Hohe See getroffen, nicht nur für das Küstenmeer.
Ein recht einfacher Weg könnte sein, dass bei Schäden an maritimer Infrastruktur zukünftig zwingend ein Beweissicherungsverfahren vorgeschrieben wird. Hierfür ist jedes potentiell involvierte Schiff künftig verpflichtet, den nächsten, durch die zuständige Küstenwache vorgegebenen Hafen, anzulaufen. Missachtung wird als Fahrerflucht gewertet und erlaubt den zuständigen Behörden, das Schiff auf Zwang in einen Hafen zu eskortieren. Großartig anders als die heute schon stattfindenden Öl- bzw. Verschmutzungsüberwachtung ist dies aus meiner Sicht nicht.
Parallel sollte man auch einen Blick über den Tellerrand werfen. Die amerikanische Flugsicherheitsbehörde FAA hat Länder in Kategorien unterteilt. Je nach Kategorie darf man vollumfänglich in die USA fliegen bis hin zu „allen Carriern ist der Einflug verboten“. Ein ähnliches Prinzip existiert auf EU-Ebene, hier werden aber typischerweise einzelne Carrier sanktioniert. Ich erkenne keine Hürden, dass Prinzip auf Flaggenstaaten anzuwenden. Wenn eine bekannte Billigflagge wie z.B. die Komoren und Sierra Leone nicht nachweisen können, dass sie bestimmte Qualitätsprozesse einhalten, wird die Flagge als unsicher eingestuft und es wird ein Einfahr- und Transitverbot für Schiffe unter dieser Flagge erlassen.
Klar kann man auch auf sämtliches Recht pfeifen und machen, was man so will. Kann man. Nur: Wer ist man dann?
Eine (private) Yacht mittlerer Größe und ohne Transponder, von der das Schiff von Käpitän schleppender Anker das gerade im Begriff ist, über ein Kabel zu fahren, mit einer (natürlich irgendwo „vom Laster gefallenen“) schwedischen oder russischen Panzerfaust beschießt, und dann in der weiten Ostsee verschwindet und merkwürdigerweise beim Einlaufen in einen dänischen, Schwedischen oder polnischen Hafen plötzlich ganz anders heißt, wäre ja genau die Sprache, die Putin verstünde. Aber dann guckt man auch in den Spiegel und sieht jemand ganz anderen.
Dann schon lieber versuchen, im Rahmen des geltenden Rechts angemessen zu reagieren. Die meisten internationalen Abkommen sehen ja durchaus robuste Möglichkeiten vor, weil man sich schon sehr bewusst ist, dass auf hoher See das nächste Gericht weit, weit entfernt sein kann. Man setzt sich halt in der Regel nicht sonderlich gern mit diesen Methoden durch, weil man sich ja immer zweimal im Leben trifft und ggf. in Zukunft auch noch überall Geschäfte machen will.
Aber dieser Aspekt ist bei Schiffen, die auf (mutmaßliches) Geheiß und Gebot des Kreml ihre Anker über Unterseekabel brettern lassen, wohl passé. Da muss man dann wohl auch keine große Rücksicht mehr nehmen. Wie gesagt: Für Putin sind wir ganz selbstverständlich längst im Krieg mit ihm. Bzw. er mit uns.
@Flying Tiger:
Das ist alles nachvollziehbar und in sich logisch.
Leider endet die jeweilige Jurisdiktion an der Grenze bzw. an der jeweiligen 12-Meilen-Zone. Alles was „dahinter“ kommt ist „Hohe See“ und damit hinlänglich gestzlos bzw. es entzieht sich dem nationalen Zugriff.
Wenn ich Sierra-Leonische Frachter nicht in mein Territoriumm lasse, dann ist das mein Recht als Staat. Wenn dieser Frachter aber 13 NM vor meine Küste heumschippert, sind mir die Hände gebunden oder ich exponiere mich extrem.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist einer dieser Billo-Flaggensaaten auch Malta. Als EU-Mitglied wird es schwer sein, einem maltesischen Frachter irgendwas zu verbieten.
Der Seegerichtshof in HH ist also auch nur eine „Schwatzbude“, denn die Mühlen mahlen langsam und die Durchsetzbarkeit der Beschlüsse ist gleich „Null“.
Hier gilt halt wie im Völkerrecht: Wer sich dran halten will, ist dran gebunden – wer nicht, nicht.
Aber vielleicht kann @Kuestengang01 hier seine praktische Expertise einbringen, denn die hier diskutierten Fragen sind doch eher formaler Natur und erscheinen mir keinen wirklich praktischen Nutzen zu haben, oder?
@ Flying-Tiger – danke für den Hinweis. Schon mal gemacht ist immer ein guter Ansatz in EU Angelegenheiten. Grenzüberschreitende Verbindungen zwischen Mitgliedsstaaten ebenfalls. Wer hängt sich politisch rein? Kallas? Kubilius? Sinkevičius? Virkkunen? Tzitzikostas? Vier mal Ostsee. Die Präsidentschaften 2025: PL, DK. Ostseeanrainer. Abgeordnete in den entsprechenden Ausschüssen? Verteidigung? CDU aus Schleswig-Holstein. Transport? Grüner aus Litauen. Auswärtiges? Sozialdemokrat aus Estland etc. Wenn kein Mitgliedsstaat ein Thema nach Brüssel trägt und eine Bürgerinitiative zu langwierig ist, bleibt immer das Wenden an die politisch Betroffenen und Verantwortlichen. Nix für morgen. Aber für danach.
Die interessantesten Wortmeldungen und Diskussionen zu sicherheitspolitischen Fragen gibt es immer noch hier. Ich frage mich, wie kommt es, dass Militärs offensichtlich Widersprüche besser aushalten können, als der Rest der Gesellschaft und trotzdem im Gespräch bleiben? Ganz zu schweigen vom Hausherrn, der eine bemerkenswerte Toleranz beweist. Chapeau, meine Herren.
@ Bow sagt:
22.01.2025 um 16:47 Uhr
„Leider endet die jeweilige Jurisdiktion an der Grenze bzw. an der jeweiligen 12-Meilen-Zone. Alles was „dahinter“ kommt ist „Hohe See“ und damit hinlänglich gestzlos bzw. es entzieht sich dem nationalen Zugriff.“
Nein, jenseits der Küstengewässer kommt die ausschliessliche Wirtschaftszone, und auch da gibt es recht hart durchsetzbare Rechte wie zB, eben Sicherheitszonen, Siehe UNCLOS. Und auch die hohe See ist nicht völlig „rechtlos“, UNCLOS hat ja auch eine Regelung für den Fall des absichtlichen Beschädigens von Unterseekabeln durch „Zivilisten“ – Strafbarkeit und Strafverfolgung durch Flaggenstaat ist sicherzustellen, mit UN Seegerichtshof als Eskalationsstufe.
Ob die Regeln „ausreichen“. darüber kann man streiten. Merkwürdig ist nur wenn man aus Angst vor Folgen schon dacor zurückscheut, zustehende Techte überhaupt anzuwenden.
@Landmatrose3000:
Dass im irgendwie gearteten Völkerrecht irgendwas „hart durchsetzbar“ ist, wäre mir neu.
Genau wie der „internationale Gerichtshof“ in Den Haag, handelt es sich hier um klassische Formalgerichtsbarkeit.
Wer das Gericht nicht anerkennt, wer nicht freiwillig mitwirkt, hat nichts zu befürchten.
Und selbst wenn: Bei den Geschwindigkeiten, ist der Kahn schon 20 Jahre abgewrackt, der Kapitän in Rente oder tot und der Eigner hat zum 237. Mal den Namen, die Rechtsform und den Firmensitz geändert.
Da gibt es keine schnellen Lösungen, sondern nur Urteile, die keine direkten Auswirkungen auf das „wirklich, wahre Leben“ haben, aber Juristen ggf. ein Zungenschnalzen entlocken.
Komplette Zeitverschwendung.
Ich erinnere an die „FSO Safer“, die man einfach aufgegeben hat und die dann auf Kosten der UN – also vor allem auf unsere Kosten – leergepumpt wurde, nachdem sie Jahrzehnte vollgeladen auf Reede lag. Ohne Besitzer, Besatzung oder Verantwortlichkeit.
Wer glaubt denn ernsthaft, dass das Problem mit dem Festsetzen des Schiffes gelöst ist?
Im Zweifel wir das Schiff aufgegeben, die Besatzung darf selbst sehen, wie es weitergeht und der nächste – noch ältere – Seelenverkäufer wird „vollgetankt“ und losgeschickt.
Bis dann irgendein Gericht irgendwas entschieden hat, ist die Ostsee voll mit maroden Tankern, die sekündlich auseinanderbrechen können.
Ich sättige also die (putative) Sanktionsfähigkeit der Anrainer, indem ich die potentielle Umweltkatastrophe exponentiell verschärfe und damit die Interventionsmöglichkeiten überlaste.
Quasi ein analoger DDOS-Error in der Ostsee.
Auch, wenn es im Prinzip auf dasselbe hinausläuft, bleibt mir nur die Möglichkeit die Schiffe abzuschleppen und leerzupumpen.
Ich habe dann zwar immer noch das Problem mit den maroden Schiffen, aber die Ostsee hat eine reele Chance NICHT umzukippen.
Als ob es einen Diktator kümmert, ob ein Meer umkippt oder die Strände verseucht sind?! Und dass irgendwer auf juristischem Wege da intervenieren würde?! Damit müsste man sich ja zu dem Schiff bekennen und dass Sierra Leone (o.ä. Flaggenhöker) sich hier exponieren – eher nicht. Die werden din Kopf einziehen und die Klappe halten, denn selbst in die Mühlen der „Weltpolitik“ zu geraten, ist sicher nicht von Interesse.
Ja, man dreht an der Eskalationsspirale, aber was bleibt denn sonst? Mantraartig die „Institutionen“ hochalten und sich weiter vorführen lassen?! „Scharfe Verurteilungen“?!
Nur wer handelt wird ernst genommen – das ganze Geschwafel interessiert niemanden.
Den Bulli auf dem Schulhof hat es auch nicht interessiert, wie sein Standing ist, solange er seine Ziele durchsetzen konnte.
Genauso halten es Putin, Xi, Trump, Un und alle anderen, denen die „UN“ eh komplett egal sind, weil sie keinerlei spürbare Konsequenzen fürchten (müssen).
Die Diskussion der Optionen in Sachen Schattenflotte krankt mE daran, dass das US-Prinzip der Sekundär-Sanktionen nicht thematisiert wurde und damit Schlagkraft der USA nicht wirklich deutlich wird. Vielleicht erinnern sich sich auch noch andere Diskutanten hier daran, dass auch die Europäer an genau diesem Punkt gescheitert sind, als sie im Streit um den Atom-Deal mit dem Iran eine multinationale Zahlungsplattform/Transfergesellchaft gründen wollten, um die US-Sanktionen auszuhebeln. Der Knackpunkt ist das US-Prinzip: Wer mit einer sanktionierten Firma Geschäfte macht, ust automatisch selbst von Sanktionen bedroht. Das gilt vor allem für die Banken als Zahlungsdienstleister. Daher scheut selbst die Kreissparkasse Hinterfidazhofen den bloßen Verdacht auf Geschäft mit sanktionierten Firmen wie der Teufel das Weihwasser auch wenn sie selbst kein relevantes US-Geschäft hat. Sie ist aber auf Partner auf den Interbankenmärkten angewiesen und (SPK!) ihre jeweilige Landesbank – die allesamt beim bloßen Verdacht ebenfalls Panik schieben und die Geschäfte sofort aussetzen, weil zuviele dieser Partner im Interbankengeschäft relevante US-Interessen haben, die sie so wenig aufs Spiel setzen wie ein Schweizer Banker auf die schwachsinnige Idee käme, dem US-Finanzamt etwas vom Schweizer Bankgeheimnis zu erzählen.
Die kritische Infrastruktur beschränkt sich nicht nur auf Leitungen, sondern auch auf Brücken oder Tunnel.
Es gibt außer dem Nord-Ostsee-Kanal nur zwei Möglichkeiten, in die Ostsee oder heraus zu fahren.
Beide werden von großen Brücken gequert, unter denen große Schiffe nur in der Mitte durchkommen.
Aber ich vermute, da sind die Dänen und Schweden alarmiert und überwachen die beiden Engpässe entsprechend.
1. Seekabel/Pipelines Die internationalen Genehmigungs- und Erstellungs/Bau-Organisationen und -Firmen haben seit ca 1970 zugelassen, dass Seekabel, Pipelines ect ohne Weiteres auf den Meeresboden „fallen gelassen“ werden duerfen.
Bis dahin war es ueblich einen Graben zu ziehen und die Kabel/ Leitungen in diesen einzuspuenlen. (zB Ekofisk nach Emden) .
Diese Massnahme schliesst Beschaedigungen durch Anker oder Schleppkoerper praktisch aus.
2. „Seelenverkaeufer“ – hier wird oft „Flaggenwechsel“ , „umflaggen“ oder „Flagge zeigen“ thematisiert. In der Praxis ist das einfach eine Eintragung in das Seeschiffsregister eines Staates, verbunden mit Loeschung in einem anderen Register – per Telegramm, Email oder Brief seitens eines Maklers mit Endorsement. Kapitaen und Besatzung werden von einer crewing-agency gestellt, welche vom Charterer (nicht unbedingt Eigner) engagiert ist und die auch Bezahlung ect sicherstellt. .
Eine Moeglichkeit waere, dass die demokratischen Ostsee-Anrainer ihre 5cents zusammen bringen und aus Gruenden des Umweltschutzes eine Art Pre-Enter-Check in dieses sensible Seegebiet fuer alle Schiffe einigen koennten. Das waere international durchsetzbar, gibt es zB fuer die Great Lakes zwischen Canada & USofA bereits seit Laengerem.
Cheers
Die Briten ließen neulich in der Nähe des russischen „Forschungsschiff“s Yantar demonstrativ ein atombetriebenes U-Boot auftauchen, welches neben weiteren Schiffen (u.a. HMS Somerset und HMS Tyne) das Schiff im Auge hat. Die Yantar steht im Verdacht, kritische Untersee-Infrastruktur in der Irischen See und der Nordsee auszukundschaften und zu kartografieren.
Es geht also, wenn man bloß will…
@Bow
Ihre Lösung setzt voraus, dass wir die Ostsee komplett als unseren Besitz einnehmen und kontrollieren.
Das wäre klarer Rechtsbruch und Russland hat durchaus auch Anteil an der Ostsee
Wenn es gültige Rechtsmittel gibt, wie Landmatrose mit UNCLOS anführt, wäre es vielleicht sinnvoll die erstmal auszuschöpfen.
Ansonsten ja, Recht kann weiterentwickelt werden. Wenn wir klar und eindeutig sind, wir schützen unsere Küsten und tolerieren keine Sabotage und keine maroden Tanker in der Ostsee, dann kann man Recht an unsere Bedürfnisse anpassen.
Die Welt ist gerade sehr im Umbruch, viel ist möglich, wenn man will.
Ansonsten stimme ich da Metallkopf zu, Putin würde die dreckige Sprache von schwarzen Aktionen zur Versenkung von Schiffen verstehen und respektieren – aber wollen wir so werden?
Auftauchen von Atom UBooten wiederum ist vielleicht ein Symbol, aber was wenn das „Forschungsschiff“ einfach weitermacht?
Dagegen kann man in Internationalen Gewässern vermutlich nicht viel machen. Aber Festsetzung von Schiffen die Sabotage betreiben, dürfte grundsätzlich von der Welt öffentlichkeit akzeptiert werden. Nun muss eben „einfach“ die Rechtliche Basis geschaffen werden, wo sie noch nicht ausreicht.
@Metallkopf
„Es geht also, wenn man bloß will…“
OK, show of force, aber hat man die YANTAR von ihrem vermuteten Auftrag abbringen können ?
@Thomas Melber
Für ca. 2 Monate, danach wurde sie wieder aufgegriffen.
Passend dazu: Am Wochenende scheint das nächst Kabel in der Ostsee beschädigt worden zu sein, ein Datenkabel zwischen Lettland und Gotland. Die schwedische Küstenwache hat in Konsequenz den unter Malta-Flagge laufenden Bulker, bereedert aus Bulgarien, für weitere Untersuchungen nach Karlskrona in die schwedigen Küstengewässer eskotiert. Das Schiff kam aus Russland und sollte nach Südamerika fahren.
Heißt: auch unsere schwedischen Nachbarn hatten wenig Manschetten, ein verdächtiges Schiff für eine Beweißsicherung in die eigenen Gewässer zu eskortieren und vorläufig festzusetzen. Führen wir in Deutschland ggfs. eine zu hypothetische Diskussion was die Auslegung des Seerechtes angeht? Oder warum agieren unsere Nachbarn augenscheinlich so viel forscher?
@ Flying-Tiger
Das sehe ich genau wie Sie.
Wenn jeder Verdachtsfall festgesetzt wird und somit Konsequenz gezeigt wird, könnte sich das Thema schnell erledigen.