Fürs Archiv: Erste neue deutsche Radhaubitze für die Ukraine
Erneut hat die Ukraine aus Deutschland ein Waffensystem erhalten, das die deutschen Streitkräfte selbst noch nicht nutzen: Die erste Radhaubitze vom Typ RCH155 nahm der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew in Kassel vom Rüstungshersteller KNDS (einst Krauss-Maffei Wegmann) in Empfang.
Für den Kampf gegen die russische Invasion soll die Ukraine 54 dieser neuen Systeme erhalten (auf der Webseite der Bundesregierung ist derzeit noch falsch die Zahl von 36 genannt; bei der Übergabe in Kassel wurden die 54 bestätigt). Die ersten Geschütze werden aber zur Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland bleiben.
Die RCH155 ist nach Angaben des Herstellers mit ihrer Kombination aus einem 155mm-Geschütz und einer gepanzerten Rad-Plattform die erste Radhaubitze, die auch aus der Bewegung feuern kann. Als Kampfentfernung gibt KNDS eine Reichweite bis zu 54 Kilometern an. Für die Bundeswehr ist die Einführung des Artilleriesystems ebenfalls geplant. Im November vergangenen Jahres hatte der Chef von KNDS Deutschland, Ralf Ketzel, Verhandlungen über 80 Systeme für die deutschen Streitkräfte genannt.
Zum Nachhören die Reden von Ketzel, Makejew und Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Übergabe in Kassel:
(Foto: Übergabe der ersten Radhaubitze RCH155 von KNDS an die Ukraine, v.l. KNDS Deutschland CEO Ralf Ketzer, Verteidigungsminister Boris Pistorius und der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew – Foto KNDS)
@Labacco
Zitat:“Alles was die deutsche Heeresrüstungsindustrie aktuell produziert, ob Gerät oder Munition, geht direkt in die Ukraine…“
Den einzigen Lichtblick, den ich darin sehe, ist, dass wir nun life erleben, was gerade die neuen Waffensysteme unter realen Gefechtsbedingungen und den Belastungen eines Abutzungskrieges taugen. Das ist vielleicht ganz gut, bevor wir uns wieder den Hof mit teurem Schrott vollstellen.
Für alles weitere werden wir viel Zeit haben. Denn so wie dieser Krieg läuft, wird immer deutlicher, dass die russische Armee für die NATO keine Bedrohung darstellt. Viel Zeit werden wir auch brauchen, denn was uns letztendlich für eine schnelle Modernisierung der Bundeswehr fehlt, dass ist das Geld.
Jedenfalls solange die ihre Führungs- und Kommandokultur nicht anpassen. Wenn das irgendwann mal passieren sollte, wird’s schwierig.
Und: Russland wird alles versuchen, um rüstungsmäßig „vor den Westen“ zu kommen. Nicht qualitativ/technisch. Der Zug ist praktisch bis auf einige wenige Bereiche abgefahren, aber in bewährter Kategorie Masse/Material. Ich hoffe sehr, dass aufgrund der modernen Kommunikationstechnologien die hermetische Indoktrination der Bevölkerung in Russland ausreichend durchbrochen bleibt, dass es dem Regime dort nicht gelingen wird, die Massen nachhaltig zu fanatisieren und auf einen russischen Endsieg einzuschwören. Das klappt ja offenbar nicht mal bei Kims Mietkriegern in Russland. Sobald die eine warme Mahlzeit und (relativ) ungefilterten Zugang zum Internet, einschließlich der bourgeoisen Dekadenz (lies: Pornos) bekommen, ziehen sie sich fast zwanghaft am Zipfel und freuen sich über das merkwürdige Gefühl, einmal satt zu sein.
Das Problem ist aber auch das in DE die Manufaktur in guter Handwerksqualität ausgeführt wird.
D.h. die Wannen werden schön von Hand verschweißt etc, bei den neuen AMPVs von BAE für das US Militär werden diese im 3D-Druck (SLM) erstellt. D.h. Wenn ich skalieren will brauche ich eine neue SLM Anlage, und muss nicht Passende Vorrichtungen etc anfertigen und gut qualifizierte Mitarbeiter gewinnen/ausbilden. und der SLM Anlage ist es egal welche Variante oder Fahrzeug hinten rausfällt solange es in den Baubereich passt.
@Metallkopf
Zitat:“Und: Russland wird alles versuchen, um rüstungsmäßig „vor den Westen“ zu kommen. Nicht qualitativ/technisch.“
Hmmm. So allgemein würde ich der Aussage nicht zustimmen. Die russische Armee hat bewiesen, dass es durchaus Bereiche gibt, in denen sie nicht nur zur NATO aufgeschlossen, sondern diese auch übertroffen hat. Als Beispiel nehme man die Hyperschallraketen, die Nutzung von Drohnen, die elektronischen Gegenmaßnahmen und die Gefechtsführung unter den Bedingunen eines gläsernen Schlachtfeldes.
Allein die Tatsache, dass es ihnen gelungen ist unsere hochpräzisen Artilleriesysteme in ihrer Treffgenauigkeit nahezu auf WKII Niveau zu degradieren, hat bewiesen, dass wir deren Können nicht unterschätzen dürfen.
Gerade dieser Krieg sollte auch bewiesen haben, dass Quantität bei Kampfmitteln und Truppen tatsächlich eine Qualität für sich ist.
Was das „vor den Westen“ kommen anbetrifft, stimme ich ihnen zu, das sie das versuchen werden, aber selbst dann wird die russische Armee keine Bedrohung für die NATO darstellen. Das Problem für Russland wird dabei weniger die Rüstung darstellen als vielmehr die anderen Rahmenbedingungen.
Ich denke, wir können als gesichert annehmen, dass keine Seite einen nuklearen Schlagabtausch will. Zumindest solange wie es in den USA und in Russland halbwegs rational agierende Führungen gibt.
Gegen einen konventionell geführten Krieg zwischen Russland und der NATO sprechen einmal die finanziellen Belastungen, die für Russland viel höher ausfallen werden als dieser Krieg in der Ukraine und zum anderen der sehr viel größere Bedarf an Soldaten.
Die finanziellen Belastungen werden steigen weil bei einem Krieg gegen die NATO sich der aktuelle Grad an Einkreisung Russlands ernsthaft bemerkbar machen wird. Russische Handelsschiffe, bzw. Handelsschiffe anderer Nationen, die jetzt noch ungehindert die internationalen Schiffahrtsstrassen durch das Schwarze Meer, Ost- und Nordsee, den Nordatlantik und Nordpazifik nutzen können., werden das nach Ausbruch eines solchen Konflikts nicht mehr können. Eine totale Seeblockade und Angriffe auf Industrieanlagen und zivile Infrastruktur (das Schienennetz) in Russland werden die Wirtschaft und damit die Produktion von Waffen und Munition zusammenbrechen lassen. Lieferungen aus Nordkorea, dem Iran und China auf dem Landweg werden das allein nicht ausgleichen können.
Wir sehen selbst, wie enorm hoch der Bedarf allein an Drohnen, Raketen und Artilleriegranaten in so einem Krieg ist. Selbst wenn es den Russen gelingen würde die für einen lang andauernden Konflikt nötigen Lagerbestände anzuhäufen, dann müssten sie sie auch an sicheren Orten lagern können. Im Zeitalter von gläsernen Territorien mit Echtzeitaufklärung, wird das schwierig.
Aktuell wird GLONASS nicht gestört. Im Fall eines Konflikts mit der NATO wird das anders sein. Damit verlieren auch die Russen die Fähigkeit Waffen, wie ihre Gleitbomben, mit der nötigen Präzision einzusetzen.
Wir sehen, aktuell wie langsam dieser Krieg in der Ukraine vorankommt. Das liegt neben dem heroischen Einsatz der ukrainishcen Soldaten, auch daran, dass die russische Armee auch nur begrenzt über Einheiten verfügt, die einen Angriffskrieg führen können. Die große Masse der russischen Armee besteht aus Wehrpflichtigen und die sind, das Beispiel der Kursk-Invasion hat es gezeigt, schon mit der Grenzsicherung überfordert.
Die aktuelle Front in der Ukraine ist um die 1200 km lang und die russische Armee schafft es nicht einen kontinuierlichen Angriffsdruck entlang der gesamten Fronlinie aufrecht zu erhalten. Unter enormem Einsatz an Menschen und Matrial werden immer nur lokal Durchbrüche erzielt und eine Eroberung von Städten bindet Tausende von Soldaten über Monate.
Bei einem Krieg mit der NATO wäre die Frontlinie noch länger. Schaut man sich die Karte an, dann liegt die Frontlinie in der Ukraine an keiner Stelle mehr als 200 km von der Krim bzw. der offiziellen Grenze zwischen der Ukraine und der russischen Föderation weg. Den tiefen Vorstoß aus den ersten Kriegstagen vergessen wir mal, die russische Armee musste sich schließlich fast genauso schnell wieder zurückziehen. Um zu den aktuellen Gebietsgewinnen zu kommen brauchte die russische Armee drei Jahre. Und dass bei einem Gegner, der wirtschaflich vor dem Krieg auf dem Niveau von Marokko lag.
Schon bei einem Angriff allein auf Estland und Lettland hätte die russische Armee es bei rund 500 km Frontlinie mit größeren zu überwindenden Distanzen, bis zur Ostsee, zu tun. Das dortige schwierigere Terrain würde die taktischen und logistischen Problemen noch steigern.
Kaliningrad als russischer Vorposten bietet auch nicht wirklich einen Vorteil. Die Exklave ist zu klein und zu leicht zu isolieren. Nach einem Kriegsausbruch wäre die Exklave von jedem Nachschub abgeschnitten und müsste mit dem klarkommen, was in den Depots eingelagert werden konnte. Das würde aber gerade mal reichen, um ein sofortiges Überrennen der Exklave durch NATO Truppen zu verhindern.
Ähnlich geht es mir mit Szenarien eines russischen Angriffs auf Rumänien oder Polen vom russischen Territorium aus. Selbst wenn die Russen dazu besetztes ukrainisches Territorium als Sprungbrett nutzen könnten, so reden wir über Nachschublinienen von Hunderten von Kilometern um auch nur die Grenzen von NATO Staaten zu erreichen. Kann mir mal jemand von den so überzeugten Kriegsgefahr-Anhängern plausibel erklären, wie die russische Armee die für so einen Angriff erforderlichen Truppen in Stellung bringen und dann versorgen könnte?
Ich sehe aktuell nicht, wie die russische Armee einen solchen Angriff bewerkstelligen sollte. Die russische Armee hat sich ja nicht mal in der Anfangsphase dieses Krieges getraut, eine Invasion z. B. auf Odessa von der Seeseite her durchzuführen. Und nach allen Verlusten, die der russischen Marine durch Drohnen und Seeziel LFK zugefügt wurden, wird sie sich das erst recht nicht trauen. Nicht gegen Luftstreitkräfte, die der russischen Luftwaffe wenigstens ebenbürtig sind. Die geographische Situation verhindert auch einen schnellen Angriff über Land entlang der Küste. Die großen Flußmündungsgebiete müssten da alle umgangen werden. Womit wir wieder bei extrem langen Wegen für Aufmarsch und Logistik wären.
Wer meint, ich liege mit meiner Einschätzung falsch, darf mich gern widerlegen.
Ich bin überzeugt davon, dass unser Land eine Bundeswehr braucht, die ihre Aufgaben erfüllen kann. Ich bin auch davon überzeugt, das unsere Bundeswehr dazu aktuell nur bedingt in der Lage ist und wir diesen Zustand dringend korrigieren müssen. Aber wir brauchen dafür bessere Argumente als den russischen Buhmann. Wir brauchen dazu auch bessere Konzepte dafür, wie eine Bundeswehr aussehen soll, die den Auftrag unter den zukünftig zu erwartenden Bedingunen erfolgreich erfüllen kann.
Zu meiner aktiven Zeit wurde gejuxt, dass die Bundeswehr nur dazu da wäre, einen Feind so lange aufzuhalten, bis eine ordentliche Armee auftaucht und die Verteidigung übernimmt. Verglichen mit heute war unsere Bundeswehr damals eine ordenliche Armee. Ich würde es sehr begrüßen wenn wir da wieder hinkommen würden.
@Ex_Inst: Vielen Dank für den Hinweis auf den 3D-Druck. Das ist in der Tat eine Technologie, die aus meiner Sicht im Rüstungssektor verstärkt Einzug halten wird. Warum?
Ich halte den 3D-Druck für zwar noch nicht wirklich massentauglich im Sinne der Automobil-Produktion aber für die hier diskutierten Produktionsraten reicht es auf jeden Fall.
Richtig gut wird es allerdings erst dann, wenn aufgrund der erhöhten geometrischen Flexibilität auch konstruktive Änderungen in die Produktion einfließen.
Was ist allerdings nicht beurteilen kann, ist wie von der Materialqualität her die militärischen Anforderungen erreicht werden.